Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 09.09.2005, Az.: 1 W 68/05

Neufassung eines Beweisbeschlusses in einem selbstständigen Beweissicherungsverfahren; Hinreichender Bezug des Beweisthemas zu einem möglichen Rechtsstreit

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
09.09.2005
Aktenzeichen
1 W 68/05
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2005, 30511
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:2005:0909.1W68.05.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Aurich - 21.07.2005 - AZ: 4 OH 22/05

Fundstellen

  • DAR 2005, 685-686 (Volltext mit red. LS u. Anm.)
  • OLGReport Gerichtsort 2006, 337-338

Amtlicher Leitsatz

Zu den zulässigen Beweisthemen und Grenzen der Beweiserhebung im selbstständigen Beweisverfahren.

Der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg hat
durch
den Richter am Oberlandesgericht ... als Einzelrichter
am 9. September 2005
beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des Landgerichts Aurich vom 21.7.05 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsteller.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf bis 10.000 EUR festgesetzt.

Gründe

1

I.

Der Antragsteller betreibt wegen möglicher Mängel an seinem bei der Antragsgegnerin erworbenen Pkw ein selbstständiges Beweisverfahren. Nach Erlass eines entsprechenden Beweisbeschlusses, der wegen angeblich vom Antragsteller festgestellter zwischenzeitlicher Änderungen im Fahrverhalten und in den Fahrgeräuschen seines Fahrzeugs nicht mehr ausgeführt werden soll, begehrt der Antragsteller nunmehr den Erlass eines neuen Beweisbeschlusses mit anderen, teilweise modifizierten Beweisfragen. Das Landgericht hat dem durch Beweisbeschluss vom 21.7.2005 überwiegend entsprochen, den Antrag aber hinsichtlich zweier Beweisfragen zurückgewiesen, weil ein Zusammenhang mit etwaigen Mängeln des Fahrzeugs des Antragstellers weder vorgetragen noch ersichtlich sei. Es handelt sich dabei um die folgenden zwei Beweisfragen:

  • Gibt es technische Möglichkeiten, den Diesel-Partikelfilter so herzustellen, dass dieser zu keiner Zeit Einfluss auf das Fahrverhalten des Fahrzeugs im Kaltzustand hat?
  • Haben insbesondere Hersteller höherwertiger Fahrzeuge, die mit dem Fahrzeug des Antragstellers zu vergleichen sind, Diesel-Partikelfilter in ihren Fahrzeugen installiert, die zu keiner Zeit zu Abweichungen im Fahrverhalten beziehungsweise zu weitaus geringeren Abweichungen im Fahrverhalten der Fahrzeuge gegenüber Fahrzeugen ohne Diesel-Partikelfilter im Kaltzustand führen?

2

Gegen die Zurückweisung der beiden Beweisfragen wendet sich der Antragsteller mit der sofortigen Beschwerde. Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen.

3

II.

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers ist nach § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO zulässig, in der Sache aber nicht begründet.

4

Das Landgericht hat zu Recht für die Neufassung des Beweisbeschlusses eine Beweisaufnahme zu den genannten Beweisfragen abgelehnt, weil nicht ersichtlich ist, dass sie zu den zulässigen Gegenständen einer Beweiserhebung im selbständigen Beweissicherungsverfahren gehören.

5

Das selbständige Beweisverfahren dient nicht dazu, abstrakte Fragen zu beantworten, die allgemein von technischem Interesse sind, vielmehr sind nur solche Beweisthemen zuzulassen, die einen hinreichenden Bezug zu einem möglichen Rechtsstreit der Parteien haben und zu den nach § 485 Abs. 2 beschriebenen zulässigen Gegenständen des selbständigen Beweisverfahrens gehören. Auch wenn die gerichtliche Praxis bei der Zulässigkeit der Beweisfragen regelmäßig großzügig ist (dies wohl zu Recht), so müssen jedenfalls die vom Gesetz abgesteckten Grenzen möglicher Beweisthemen beachtet und eingehalten werden. Hier ist nicht ersichtlich, dass die beiden Beweisfragen in diesem durch das Gesetz festgelegten Gegenstandsbereich zulässiger Beweiserhebung liegen.

6

§ 485 Abs. 2 Nr. 1. lässt Feststellungen zum Zustand einer (konkreten) Person oder Sache oder zum Wert einer Sache zu, wobei nach wohl zwischenzeitlich gesicherter Rechtsprechung auch ein in der Vergangenheit liegender Zustand einer Sache zulässiger Gegenstand der Beweiserhebung sein kann. Um die Feststellung des Zustandes einer konkreten Sache, insbesondere des technischen Zustandes des bei der Antragsgegnerin gekauften Fahrzeugs des Antragstellers, geht es bei den beiden oben genannten Beweisfragen jedoch nicht.

7

§ 485 Abs. 2 Nr. 2 ZPO nennt die Ursachen eines Personenschadens, Sachschadens oder eines Sachmangels als Gegenstände einer möglichen Beweisaufnahme. Auch um die Ermittlung der Ursachen eines bestimmten Sachmangel - woran hier noch am ehesten gedacht werden könnte - geht es bei den oben genannten Fragen nicht.

8

§ 485 Abs. 2 Nr. 3 ZPO betrifft schließlich Feststellungen zum Aufwand für die Beseitigung eines Personenschadens, Sachschadens oder Sachmangels. Um Fragen der Höhe des Schadens oder des Mangelbeseitigungsaufwandes geht es ebenfalls nicht.

9

Die oben genannten Beweisfragen sind nach alledem nicht dem durch das Gesetz abgesteckten Gegenstandsbereich einer Beweisaufnahme im selbständigen Beweisverfahren zuzuordnen.

10

Bei der ersten der zurückgewiesenen Beweisfragen geht es - losgelöst von einer konkreten Sache bzw. einem konkreten Fahrzeug - um die allgemeine Frage nach technischen Möglichkeiten, Diesel-Partikelfilter herzustellen, die bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Dass dies unter Berücksichtigung des weltweiten technischen Wissens der heutigen Zeit und bei unbegrenzten Mitteln und unbegrenztem Aufwand irgendwie möglich sein wird, mag sein und dürfte sogar nahe liegen. Dies hat jedoch keinerlei Erkenntniswert im Hinblick auf einen möglichen Mangel des Fahrzeugs des Antragstellers.

11

Die zweite der zurückgewiesenen Fragen ist allerdings konkreter angelegt. Es geht um bestimmte Eigenschaften der Dieselpartikelfilter bei möglichen Konkurrenzprodukten zum Fahrzeug der Antragsgegnerin und das daraus sich ergebende Fahrverhalten dieser Fahrzeuge der Konkurrenz. Dies hat zumindest bei dem hier angestrebten weitgehenden und allgemein gefassten Produktvergleich keinen hinreichenden Bezug zu eventuellen konkreten Mängeln des vom Antragsteller gefahrenen Fahrzeugs, deren Feststellung § 485 Abs. 2 Nr. 1, 2 ZPO ermöglichen will.

12

Nach alledem hat das Landgericht die beiden Beweisfragen zu Recht zurückgewiesen.

13

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers kann danach keinen Erfolg haben.

14

Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Streitwertbeschluss:

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf bis 10.000 EUR festgesetzt.

Die Festsetzung des Streitwerts des Beschwerdeverfahrens § 48 Abs.1 GKG, 3 ZPO.