Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 14.10.2008, Az.: 12 U 76/08
Bestehen eines Mehrvergütungsanspruchs des Auftragnehmers aufgrund zwischenzeitlicher Erhöhung der Stahlpreise infolge der Verzögerung eines Vergabeverfahrens duch den Auftraggeber; Rechtliche Bedeutung einer Auftragsbestätigung
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 14.10.2008
- Aktenzeichen
- 12 U 76/08
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2008, 37912
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:2008:1014.12U76.08.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Aurich - 08.01.2008 - AZ: 3 O 1271/06 (317)
- LG Aurich - 20.06.2008 - AZ: 3 O 1271/06 (317)
- nachfolgend
- BGH - 22.07.2010 - AZ: VII ZR 213/08
- BGH - 23.09.2010 - AZ: VII ZR 213/08
- OLG Oldenburg - 25.01.2011 - AZ: 12 U 76/08
- BGH - 10.01.2013 - AZ: VII ZR 37/11
Rechtsgrundlagen
- § 150 Abs. 2 BGB
- § 154 Abs. 1 S. 1 BGB
- § 2 Nr. 5 VOB/A
- § 24 Nr. 3 VOB/A
- § 28 VOB/A
Fundstellen
- IBR 2008, 711 (Volltext mit red. LS u. Anm.)
- IBR 2009, 9 (Volltext mit red. LS u. Anm.)
In dem Rechtsstreit
...
hat der 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht...,
den Richter am Landgericht ...und
den Richter am Oberlandesgericht ...
auf die mündliche Verhandlung vom 7. Oktober 2008
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Aurich vom 20. Juni 2008 geändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 723.358,35 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 6. Januar 2007 zu zahlen.
Die Widerklage wird abgewiesen.
Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz fallen der Klägerin 1/10 und der Beklagten 9/10 zur Last. Die Kosten der Berufungsinstanz trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Beide Parteien können die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Gläubigerin vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
I.
Die Klägerin begehrt von der Beklagten eine Mehrvergütung wegen einer Erhöhung der Stahlpreise infolge der Verzögerung eines Vergabeverfahrens. Die Beklagte verlangt widerklagend die Rückzahlung eines bereits gezahlten Mehrvergütungsbetrages.
Die Beklagte schrieb am 3./7. November 2003 im Offenen Verfahren nach § 3 a Nr. 1 VOB/A die Baumaßnahme "Tiefbauarbeiten am K... im Bereich der Stadtstrecke O..." aus. Die Angebotsfrist sollte am 8. Januar 2004 enden. Als Zuschlagstermin war zunächst der 18. März 2004, als Baubeginn der 1. April 2004 vorgesehen. Durch ein Nachprüfungsverfahren einer anderen Bieterin verzögerte sich die Zuschlagserteilung. Die Beklagte bat daher die Bieter wiederholt um Zuschlags- und Bindefristverlängerungen. Dem stimmte die Klägerin zu, allerdings unter wiederholtem Hinweis auf den Inhalt der Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 15. Juli 2002 (VergabeR 2002, 534). Hiernach kann nachträglich zur Leistungszeit und zur Anpassung des Vertrages im Übrigen auf der kalkulatorischen Grundlage des Ausgangsangebots nach den Regeln der VOB/B eine Vereinbarung herbeigeführt werden. Mit Schreiben vom 14. Juni 2004 erteilte die Beklagte schließlich der Klägerin den Auftrag zur Ausführung der Arbeiten und bat zugleich um eine schriftliche Auftragsbestätigung. In der schriftlichen Auftragsbestätigung vom 21. Juni 2004 behielt sich die Klägerin erneut den ihr wegen der Verzögerung "grundsätzlich zustehenden Anspruch auf Anpassung der Leistungszeit und der Vergütung ausdrücklich vor."
Während sich die Parteien in der Folgezeit über einen neuen Bauablaufplan einigten, verhandelte die Klägerin mit ihrer Stahllieferantin, der Fa. A... S... GmbH, die sich hinsichtlich der Preise zunächst nur bis zum 30. April 2004 gebunden hatte, über die neuen Stahlpreise für die einzubauenden Spundbohlen. Mit Schreiben vom 25. Februar 2005 legte die Klägerin der Beklagten sodann wegen der gestiegenen Einkaufspreise ein Nachtragsangebot 1 über 1.228.496,97 EUR vor. Die Beklagte erklärte sich im Schreiben vom 19. Mai 2006 mit Mehrkosten in Höhe von 375.720,00 EUR einverstanden, wobei sie den Preisindex des Statistischen Bundesamtes sowie einen Zuschlag von 21% zugrunde legte. Damit sollten alle Mehrkosten für die Spundbohlenlieferung abgedeckt sein. Dem widersprach die Klägerin mit Schreiben vom 23. Mai 2006.
Mit dem Nachtragsangebot 18 vom 13. März 2006 forderte die Klägerin darüber hinaus Mehrkosten in Höhe von 65.915,48 EUR wegen gestiegener Preise für Spundwandverankerungen. Dieser Nachtrag wurde von der Beklagten nicht beauftragt.
Das Landgericht hat einen Nachforderungsanspruch der Klägerin aus dem Bauvertrag i.V.m. § 2 Nr. 5 VOB/B sowie aus einem Anerkenntnis der Beklagten dem Grunde nach bejaht und deshalb die Widerklage auf Rückzahlung von 375.720,00 EUR abgewiesen. Auf die Klage hat das Landgericht die Beklagte zur Zahlung von 515.787,77 EUR nebst Zinsen verurteilt. Zur Begründung hat das Landgericht unter anderem ausgeführt, der Klägerin stehe hinsichtlich des Nachtragsangebots 1 ein zusätzlicher Betrag von 220,00 EUR pro Tonne zu. Den zusätzlich begehrten Mehrpreis von 46,20 EUR habe die Klägerin nicht ausreichend dargelegt. Hinsichtlich des Nachtragsangebots 18 stehe der Klägerin überhaupt kein Anspruch zu, da sie insoweit beweisfällig geblieben sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf das Urteil des Landgerichts Aurich, berichtigt durch Beschluss vom 20. August 2008, verwiesen. Dagegen richten sich die Berufungen der Parteien.
Die Beklagte meint, das Landgericht sei zu Unrecht von einem Zusatzvergütungsanspruch der Klägerin gemäß § 2 Nr. 5 VOB/B infolge der verzögerten Zuschlagserteilung ausgegangen. Der von der überwiegenden Rechtsprechung zugebilligte Zusatzvergütungsanspruch führe zu einer vergaberechtlich unzulässigen Änderung der Ausschreibung. Unzutreffend seien auch die Ausführungen zur Höhe des zuerkannten Anspruchs. Der Vortrag der Klägerin zur Preissteigerung der Spundbohlen sei bereits unschlüssig, da der kalkulierte Preis von 460,00 EUR je Tonne weder erläutert noch ins Verhältnis zum damaligen Marktpreis gesetzt und für den Zeitpunkt der Zuschlagserteilung kalkuliert worden sei. Die durchschnittliche Erhöhung der Stahlpreise habe nur 21,6% betragen. Entgegen der Annahme des Landgerichts stelle das Schreiben vom 19. Mai 2006 auch kein Anerkenntnis dar.
Die Beklagte beantragt,
unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage insgesamt abzuweisen und auf die Widerklage die Klägerin zur Zahlung von 375.720,00 EUR nebst Zinsen hierauf in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu verurteilen sowie
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landgerichts Aurich abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag von EUR 723.358,35 zuzüglich Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 06.01.2007 zu zahlen und die Widerklage abzuweisen sowie
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Klägerin meint, das Landgericht habe die Klageforderung in Höhe eines Teilbetrages von 207.570,58 EUR zu Unrecht abgewiesen. Hinsichtlich des Nachtrags 1 stehe ihr ein Mehrvergütungsanspruch je Tonne Stahl in Höhe von 266,20 EUR statt des vom Landgericht zuerkannten Betrages von 220,00 EUR zu, da die von ihr ursprünglich kalkulierten Zuschläge für Baustellengemeinkosten (BGK) und Allgemeinen Geschäftskosten (AGK) "fortzuschreiben" seien. Ausweislich des von ihr vorgelegten EFB-Preisblatts seien 21 Prozent Zuschläge, d.h. 46,20 EUR netto je Tonne, auf die Stoffkosten kalkuliert worden. Im Übrigen hätte es eines vorherigen Hinweises gemäߧ 139 ZPO bedurft, wenn dem Landgericht der klägerische Vortrag insoweit unzureichend erschien. Das Landgericht habe weiter zu Unrecht den Mehrvergütungsanspruch aus dem Nachtragsangebot 18 abgewiesen. Der Vortrag hierzu sei nicht nur urkundlich belegt, sondern auch unter Zeugenbeweis gestellt worden. Letzteres habe das Landgericht übersehen.
II.
Die zulässige Berufung der Klägerin hat - im Gegensatz zur Berufung der Beklagten - Erfolg. Der Klägerin steht die (zuletzt) geltend gemachte Mehrvergütungsforderung in vollem Umfang zu.
1)
Der Klägerin steht ein Mehrvergütungsanspruch wegen einer Veränderung der Kalkulationsgrundlagen dem Grunde nach zu. Dabei kann dahinstehen, ob sich dies bereits aus einem Anerkenntnis der Beklagten im Schreiben vom 19. Mai 2006 ergibt.
Das ursprüngliche Angebot der Klägerin ist nicht unverändert Gegenstand der vertraglichen Vereinbarungen der Parteien geworden. Zwar hat die Beklagte im Zuschlagsschreiben vom 14. Juni 2004 formuliert, sie erteile der Klägerin "den Auftrag auf ihr Angebot vom 08.01.2004 zur Ausführung der Tiefbauarbeiten am K.../Stadtstrecke O...." Dies könnte für den Willen sprechen, das Angebot der Klägerin unverändert anzunehmen. Die Auslegung des Schreibens ergibt jedoch, dass die Beklagte hiermit noch nicht die Annahme des Angebots der Klägerin erklärt hat.
Welche rechtliche Bedeutung eine Auftragsbestätigung haben soll, ist eine Frage der Auslegung und jeweils im Einzelfall zu entscheiden (Palandt-Heinrichs, BGB, 67. Aufl. § 147 Rz. 12). Der Verwendung des Begriffs kommt insoweit nur indizielle Bedeutung zu. Fordert ein Partner den anderen zur Hergabe einer Auftragsbestätigung auf, kann dies zum einen dazu dienen, einen schriftlichen Beweis für den bereits zustande gekommenen Vertrag zu schaffen. Es kann aber auch gemeint sein, dass der Auffordernde dem Vertragspartner den endgültigen Vertragsabschluss noch offen halten und ihn hiermit zur Erklärung der Annahme auffordern will.
Hier hat die Beklagte mit ihrem Schreiben vom 14. Juni 2004 ihrerseits ein neues Angebot im Sinne des § 150 Abs. 2 BGB abgegeben. Dies folgt bereits daraus, dass das Schreiben wegen der Verzögerungen durch das Nachprüfungsverfahren neue Ausführungsfristen nennt. Der Baubeginn (technische Bearbeitung, Probebelastungen) ist auf den 15. Juni 2004 festgesetzt worden. Bis zum 29. Juni 2004 sollte die Klägerin der Beklagten einen neuen Bauablaufplan zur Prüfung vorlegen. Außerdem war der Beklagten bekannt, dass die Klägerin den Bitten um Verlängerungen der Zuschlags- und Bindefrist nur unter ausdrücklichem (Preis)Vorbehalt zugestimmt hatte und insofern eine Anpassung des Angebots für erforderlich hielt. Wenn die Beklagte vor diesem Hintergrund "den Auftrag erteilte" und zugleich um eine "schriftliche Auftragsbestätigung" bat, so konnte dies - jedenfalls aus Sicht der Klägerin als Empfängerin der Erklärung - nur bedeuten, dass sie der Klägerin noch die Möglichkeit zu einer Reaktion einräumen wollte. Die Bitte um Auftragsbestätigung diente daher nicht nur zur Sicherung eines schriftlichen Beweises über den Vertragsschluss, sondern sollte ihr das Recht einräumen, die Zustimmung zu den veränderten Vertragsbedingungen zu erklären. Dieses Verständnis ist auch deswegen geboten, weil die Beklagte treuwidrig gehandelt hätte, wenn sie vor dem Hintergrund des zuvor angemeldeten Preisvorbehalts den Zuschlag in der Absicht einer Festschreibung des ursprünglichen Angebots erteilt hätte. Sie wusste, dass wegen der eingetretenen Verzögerungen die dem klägerischen Gebot zugrunde liegenden Preise nicht zu halten waren und dass die Klägerin insoweit einen Vorbehalt erklärt hatte. Andererseits war sie aber in ihrem Schreiben vom 14. Juni 2004 nicht hierauf eingegangen. Es nannte lediglich andere Zeiten zum Bauablauf. Da das Schreiben zu dem anderen, für die Klägerin erheblich bedeutsameren Punkt schwieg, musste die Klägerin dementsprechend die Bitte um eine "schriftliche Auftragsbestätigung" dahin verstehen, dass die Beklagte mit ihrem Schreiben vom 14. Juni 2006 den Vertrag nicht zu den ursprünglichen Angebotsbedingungen zustande bringen, sondern ihr die Möglichkeit einer Gegenreaktion offen halten wollte.
Die Klägerin hat das veränderte Vertragsangebot der Beklagten nicht unverändert angenommen. Sie hat es vielmehr in der Auftragsbestätigung vom 21. Juni 2004 ihrerseits modifiziert, indem sie wegen der Verschiebung der Auftragserteilung (erneut) einen Preisvorbehalt erklärt hat. Ob die Beklagte das hinsichtlich des Preisanpassungsrechts modifizierte Vertragsangebot der Klägerin unverändert angenommen hat, ist allerdings zweifelhaft. Hierfür könnte zumindest sprechen, dass die Beklagte den Preisvorbehalt zunächst stillschweigend entgegengenommen und eine Mehrvergütung jedenfalls in der Auftragserteilung zum Nachtragsangebot 1 sogar akzeptiert hat. Dies kann allerdings auf sich beruhen. Denn selbst wenn man mit der Beklagten der Auffassung sein wollte, dass eine Einigung über ein Preisanpassungsrecht nicht zustande gekommen sein sollte, so war die Beklagte unter Berücksichtigung des vorvertraglichen Vertrauensverhältnisses der Parteien und ihrer auch insoweit geltenden Kooperationspflicht jedenfalls verpflichtet, das hinsichtlich der Vergütung modifizierte Angebot der Klägerin anzunehmen (OLG Hamm BauR 2007, 878, 879[OLG Hamm 05.12.2006 - 24 U 58/05]; KG OLGR 2008, 277, 278 = BauR 2008, 568 Ls; Ingestau/Korbion-Keldungs, VOB, 16. Aufl. § 2 Nr. 5 VOB/B Rz. 58). Im Übrigen stünde ein Einigungsmangel der Parteien über diesen einzelnen Punkt einem wirksamen Vertragsschluss nicht entgegen. Die Auslegungsregel des § 154 Abs. 1 Satz 1 BGB ist nicht anwendbar, da die Parteien den Vertrag trotz der unvollständigen Vertragsabrede tatsächlich durchgeführt haben (BGH NJW 1983, 1727, 1728 [BGH 24.02.1983 - 1 ZR 14/81]).
Gegen diese Lösung nach vertragsrechtlichen Grundsätzen kann nicht eingewandt werden, die Annahme verändernder Angebote im Sinne des § 150 Abs. 2 BGB verstoße gegen das Nachverhandlungsverbot des § 24 Nr. 3 VOB/A. § 24 Nr. 3 VOB/A bezieht sich nur auf die Zeit zwischen dem Eröffnungstermin gemäß § 22 VOB/A und der Erteilung des Zuschlags nach § 28 VOB/A und nicht auf die Zeit nach der Zuschlagserteilung (OLG Hamm BauR 2007, 878, 880[OLG Hamm 05.12.2006 - 24 U 58/05]). Abgesehen hiervon kann ein Verstoß gegen § 24 Nr. 3 VOB/A die vertraglich begründeten Rechte der Klägerin ohnehin nicht berühren. Kommt ein Bauvertrag unter Nichtbeachtung einzelner oder mehrer für den Auftraggeber zwingender Vergabevorschriften zustande, so ist er nicht unwirksam. Es kommen vielmehr nur Schadensersatzansprüche für andere Bieter in Betracht, die durch den Verstoß einen Nachteil erlitten haben (Ingenstau/Korbion/Vygen16. Aufl. Einleitung vor § 1 VOB/A Rdn. 46).
Im Übrigen ergäbe sich selbst dann kein anderes Ergebnis, wenn man einen wirksamen Vertragsschluss auf der Basis der ursprünglichen Ausschreibungsbedingungen annehmen wollte. Auch in diesem Fall stünde der Klägerin aus einer direkten oder zumindest analogen Anwendung des § 2 Nr. 5 VOB/B ein Mehrvergütungsanspruch zu (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 16. Juni 2008 - 21 U 17/08; OLG Jena IBR 2005, 462; BayObLG NZBau 2002, 689 [BayObLG 15.07.2002 - Verg 15/02], KG OLGR 2008, 277, 278 jeweils m.w.N.). Es besteht weitgehende Einigkeit darüber, dass die Verzögerung des Vergabeverfahrens nicht zu Lasten des Bieters gehen darf, der sich im Wettbewerb durchgesetzt hat. Der zwischenzeitliche Zeitverlust und die damit einhergehenden Kostensteigerungen sind deshalb zu seinen Gunsten zu kompensieren. Etwas anderes folgt schließlich auch nicht aus dem von der Beklagten in Bezug genommenen Urteil des OLG Saarbrücken vom 13. Mai 2008 (AZ.: 4 U 500/07). Dabei kann dahinstehen, ob den der Entscheidung zugrunde liegenden rechtlichen Annahmen angesichts der Einwände der Klägerin überhaupt gefolgt werden kann. Die Entscheidung ist auf den vorliegenden Sachverhalt bereits deshalb nicht übertragbar, weil der dortige Ausschreibungsgewinner, anders als die Klägerin im vorliegenden Fall, den Bitten um Fristverlängerungen jeweils vorbehaltlos zugestimmt hat.
2)
Der Klägerin steht ein Vergütungsanspruch in der geltend gemachten Höhe zu. Eine hinsichtlich der Vergütung bestehende Lücke in den vertraglichen Vereinbarungen der Parteien ist dadurch zu schließen, dass der Klägerin das Recht zuzubilligen ist, einen an die Stahlpreiserhöhung angepassten, nach den Grundsätzen des § 2 Nr. 5 VOB/B ermittelten Preis verlangen zu können (OLG Hamm BauR 2007, 878, 881[OLG Hamm 05.12.2006 - 24 U 58/05]). Danach ist eine Vergleichsrechung auf der Grundlage der für den Hauptauftrag maßgebenden, allgemein anerkannten Kalkulationsmethoden anzustellen (BGH BauR 1996, 380, 381; Ingenstau/Korbion-Keldungs a.a.O. § 2 Nr. 5 VOB/B Rz. 33). Maßgebend für die Mehrkostenermittlung ist, wie der Kalkulator die Preise kalkuliert hätte, wenn ihm die Leistungsänderung von Anfang an bekannt gewesen wäre. Der kalkulatorische Ansatz ist deshalb für alle Mehrkosten fortzuschreiben (Ingenstau/Korbion-Keldungs a.a.O. § 2 Nr. 5 VOB/B Rz. 34). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ergibt sich folgende Berechnung:
a)
Der Klägerin steht ein Mehrvergütungsanspruch für Stahlspundbohlen aus dem Nachtrag 1 in Höhe von 266,20 EUR für 3.345,821 Tonnen, somit insgesamt 890.657,65 EUR netto zu.
Die Klägerin hatte ausweislich der von ihr vorgelegten Unterlagen in ihre Urkalkulation einen Einkaufspreis für die Spundbohlen in Höhe von 460,00 EUR je Tonne eingestellt. Durch die Auftragsbestätigung der A... S... GmbH sowie die Rechnungen vom 24. September 2004 und 5. November 2004 ist eine Preissteigerung auf 680,00 EUR je Tonne nachgewiesen. Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin in Absprache mit der Lieferantin überhöhte Rechnungen vorgelegt und damit einen Betrugsversuch zu Lasten der Beklagten unternommen haben könnte, liegen nicht vor. Der Senat sieht deshalb keinen Anlass, den substanzlosen Andeutungen der Beklagten nachzugehen. Ob die Klägerin die vorgelegten Rechnungen ihrer Lieferanten bezahlt hat, ist für den geltend gemachten Anspruch unerheblich.
Zu dem Differenzbetrag von 220,00 EUR kommen weitere 46,20 EUR je Tonne für kalkulatorische Zuschläge hinzu. Auch die von der Klägerin im Formblatt "EFB Preis" kalkulierten Zuschläge für Baustellengemeinkosten in Höhe von 10% sowie Allgemeine Geschäftskosten in Höhe von 11% waren "fortzuschreiben" und in die Nachtragspreisbildung einzurechnen (Ingenstau/Korbion-Keldungs a.a.O. Rz. 36). Der Zuschlag von insgesamt 21% auf die Mehrkosten in Höhe von 220,00 EUR je Tonne ergibt einen Betrag von 46,20 EUR je Tonne, so dass insoweit von Mehrkosten in Höhe von 266,20 EUR je Tonne auszugehen ist. Die Höhe der Zuschläge ist zwischen den Parteien unstreitig. Auch die Beklagte legt ihrer "Neuberechnung Nachtrag Stahlpreiserhöhung" ausweislich ihres Schreibens vom 19. Mai 2006 einen Zuschlag in Höhe von 21% zugrunde.
Eine verspätete Angebotseinholung kann der Klägerin nicht vorgeworfen werden. Das Landgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass die Klägerin wegen der Verzögerungen zunächst einen neuen Bauablaufplan zu erstellen hatte, den sie mit Schreiben vom 1. Juli 2004 vorlegte. Sie ist danach umgehend tätig geworden.
b)
Der Klägerin steht darüber hinaus wegen stahlpreisbedingt erhöhter Beschaffungskosten für die Spundwandverankerungen ein Mehrvergütungsanspruch aus dem Nachtrag 18 in Höhe von 56.823,69 EUR netto zu.
Aus dem Schreiben ihrer Nachunternehmerin, der Fa. S... Spezialtiefbau GmbH, ergibt sich eine Preiserhöhung von 49.198,00 EUR. Kostensteigerungen in dieser Höhe sind belegt durch die Angebote der Stahllieferantin der Nachunternehmerin, der Fa. S...-D... GmbH, vom 3. Mai 2004 und 13. August 2004. Hinzu kommen ausweislich des von der Klägerin vorgelegten Preisblatts kalkulierte Zuschläge für Nachunternehmerleistungen in Höhe von 15,5%, d.h. in Höhe von 7.625,69 EUR. Daraus errechnet sich insgesamt ein Nachforderungsanspruch in Höhe von 56.823,69 EUR netto, entsprechend 65.915,49 EUR brutto.
Nach alledem steht der Klägerin aus den Nachträgen 1 und 18 noch eine Nachforderung in Höhe von netto 947.481,34 EUR (= 890.657,65 EUR + 56.823,69 EUR) zu. Da von dem Bruttobetrag in Höhe von 1.099.078.35 EUR die von der Beklagten gezahlten 375.720,00 EUR abzuziehen waren, ergab sich eine Restforderung der Klägerin in Höhe von 723.358,35 EUR. Dementsprechend war die Widerklage abzuweisen.
Die Zinsforderung folgt aus §§ 288 Abs. 2, 291 BGB.
III.
Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 269 Abs. 3, 708 Nr. 10, 711 ZPO. Gründe, die Revision zuzulassen, bestehen nicht. Die tragende Erwägung der Entscheidung beruht auf der Anwendung allgemeinen
Vertragsrechts. Die Voraussetzungen von § 543 Abs. 2 ZPO liegen daher nicht vor.
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