Landgericht Braunschweig
Beschl. v. 23.06.1976, Az.: 8 T 297/76

Eintragung der Legitimation eines nicht ehelich geborenen Kindes im Geburtenbuch nach Anerkennung der Vaterschaft und der Mutterschaft; Legitimation durch nachfolgende Eheschließung nach dem tunesischen Heimatrecht des Vaters; Maßgeblichkeit des tunesischen Rechts für die Beurteilung der Legitimation des Kindes bei einem Vater aus Tunesien; Kein Verstoß gegen den deutschen ordre public wegen der Möglichkeit einer Legitimanerkennung des Kindes durch seinen Vater nach tunesischem Recht; Ehelichkeit eines Kindes nach tunesischem Recht bei Eltern als Ehegatten durch Konsens im Zeitpunkt der Zeugung oder sechs Monate vor der Geburt

Bibliographie

Gericht
LG Braunschweig
Datum
23.06.1976
Aktenzeichen
8 T 297/76
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1976, 11827
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGBRAUN:1976:0623.8T297.76.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Braunschweig - 05.03.1976 - AZ: 35 X 172/176

Sonstige Beteiligte

Landkreis ... als Standesamtsaufsicht,

In der Personenstandssache
hat die 8. Zivilkammer des Landgerichts Braunschweig
durch
die Richter ... am 23. Juni 1976
beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluß des Amtsgerichts Braunschweig vom 5. März 1976 aufgehoben.

Der Standesbeamte in ... wird insoweit auf das Verfahren zur Beschreibung eines Randvermerks im Geburtenbuch gemäß § 30 Abs. 1 Personenstandsgesetz verwiesen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.

Gründe

1

Das Kind ... ist am ... in ... nicht ehelich geboren. Seine Geburt ist beim Standesamt ... unter Nr. ... beurkundet. Am 25. April 1975 hat der tunesische Staatsangehörige ... die Vaterschaft zu dem; Blind gemäß § 1600 a BGB anerkannt (Bl. 5 f). Desgleichen hat am 11. Juni 1975 (Bl. 8) die deutsche Mutter die Mutterschaft anerkannt. Nachdem die Eltern vor dem Standesbeamten in Braunschweig am 9. Januar 1976 geheiratet hatten (Heiratsurkunde Nr. 8/1976 des Standesamtes Braunschweig, Bl. 3), hat der Standesbeamte in ... mit Schreiben vom 3. März 1976 beim Amtsgericht Braunschweig um Entscheidung nachgesucht, ob die Legitimation des Kindes gemäß § 31 Abs. 2 Personenstandsgesetz (PStG) im Geburtenbuch einzutragen sei. Durch Beschluß vom 5. März 1976 (Bl. 10) hat das Amtsgericht Braunschweig die Beschreibungsfähigkeit der Legitimation des Kindes im Geburtenbuch gemäß § 31 Abs. 2 PStG anerkannt. Dieser Beschluß ist zunächst der Stadt ... unter dem 8. März 1976 (Bl. 14) und erst nach Bekanntwerden der unrichtigen Zustellung dem Beschwerdeführer als Standesamtsaufsicht für das Standesamt ... am 29. April 1976 (Bl. 20) zugestellt worden.

2

Mit am 7. Mai 1976 beim Amtsgericht Braunschweig eingegangenem Schreiben vom, 4. Mai 1976 (Bl. 21 f) hat der Landkreis ... gegen den Beschluß sofortige Beschwerde mit dem Antrag eingelegt, unter Aufhebung des Beschlusses den Standesbeamten auf das Verfahren gemäß § 30 Abs. 1 PStG zu verweisen. Der Standesbeamte in ... hat im Wege der Amtshilfe auf die Verfügung der Kammer vom 11. Juni 1976 hin (Bl. 25) die Erklärung der Eheleute ... (Bl. 27) aufgenommen, daß diese sich nach Bezug einer gemeinsamen Wohnung im August 1974 seit September 1974 als Eheleute durch Konsens angesehen hätten. Überdies hat der Standesbeamte die Erklärung des Vaters vom 22. März 1976 (Bl. 28) vorgelegt, daß er die Vaterschaft zu dem Kinde gemäß § 1600 a BGB sowie durch Legitimanerkennung nach seinem Heimatrecht mit Standesfolge anerkenne. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die genannten Aktenstellen Bezug genommen.

3

Die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers ist zulässig (§ 49 PStG, §§ 48, 22 FGG). Den Beschwerdeantrag und der Entscheidung durch die Kammer steht dabei nicht entgegen, daß der Antrag des Standesbeamten auf Entscheidung gemäß § 31 Abs. 2 PStG ging. Denn auch für die Eintragung gemäß § 30 Abs. 1 PStG ist ein gerichtliches Verfahren möglich, weil der Standesbeamte in Zweifelsfragen gemäß § 45 Abs. 2 PStG eine gerichtliche Entscheidung herbeiführen kann, so daß infolgedessen ebenfalls von der Zulässigkeit des Rechtsmittels ausgegangen werden kann. (vgl. OLG Hamm FamRZ 1971, 464 = OLGZ 1971, 250; AG Münster Standesamtszeitung (StAZ) 1974, 274, 275; Maasfeller-Hoffmann § 31 PStG Anm. 53 am Ende. Die sofortige Beschwerde hat im Rahmen des Beschwerdeantrags auch Erfolg, Denn ein Verfahren gemäß § 31 Abs. 2 PStG kommt vorliegend für die Feststellung des Personenstandes des Kindes nicht in Betracht.

4

Das tunesische Heimatrecht des Vaters, daß hier gemäß Artikel 22 EGBGB für die Beurteilung der Legitimation des Kindes ausschlaggebend ist (BGH 55, 188 = StAZ 1971, 219, 220), kennt keine Legitimation durch nachfolgende Eheschließung wie sie in § 1719 BGB, der § 31 PStG zugrundeliegt, vorgesehen ist. Da das tunesische Recht auch keine Rückverweisung kennt (vgl. zur Rechtslage im tunesischen Recht die in den Entscheidungen des Landgerichts Hannover-StAZ 1974, 273 und des Amtsgerichts Münster-StAZ 1974, 274 ff mitgeteilten Rechtsgutachten), die entsprechend Artikel 27 EGBGB, zu beachten wäre, Kann 1719 BGB auch nicht auf diesem Wege eingreifen. Desgleichen kommt eine Anwendung deutschen Rechts auch nicht über Artikel 30 EGBGB in Betracht, weil das tunesische Recht jedenfalls im vorliegenden Falle keinen Verstoß gegen den deutschen orde public enthält (vgl. AG Münster a.a.O., LG Hannover a.a.O., BGH StAZ 1971, 221 für das ägyptische Recht und OLG Düsseldorf NJW 1976, 1036 [OLG Düsseldorf 31.01.1976 - 3 W 235/75] - Leitsatz -). Denn die im deutschen Recht beabsichtigten Wirkungen, dem Kind nach der Heirat seiner Eltern die Rechtsstellung als eheliches Kind zu verschaffen, treten im vorliegenden Fall auf andere Weise ein.

5

Das tunesische Recht sieht eine Legitimanerkennung des Kindes durch seinen Vater vor (AG. Münster a.a.O. Seite 275, LG Hannover a.a.O. Seite 273), die indessen ebenfalls nach Artikel 22 EGBGB zu beurteilen ist (AG Münster a.a.O., BGH 64, 10, 24). Diese setzt für ihre Wirksamkeit hinsichtlich der Standesfolgen jedoch voraus, daß der Anerkennende altersgemäß das Kind gezeugt haben kann, und daß aus der Anerkennung die illegitime Zeugung nicht hervorgeht (LG Hannover a.a.O.). Dabei wird nach der neueren tunesischen Rechtssprechung durch inländische Personenstandsurkunden, aus denen sich die nichteheliche Zeugung des Kindes ergibt, das Vaterschaftsanerkenntnis noch nicht entkräftet (AG Münster a.a.O.). Denn nach tunesischem Recht kann ein nach deutschen Rechten nichtehelich gezeugtes Kind dann ehelich sein, wenn seine Eltern bei der Zeugung oder spätestens 6 Monate vor der Geburt Ehegatten durch Konsens waren, weil nach tunesischem Recht eine Ehe auch ohne Verlautbarung vor dem Standesbeamten geschlossen werden kann (LG Hannover a.a.O. Seite 274).

6

Eine derartige nach tunesischem Recht gültige Legitimanerkennung kann hier in der vor dem Standesbeamten in ... gemäß § 29 a PStG aufgenommenen Ankerkennungserklärung des Vaters vom 22. März 1976 gesehen werden, der ausdrücklich die Wirkung einer "Anerkennung mit Standesfolge" nach dem Heimatrecht des Vaters beigelegt werden sollte.

7

Zwar könnten aus dem formularmäßigen Text der Urkunde Bedenken hergeleitet werden, ob nicht dadurch die illegitime Zeugung des Kindes offenbart wird. Denn der Urkundstext, soweit er die Anerkennung nach deutschem Recht betrifft, weist die Anerkennung als solche gemäß § 1600 a BGB aus, also als Anerkennung eines nichtehelichen Kindes. Außerdem ist in dem Teil, der die Anerkennung nach dem Heimatrecht des Vaters betrifft, als Tag der Eheschließung der Eltern ein nach der Geburt des Kindes liegender Termin aufgeführt. Diese formularmäßige Anerkennungserklärung muß jedoch im Hinblick auf die weitere Erklärung der Eltern gegenüber dem Standesbeamten in ... ausgelegt werden, sie hätten sich seit September 1974, also mehr als 6 Monate vor der Geburt des Kindes, als Eheleute durch Konsens betrachtet. Danach ergibt sich, daß das Kind nach tunesischem Recht legitim gezeugt war. Dies hat zur Folge, daß der Angabe des die Eheschließung vor dem deutschen Standesbeamten betreffenden Datums in dem Teil der Anerkennungserklärung, der das Heimatrecht des Vaters betrifft, keine größere Bedeutung für die Widerlegung der Legitimität des Kindes beikommen kann, als eine inländische Heiratsurkunde, selbst. Aber auch der in dem das inländische Recht betreffenden Teil des Anerkenntnisses enthaltene Hinweis auf die §§ 1600 a ff BGB darf zur Widerlegung der Legitimanerkennung nicht stärker bewertet werden als eine inländische Geburtsurkunde.

8

Die danach für den Tunesischen Bereich als wirksam anzusehende Legitimanerkennung kann indessen rechtlich nicht der Legitimation durch nachfolgende Ehe gemäß § 1719 BGB gleichgestellt werden (OLG Hamm a.a.O., OLG Düsseldorf a.a.O., BGH StAZ 1971, 221), sondern ist eine Rechtsfigur eigener Art (BGH a.a.O.). Ihr wird nach der Entscheidung des BGH (a.a.O. für das ebenfalls dem islamischen Rechtskreis angehörende ägyptische Recht), der sich die Kammer anschließt (vgl. auch OLG Hamm a.a.O.), am besten das Verfahren gemäß § 30 Abs. 1 PStG gerecht, weil hiernach auch Standesfolgen berücksichtigt werden können, die das deutsche Rocht nicht vorsieht.

9

Auf die sofortige Beschwerde war daher der Beschluß des Amtsgerichts Braunschweig aufzuheben. Da die weiteren für das Verfahren gemäß § 30 Abs. 1 PStG erforderlichen Urkunden (vgl. Fritsche StAZ 1973; 101 mit weiteren Nachweisen, BGH a.a.O., AG Münster a.a.O.) noch nicht vorliegen, war die Beschreibung eines Randvermerks noch nicht anzuordnen, sondern der Standesbeamte allgemein nur auf das Verfahren nach § 30 Abs. 1 PStG zu verweisen.

10

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 31 Abs. 2, 45, 49, 48 PStG, 127, 131 Abs. 1 Satz 2 Kostenordnung.