Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 23.05.1995, Az.: 4 A 4415/93

Absolvierung des 1. juristischen Staatsprüfung; Anforderung an die Prüfung; Bewertung der häuslichen Arbeit; Beteiligung von Hochschullehrern bei der Prüfung

Bibliographie

Gericht
VG Göttingen
Datum
23.05.1995
Aktenzeichen
4 A 4415/93
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1995, 17206
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGGOETT:1995:0523.4A4415.93.0A

Verfahrensgegenstand

Streitgegenstand: Anfechtung einer Prüfungsentscheidung (1. juristische Staatsprüfung).

Prozessführer

Frau ...

Redaktioneller Leitsatz

Nach der Rechtsprechung des OVG Lüneburg, ist der Zweck der 1. juristischen Staatsprüfung festzustellen, ob der Prüfling das rechtswissenschaftliche Studienziel erreicht hat und damit für den juristischen Vorbereitungsdienst fachlich geeignet ist. Die Prüfung stellt sich in erster Linie als Erfolgskontrolle der von den Hochschulen geleisteten Ausbildung dar. Durch die Beteiligung von Hochschullehrern soll eine enge Verbindung zwischen Ausbildung und Prüfung hergestellt werden. Hochschullehrer sind in besonderem Maße mit den Lehrmethoden des rechtswissenschaftlichen Studiums vertraut. Sie können eher als Praktiker, die grundsätzlich über keine aktuellen Erfahrungen in der Hoch-Schulausbildung verfügen, aus der Sicht der Hochschulen beurteilen, ob der Prüfling erfolgreich studiert hat und damit fachlich für den Vorbereitungsdienst geeignet ist.

In der Verwaltungsrechtssache
hat die 4. Kammer des Verwaltungsgerichts Göttingen
auf die mündliche Verhandlung vom 23. Mai 1995
durch
die Vizepräsidentin des Verwaltungsgerichts Kaiser,
den Richter am Verwaltungsgericht Dr. Wenderoth und den Richter Dr. Rudolph sowie
den ehrenamtlichen Richter Tapken und die ehrenamtliche Richterin Tolle
für Recht erkannt:

Tenor:

Der Beklagte wird verpflichtet, die von der Klägerin im Rahmen ihrer ersten juristischen Staatsprüfung angefertigte Hausarbeit neu bewerten zu lassen und entsprechend dieser Bewertung der Klägerin ein neues Prüfungszeugnis zu erteilen.

Die entgegenstehende Prüfungsentscheidung vom 22.06.1993 in der Fassung des Zeugnisses vom 24.06.1993 wird aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Die Klägerin bestand am 22.06.1993 die 1. juristische Staatsprüfung mit der Note befriedigend (8,45 Punkte). Hierüber erhielt sie unter dem 24.06.1993 ein Zeugnis. Die im Rahmen der Prüfung gefertigte Hausarbeit wurde von den beiden Beurteilern, zwei Zivilrichtern, übereinstimmend mit 8 Punkten (befriedigend) bewertet.

2

Die Klägerin hat am 28.07.1993 Klage erhoben.

3

In formeller Hinsicht rügt die Klägerin, daß entgegen § 17 Abs. 1 S. 2 NJAO, nicht einer der Prüfer bei der Bewertung der häuslichen Arbeit Professor des Rechts gewesen sei.

4

Darüber hinaus seien die Beurteiler in verschiedenen Punkten von einem falschen Sachverhalt ausgegangen und hätten den ihr zustehenden Antwortspielraum in rechtswidriger Weise mißachtet.

5

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten zu verpflichten, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts ihre häusliche Arbeit erneut zu bewerten und über das Gesamtergebnis ihrer 1. juristischen Staatsprüfung neu zu entscheiden, und die entgegenstehende Prüfungsentscheidung vom 22.06.1993 i.d.F. des Prüfungszeugnisses vom 24.06.1993 aufzuheben.

6

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

7

Er erwidert, er setze im 1. juristischen Staatsexamen zur Korrektur der Hausarbeiten nur dann zwei Praktiker ein, wenn ihm keine Hochschullehrer zur Verfügung stünden. Dies sei bei der Korrektur der Hausarbeit der Klägerin insbesondere infolge eines erheblichen Anstiegs der Zahl der zu korrigierenden Arbeiten gegenüber früheren Jahren der Fall gewesen.

8

Den materiellen Rügen der Klägerin tritt der Beklagte unter Bezugnahme auf die Stellungnahmen der Beurteiler im einzelnen entgegen.

9

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, die beigezogenen Prüfungsakten sowie die Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen. Sie sind Gegenstand der Beratung gewesen.

Gründe

10

Die zulässige Klage ist begründet.

11

Die Prüfungsentscheidung des Beklagten vom 22.06.1993 in der Fassung des Zeugnisses vom 24.06.1993 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

12

Die Prüfungsentscheidung ist verfahrensfehlerhaft ergangen und beruht auf diesem Verfahrensmangel.

13

Zu Recht rügt die Klägerin einen Verstoß gegen § 17 Abs. 1 Satz 2 der für dieses Verfahren anwendbaren Nds. Ausbildungsordnung für Juristen - NJAO - vom 24.07.1985 (Nds. GVBl S. 215) i.d.F. vom 13.04.1992 (Nds. GVBl. S. 99). Nach dieser Vorschrift soll eines der zwei Mitglieder des Landesjustizprüfungsamtes, die gemäß § 17 Abs. 1 S. 1 NJAO die schriftlichen Arbeiten bewerten, nach Möglichkeit ein Professor des Rechts sein.

14

Der Beklagte hat die Hausarbeit der Klägerin unter Verstoß gegen diese Bestimmung von zwei Richtern korrigieren lassen.

15

Ihm ist es nicht gelungen, einen Sachverhalt darzulegen, der eine Ausnahme von der Sollvorschrift des § 17 Abs. 1 Satz 2 NJAO in bezug auf die streitbefangene Hausarbeit rechtfertigt.

16

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urt. v. 08.05.1989 - 7 C 86.88 - KMK-HSchR 1989, 783 (785)) können derartige Sollvorschriften bundesrechtlich dahin ausgelegt werden, daß die Prüfungsbehörde hiervon abweichen kann, wenn sie triftige Gründe für eine Abweichung hat. Hierzu zählt das Anliegen, das Prüfungsverfahren zügig durchzuführen, so daß ein Abweichen von der entsprechenden Sollvorschrift dann zulässig ist, wenn andernfalls die Durchführung einzelner Prüfungstermine oder die Bewertung von Aufsichtsarbeiten zeitweilig nicht möglich wäre (ähnlich: Wassermann/Kirchner/Kröpil, Das Recht der Juristenausbildung, § 17 NJAO Rn. 5).

17

Demgegenüber scheint das OVG Lüneburg einer engeren Auslegung derartiger Sollvorschriften zuzuneigen (vgl. das obiter dictum in dem zu § 81 Abs. 3 NJAO i.d.F. vom 21.01.1982, Nds. GVBl S. 18 - § 58 Abs. 3 NJAO in der zitierten Fassung ergangenen Urteil vom 20.03.1990 (10 L 239/89) - KMK-HSchR/NF 21 C.1 Nr. 1). Danach kann bei der besonderen Bedeutung, die der Beteiligung von Professorenprüfern an der 1. juristischen Staatsprüfung beikommt, eine Verringerung der Zahl dieser Prüfer allenfalls dann in Betracht kommen, wenn andernfalls der gesamte Prüfungsbetrieb ernstlich gefährdet wäre. Vorübergehende Terminschwierigkeiten würden dagegen eine Abweichung noch nicht rechtfertigen.

18

Die Kammer schließt sich für den vorliegenden Fall dieser Ansicht an und stützt sich dabei auf den vom OVG im zitierten Urteil herausgearbeiteten Zweck der 1. juristischen Staatsprüfung, der auch und gerade für den vorliegenden Streitfall von ausschlaggebender Bedeutung ist. So führt das OVG in seiner Entscheidung aus:

"Zweck der 1. juristischen Staatsprüfung ist festzustellen, ob der Prüfling das rechtswissenschaftliche Studienziel erreicht hat und damit für den juristischen Vorbereitungsdienst fachlich geeignet ist (§ 5 S. 1 NJAO, im Streitfall: § 6 Satz 1 NJAO). Die hierfür erforderliche Ausbildung wird durch ein Hochschulstudium der Rechtswissenschaft vermittelt (§ 1 Abs. 1 NJAO). Die Prüfung stellt sich danach in erster Linie als Erfolgskontrolle der von den Hochschulen geleisteten Ausbildung dar. Daraus erhält auch die in § 81 Abs. 3 NJAO (nach der für die Klägerin geltenden Rechtslage, § 58 Abs. 3 NJAO) getroffene Regelung ihre Bedeutung. Durch die Beteiligung von Hochschullehrern soll eine enge Verbindung zwischen Ausbildung und Prüfung hergestellt werden. Hochschullehrer sind in besonderem Maße mit den Lehrinhalten und vor allem auch mit den Lehrmethoden des rechtswissenschaftlichen Studiums vertraut, das sich in der zweistufigen Ausbildung wegen seiner wissenschaftlich-theoretischen Ausrichtung grundlegend von der anschließenden praktischen Ausbildung im Vorbereitungsdienst (§ 37 NJAO bzw. § 30 NJAO in der auf die Prüfung der Klägerin anwendbaren Fassung) unterscheidet. Sie können deshalb eher als Praktiker, die grundsätzlich über keine aktuellen Erfahrungen in der Hoch-Schulausbildung verfügen, aus der Sicht der Hochschulen beurteilen, ob der Prüfling erfolgreich studiert hat und damit fachlich für den Vorbereitungsdienst geeignet ist."

19

Zwar ist der Wortlaut der §§ 17 Abs. 1 S. 2 und 58 Abs. 3 NJAO gegenüber der dem Urteilsfall zugrundeliegenden Rechtslage, mit der Verordnung zur Änderung der NJAO vom 13.04.1992 (Nds. GVBl. S. 99) geändert worden; in der für die Prüfung der Klägerin geltenden Fassung sind nach dem Wort "soll" die Worte "nach Möglichkeit" eingefügt worden. Hierdurch ist inhaltlich jedoch keine Änderung eingetreten.

20

Zunächst ändert diese Einfügung nichts am Sinn und Zweck der 1. juristischen Staatsprüfung, wie er soeben dargelegt wurde und für die Auslegung des § 17 Abs. 1 S. 2 NJAO bedeutsam ist.

21

Zum anderen galt auch vor der Einfügung der Worte "nach Möglichkeit", daß der Einsatz eines Professors des Rechts dann nicht geboten war, wenn er, z.B. infolge fehlender Prüferkapazitäten, nicht möglich war. Der entsprechenden Einfügung kommt daher nur klarstellende Bedeutung zu, ohne daß sie zu einer weitergehenden Einschränkung der Sollvorschrift des § 17 Abs. 1 S. 2 NJAO führt.

22

Es ist dem Beklagten zur Überzeugung der Kammer nicht gelungen, darzulegen, daß ohne den Einsatz von zwei Praktikern bei der Hausarbeitskorrektur andernfalls der gesamte Prüfungsbetrieb ernstlich gefährdet gewesen, bzw. daß ein Einsatz mindestens eines Professors zur Bewertung der Hausarbeit nicht möglich gewesen wäre.

23

Da eine sofortige Dokumentation der der Entscheidung der Beklagten zugrundeliegenden Erwägungen für die Beauftragung zweier Praktiker mit der Korrektur der Hausarbeit der Klägerin wegen des vermeintlich damit verbundenen unverhältnismäßigen Arbeitsaufwandes nicht erfolgte, stützt sich die Kammer bei der Rechtmäßigkeitskontrolle auf die dienstliche Erklärung des zuständigen Referenten vom 16.05.1995 und die Angaben des Prozeßbevollmächtigten des Beklagten in der mündlichen Verhandlung.

24

Die Berechnung, die zu dem Ergebnis kommt, für insgesamt 58 im Prüfungsdurchgang der Klägerin zu begutachtende Hausarbeiten hätten 10 Hochschullehrer zur Verfügung gestanden, ist unzutreffend. Der Beklagte hat die Professoren ... und ... doppelt von der insgesamt zur Verfügung stehenden Zahl von 28 Hochschullehrern für das Zivilrecht und die zivilrechtlichen Nebengebiete, soweit sie zu Prüfern bestellt sind, in Abzug gebracht.

25

Der Beklagte hat weiter für fast alle Wahlfachgebiete des Zivilrechts und seiner Nebengebiete sog. "Prüferpools" gebildet. Diese betreffen die Gebiete Arbeitsrecht, internationales Privatrecht sowie Rechtsgeschichte und Rechtsphilosophie. Der Beklagte begründet diese Praxis damit, die hier eingesetzten Hochschullehrer müßten vorrangig für die Wahlfächer berücksichtigt werden, da Praktiker insoweit nicht die Prüfungskompetenz besäßen. Bei der Poolbildung und den damit verbundenen Abzügen von Prüferkapazitäten für die nicht-pool-gebundenen Hausarbeiten fällt auf, daß der Beklagte vier Hochschullehrer für das Arbeitsrecht berücksichtigt hat, obwohl im Prüfungsdurchgang der Klägerin insgesamt lediglich drei Hausarbeiten aus dem Handels-, Gesellschafts- und Arbeitsrecht vergeben worden sind. Selbst wenn alle Arbeiten aus dem Gebiet des Arbeitsrecht vergeben worden wären, ist zunächst nicht ersichtlich, warum hierfür insgesamt vier Prüfer in Abzug gebracht werden. Weiter hat der Beklagte fünf Hochschullehrer für Hausarbeiten aus dem internationalen Privatrecht und drei Hochschullehrer für solche aus der Rechtsgeschichte und -Philosophie abgezogen, obwohl im Prüfungsdurchgang der Klägerin keine derartigen Hausarbeiten vergeben worden sind. Soweit der Beklagte hierzu ausführt, die entsprechenden Prüfer seien dann im Zeitpunkt des Prüfungsdurchganges der Klägerin noch mit älteren Arbeiten belastet gewesen, ist dies im Nachhinein nicht mehr nachvollziehbar. Selbst wenn dies so sein sollte, muß, insbesondere in Anbetracht der Tatsache, daß im Monat Dezember des Jahres 1992, also zwei Monate nach Ausgabe der klägerischen Hausarbeit, kein Prüfungsdurchgang stattgefunden hat, davon ausgegangen werden, daß spätestens hier ausreichend Professorenprüfer zur Verfügung gestanden hätten. Soweit der Beklagte in diesem Zusammenhang geltend macht, ein entsprechendes Zuwarten mit der Vergabe der Korrekturen der Hausarbeiten sei verfahrensmäßig nicht möglich, vielmehr müßten diejenigen Hausarbeiten, die bei dem Beklagten eingingen, sofort zur Korrektur vergeben werden, wird diese Praxis des Beklagten den Anforderungen des § 17 Abs. 1 Satz 2 NJAO nicht gerecht.

26

Der Kammer ist darüber hinaus kein sachlicher Grund dafür erkennbar, daß der Beklagte für das Wahlfachgebiet Familien- und Erbrecht eine entsprechende Poolbildung nicht vorgenommen hat. Mag die vom Beklagten für die Poolbildung gegebene Begründung, Praktiker besäßen insoweit nicht die Prüfungskompetenz in bezug auf die Fächer internationales Privatrecht, Rechtsgeschichte und -Philosophie nachvollziehbar sein, so ist für die Kammer jedoch nicht ersichtlich, weshalb für das Rechtsgebiet Arbeitsrecht ein entsprechender Pool gebildet wird, für das Rechtsgebiet Familien- und Erbrecht indes nicht. Im Arbeitsrecht dürften ebenso wie im Familien- und Erbrecht ausreichend befähigte Praktikerprüfer zur Verfügung stehen. Die von dem Beklagten insoweit vorgenommene Differenzierung entbehrt daher einer sachlichen Rechtfertigung.

27

Da der Beklagte aus diesen Gründen den seiner Entscheidung, zugrunde liegenden Sachverhalt einerseits nicht zutreffend ermittelt hat und andererseits bei dem Einsatz von Professorenprüfern nicht sachgerecht differenziert hat, ist die von ihm getroffene Ermessensentscheidung im Rahmen des § 17 Abs. 1 Satz 2 NJAO fehlerhaft vorgenommen worden.

28

Für die Annahme eines Ermessensfehlers spricht nach Ansicht der Kammer weiter, daß der Beklagte bei der Bewertung von häuslichen Arbeiten bei der 2. juristischen Staatsprüfung zum Zeitpunkt der Prüfung der Klägerin Professoren eingesetzt hat. Dies ist gerichtsbekannt (z.B. aus dem Verfahren 4 A 4165/93) und vom Vertreter des Beklagten in der mündlichen Verhandlung bestätigt worden. Nach dessen Bekundung werden nur Professoren, die im zweiten Hauptamt als Richter tätig sind, auch im 2. juristischen Staatsexamen eingesetzt. Hierzu besteht in Ansehung der für das 2. juristische Staatsexamen geltenden rechtlichen Vorschriften anders als im 1. Staatsexamen keine gesetzliche Notwendigkeit. Die Kammer hält es wegen der Sollvorschrift des § 17 Abs. 1 Satz 2 NJAO für sachlich zwingend geboten, diese Prüfer zunächst ausschließlich im 1. juristischen Staatsexamen einzusetzen, bevor sie mit der Folge zu Prüfern im 2. juristischen Staatsexamen bestellt werden, daß der genannten Sollvorschrift nicht in jedem Fall genüge getan werden kann. Soweit und solange der Beklagte keine Anstrengungen in dieser Richtung unternommen hat, kann nicht davon ausgegangen werden, daß andernfalls das Prüfungsverfahren im 1. juristischen Staatsexamen ernstlich gefährdet wäre.

29

In Anbetracht des oben beschriebenen Zweckes des 1. juristischen Staatsexamens hält es die Kammer darüber hinaus für erwägenswert, ohne daß es hierauf im Streitfall noch ankäme, vor dem Einsatz von Praktikern an den Einsatz von Professoren aus anderen Fachgebieten, hier dem Strafrecht und öffentlichen Recht, zu denken.

30

Zur Überzeugung der Kammer steht fest, daß der beschriebene Verfahrensfehler, nämlich die Verletzung des § 17 Abs. 1 Satz 2 NJAO, für die angefochtene Prüfungsentscheidung auch erheblich ist. Ein Verfahrensfehler bei der Abnahme einer Prüfung hat grundsätzlich nur dann die Aufhebung der Prüfungsentscheidung zur Folge, wenn sein Einfluß auf das Prüfungsergebnis nicht ausgeschlossen werden kann. So liegt der Fall hier. Es kann nicht ausgeschlossen werden, daß ein Praktiker eine Prüfungsleistung im 1. juristischen Staatsexamen aus seiner praktischen Sicht beurteilt, ohne die oben beschriebene enge Verbindung zwischen Ausbildung an der Hochschule und Prüfung herzustellen. Daß dies im Fall der Klägerin tatsächlich so gewesen ist, ergibt sich z.B. aus der Prüferanmerkung auf Seite 45 der Hausarbeit, in der es heißt, "anders jedoch die gängige Praxis".

31

Bei der Neubewertung der Arbeit der Klägerin wird der Beklagte daher mindestens einen Professor des Rechts mit der Bewertung der Hausarbeit der Klägerin beauftragen müssen. Da § 17 Abs. 1 Satz 2 NJAO insoweit keine Vorgaben macht, steht es dem Beklagten frei, ob er den Professoren-Prüfer als Erst- oder Zweitkorrektor einsetzt.

32

Da der Klage somit schon aus formellen Gründen stattzugeben ist, kommt es für die Entscheidung nicht darauf an, ob die Bewertung der Hausarbeit, wie von der Klägerin gerügt, auch inhaltliche Mängel aufweist.

33

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

34

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf §§ 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Kaiser,
Dr. Rudolph,
Dr. Wenderoth