Oberlandesgericht Braunschweig
Urt. v. 31.05.1995, Az.: 3 U 151/94

Anspruch auf Schadensersatz bei Abweichung von einer zugesicherten Eigenschaft; Stillschweigende Zusicherung der Gesamtlaufleistung durch Anbringen eines Verkaufschildes am Fahrzeug mit Hinweis auf die Kilometerleistung; Anordnung einer Parteivernehmung

Bibliographie

Gericht
OLG Braunschweig
Datum
31.05.1995
Aktenzeichen
3 U 151/94
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1995, 17645
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGBS:1995:0531.3U151.94.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG ... - 20.07.1995 - AZ: 4 O 118/94

Fundstelle

  • NZV 1996, 146-147 (Volltext mit red. LS)

Prozessführer

Herr ...

Prozessgegner

Autohaus ... Inhaber ...

Sonstige Beteiligte

Herr ...

In dem Rechtsstreit
hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts ...
auf die mündliche Verhandlung
vom 15. Mai 1995
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ...
den Richter am Oberlandesgericht ... und
die Richterin am Oberlandesgericht ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts ... vom 20. Juli 1995 abgeändert. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 12.109,25 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 15. März 1994 zu zahlen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte ist mit 12.109,25 DM beschwert.

Entscheidungsgründe

1

Die zulässige Berufung ist begründet.

2

Dem Kläger steht ein Anspruch auf Schadensersatz aus § 463 BGB zu, weil die als Eigenschaft zugesicherte Laufleistung des verkauften Fahrzeugs erheblich höher war als 132.000 km.

3

Die Berufung macht zu Recht darauf aufmerksam, daß nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (ständige Rechtsprechung seit BGH NJW 1975, 1693) eine stillschweigende Zusicherung der Gesamtlaufleistung vorliegt, wenn an einem an dem Kraftfahrzeug angebrachten Verkaufsschild des Händlers die Kilometerzahl angegeben wird. Unstreitig trug hier das Fahrzeug ein Schild mit der Angabe: 132.000 km. Die daraus abzuleitende Eigenschaftszusicherung ist nicht dadurch relativiert worden, daß im Kaufantragsformular außer dem "Stand des km-Zählers" nur die "Gesamtfahrleistung nach Angaben des Vorbesitzers" mitgeteilt wird. Diese beiden jeweils mit "132.000" ausgefüllten Formularangaben sind kleingedruckt und heben sich nicht von den benachbarten Textzeilen des Formulars (Hersteller, Typ, Fahrzeugart, amtliches Kennzeichen u.a.) ab. Wenn die als Eigenschaftszusicherung zu beurteilende Laufleistung auf einem plakativem Verkaufsschild optisch eindrucksvoll herausgehoben wird, muß die beabsichtigte Zurücknahme oder Einschränkung der Zusicherung nicht minder deutlich gemacht werden. Die im Vertrag vorgenommene Einschränkung durch Bezugnahme auf die "Angaben des Vorbesitzers" reicht nicht aus, wenn der Verkäufer Anlaß für die Annahme hat, daß der Käufer die Angaben über die Laufleistung als Mitteilung der tatsächlichen Laufleistung ansieht. So war es hier.

4

Der Beklagte nimmt nicht in Abrede, daß bei den Verkaufsverhandlungen davon die Rede war, "daß der Kläger und sein Sohn ein Auto suchen würden, das eine Kilometerleistung von um die 130.000 km ausweisen würde". Deshalb hätten sie den - mit 132.000 km ausgeschilderten - Pkw kaufen wollen. Wenn er dem hinzugefügt hat, er könne nicht mehr sagen, ob er den Kläger und seinem Sohn "nochmal ausdrücklich darauf hingewiesen habe, daß die angegebene Kilometerleistung nur auf den Angaben des Vorbesitzers beruht", kann ein solcher Hinweis ausgeschlossen werden. Dann aber muß der Beklagte sich daran festhalten lassen, beim Kläger den Eindruck erweckt zu haben, die Angabe auf dem Verkaufsschild sei die tatsächliche Laufleistung. Einer zusätzlichen Erklärung des Beklagten, daß er als Verkäufer für die Kilometerleistung einstehen wolle, bedurfte es nicht.

5

Abgesehen davon ist die letztere Erklärung des Beklagten als bewiesen anzusehen. Das folgt aus der Aussage des Zeugen ... des Sohnes des Klägers. Diese Aussage kann nicht deshalb infrage gestellt werden, weil sie nicht mit der des Beklagten übereinstimmt. Die Parteivernehmung des Beklagten zur Herstellung der "Waffengleichheit" war unzulässig. Die Parteivernehmung darf nur angeordnet werden, wenn aufgrund einer vorangegangenen Beweisaufnahme oder des sonstigen Verhandlungsinhalts wenigstens eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die zu beweisende Tatsache spricht, so daß bereits "einiger Beweis" erbracht ist (vgl. BGH NJW 1989, 3222, 3223) [BGH 05.07.1989 - VIII ZR 334/88]. Davon konnte hier nicht die Rede sein. Die Anordnung der Parteivernehmung war daher unzulässig mit der Folge, daß die dennoch herbeigeführte Aussage des Beklagten der Entscheidung nicht zugrundegelegt werden darf (BGH, a.a.O.).

6

Tatsächlich hatte der Mercedes bei Vertragsabschluß eine Gesamtfahrleistung von ca. 194.000 km. Das ergibt sich aus den Aussagen der Vorbesitzer des Fahrzeugs, der Zeugen ... und ... sowie des Mitarbeiters der ... des Zeugen ... Die Angabe des Zeugen ... das Fahrzeug habe, bevor er damit ca. 95.000 km gefahren sei, am 28. Oktober 1991 einen Kilometerstand von ca. nur 37.000 km gehabt, kann die Aussagen der Zeugen ... und ... nicht infrage stellen.

7

Der Kläger hat daher Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung gemäß § 463 BGB. Der Beklagte ist seiner Darstellung, der Mercedes habe wegen der um 64.000 km höheren Laufleistung einen Minderwert von 12.000,00 DM, nicht entgegengetreten. Die weiteren 109,25 DM kann der Kläger als Kosten für die Schadensermittlung beanspruchen. Der Kläger hat die Überprüfung des Tachometers vornehmen lassen, nachdem ihm der Hinweis gegeben worden war, daß die Laufleistung des Fahrzeugs nicht stimme.

8

Die Berufung hatte danach in vollem Umfange Erfolg. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Anordnung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. Der Wert der Beschwer wurde festgesetzt gemäß § 546 Abs. 2 ZPO.

Streitwertbeschluss:

Der Beklagte ist mit 12.109,25 DM beschwert.