Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 19.01.2010, Az.: 2 A 124/08
unabweisbarer Grund
Bibliographie
- Gericht
- VG Göttingen
- Datum
- 19.01.2010
- Aktenzeichen
- 2 A 124/08
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2010, 48053
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 7 Abs 2 S 2 BAföG
- § 7 Abs 3 S 1 Nr 2 BAföG
Tatbestand:
Die am xxx geborene Klägerin begehrt vom Beklagten Ausbildungsförderungsleistungen für den Besuch einer zweijährigen Berufsfachschule für Pharmazeutisch Technische Assistenten ab dem Schuljahr 2008/2009.
Im Juni 2006 legte die Klägerin an der Universität E. ihr Erstes Staatsexamen im Studium des Grund-, Haupt- und Realschullehramtes ab. Für dieses Studium hatte sie Ausbildungsförderungsleistungen erhalten. Im November 2006 begann sie an einer Schule in E. ihr Referendariat, das sie im Juli 2007 abbrach.
Am 1. April 2008 beantragte sie beim Beklagten Ausbildungsförderungsleistungen für ihre nunmehr beabsichtigte Ausbildung zur Pharmazeutisch-Technischen-Assistentin. Sie gab an, ihr Referendariat aus gesundheitlichen Gründen aufgegeben zu haben. Zum Beleg dafür legte sie insgesamt drei ärztliche Atteste der sie behandelnden Fachärztin für Psychiatrie, Frau F. G. vom 9. August 2007 sowie 23. April und 5 August 2008 vor. Wegen des genauen Inhalts wird auf die ärztlichen Bescheinigungen verwiesen.
Mit Bescheid vom 9. April 2008 lehnte der Beklagte die Gewährung von Ausbildungsförderungsleistungen an die Klägerin ab. Zur Begründung berief er sich im Wesentlichen darauf, dass die Klägerin ihre erste Ausbildung abgebrochen habe, was eine Förderung der neuen Ausbildung nur ermögliche, wenn der Abbruch aus einem unabweisbaren Grund erfolgte. Dies sei nicht der Fall. Es sei nicht erkennbar, dass die Klägerin keine andere Wahl als den Ausbildungsabbruch gehabt habe.
Hiergegen hat die Klägerin am 8. Mai 2008 Klage erhoben.
Zu deren Begründung wiederholt und vertieft sie ihr Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren. Aufgrund ihrer nachgewiesenen psychischen Erkrankung sei ihr keine andere Wahl geblieben als die Lehrerausbildung abzubrechen.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 9. April 2008 zu verpflichten, ihr für die zweijährige Ausbildung an der Berufsfachschule für Pharmazeutisch-Technische-Assistenten ab dem Schuljahr 2008/2009 Ausbildungsförderungsleistungen in gesetzlicher Höhe zu bewilligen.
Der Beklagte beantragt, dem klägerischen Vorbringen in der Sache entgegentretend,
die Klage abzuweisen.
Das Gericht hat die Klägerin in mündlicher Verhandlung zu den Gründen ihres Ausbildungswechsels informatorisch befragt. Wegen der Einzelheiten ihrer Einlassungen wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie die Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 9. April 2008 ist rechtmäßig und die Klägerin hat einen Anspruch auf Bewilligung von Ausbildungsförderungsleistungen gegen den Beklagten nicht (§ 113 Abs. 5 VwGO).
Allerdings richtet sich der Förderungsanspruch der Klägerin entgegen der Ansicht des Beklagten nicht nach § 7 Abs. 3 BAföG, sondern nach § 7 Abs. 2 BAföG; am Ergebnis ändert dieser Umstand indes nichts.
Die Klägerin hat eine förderungsfähige Ausbildung erfolgreich abgeschlossen, indem sie die Erste Staatsprüfung für das Lehramt an Grund-, Haupt- und Realschulen mit der Gesamtnote 3.3 bestanden hat. Denn bei Ausbildungen, die sich in ein Studium und in einen anschließenden Vorbereitungsdienst und in eine zweite Staatsprüfung gliedern, stellt bereits die erste Staatsprüfung, die den Zugang zum Vorbereitungsdienst eröffnet, einen berufsqualifizierenden Abschluss dar. Da der Vorbereitungsdienst selbst nicht förderungsfähig ist, hat die Klägerin folglich ihre Ausbildung nicht im Sinne von § 7 Abs. 3 BAföG abgebrochen, sondern unternimmt jetzt die zweite Ausbildung im Sinne von § 7 Abs. 2 BAföG.
Die Voraussetzungen für die Förderung dieser Ausbildung nach § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 5 BAföG liegen ersichtlich nicht vor, so dass es Ausführungen hierzu nicht bedarf. Allenfalls nach § 7 Abs. 2 Satz 2 BAföG käme eine Förderung der Ausbildung zur Pharmazeutisch-Technischen-Assistentin in Betracht. Auch dessen Voraussetzungen liegen - aus den vom Beklagten zu § 7 Abs. 3 BAföG herangezogenen Gründen - nicht vor.
Nach dieser Vorschrift wird Ausbildungsförderung für eine einzige weitere Ausbildung nur geleistet, wenn die besonderen Umstände des Einzelfalles, insbesondere das angestrebte Ausbildungsziel, dies erfordern. Diese Voraussetzungen liegen insbesondere dann vor, wenn sich ein Auszubildender eine bereits berufsqualifizierend abgeschlossene Ausbildung nicht mehr zunutze machen kann. Nach Tz. 7.2.23 der BAföG VwV ist das der Fall, wenn ein unabweisbarer Grund im Sinne von § 7 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BAföG der Ausübung des Berufs entgegensteht. Dies ist bei der Klägerin nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung zur Überzeugung des Gerichts nicht der Fall.
Unter einem unabweisbaren Grund versteht die Kammer mit dem Bundesverwaltungsgericht einen Grund, der eine Wahl zwischen Fortsetzung der bisherigen Ausbildung und ihrem Abbruch oder dem Überwechseln in eine andere Fachrichtung nicht zulässt. Nur solche Gründe können berücksichtigt werden, die objektiv und subjektiv zu einem Wegfall der Eignung des Auszubildenden für die künftige Ausübung des bisher angestrebten Berufs und die dahin zielende noch zu absolvierende Ausbildung geführt haben. Das kann im Grundsatz nicht nur bei den vom Beklagten in seinem angefochtenen Bescheid angeführten körperlichen Beeinträchtigungen eines Auszubildenden liegen, sondern seine Ursache auch in unabweisbaren psychischen Beeinträchtigungen finden. Indes begründen die attestierten Beeinträchtigungen der Klägerin eine derartige Ursache nicht, obwohl das Gericht nicht verkennt, dass sich aus ihnen Ansätze für eine Beeinträchtigung ergeben, die die Fortsetzung der Ausbildung zur Lehrerin für die Klägerin objektiv und subjektiv unmöglich gemacht haben. So heißt es im Attest vom 9. August 2007 - allerdings ohne nähere Begründung -, die Klägerin habe ihr Referendariat aus gesundheitlichen Gründen abbrechen müssen und werde aus psychiatrischer Sicht auch in Zukunft nicht in der Lage sein, es fortzusetzen oder abzuschließen. Im Attest vom 23. April 2008 konkretisiert Frau G., die die Klägerin behandelnde Fachärztin für Psychiatrie, die Erkrankung dahin, dass es sich um eine psychische Erkrankung, mit im Vordergrund stehenden Angstsymptomen (ICD-10 Nr.: F 41.2 + G) handele. Diese Erkrankung habe ihr keine Wahl zwischen Fortsetzung und Abbruch des Studiums gelassen. Schließlich ergänzt Frau G. ihre Einschätzung mit Attest vom 5. August 2008 dahin, dass weder die Durchführung einer ambulanten Psychotherapie noch eine kontinuierliche ambulante psychiatrische Behandlung zu einer anhaltenden Stabilisierung beitragen konnten, so dass die Klägerin gezwungen gewesen sei, ihr Referendariat abzubrechen, da bei Fortführung des Referendariats eine erhebliche Chronifizierung und Verfestigung der Erkrankung gedroht habe.
Damit ist jedoch noch nicht die für die Annahme eines unabweisbaren Grundes geforderte “Alles-oder-Nichts“ Situation beschrieben. Zu Recht weist der Beklagte darauf hin, dass sich die Atteste auf die Darstellung von ambulanten Heilungsbemühungen beschränken und stationäre Heilungsversuche offenbar nicht unternommen worden sind. Dies hat die Klägerin bei ihrer informatorischen Anhörung bestätigt und angeführt, ein Heilungserfolg wäre auch völlig offen gewesen. Völlig offen vielleicht, aber nicht von vornherein ausgeschlossen. Das Gericht folgert aus den Einlassungen der Klägerin, dass sie sich einer stationären Behandlung ihrer Angstsymptomatik auch deshalb nicht unterzogen hat, weil sie während des Referendariats feststellen musste, dass der von ihr angestrebte Beruf der Grundschullehrerin doch nicht ihren bisherigen Wünschen und Vorstellungen entsprach. Nur wenn die Erkrankung der Klägerin im Beruf der Lehrerin allein ihre Ursache gehabt hätte und eine Heilung ihrer Symptomatik unter keinem denkbaren therapeutischen Ansatz möglich gewesen wäre, hätte ein unabweisbarer Grund für die Aufgabe ihres Berufes vorgelegen. Dafür geben die von der Klägerin vorgelegten Atteste indes nichts her.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 2 VwGO.