Verwaltungsgericht Oldenburg
Beschl. v. 10.02.2000, Az.: 5 B 467/00

Rechtmäßigkeit eines zweiwöchigen Ausschlusses einer Schülerin vom Unterricht

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
10.02.2000
Aktenzeichen
5 B 467/00
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2000, 32191
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGOLDBG:2000:0210.5B467.00.0A

Fundstellen

  • SchuR 2003, 21 (Volltext)
  • SchuR 2002, 39-40

Das Verwaltungsgericht Oldenburg - 5. Kammer - hat
am 10. Februar 2000
beschlossen:

Tenor:

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt. Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens.

Gründe

1

Die Antragsteller begehren die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung eines - noch beabsichtigten - Widerspruchs gegen den zweiwöchigen Ausschluss ihrer Tochter vom Unterricht, der aufgrund des Beschlusses der Klassenkonferenz der Antragsgegnerin vom 02. Februar 2000 unter Androhung der sofortigen Vollziehung durch Bescheid vom 04. Februar 2000 verfügt wurde.

2

Der nach § 80 Abs. 5 VwGO zu beurteilende Antrag bleibt ohne Erfolg, weil der angefochtene Bescheid voraussichtlich rechtmäßig ist. Nach § 61 Abs. 2 NSchG sind Ordnungsmaßnahmen zulässig, wenn Schüler ihre Pflichten grob verletzen, insbesondere gegen rechtliche Bestimmungen verstoßen, den Unterricht nachhaltig stören, die von ihnen geforderten Leistungen verweigern oder dem Unterricht unentschuldigt fern bleiben. Der - hier für zwei Wochen ausgesprochene - Ausschluss vom Unterricht (§ 61 Abs. 3 Nr. 4 NSchG) setzt nach Abs. 4 dieser Vorschrift voraus, dass der Schüler durch den Schulbesuch die Sicherheit von Menschen ernstlich gefährdet oder den Unterricht nachhaltig und schwer beeinträchtigt hat.

3

Diese Voraussetzungen sind hier offensichtlich erfüllt.

4

Die Tochter der Antragsteller ist, was von ihnen auch gar nicht bestritten wird, in der Vergangenheit wegen ihres Verhaltens vielfach gerügt worden; u.a. wurde sie von der Teilnahme an einer Klassenfahrt und häufig für ein oder mehrere Stunden vom Unterricht ausgeschlossen. Diese Erziehungsmittel (vgl. § 61 Abs. 1 NSchG) wurden angewandt, weil die Tochter der Antragsteller über Monate hinweg wegen Störung des Unterrichts, Beleidigung von Lehrern und Mitschülern, provozierendem Auftreten gegenüber Lehrern und Mitschülern, verbotenem Rauchen, unentschuldigtem verspäteten Erscheinens zum Unterricht und aggressivem Verhalten gegenüber Mitschülern und Lehrern an die Einhaltung ihrer Pflichten gemahnt werden sollte und um eine Verhaltensänderung zu bewirken. Die Tochter der Antragsteller hat mit diesem - von ihnen ausdrücklich nicht bestrittenen -Verhalten den Unterricht nachhaltig und schwer beeinträchtigt. Eine "Doppelbestrafung", wie sie die Antragsteller in der streitigen Ordnungsmaßnahme sehen, liegt hier schon deshalb nicht vor, weil die Klassenkonferenz der Antragsgegnerin nicht dieses Verhalten, sondern den Vorfall vom 18./19. Januar dieses Jahres zum Anlass genommen hat, die Ordnungsmaßnahme auszusprechen. Nach den vorliegenden Unterlagen hat die Tochter der Antragsteller an diesen Tagen (zum Teil gemeinsam mit anderen) eine Mitschülerin umgeschubst, sie mehrfach geschlagen und wiederholt bedroht, mit dem Kopf gegen die Wand gestoßen und sie unter Androhung von Schlägen aufgefordert, Geld mitzubringen. Die erkennende Kammer sieht keine Veranlassung, diese Angaben der Klassenlehrerin in Zweifel zu ziehen, zumal diese sich auf mehrere Zeugenaussagen von Schülern und Lehrern stützen.

5

Darauf, dass die Antragsteller bestreiten, ihre Tochter habe eine Mitschülerin getreten, kommt es nicht entscheidend an, weil bereits die von ihnen ausdrücklich bestätigte Bedrohung einer Mitschülerin die streitige Ordnungsmaßnahme rechtfertigt. Eine ernstliche Gefährdung der Sicherheit von Menschen (§ 61 Abs. 4 Satz 1 NSchG) schützt nämlich nicht nur die körperliche Integrität, sondern auch die seelische Unversehrtheit (vgl. Galas u.a. NSchG, 3. Auflage, § 61 Rdnr. 5). Dass diese angesichts der mehrfachen Bedrohung der Mitschülerin ernstlich gefährdet wurde, liegt auf der Hand. Die Verhältnismäßigkeit ist angesichts der Schwere und Dauerhaftigkeit der Verfehlungen der Tochter der Antragsteller gewahrt.

6

Soweit die Antragsteller auf den Bildungsanspruch ihrer Tochter abstellen, verkennen sie, dass die Maßnahme zur Wahrung des Schulfriedens und eines ungestörten Unterrichts und damit zur Wahrung des Bildungsanspruchs der Mitschüler erforderlich ist.

7

Die Schulordnungsmaßnahme ist - entgegen der Ansicht der Antragsteller - auch formell ordnungsgemäß zustande gekommen. Insbesondere wurde sie von der nach § 61 Abs. 5 NSchG zuständigen Klassenkonferenz unter Vorsitz des Schulleiters ausgesprochen. Die Antragsteller rügen insoweit ohne Erfolg, dass an der Konferenz auch nicht stimmberechtigte Personen teilgenommen hätten. Ausweislich des Protokolls haben neben den Mitgliedern der Klassenkonferenz weitere Lehrkräfte, betroffene Schüler und deren Eltern sowie der Beratungslehrer an der Konferenz teilgenommen. Es ist aber rechtlich nicht zu beanstanden, dass neben den Mitgliedern der Klassenkonferenz anderen, an der Sache beteiligten Personen, wie Zeugen und Opfern von Übergriffen und - wenn diese minderjährig sind deren Eltern - an der Klassenkonferenz teilnehmen und mitwirken (vgl. Seyderhelm/Nagel/Brockmann, Kommentar zum NSchG, § 61 Rdnr. 8.3). Gründe für die Annahme, an der Abstimmung hätten - entgegen der Darstellung des Schulleiters - andere als die Mitglieder der Klassenkonferenz teilgenommen, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Die Antragstellerin zu 2) war gemeinsam mit ihrer Tochter in der Klassenkonferenz anwesend. Ausweislich des Protokolls wurde das Verhalten der Tochter der Antragsteller von der Klassenlehrerin detailliert und unter Angabe des jeweiligen Datums dargestellt. Die Antragstellerin zu 2) und ihre Tochter erhielten sodann Gelegenheit zur Äußerung, die sie allerdings nicht wahrnahmen. Die Antragstellerin zu 2) äußerte lediglich, ihre Tochter habe den Wunsch, die Klasse zu wechseln. Dass die Antragstellerin zu 2) und ihre Tochter vor der Beratung und Abstimmung den Raum verlassen mussten, begegnet ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken. Ihnen wurde gemäß § 61 Abs. 6 NSchG die Gelegenheit zur Äußerung gegeben, ein weitergehendes Anwesenheitsrecht ergibt sich daraus nicht. Soweit die Antragsteller die Äußerung einer Lehrkraft gegenüber ihrer Tochter rügen, verkennen sie, dass diese nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist und ein Zusammenhang mit der Bedrohung einer Mitschülerin nicht ersichtlich ist.

8

Schließlich lässt der angefochtene Bescheid vom 04. Februar 2000 (noch) hinreichend erkennen, von welchen Erwägungen sich die Klassenkonferenz hat leiten lassen und was sie veranlasst hat, die sofortige Vollziehung anzuordnen. Die Begründung trägt diese Anordnung auch inhaltlich, denn zum Schutze der Mitschüler ist die Maßnahme dringlich.

9

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Schelzig
Keiser
Dr. Hoffmeyer