Amtsgericht Nordenham
Urt. v. 15.04.1988, Az.: 3 C 30/88

Notwendigkeit der weiten Auslegung der kurzen Verjährungsfrist des Mietrechts; Bestehen eines Schadensersatzanspruches aus Delikt oder aus Vertrag

Bibliographie

Gericht
AG Nordenham
Datum
15.04.1988
Aktenzeichen
3 C 30/88
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1988, 19689
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:AGNOHAM:1988:0415.3C30.88.0A

Fundstelle

  • NJW-RR 1989, 523-524 (Volltext mit amtl. LS)

Verfahrensgegenstand

Schadensersatz

Das Amtsgericht Nordenham hat
auf die mündliche Verhandlung vom 11. März 1988
durch
den Richter am Amtsgericht Bartels
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines Betrages in Höhe von 260,- DM abwenden, es sei denn die Beklagte leistet Sicherheit in Höhe des genannten Betrages.

Tatbestand

1

Die Beklagte ist Trägerin eines Kinderheimes "Funkestiftung". Für die Zeit vom 18.06. bis zum 09.07.1985 mietete sie für 9 Kinder und 3 Personen Aufsicht die Ferienwohnung der Klägerin in Butjadingen 3, Hauptstraße 27, an. Die Klägerin hat ihrerseits die Wohnung vermietet an eine Antonie Durand, mit der die Beklagte auch den Mietvertrag bezüglich der obengenannten Zeit abschloß. In einem der den Jugendlichen zur Verfügung gestellten Schlafräume, in dem auch einer der von der Beklagten mitgegebenen Erzieher, nämlich Thomas König, schlief, brach um 5.00 Uhr in der Früh ein Bettschrank aus der Halterung, fiel zu Boden und wurde dabei zerstört.

2

Die Klägerin behauptet, dieser Bettschrank gehöre ihr. Die Beschädigung sei nur deshalb zustande gekommen, weil die Jugendlichen bis zu 5.00 Uhr morgens in dem Raum herumgetobt und mutwillig den Bettschrank aus der Halterung gerissen hätten. Die gleichen Jugendlichen hätten mit Messern zwei Sessel zerstochen. Auch diese Sessel gehörten ihr. Insgesamt errechnet sich die Klägerin einen Schaden in Höhe von 1.850,- DM.

3

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.850,- DM nebst 4 % Zinsen seit dem 01.08.1987 zu zahlen.

4

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

5

Sie beruft sich auf Verjährung.

6

Wegen des weiteren Vertrags der Parteien wird auf den Inhalt der von ihnen eingereichten Schriftsätze und Erklärungen zu Protokoll Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

7

Gem. § 29 a in Verbindung mit § 32 ZPO in Verbindung mit § 23 GVG ist das Amtsgericht zur Entscheidung berufen. Insbesondere besteht kein Anlaß, für eine Zuständigkeit des Landgerichts Oldenburgs gem. § 71 Abs. 2 Ziff. 1 BVG auszugehen. Bei den Aufsehern, die die Beklagte den Jugendlichen für die Ferienzeit in die Ferienwohnung der Klägerin mitgegeben hat, handelt es sich nicht um Beamte, sondern um Angestellte. Es besteht auch kein Anlaß davon auszugehen, daß das Kinderheim "Funkestiftung" von der Beklagten öffentlich-rechtlich betrieben wird oder daß sie über das Kinderheim ihre hoheitlichen Aufgaben wahrnimmt. Keiner der Parteien hat dergleichen vorgetragen.

8

Die Klage war aus sachlichen Gründen aber abzuweisen. Die Ansprüche der Klägerin sind gem. § 558 in Verbindung mit § 222 BGB verjährt, wenn Unterstellt mit der Klägerin ist überhaupt ein Schaden entstanden, weil ihre Gegenstände dadurch beschädigt worden sind, daß die Bediensteten der Beklagten ihre Obhutspflichten und Sorgfaltspflichten bei Ausübung des Mietrechts und Beaufsichtigung der Jugendlichen nicht in der erforderlichen Art und Weise haben obwalten lassen. Die oben zitierten Vorschriften finden Anwendung, obgleich die Klägerin sich ausdrücklich auf außervertragliche Deliktansprüche beruft. Es ist bereits ständige Rechtsprechung sowohl des Reichsgerichts als auch des Bundesgerichtshofes, daß § 558 BGB die kurze Verjährungsfrist des Mietrechts weit auszulegen ist, und deshalb auch dann anzuwenden ist, wenn sich der Anspruchsberechtigte nicht auf vertragliche Normen des Mietrechts, sondern auf die Vorschriften der unerlaubten Handlung (§§ 823 f BGB) beruft.(BGHZ 49 S. 53 f). Nach dieser Rechtsprechung finden die kurzen Verjährungsfristen selbst dann Anwendung, wenn der zwischen den Parteien bestehende Mietvertrag aus irgendwelchen Gründen nichtig ist, also nicht wirksam abgeschlossen worden ist (BGHZ AAO). Maßgebend ist allein der Zweck der zitierten Vorschrift, daß nämlich nach eingeräumten gewährtem dauernden Fremdbesitz bei Rückgabe der Eigentümer oder Erstbesitzer sofort überprüfen soll, ob die Gegenstände, die in dem Fremdbesitz gewesen sind, während der Dauer dieser Zeit gelitten haben und an ihnen Schaden entstanden ist, um diesen dann auch unverzüglich geltend zu machen und dies allein schon deshalb, weil sich nach Besitzwechsel, mit verhältnismäßig kurzfristigen Zeitablauf, immer schwerer feststellen läßt, in welchem Zustand die Gegenstände dem Zweitbesitzer überlassen worden sind und in welchem sie wieder zurückgegeben worden sind. Gem. § 558 BGB ist selbst dann für anwendbar erklärt worden, wenn ein nichtmitvermieteter Gegenstand, der aber im festen Zusammenhang mit den vermieteten Gegenständen stand, während der Zeit des Fremdbesitzes oder der Mietzeit zu Schaden gekommen ist (NJW 1973 S. 2059). Das Gericht hat aus diesem Grunde keine Bedenken, die oben zitierte Verjährungsvorschrift auch dann anzuwenden, wenn Vermieter und Anspruchsberechtigter, also Eigentümer und Erstbesitzer, nicht identisch sind, wie das angeblich nach dem Vortrag der Klägerin hier der Fall gewesen sein sollte. Das Gericht sieht sich deshalb nicht genötigt, über die Frage, wer Eigentümer der beschädigten Gegenstände gewesen ist, Beweis zu erheben. Das Gericht fühlt sich auch nicht veranlaßt, durch eine Begründung des Bundesgerichtshofs über die Ausdehnung des § 558 BGB zu einer anderen Entscheidung zu kommen (BGHZ 71 S. 180). Dort heißt es nämlich, es würde "den Zweck der besonderen kurzen bemessenen Verjährungsfrist des § 558 BGB vereiteln, wenn der Geschädigte nach Verjährung vertraglicher Schadensersatzansprüche auf die aus dem selben Sachverhalt hergeleiteten deliktischen Ansprüche ausweichen könnte weil meist, wie auch hier der Vermieter Eigentümer der beschädigten Mietsache ist". Diese Begründung zeigt nur, daß es besonders offenkundig geboten ist, § 558 BGB zur Anwendung zu bringen, wenn Anspruchsberechtigter nach Deliktrecht und nach Vertragsrecht identisch sind. Entscheidend ist, wie oben bereits ausgeführt daß eine Fremdbesitzzeit beendet worden ist und die daraus entstandenen Restansprüche in verhältnismäßig kurzer Zeit abgewickelt werden sollen. Dieser Zweck des Gesetzes gilt auch denn, wenn ein Vermieter fremde Gegenstände zur Vermietung gebracht hat. Denn der Vermieter setzt sich andernfalls Schadensersatzansprüchen gegenüber dem Erstvermieter und Eigentümer aus, die nicht kurzfristig verjähren, wenn sie dem Zweitvermieter weiter überlassen sind, weil § 558 BGB auf diesen Fall keine Anwendung findet. Läßt der Zweitvermieter seine Ansprüche verjähren, so bleibt er selbst auf dem Schaden letztlich sitzen. Dieser Umstand wiederum zwingt ihn, bei der Rückgabe der Gegenstände von dem Mieter unmittelbar sorgfältig nachzuprüfen, in welchem Zustand sie sind. Im übrigen waren Anspruchsberechtigte deliktischer und vertraglicher Ansprüche auch sogar in diesem Fall identisch, denn die Klägerin unterstellt, es wären ihre Gegenstände, die vermietet worden sind, hat auch aus dem Gesichtspunkt der Schutzwirkung zugunsten Dritter unmittelbare vertragliche Ansprüche gegenüber der Beklagten erworben, falls die tatsächlichen Voraussetzungen wie vorgetragen vorliegen. Allein berechtigt nur noch des deliktischen Anspruchs wäre die Klägerin erst, wenn ihr vertraglicher Anspruch allein verjährt wäre. Ist schon der Erstvermieterin über die entsprechende Anwendung der § 328 f BGB in den Genuß unmittelbarer vertraglicher Ansprüche gelangt, so muß sie auch die Nachteile, die in der kurzen Verjährung und Anwendbarkeit des § 558 BGB liegen, mit in Kauf nehmen. Diesem Rechtsgedanken hat der BGH in der oben zitierten Entscheidung (NJW 1973 S. 2058) mit aufgegriffen, als er die kurze Verjährung des § 558 BGB auch zugunsten eines Bediensteten des Mieters zur Anwendung brachte.

9

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 ZPO.

10

Das Urteil ist gem. §§ 708 Ziff. 11, 711 ZPO vorläufig vollstreckbar.

Bartels