Landgericht Braunschweig
Urt. v. 11.09.1975, Az.: 7 S 132/74

Beeinträchtigungen durch Hundehaltung; Verhinderung von Hundegebell; Hundehaltung "im Rahmen der gewöhnlichen Benutzung eines mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks"; Erheblichkeit der Lärmeinwirkung durch Hundehaltung

Bibliographie

Gericht
LG Braunschweig
Datum
11.09.1975
Aktenzeichen
7 S 132/74
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1975, 11710
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGBRAUN:1975:0911.7S132.74.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Salzgitter - 21.03.1974 - AZ: 1 C 54/72

Verfahrensgegenstand

Verhinderung von Hundegebell

In dem Rechtsstreit
hat die 7. Zivilkammer des Landgerichts Braunschweig
auf die mündliche Verhandlung vom 21. August 1975
durch
die Richterin am Landgericht ...
den Richter am Landgericht ... und
den Richter am Landgericht ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Salzgitter vom 21. März 1974 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsrechtszuges einschließlich der durch die Nebenintervention entstandenen Kosten zu tragen.

Tatbestand

1

Der Beklagte ist Eigentümer des Grundstücks ....

2

Die Klägerin ist Eigentümerin der Häuser ... und ... Die in diesen Häusern gelegenen Wohnungen sind vermietet und in Luftlinie etwa 50 bis 60 m vom Grundstück des Beklagten entfernt. Der Beklagte hält auf seinem Grundstück seit 1971 einen Schäferhund in einem Zwinger im Freien, der unmittelbar an die Grundstücke der Klägerin angrenzt.

3

Im Laufe des Rechtsstreits hat der Beklagte den Zwinger auf drei Seiten mit Holz verschalt, so daß nur noch die zum Wohnhaus des Beklagten gerichtete Seite des Zwingers mit einem Gitter versehen ist.

4

Die Klägerin hat behauptet: Seit Anschaffung des Hundes lasse der Beklagte seinen Hund häufig bellen, ohne dagegen einzuschreiten. Der Hund belle des öfteren mit kurzen Unterbrechungen mehrere Stunden nacheinander. Durch dieses Bellen würden die Bewohner ihrer Häuser, insbesondere darunter die älteren Leute ganz erheblich gestört, die hiergegen wiederholt auf Einschreiten gegen das Hundegebell gedrängt und teilweise schon um Umsetzung in eine andere Wohnung gebeten hätten.

5

Der Nebenintervenient wohnt im Hause ... neben dem Hause des Beklagten. Er hat behauptet, daß der Hund in unerträglicher Weise stundelang belle.

6

Der Kläger und der Nebenintervenient haben beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, es zu verhindern, daß sein Hund außerhalb seines Hauses stundenlang, wenn auch mit Unterbrechungen, belle.

7

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

8

Er hat bestritten, daß sein Hund außergewöhnlich häufig oder lange in einem fort belle. Der Hund belle nur, wenn die Kirchenglocken läuteren oder wenn er durch Dritte, insbesondere Kinder oder Nachbarn, gereizt werde.

9

Das Amtsgericht hat nach Vernehmung zahlreicher Zeugen und Einnahme des richterlichen Augenscheins (vgl. hierzu die Protokolle vom 14. April und 10. Oktober 1972, sowie vom 18.09.1973 = Bl. 11, 38 bis 44 und 100 bis 104 d.A.), durch Urteil vom 21. März 1974 der Klage in vollem Umfang stattgegeben. In den Entscheidungsgründen wird ausgeführt: Der Klaganspruch sei begründet, da nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme erwiesen sei, daß der Schäferhund des Beklagten durch lautes und stundenlang anhaltendes Gebell die Mieter der Hausgrundstücke der Klägerin wesentlich beeinträchtige. Zwar fühlten sich einige Zeugen nicht gestört; es handele sich dabei aber entweder um Personen, die in Hausgemeinschaft mit dem Beklagten und seiner Familie lebten, oder um Leute, die nicht ständig dem Gebell ausgesetzt seien. Auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils wird ergänzend Bezug genommen.

10

Gegen dieses am 28. März 1974 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 29. April 1974 (einem Montag) Berufung eingelegt und die Berufung mit einem am 29. Mai 1974 eingegangenen Schriftsatz begründet.

11

Er greift die vom Amtsgericht vorgenommene Beweiswürdigung an, die er für unzutreffend hält, weil den Aussagen der sieben Zeugen, die sich durch das Hundegebell gestört gefühlt hätten, die Aussagen von acht Zeugen entgegenständen, die der Hund nicht störe.

12

Ferner bestreitet der Beklagte nach wie vor, daß der Hund lang anhaltend belle; er behauptet vielmehr, daß er nur gelegentlich belle, wenn er durch äußere Einflüsse dazu veranlaßt würde. Gelegentliches Bellen sei aber objektiv keine Störung. Schließlich macht er geltend, daß er den Zwinger so verschalt habe, daß selbst längeres Bellen nicht als störend empfunden werden könne.

13

Der Beklagte beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen,

14

hilfsweise,

festzustellen, daß der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist, weil der Hund des Beklagten gar nicht stundenlang, wenn auch mit Unterbrechungen, bellt und der Beklagte deshalb ein solches Bellen auch nicht verhindern kann.

15

Die Klägerin und der Nebenintervenient beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

16

Sie halten die angefochtene Entscheidung für zutreffend und es insbesondere für gerechtfertigt, daß das Amtsgericht seine Entscheidung auf die Aussagen der diesen Mieter gestützt habe, weil diese dem Bellen ganz anders ausgesetzt seien und auch nicht mehr so starke Nerven hätten, wie die Zeugen, die sich nicht gestört fühlten.

17

Der Nebenintervenient behauptet darüber hinaus unter Bezugnahme auf das Zeugnis seiner Ehefrau und seiner Haushaltshilfe, daß auch jüngere Leute das Bellen des Hundes unerträglich fanden. Zur weiteren Verschalung des Hundezwingers erklären sowohl die Klägerin als auch der Nebenintervenient, daß diese nichts genützt habe, sondern das Bellen noch in gleicher Stärke zu vernehmen sei wie zuvor.

18

Zur Ergänzung der Sachdarstellung wird im übrigen auf wie in beiden Rechtszügen gewechselten Schriftsätze verwiesen, die vorgetragen worden sind.

19

Das Gericht hat Beweis erhoben aufgrund des Beschlusses vom 13. Februar 1975 (Bl. 221 bis 222 d.A.) durch Vernehmung vertreten Rentner, ..., Frau ..., Frau ..., Frau ..., Frau ... und Frau ... vor dem Einzelrichter, sowie durch Einnahme des richterlichen Augenscheins. Das Ergebnis der Beweisaufnahme vor dem Einzelrichter ist ersichtlich aus der Sitzungsniederschrift vom 9. Juni 1975 (Bl. 237 bis 243 d.A.). Hierauf wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

20

Gegen die Zulässigkeit der Berufung bestehen keine Bedenken; die Berufung hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Vielmehr ist dem Amtsgericht darin zuzustimmen, daß die Klägerin als Eigentümerin des betroffenen Grundstücks die von der Hundehaltung des Beklagten ausgehenden Beeinträchtigungen nicht zu dulden braucht, soweit sie das zumutbare Maß überschreiten, und deshalb ihrem Antrag entsprechend Unterlassung dieser unzumutbaren Belästigung gem. den §§ 903, 1004 BGB verlangen kann.

21

Die Hundehaltung des Beklagten stört und beeinträchtigt die Benutzung des Grundstücks der Klägerin, weil der Hund übermäßig viel und laut bellt. Dass Hunde bellen, läßt sich allerdings nicht vermeiden. Indessen brauchen derartige Lärmeinwirkungen vom Nachbarn nur hingenommen zu werden, wenn sie unerheblich oder doch noch ortsüblich sind und sich durch zumutbare Maßnahmen nicht unterbinden lassen (§ 906 BGB). Einer dieser Ausnahmetatbestände kann hier jedoch nicht angenommen werden.

22

Auch nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme in zweiter Instanz, die nach Abschluß des Zwischenvergleichs vor der Kammer am 19. August 1974 (Bl. 206 d.A.) notwendig geworden war, ist erwiesen, daß die von dem Hund des Beklagten ausgehende Geräuschbelästigung trotz der weiteren Verschalung des Zwingers die Benutzung der Grundstücke der Klägerin erheblich beeinträchtigt. Die Zeugen ..., Frau ..., Frau ..., und auch die Zeugen des ... Nebenintervenienten Frau ... und Frau ... haben im wesentlichen übereinstimmend ausgesagt, daß der Hund, der trotz der weiteren Verschalung des Zwingers noch genau so laut wie früher zu hören sei, wesentlich mehr belle als andere Hunde und sich das Bellen wiederholt über Stunden nur durch Pausen unterbrochen hinziehe, wohl weil das Tier nicht erzogen sei. Nach der Aussage des Zeugen ... wird das Bellen als so unerträglich empfunden, daß alle Fenster geschlossen gehalten werden müssen, wenn der Hund bellt. Die Zeugin ... hat hervorgehoben, daß der Hund bei jedem kleinen Anlaß belle, so daß man im Garten sind in der extra zum Ausruhen eingerichteten Laube nicht mehr sitzen könne. Auch die Zeuginnen Frau ... und Frau ... haben bestätigt, daß der Hund bei jedem kleinen Geräusch belle, dann nicht mehr zu bellen aufhöre und im Zwinger wie eine Bestie herumspringe. Anhaltspunkte dafür, daß die Zeugen nicht die Wahrheit gesagt haben könnten, sind nicht ersichtlich, auch wenn sich die Zeugin Frau ... und andere in erster Instanz vernommene Zeugen durch den Hund nicht oder nicht erheblich belästigt fühlen. Vielmehr ergab auch die Augenscheinseinnahme, die vom Einzelrichter auf dem Grundstück des Beklagten durchgeführt worden ist, daß der Hund bei Ansichtigwerden der ihm fremden Personen sofort anschlug und alsdann bis zum Verlassen des Grundstücks ohne Unterbrechung aufgeregt in seinem Zwinger herumsprang, dabei laut bellte und sich auch durch Zurufen des Beklagten in keiner Weise beruhigen ließ. Die Kammer ist deshalb davon überzeugt, daß die sich gestört fühlenden Zeugen die von dem Hund ausgehende Geräuscheinwirkung völlig zutreffend geschildert haben und die Störungen auch ganz besonders aufreibend sein müssen, weil durch die Pausen, die der Hund naturgemäß einlegen muß, die sogenannte "Geräuscherwartung" hinzutritt, wie selbst bei nervlich nicht überempfindlichen Personen zu einer übermäßigen Anspannung des Nervensystems führen kann.

23

Das somit nachgewiesene, anhaltende und dadurch erheblich störende Bellen des Hundes kann nicht etwa, wie der Beklagte unter Berufung auf eine Entscheidung des Landgerichts Würzburg vom 30. Dezember 1965 (NJW 1966, 1031 ff) meint, als ortsüblich angesehen werden. Es werden zwar in unmittelbarer Nähe der Parteien unstreitig noch andere Hunde gehalten, und es dürfte ganz allgemein anzuerkennen sein, daß Hundehaltung "in den Rahmen der gewöhnlichen Benutzung eines mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks" fällt (so nach Auffassung der Kammer zutreffend. Kuninke Anm. 3 zu LG Würzburg NJW 1966, S. 1032 [LG Würzburg 30.12.1965 - 3 S 142/65]). Dadurch wird ein übermäßiges und noch dazu lautstarkes Bellen aber nicht zu einem ortsüblichen (so verfehlt das Landgericht Würzburg, a.a.O.). Als ortsüblich ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur diejenige Benutzung eines Grundstücks anzuerkennen, die in dem betreffenden Gebiet keine stärker störenden Geräusche abgibt, als eben dort allgemein üblich ist (vgl. BGH NJW 1962, 2741). Da Haustiere aber stets so zu halte sind, daß niemand durch den von den Tieren erzeugten Lärm wesentlich gestört wird, kann gelegentliches, auch noch täglich und wiederholtes Anschlagen eines Hundes als ortsüblich bezeichnet wer den, nicht aber häufiges und anhaltendes und zudem lautstarkes Gebell eines großen und "stimmgewaltigen" Tieres, wie es nach dem Beweisergebnis im vorliegenden Fall von den betroffenen Nieten der Klägerin ertragen werden soll. Ein solches Verhalten des Schäferhundes des Beklagten ist gerade nicht ortsüblich, sondern als rechtswidrige Benutzung des Grundstücks anzusehen.

24

Seine Unterbindung kann verlangt werden, da die Lärmeinwirkung durch geeignete Maßnahmen zur Einschränkung der Geräuschbelästigung verhindert werden könnte, die vom wirtschaftlichen Standpunkt gesehen - die persönliche Verbundenheit mit dem Tier muß hierbei außer Acht bleiben - für den Beklagten zumutbar sein würde (vgl. hierzu Kuchinke a.a.O.). Wie die Beweisaufnahme, insbesondere auch die Augenscheinseinnahme ergeben hat, ist das Tier bisher offensichtlich nicht richtig erzogen worden, da es selbst auf Beruhigungsversuche seines Herrn nicht reagiert, sondern unablässig weiter gebellt hat, solange sich eine fremde Person auf dem Grundstück des Beklagten aufgehalten hat. Aller Voraussicht nach würde eine Dressur des Tieres zum Erfolg - nämlich Einschränkung des Lärms auf ein zumutbares Maß - führen. Dadurch entstehende Kosten würde der Beklagte als selbständiger Unternehmer ohne weiteres tragen können, aber auch ihm von Nutzen sein, da das ständige Bellen des Hundes und sein mangelnder Gehorsam auch nicht gerade dem Interesse des Beklagten und seiner Familie dienlich sein dürfte.

25

Bei der Veranlagung des Tieres besteht auch ernsthaft die Besorgnis weiterer Störungen, zumal der Beklagte stets die Erheblichkeit der Lärmeinwirkung durch seine Hundehaltung bestritten hat und offenbar zu einer Verhinderung ernstlich nicht bereit ist. Die Klägerin hat deshalb einen Anspruch auf Unterlassung. Da nach dem Antrage der Klägerin und des Nebenintervenienten nur ein das zumutbare Haß übersteigendes Bellen des Hundes verhindert werden soll, entspricht die angefochtene Entscheidung der Sach- und Rechtslage.

26

Hieraus folgt gleichzeitig, daß auch der Hilfsantrag des Beklagten auf Erledigung der Hauptsache nicht begründet ist.

27

Der Erfolglosigkeit der Berufung entsprechend beruht die Kostenentscheidung unter den Parteien auf § 97 ZPO; hinsichtlich des Nebenintervenienten ergibt sie sich aus § 101 ZPO.