Landgericht Braunschweig
Urt. v. 10.10.1973, Az.: 5 O 173/73
Zulässigkeit der Androhung einer Wassersperre; Erfüllung von Auflagen; Unsachgemässe Installation einer Wasserenthärtungsanlage ; Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechtes
Bibliographie
- Gericht
- LG Braunschweig
- Datum
- 10.10.1973
- Aktenzeichen
- 5 O 173/73
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1973, 12556
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGBRAUN:1973:1010.5O173.73.0A
Rechtsgrundlagen
- § 273 BGB
- § 320 BGB
- § 22 Abs. 1 NMV
Fundstelle
- NJW 1974, 800-801 (Volltext mit amtl. LS)
In dem Rechtsstreit
hat die 5. Zivilkammer des Landgerichts Braunschweig
auf die mündliche Verhandlung vom 3. Oktober 1973
durch
den Vorsitzenden Richter ... und
die Richter ... und Richter ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Die einstweilige Verfügung des Amtsgerichts ... vom 20. August 1973 wird mit der Massgabe bestätigt, dass das Verbot, bei Vermeidung einer für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Geld- oder Haftstrafe die Wasserzufuhr und die Wasserversorgung der Klägerin zu sperren gegen die Beklagte, also die ... gerichtet ist.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob eine Wassersperre, die die Stadtwerke ... als Eigenbetrieb der Beklagten der Klägerin angedroht hat, zulässig ist, um die Erfüllungen von Auflagen durchzusetzen, die die Stadtwerke ... der Klägerin gemacht haben.
Die Klägerin betreibt eine Druckerei mittlerer Grosse in ... in einem neu errichteten Gebäude. Sie liess dort im Jahre 1971 durch einen Braunschweiger Installateur eine Wasserenthärtungsanlage installieren. Sie legte nicht vor Beginn der Installation der Anlage den Stadtwerken Skizze, Beschreibung und Berechnung der geplanten Anlage zur Prüfung vor, wie es nach V 2 der allgemeinen Wasserversorgungsbedingungen der Stadtwerke ... geboten gewesen wäre.
Nachdem die Stadtwerke ... im Frühjahr 1973 eine Erhebung über die in ... betriebenen Wassernachbehandlungsanlagen gemacht hatten, wurde am 29.5.1973 die Anlage der Klägerin kontrolliert. Dabei stellten sich die Vertreter der ... auf den Standpunkt, dass die Anlage der Klägerin nicht en technischen Grundsätzen "des Deutschen Vereins von Gas- und Wasserfachmännern" - DVGW - entspreche. Sie sei nicht mit den "Richtlinien für den Anschluss von das Trinkwasser gefährdenden Geräten und Anlagen" - Arbeitsblatt W 503 des DVGW vom Juni 1966 - vereinbar. Dort heisst es unter "Anschlussarten" (4.4 des Arbeitsblattes):
"Für die Nachfolgend genannten Geräte und Einrichtungen wird die Sicherheit als ausreichend erachtet, sofern der Anschluss über eine zusätzliche Sicherheitsrohrschleife mit Rohrbelüfter erfolgt, die so hoch geführt wird, dass der Rohrbelüfter mindestes 300 mm über der höchsten Entnahmestelle bzw. dem höchsten Schmutzwasserspiegel liegt und folgende Armaturen in Fließrichtung des Wassers eingebaut sind: Absperrventil, Prüfventil, Rückflußverhinderer, Rohrbelüfter ... Diese Anschlussart gilt für Anlagen und Geräte wie: ... Trinkwasser - Nachbehandlungsanlagen, insbesondere ... Trinkwasserenthärtungsanlagen, die mit Salzen regeneriert werden, sofern diese nur für einzelne Verbrauchsstellen vorgesehen sind ...".
Diese Richtlinien verstehen sich als Ausführungsbestimmungen zu der Norm DIN 1988 (Nr. 2 des Arbeitsblattes W 503).
Mit Schreiben vom 4.6.1973 beanstandeten die Stadtwerke ... gegenüber der Klägerin die Enthärtungsanlage und forderten sie auf, entweder die Wassernachbehandlungsanlage durch einen offenen Behälter mit Schwimmerventilsteuerung und nachgeschalteter Pumpe abzutrennen oder eine Sicherheitsrohrschleife vor die Wassernachbehandlungsanlage einzubauen. Die Stadtwerke teilten der Klägerin ausserdem mit, dass sie das Gesundheitsamt ... um Stellungnahme gebeten habe und kündigten für den Fall einer negativen Stellungnahme des Gesundheitsamtes eine kurzfristige Sperrung der Anlag an.
Das Gesundheitsamt des ... schrieb unter dem 19.6.1973 an die Klägerin, dass wegen der unsachgemässen Installation der Wasserenthärtungsanlage eine ungünstige Beeinflussung des Trinkwassers im Ortsnetz jederzeit möglich und zu befürchten sei und dass deshalb der geforderte Umbau durchgeführt werden solle. Gleichzeitig teilte das Gesundheitsamt den Stadtwerken mit, dass es keine Sperrung der Anlage fordere.
Mit Schreiben vom 3.7.1973 setzten die Stadtwerke der Klägerin eine Frist bis zum 31. Woche 1973 und kündigten evtl. fristlose Sperrung der Wasserversorgung der Klägerin an. Sie ging in diesem Schreiben im einzelnen auf die Rechtsgrundlage für eine solche Sperrung und auf die technischen Regeln des DVGW ein. Die Klägerin widersprach durch schreiben ihres jetzigen Prozessbevollmächtigten vom 16.7.1973. Die Stadtwerke setzten daraufhin mit Schreiben vom 27.7.1973 an die Prozessbevollmächtigten der Klägerin eine Nachfrist bis zur 33. Woche 1973. Diese Woche lief am Samstag, 18.8. 1973 aus.
Am 20.8.1973 suchten zwei Bedienstete der Stadtwerke die Druckerei der Klägerin auf, um die Anlage zu überprüfen. Sie war nicht geändert. Die Vertreter der Stadtwerke drohten fristlose Einstellung der Wasserversorgung an.
Daraufhin beantragte die Klägerin am Nachmittag des 20.8.1973 beim Amtsgericht ... Erlass einer einstweiligen Verfügung. Durch einstweilige Verfügung vom 20.8.1973 verbot das Amtsgericht ... den Stadtwerken ... bei Vermeidung einer für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Geld- oder Haftstrafe, die Wasserzufuhr und die Wasserversorgung der Klägerin zu sperren. Auf die Gründe dieses Beschlusses wird Bezug genommen.
Die Beklagte hat Widerspruch gegen den Beschluss eingelegt.
Sie hält die Androhung der Wassersperre auf Grund der allgemeinen Wasserversorgungsbedingungen der Stadtwerke ... für zulässig.
Die Wasserversorgung der Stadt ... beruht auf der Satzung der Stadt ... vom 7.9.1964. Danach gelten für den Anschluss an die Wasserversorgungsanlagen, die Lieferung und den Preis des Wassers die "allgemeinen Bedingungen für den Anschluss an das Versorgungsnetz und die Abgabe von Wasser" ... in der jeweils durch den Rat der Stadt ... beschlossenen Fassung (§ 7 Abs. 1 der Satzung). Der Wasserpreis soll ein "privatrechtliches Entgelt" darstellen (§ 7 Abs. 2).
Nach den allgemeinen Wasserversorgungsbedingungen (V 1) ist eine Wasseranlage unter Beachtung der geltenden behördlichen Vorschriften und Verfügungen sowie gem. den jeweiligen Bestimmungen des Deutschen Vereins von Gas- und Wasserfachmännern - DVGW - und den zusätzlichen Vorschriften des Wasserwerks auszuführen und zu unterhalten. Es dürfen nur Geräte verwendet werden, die den Bestimmungen des DVGW entsprechen. Nach IX 5 der Bedingungen ist das Wasserwerk berechtigt, die Versorgung nach Androhung einzustellen, wenn der Abnehmer diesen Wasserversorgungsbedingungen ... zuwiderhandelt. Als Zuwiderhandlung gelten insbesondere die Nichtausführung einer vom Wasserwerk vertragsgemäss geforderten Veränderungen der Wasserversorgungsanlagen (d) oder die störende Einwirkung der Anlage des Abnehmers auf die Anlagen anderer Abnehmer oder der öffentlichen Versorgungseinrichtungen (h).
Die Beklagte ist der Ansicht, hiernach seien die Voraussetzungen für die angedrohte Wassersperrung erfüllt, weil die Anlage der Klägerin nicht dem Arbeitsblatt W 503 des DVGW entspreche. Sie behauptet, in einer solchen Enthärtungsanlage würden sich schädliche Keime bilden und vermehren. Bei einem Nachlassen des Wasserdrucks im Netz und einem dabei entstehenden Sog könne in der Anlage der Klägerin verseuchtes Wasser in das allgemeine Trinkwasserversorgungsnetz zurückfliessen.
Zur Glaubhaftmachung dieser Behauptungen bezieht sie sich auf einen vorgelegten Aufsatz des ... vom Institut für Wasser- Boden- und Lufthygiene des Bundesgesundheitsamts im Bundesgesundheitsblatt 1971 D. 1 ff und auf eine eidesstattliche Versicherung des ... vom Hygieneinstitut des Ruhrgebiets in Gelsenkirchen vom 28.9.1973.
Die Beklagte beantragt,
den Beschluss des Amtsgerichts ... vom 20. August 1973 aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.
Hilfsweise beantragt sie,
der Klägerin eine Frist zur Erhebung der Klage in der Hauptsache zu setzen.
Die Klägerin beantragt,
die einstweilige Verfügung zu bestätigen.
Sie hat zunächst im Einvernehmen mit der Beklagten das Rubrum dahin berichtigt, dass ihr Antrag sich gegen die Stadt ... richtet, deren Eigenbetrieb die Stadtwerke sind.
Die Klägerin ist der Ansicht, die angedrohte Wassersperre falle in den Bereich der hoheitlichen Tätigkeit der Beklagten und unterliege daher dem Verwaltungsvollstreckungsgesetz. Da dessen Voraussetzungen nicht erfüllt seien, sei die Androhung rechtsunwirksam.
Die Klägerin bestreitet, dass von ihrer Anlage eine Gefährdung ausgehe. Sie behauptet, Anlagen dieser Art würden von einer grossen Firma ohne Beanstandung im ganzen Bundesgebiet gebaut, so auch in den Nachbarstädten von .... Auch in ... seien zahlreiche Anlagen dieser Art installiert, von denen die Stadtwerke nur einen kleinen Teil festgestellt hätten. Insbesondere sei die Gefährdung bei Rückfluss aus privaten, längere Zeit nicht benutzten Wasserleitungen grösser als die von ihrer Anlage ausgehende Gefährdung. Die Richtlinien des Arbeitsblattes W 503 des DVGW seien umstritten. Dieser Verband bestehe in seiner Mehrzahl aus Angestellten der Wasserwerke, die dort einseitig ihr Interesse an einer Entlastung der Wasserwerke wahrnähmen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der vorgetragenen Schriftsätze sowie die dazu und in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die einstweilige Verfügung des Amtsgerichts ... vom 20.8.1973 wird bestätigt, allerdings mit der Richtigstellung, dass das ausgesprochene Verbot die Beklagte trifft. Die Stadtwerke ... sind nicht parteifähig, da sie keine eigene Rechtspersönlichkeit haben (§ 89 Abs. 2 NGO).
Das Landgericht Braunschweig ist zur Entscheidung über den Antrag auf Aufhebung der einstweiligen Verfügung als Gericht der Hauptsache zuständig, da der Streitwert über 1.500,- DM liegt (§§ 942, 919 ZPO).
Der Rechtsweg zum Zivilgericht - nicht Verwaltungsgericht - ist zulässig, da die Parteien über ein privatrechtliches Rechtsverhältnis streiten. Der öffentliche Träger eines Versorgungsunternehmens kann das Rechtsverhältnis zu den Benutzern privat-rechtlich oder öffentlichrechtlich regeln. Die Beklagte hat eine privat-rechtliche Regelung gewählt. Das ergibt sich aus § 7 der Ortssatzung der Beklagten über den Anschluss der Grundstücke an die öffentliche Wasserversorgung vom wo 7.9.1964, wo in Abs. 2 der Wasserpreis als ein "privat-rechtliches Entgelt" bezeichnet ist sowie auch aus den allgemeinen Wasserversorgungsbestimmungen, die privat-rechtlich gestaltet sind, indem sie von einem Vertragsabschluss (I) und dem Bestehen eines Vertragsverhältnisses (II 3, IX 1 und öfter) ausgehen und auf privat-rechtliche Vorschriften Bezug nehmen (VIII 8).
Die angedrohte Wassersperre beruht auch auf den privatrechtlichen Versorgungsbedingungen der Beklagten. In ihr liegt die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechtes (§§ 273, 320 BGB; vgl. Ludwig-Cordt-Stech, Recht der Elektrizitäts- Gas- und Wasserversorgung S. 146 o). Zwar unterliegt die Grundentscheidung, ob ein Versorgungsunternehmer der öffentlichen Hand Wasser zu liefern hat oder nicht, dem öffentlichen Recht. Der Benutzer hat einen dem öffentlichen Recht unterliegenden Rechtsanspruch auf Benutzung öffentlicher-rechtlicher Einrichtungen der Gemeinden (§ 22 NGO). Bei dem Streit der Parteien geht es aber nicht um diese Grundentscheidung, um das "Grundverhältnis", sondern um die nähere Ausgestaltung der Wasserlieferung. Denn die Beklagte hat der Klägerin nicht angedroht, ihr das Wasser schlechthin zu sperren, sondern sie will nur durch vorübergehende Sperrung die Erfüllung eines vertraglichen Anspruchs durchsetzen. Eine solche Massnahme erfolgt im Rahmen des "Betriebsverhältnisses", sie berührt noch nicht ohne weiteres das "Grundverhältnis".
Wegen der schwerwiegenden Folgen, die die angedrohte Sperre für den Druckereibetrieb der Klägerin haben würde, war der Erlass einer einstweiligen Verfügung zulässig (§ 940 ZPO). Das Amtsgericht war für ihren Erlass zuständig (§ 942 ZPO).
Das Amtsgericht ... hat die einstweilige Verfügung zu Recht erlassen. Die angedrohte Wassersperre war unzulässig.
Sie ist zwar durch die Wasserversorgungsbedingungen der Beklagten gedeckt. Denn nach. V 1 dieser Bedingungen hat eine Wasseranlage den jeweiligen Bestimmungen des DVWG zu entsprechen. Die Anlage der Klägerin entspricht nicht dem Arbeitsblatt W 503 des DVWG. Die Klägerin weigert sich, ihre Anlage entsprechend zu ändern, obwohl die Stadtwerke der Beklagten ihr für diesen Fall in dem Schreiben vom 3.7. und 27.7.1973 hierfür eine Frist gesetzt und die Wassersperre angedroht haben. Damit sind die in IX 5 d bestimmten Voraussetzungen für eine Wassersperre gegeben.
Die angedrohte Wassersperre ist gleichwohl nicht rechtsmässig, weil sie die Klägerin unverhältnismässig stark belastet. Die Stadtwerke der Beklagten als Eigenbetrieb der öffentlichen Hand haben bei ihren Massnahmen den Grundsatz der Verhältnismässigkeit zu wahren. Das Gebot der Verhältnismässigkeit des Mittels folgt aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) sowie aus der Bindung der öffentlichen Gewalt an die Grundrechte, hier das Recht der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 GG - vgl. Leibholz-Rinck.
Komm, zum GG, Art. 20 Anm. 27). Dieser Grundsatz gilt nicht nur gegenüber Eingriffen der öffentlichen Hand, sondern ebenso bei Entziehung von Leistungen der öffentlichen Hand, auf die der Einzelne angewiesen ist. Denn er ist von solchen Leistungen in gleicher Weise abhängig.
An das Verbot, unverhältnismässig belastende Mittel einzusetzen, ist die Beklagte und ihr Eigenbetrieb, die Stadtwerke, auch bei privat-rechtlicher Regelung der Wasserversorgung gebunden. Die Träger öffentlicher Verwaltungen, zu denen auch die Versorgungsunternehmen der öffentlichen Hand gehören, können sich den Bindungen des öffentlichen Rechts nicht dadurch entziehen, dass die in privat-rechtlicher Form tätig werden (Art. 1 Abs. 3, 20 Abs. 3 GG; Maunz-Dürig, Komm. zum GG, Art. 1 Anm. 134 ff). Dass das Gebot der Verhältnismässigkeit des Mittels bei Liefersperren von Versorgungsunternehmen zu beachten ist, ist auch allgemein anerkannt. (vgl. Eiser-Riederer-Sieder, Energiewirtschaftsrecht, IV A S. 42 a; Ludwig-Cordt-Stech a.a.O. S. 146 o; OLG Celle NJW 1959 S. 2166).
Die von den Stadtwerken der Beklagten angedrohte Wasser sperre würde die Klägerin unverhältnismässig belasten. Der Betrieb der Klägerin könnte bei einer Wassersperre nicht weitergeführt werden. Im Betrieb der Klägerin wird Wasser benötigt für das Kühlen der Gießformen bei den Setzmaschinen sowie zum Betriebe der Offsetmaschinen und bei der Filmentwicklung. Hinzu kommt, dass die Arbeitskräfte der Klägerin aus hygienischen Gründen Wasser benötigen. Wenn die Beklagte der Klägerin das Wasser sperrt, muss die Klägerin für die Bauer der Sperre ihre, Betrieb stillegen. Hält die Beklagte die Sperre bis zum Einbau einer Sicherungsschleife als Zwangsmassnahme aufrecht, so bleibt der Klägerin nichts anderes übrig, als sich dieser Forderung der Beklagten zu beugen, wenn sie nicht ihren Betrieb stillegen wollte.
Ein solcher Zwang der Klägerin wäre berechtigt, wenn durch die Wasserenthärtungsanlage der Klägerin die Trinkwasserversorgung in ... konkret gefährdet wäre, so dass die Wassersperre der Abwendung einer öffentlichen Gefahr diente. Eine konkrete Gefahr besteht jedoch nicht. Das Gesundheitsamt des Landkreises ... hat deshalb auch aus hygienischen Gründen eine Wassersperre nicht für erforderlich gehalten.
Die Beklagte hat allerdings durch den Aufsatz von Frau Professor Dr. Müller und die eidesstattliche Versicherung von ... glaubhaft gemacht, dass das Trinkwasserversorgungsnetz in der ... durch Anlagen wie die der Klägerin gefährdet ist.
In der Wasserenthärtungsanlage der Klägerin können sich Bakterien in erheblichen Mengen vermehren und bei Nachlassen des Wasserdrucks besteht die Gefahr, dass Wasser aus der Enthärtungsanlage in das öffentliche Versorgungsnetz zurückgesaugt wird, so dass die Bakterien in das Trinkwassernetz kommen können und dies durch weitere Vermehrung verseuchen können. Das Risiko einer solchen Verseuchung ist allerdings offenbar beschränkt. Einmal ist nach den Ausführungen von ... umstritten, in welchem Masse und unter welchen Voraussetzungen in Ionenaustauschern als Wasserenthärtungsanlagen sich Keime vermehren. Vor allem aber ist die Gefahr, dass das Wasser in das allgemeine Netz zurücklaufen kann, nicht sehr gross. Sie tritt nicht schon bei starker Belastung des Wassernetzes durch normalen Verbrauch zu Spitzenzeiten - wie etwa im Hochsommer - auf, sondern nur bei ungewöhnlicher Beanspruchung des Wassernetzes wie etwa bei einem Grossbrand oder dem Bruch eines grösseren Rohres.
Das hat in der mündlichen Verhandlung der Vertreter der Stadtwerke ... erklärt. Eine konkrete, akute Gefahr, die eine sofortige Wassersperre angezeigt erscheinen liesse, besteht danach nicht.
Die angedrohte Wasser sperre soll demnach nicht zur Abwendung einer akuten Gefahr dienen, sondern als Zwangsmassnahme zur Durchsetzung der Forderungen der Stadtwerke der Beklagten gegenüber der Klägerin. Da die Berechtigung dieser Forderung zwischen den Parteien ernstlich umstritten ist, setzt die Beklagte nicht das angemessene Mittel ein, wenn sie ihren Standpunkt einseitig durch Wassersperre durchsetzen will, bevor zwischen den Parteien durch einen unparteiischen Dritten - sei es durch gemeinsam bestellte objektive Sachverständige oder durch gerichtliche Entscheidung - geklärt ist, ob der Einbau einer Sicherheitsschleife bei der Klägerin notwendig ist (vgl. LG Münster MDR 1952 S. 292). Auch eine solche einseitige Durchsetzung des eigenen Standpunkts mit rütteln öffentlicher Gewalt - wie sie die Entziehung von Wasser für einen Betrieb letzten Endes darstellt - verletzt das Rechtsstaatsgebot (Art. 19 Abs. 4 GG).
Zwar ist nach den Versorgungsbedingungen der Beklagten der Verstoss der Klägerin gegen die von der Beklagten verlangten technischen Regeln eindeutig, so dass nach den Bestimmungen der Beklagten die Rechtslage klar und eine ernstliche Meinungsverschiedenheit nicht möglich sein sollte. Auch diese Bestimmungen dürfen von der Beklagten jedoch nur im Einklang mit den allgemeinen Bindungen der Verwaltung durch das öffentliche Recht angewendet werden. Die Klägerin hat einen gesetzlichen Rechtsanspruch auf Wasserversorgung (§ 22 Abs. 1 NGO). Es erscheint zweifelhaft, ob die dort einschränkend genannten "bestehenden Vorschriften" auch privat-rechtliche Bestimmungen sein können. Jedenfalls kann der Rechtsanspruch nicht durch privat-rechtliche Bestimmungen beliebiger Art eingeschränkt werden. Als Äquivalent zu dem bestehenden Anschluss und Nutzungszwang müssen Einschränkungen bei der Wasserversorgung sachgemäss sein.
Ob die Beschränkungen, die durch das Arbeitsblatt W 503 des DVGW bei Einbau einer Wasserenthärtungsanlage auferlegt sind, sachgemäss sind, sind zwischen den Parteien umstritten. Die Klägerin hat einige durch gutachtliche Äusserungen gestützte, nicht unerhebliche Argumente gegen die Berechtigung dieser Auflagen vorgebracht. Es wird insbesondere darauf hingewiesen, dass keine sich in gleicher Weise in längere Zeit nicht benutzten Leitungen von Privathaushalten bilden können, dass das Risiko eines Rücklaufs relativ gering sei und die Gewährleistung eines gleichbleibenden Druckes im Risikobereich des Versorgungsunternehmens liegt, wie ein angesehener Rechtswissenschaftler in einem ausführlichen Gutachten ausführt. Es ist im Rahmen dieses Verfahrens nicht Aufgabe der Kammer zu entscheiden, ob diese Argumente gegenüber dem Gebot der Anlage einer Sicherheitsschleife durch das Arbeitsblatt W 503 stichhaltig sind. Die Kammer neigt nach dem bisherigen Stand des Vorbringens beider Parteien eher dazu, dem Interesse der Allgemeinheit den Vorzug zu geben, das Trinkwassernetz soweit wie möglich sauber zu halten, auch wenn das Risiko einer Verseuchung nicht sehr gross sein sollte und auch wenn daneben ohnedies andere nicht ausschliessbare Risiken bestehen. Das könnte zumal dann gelten, wenn die Kosten für den Einbau einer solchen Sicherheitsschleife nicht übermässig hoch sind - von seiten der Beklagten mit etwa 1.500,- DM angegeben -.
Wie die Streitfrage der Anbringung einer Sicherheitsschleife zu entscheiden sein könnte, ist für die hier zu treffende Entscheidung jedoch nicht ausschlaggebend. Denn jedenfalls entspricht es nicht rechtstaatlichen Grundsätzen, wenn die Beklagte mit ihrer Wassersperre einseitig einen Anspruch durchsetzen will, obwohl die Verpflichtung der Klägerin zur Änderung ihrer Anlage ernsthaft umstritten ist und keine akute Gefährdung besteht. Das angemessene Mittel zur Durchsetzung dieser Verpflichtung ist in solchem Falle die Herbeiführung einer gerichtlichen Entscheidung, nicht die einseitige Zwangsmassnahme.
Bei anderer Handhabung würde die Beklagte sich auch durch die privat-rechtliche Gestaltung des Rechtsverhältnisses den Einschränkungen zugunsten des betroffenen Bürgers entziehen, denen ggf. Zwangsmassnahmen der Verwaltungsbehörden gesetzlich unterliegen (förmliches Verfahren mit Möglichkeit der Anrufung des Verwaltungsgerichts gegen die Zwangsmassnahme und deren sofortige Vollziehung). Das ist ihr nicht erlaubt.
Bei dieser Entscheidung fällt auch ins Gewicht, dass das jetzige Vorgehen der Stadtwerke der Beklagten im gewissen Widerspruch zu ihrem bisherigen eigenen Verhalten steht. Denn offenbar haben die Stadtwerke der Beklagten vor 1973 nicht strikt auf genaue Einhaltung des Arbeitsblattes W 503 gesehen, obwohl es diese Regeln seit 1966 gibt. Auch wenn den Stadtwerken nicht vor Installation der Anlage eine Beschreibung der Anlage zur Prüfung vorgelegt wurde, - was die Klägerin versäumt hat - so hatten es die Stadtwerke in der Hand, die Anlage nur dann anzuschliessen, wenn sie ordnungsgemäss erstellt war (V 8 der Versorgungsbedingungen). Eine solche Bietung ist vor Anschluss des Betriebs der Klägerin an die Wasserversorgung offensichtlich nicht erfolgt. Die Stadtwerke der Beklagten haben in den vorangegangenen Jahren anscheinend auch keine Erhebungen über nach ihrer Auffassung nicht ordnungsgemäss erstellte Wasserenthärtungsanlage angestellt. Darauf deutet auch das von der Beklagten vorgelegte Schreiben des Zentralverbandes Sanitär- und Heizungstechnik an die Firma ... vom 27.4.1973. Wenn die Stadtwerke der Beklagten bisher eine nicht ordnungsgemässe Installation hingenommen oder jedenfalls keine entsprechenden ernsthaften Kontrollen durchgeführt haben, so kann der Benutzer umso mehr erwarten, dass die Notwendigkeit einer nachträglichen umstrittenen Änderung erst von unparteiischer Seite festgestellt wird, nicht einseitig erzwungen wird.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.