Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 21.09.2005, Az.: 5 W 67/05
Streit über die Rechtswirksamkeit von Beschlüssen einer Eigentümerversammlung; Verstoß gegen die Grundsätze einer ordnungsgemäßen Verwaltung; Voraussetzungen einer ordunngsgemäßen Verwaltung; Rechtmäßigkeit eines Beschlusses der Wohnungseigentümergemeinschaft zur rechtlichen Prüfung möglicher Schadensersatzansprüche gegen einen früheren Verwalter; Anforderungen an einen ordnungsgemäßen Beschluss über den Jahresabschluss; Kriterien für einen wirksamen Beschluss zum Gesamtwirtschaftsplan und Einzelwirtschaftsplan 2004
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 21.09.2005
- Aktenzeichen
- 5 W 67/05
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2005, 35864
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:2005:0921.5W67.05.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Aurich - AZ: 4 T 389/04
- AG Emden - AZ: 5a II 93/03
Rechtsgrundlagen
- § 21 Abs. 3 WEG
- § 28 Abs. 5 WEG
Fundstellen
- NJW-Spezial 2005, 534 (Volltext mit amtl. LS)
- NZM 2006, 27 (red. Leitsatz)
- OLGReport Gerichtsort 2006, 704
- ZMR 2006, 72-73
- ZMR 2005, 72-73 (Volltext mit red. LS)
In der Wohnungseigentumssache
hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ...,
den Richter am Oberlandesgericht ...und
den Richter am Oberlandesgericht ...
am 21. September 2005
beschlossen:
Tenor:
Die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 7) gegen den Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Aurich vom 24. März 2005 wird zurückgewiesen.
Die Gerichtskosten und die notwendigen außergerichtlichen Kosten der übrigen Beteiligten werden der Beteiligten zu 7) auferlegt.
Der Gegenstandswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 253.000,- EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Mit Beschluss vom 15. Juli 2004 (Bd. III Bl. 1085 d.A.) erklärte das Amtsgericht Emden die Beschlüsse der Eigentümerversammlung vom 29. November 2003 zu TOP 5, 8, 18, 19 und 20 für ungültig. Gegen den Beschluss richtete sich (auch) die sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 7). Mit Beschluss vom 24. März 2005 (Bd. V Bl. 65 d.A.) wies die 4. Zivilkammer des Landgerichts Aurich die sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 7) zurück.
Dagegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 7) vom 14. April 2005 (Bd. V Bl. 125 d.A.).
II.
1)
Die sofortige weitere Beschwerde vom 14. April 2005 ist gemäß §§ 45 Abs. 1 WEG, 27, 29 FGG zulässig. Daran ändert nichts, wenn - wie vom Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 1), 2) und 3) vorgetragen - zwischenzeitlich sämtliche Mandatsverhältnisse zwischen der Wohnungseigentümergemeinschaft und der Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 7), Rechtsanwältin..., gekündigt wurden und dass die Beteiligte zu 7) im Wege der einstweiligen Anordnung als WEG-Verwalterin abberufen und durch einen Notverwalter ersetzt wurde. Rechtsanwältin ...vertritt im vorliegenden Verfahren nicht die Wohnungseigentümergemeinschaft, sondern die ehemalige Verwalterin, die - über ihr Kosteninteresse hinaus - ein Interesse an der Wirksamkeit der angegriffenen Beschlüsse der Wohnungseigentümergemeinschaft vom 29. November 2003 hat.
2)
Die sofortige weitere Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Das Amts- und das Landgericht haben die Beschlüsse der Eigentümerversammlung vom 29. November 2003 zu den Tagesordnungspunkten 5, 8, 18, 19 und 20 zu Recht für ungültig erklärt.
a)
Tagesordnungspunkt 5:
Die Beschlussfassung zum Tagesordnungspunkt 5 widerspricht den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Verwaltung gemäß § 21 Abs. 3 WEG. Zwar kann es ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen, den Verwalter zu ermächtigen, gegen den ausgeschiedenen Verwalter - unter Hinzuziehung eines Rechtsanwalts - Schadensersatzansprüche geltend zu machen, sofern der einzuleitende Rechtsstreit nicht offensichtlich unbegründet ist (Bärmann/Pick/Merle-Merle, WEG, 9. Aufl. § 21 Rz. 73; Müller, Praktische Fragen des Wohnungseigentums, 4. Aufl. Rz. 1048). In aller Regel entspricht es dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer nach billigem Ermessen, selbst in zweifelhaften Fällen durch Gerichtsentscheidung klären zu lassen, ob der frühere Verwalter seine Pflichten bei der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums verletzt hat (BayObLG ZMR 1994, 428, 429 = WE 1995, 95).
Erforderlich ist allerdings, dass die Voraussetzungen eines solchen Anspruchs schlüssig dargelegt sind und begründet erscheinen (vgl. OLG Hamm OLGR 2004, 144 (LS)). Hierzu gehört auch, dass der Verwalter den Wohnungseigentümern die zur Vorbereitung der Beschlussfassung erforderlichen Unterlagen zur Verfügung stellt (Weitnauer-Lüke, WEG, 9. Aufl. § 23 Rz. 19).
Im vorliegenden Fall war den Wohnungseigentümern kein ausreichendes Bild für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage eines möglichen Schadensersatzanspruchs gegen den ehemaligen Verwalter vermittelt worden.
Selbst wenn den Wohnungseigentümern - wie von der Beteiligten zu 7) vorgetragen - bei der Beschlussfassung die Zusammenstellung der einzelnen Regressforderungen (Bd. V Bl. 14 d.A.) nebst Einzelrechnungen (Bd. V Bl. 15ff d.A.) vorgelegen haben sollten, ergibt sich keine ausreichende Beurteilungsbasis. Die Beschwerdeführerin weist selbst darauf hin, dass die Schadensersatzansprüche gegen den Verwalter ...bereits Gegenstand der Eigentümerversammlung vom 7. September 2002 waren. Laut Protokoll dieser Eigentümerversammlung betrugen die angeblichen Forderungen "ca. 500.000,- DM = 256.645,- EUR gem. Nachweis des Sachverständigen ...Mit Beschluss zu TOP 4.03 war die Beteiligte zu 7) zur Rückforderung der Beträge bereits bevollmächtigt worden. Die Verwalterin durfte auch "im Namen und für Rechnung der WEG einen Rechtsanwalt einschalten und die Ansprüche gerichtlich durchsetzen" (Bd. V Bl. 31 d.A.). Insoweit bleibt völlig unklar, zu welchen Ergebnissen die frühere Beauftragung führte und wieso es eines weiteren Beschlusses über die Verfolgung einer erheblich geringeren Forderung bedurfte. Die von der Beschwerdeführerin in Bezug genommenen Unterlagen sind jedenfalls so unklar und widersprüchlich, dass von einer ausreichenden Darlegung nicht gesprochen werden kann. Nach alledem kann dahingestellt bleiben, welche Schlüsse daraus gezogen werden können, dass der eingeschaltete Rechtsanwalt ...nach Prüfung der Erfolgsaussichten von der Erhebung einer Klage gegen den vorherigen Verwalter absah.
b)
Tagesordnungspunkt 8:
Aus den gleichen Gründen verstößt auch der Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft zur rechtlichen Prüfung möglicher Schadensersatzansprüche gegen die frühere Verwalterin, die ... Grundstücksverwaltungs GmbH, und die damalige Versicherungsagentur ...Assekuranzmakler GmbH wegen überteuerter Versicherungsbeiträge gegen die Grundsätze ordnungsgemäßer Verwaltung, so dass er für ungültig zu erklären war. Der von der Wohnungseigentümergemeinschaft im Dezember 2000 mit der Prüfung möglicher Schadensersatzansprüche beauftragte und mit 5.314,16 EUR vergütete Sachverständige ...hatte in seinem "Entwurf" zur Vorlage bei der Beiratssitzung vom 14. Juli 2002 (Bd. V Bl. 40 d.A.) einen Gesamtanspruch in Höhe von 169.171,12 DM = 86.495,82 EUR errechnet. In der Eigentümerversammlung vom 7. September 2002 war der "Regress wegen falschen Versicherungsprämien und Verträge" mit 179.564,72 DM beziffert (Bd. V Bl. 28 d.A.) und unter TOP 4.01 der Verwalter "zur Rückforderung der widerrechtlich entnommenen bzw. bezahlten Beträge durch die Fa. ...in einer Gesamthöhe von ca. 500.000,- DM beauftragt worden (Bd. V Bl. 29 d.A.). Da zusätzlich die Fa. ...mit 4.060,- EUR vergütet worden war, waren bereits Kosten in Höhe von 9.374,16 EUR entstanden. Angesichts dieser Ausgaben stimmt der Senat ausdrücklich des Auffassung des Landgerichts zu, dass die zusätzliche Beauftragung eines Rechtsanwalts eine Verschleuderung von Finanzmitteln der Wohnungseigentümergemeinschaft darstellte, bevor nicht die bereits erteilten Prüfaufträge ordnungsgemäß erfüllt waren. Davon kann jedoch angesichts des Entwurfs des Sachverständigen ...nicht die Rede sein. Daran ändern auch die inhaltlichen Unterschiede zwischen den Prüfungsaufträgen zunächst nichts.
Der Senat teilt auch die Auffassung des Landgerichts, dass die Gefahr von Interessenkollisionen offensichtlich war. Immerhin ist die Verfahrensbevollmächtigte die Alleingesellschafterin der Verwalterin und ihr Ehemann, der Sachverständige..., bereits als Vertreter der Verwalterin bei Versammlungen der Wohnungseigentümergemeinschaft aufgetreten.
c)
Tagesordnungspunkt 18:
Das Landgericht hat den Beschluss zu Tagesordnungspunkt 18 zu Recht für ungültig erklärt. Geht es um einen Jahresabschluss nach § 28 Abs. 5 WEG ist jedem Wohnungseigentümer mit der Einladung sowohl die Gesamtabrechnung als auch die jeweilige Einzelabrechnung zuzusenden (Weitnauer-Lüke a.a.O. § 23 Rz. 19). Diese Voraussetzung lag - worauf das Landgericht zutreffend hingewiesen hat - nicht vor. Auch der Senat hat mit Beschluss vom 4. April 2005 (AZ.: 5 W 209/04 = LG Aurich 4 T 302/04 = 5 a II 48/03 Amtsgericht Emden) ausgeführt, dass die in der Eigentümerversammlung vom 29. November 2003 vorliegenden (Einzel)Abrechnungen nicht beschlossen wurden und die auf dem dort beschlossenen Verteilungsschlüssel der Teilungserklärung basierenden (Einzel)Abrechnungen noch nicht vorlagen. Daran ändert nichts, dass der Zeuge ...in der mündlichen Verhandlung vom 27. Mai 2004 (Bd. II Bl. 729 d.A.) bestätigte, auf seinen Namen zwei Abrechnungen mit dem "regulären" und dem abgeänderten Verteilungsschlüssel erhalten zu haben. Der Zeuge ...hat - wie auch der Zeuge ...(Bd. II Bl. 729 d.A.) - bekundet, dass die unterschiedlichen Abrechnungen nur beispielhaft die Veränderung der (Jahres)Abrechnung aufgrund unterschiedlicher Verteilungsschlüssel verdeutlichen sollte. Offensichtlich sind - wie sich aus dem Verfahren des Senats (AZ.: 5 W 209/04) ergibt und vorliegend von den Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 4) vorgetragen - mit der Einladung zur Eigentümerversammlung nur je zwei Muster von vier Einzelabrechnungen nach den beiden unterschiedlichen Verteilungsschlüsseln versandt worden.
d)
Tagesordnungspunkt 19:
Hinsichtlich der Ungültigkeit des Tagesordnungspunktes 19 kann auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts und die obigen Ausführungen zum Tagesordnungspunkt 18 verwiesen werden.
e)
Tagesordnungspunkt 20:
Schließlich hat das Landgericht auch den Beschluss zum Gesamt- und Einzelwirtschaftsplan 2004 zu Recht für ungültig erklärt, da die Verteilung der Lasten und Kosten auf einem inhaltlich nicht hinreichend bestimmten Verteilungsschlüssel beruht. Zwar sind nach Auffassung des Senats die Beschlüsse zu TOP 5.1 und 5.3 nicht zu beanstanden. Der Senat hat sich aber bereits im Beschluss vom 5. April 2005 (AZ.: 5 W 194/04 = 4 T 216/04 Landgericht Aurich = 5 a II 85/03 Amtsgericht Emden) der Auffassung des Landgerichts zur Unwirksamkeit der Beschlüsse zu TOP 5, 5.4, 5.5, 5.6 und 5.7 angeschlossen. Zur näheren Begründung kann auf die weiter zutreffenden Ausführungen des Senats verwiesen werden. Mit der Unwirksamkeit der genannten Tagesordnungspunkte etwa zur hausweisen Abrechnung zuordnungsfähiger Kosten kann auch der darauf basierende Wirtschaftsplan keine Gültigkeit mehr beanspruchen.
III.
Die Nebenentscheidungen stützen sich auf die §§ 47, 48 Abs. 3 WEG. Die Verwalterin hat den Anfall der gerichtlichen Kosten zu vertreten, da sie als professionelle Verwalterin nicht sichergestellt hat, der Eigentümerversammlung hinreichend bestimmte Beschlussvorlagen zu liefern (vgl. Senat a.a.O.; Rau ZMR 1998, 1, 2).
Streitwertbeschluss:
Der Gegenstandswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 253.000,- EUR festgesetzt.