Amtsgericht Nordenham
Urt. v. 05.06.1992, Az.: 3 C 121/92

Anspruch eines Grundstücksnachbarn auf Entfernung eines auf dem Grundstück eines Nachbarn im Grenzbereich stehenden schrägliegenden Ahornbaumes; Enge Auslegung von Vorschriften bezüglich der Beseitigung, Zurückschneidung oder Zerstörung von Pflanzenwerk

Bibliographie

Gericht
AG Nordenham
Datum
05.06.1992
Aktenzeichen
3 C 121/92
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1992, 22062
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:AGNOHAM:1992:0605.3C121.92.0A

Fundstelle

  • NJW-RR 1992, 1368 (Volltext mit red. LS)

Verfahrensgegenstand

Beseitigung

...
hat das Amtsgericht Nordenham
auf die mündliche Verhandlung vom 19.05.1992
durch
den Richter am Amtsgericht Bartels
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Beklagte wird verurteilt, die auf dem Grundstück des Klägers überhängenden Zweige eines im nördlichen Teil stehenden hohen Ahornbaumes und einer hohen Konifere bis zur Grenze zurückzuschneiden, soweit sie auf das Dach der Gebäudes des Klägers schlagen können, und zwar betreffend die Konifere in der Zeit vom 01.10.-15.03. eines jeden Jahres und für den Ahorn in der Zeit vom 01.11.-30.12. eines jeden Jahres.

Im übrigen wird die Klage zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger 3/4 und die Beklagte 1/4.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

1

Die Parteien sind Grundstücksnachbarn. In der Nähe der Grenze befinden sich die im Tenor genannten zwei hohen Bäume. DieÄste des Ahorns und der Konifere reichen in das Grundstück des Klägers hinein und berühren teilweise das Flachdach seines Gebäudes. Die Buschweide, die der Grenze am nächsten steht und nach der Behauptung des Klägers auf der Grenze sich befindet mit ihrem Fuß, kriecht praktisch von ihrem Fuß in das Grundstück der Beklagten ab und erhebt sich erst nach 1,50 m langsam in der Schräglage. Sie ist unstreitig 15 Jahre alt.

2

Der Kläger behauptet, die Wurzeln der Weide schädigten sein anliegendes Grundstück, indem sie in die Fundamente eingreiften und zu zerstörten. Darüber hinaus nehme dieser Baum ihm das Licht für die Küche.

3

Bei Windbewegungen schlügen die Zweige des Ahorns und der Konifere auf das Dach und würden dieses verletzen.

4

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen

  1. 1.

    die Entfernung des auf dem Grundstück der Beklagten und des Klägers im Grenzbereich stehenden schrägliegenden Baumes an der Westseite des Anbaus des Klägers und das Betreten des Grundstückes durch den Kläger und Mitarbeiter des technischen Hilfswerkes zu dulden,

  2. 2.

    die auf das Grundstück des Klägersüberhängenden Zweige eines im nördlichen Teil stehenden hohen Ahornbaumes und einer hohen Konifere bis zur Grenze zurückzuschneiden, und zwar in der gesetztlich zulässigen Zeit vom 01.10.-15.03. eines Jahres.

5

Der Kläger stellt weiterhin den Antrag zu 1., den Antrag zu 2. modifiziert er dahingehend die auf das Grundstück des Klägersüberhängenden Zweige eines im nördlichen Teils stehenden hohen Ahornbaumes und einer hohen Konifere bis zur Grenze zurückzuschneiden, soweit die Zweige auf das Dach gelangen oder schlagen können, und zwar in der gesetzlich zulässigen Zeit vom 01.10.-15.03. eines jeden Jahres.

6

Die Beklagte erkennt den neu formulierten Antrag zu 2. an.

7

Im übrigen beantragt sie,

die Klage abzuweisen und

8

beantragt,

die Kosten des Rechtsstreits auch insoweit dem Kläger aufzuerlegen soweit sie anerkannt hat.

9

Der Kläger beantragt,

auch bezüglich des Anerkenntnisses der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.

10

Wegen des weiteren Vertrags der Parteien wird auf den Inhalt der von ihnen eingereichten Schriftsätze und Erklärungen zu Protokoll Bezug genommen.

11

Das Gericht hat durch Hinzuziehung eines Sachverständigen für Wuchs den Gartenarchitekten Faber und durch Hinzuziehung eines Sachverständigen für Grenzfragen Reinhard Kompholz am 19.05.1992 durch Augenscheinseinnahme Beweis erhoben.

12

Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll vom 19.05.1992 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

13

Soweit die Beklagte anerkannt hat, handelt es sich um ein Anerkenntnisurteil im Sinne des §307 ZPO, wobei das Gericht davon ausgeht, daß die Parteien die besonderen Rückschneidungsfristen für den Ahornbaum ebenfalls für sich verbindlich anerkennen wollten, so daß der Ahorn nicht in der Zeit für die übrigen Pflanzen, sondern ab November bis Dezember eines jeden Jahres zurückgeschnitten werden muß.

14

Im übrigen war die Klage abzuweisen. Ein Anspruch auf§923 Abs. 2 BGB auf Beseitigung dieses Baumes steht dem Kläger gegenüber der Beklagten nicht zu. Die Strauchweide ist nämlich kein Grenzbaum im Sinne der zitierten Vorschrift. Zwar läuft die Grundstücksgrenze genau durch den Wurzelfuß dieses Baumes, doch wendet sich dieser unmittelbar nach dem Austritt aus der Erde schrägliegend von der Grenze ab in das Grundstück der Beklagten. Voraussetzung für einen Grenzbaum ist aber gem. §923 Abs. 1 BGB, daß der Baum auf der Grenze "stehet". Erst wenn der Baum auf der Grenze steht und somit die Grenze durch den Baum bezüglich den wesentlichen Teil des Stammes durchläuft, ist es gerechtfertigt das Eigentum an dem Holzstamm je zur Hälfte aufzuteilen, so daß es bei der Interpretation dieser Vorschrift darauf ankommt, daß der Baum wirklich auf der Grenze steht und nicht nur mit seinem Fuß auf der Grenze liegt. Im übrigen müssen alle Vorschriften, die die Beseitigung, Zurückschneidung oder Zerstörung von Pflanzenwerk zum Inhalt haben, mit Rücksicht auf die bedrohte Natur und damit auch mit Rückwert aufArtikel 14 Abs. 2 ZPO eng ausgelegt werden, d.h. im Zweifelsfalle muß zu Gunsten der lebenden Natur entschieden werden.

15

Der Anspruch des Klägers rechtfertigt sich auch nicht aus§910 BGB, da der Kläger insoweit nicht den Überhang, d.h. soweit der Wurzelfuß die Grenze überschreitet, verlangt, sondern die Entfernung des gesamten Baumes. Hierbei handelt es sich um etwas anderes und nicht um ein weniger, so daß das Gericht auch dem Antrag des Klägers insofern nicht folgen konnte, als ob er die Beseitigung des Wurzelfußes, soweit er über die Grenze auf sein Grundstück herausragt, oder die Entfernung der Wurzeln selbst verlangt.

16

Der Anspruch ist auch nicht aus §1004 BGB zu rechtfertigen. Abgesehen davon, daß diese Vorschrift die oben zitierten Vorschriften als lex spezialis keine Anwendung findet, hat der Sachverständige Faber festgestellt, daß die Wurzeln das Mauerwerk bzw. das Fundament des Gebäudes des Klägers nicht angreifen.

17

Ein Anspruch des Klägers aus §53 Niedersächsisches Nachbargesetz ist ebenfalls nicht gegeben, da die Geltendmachung eines derartigen Anspruches gemäß §54 Niedersächsisches Nachbargesetz verfristet ist. Zwischen den Parteien ist aufgrund der Augenscheinseinnahme und aufgrund der Äußerung des Sachverständigen unstreitig geworden, daß der Baum mindestens 15 Jahre alt ist.

18

Die Kostenentscheidung beruht auf §92 ZPO. §93 ZPO findet keine Anwendung, weil die Beklagte kein sofortiges Anerkenntnis gegeben hat, sondern sie hat bezüglich des Zurückschneidens der Zweige auch nach Klagerhebung zunächst vollständige Klagabweisung verlangt.

19

Soweit der Kläger bezüglich des Antrags zu 2. diesen modifiziert und eingeschränkt hat, handelt es sich um eine Klagrücknahme, so daß insoweit der Kläger die Kosten gemäß §269 Abs. 3 ZPO zu tragen hat.

20

Das Urteil ist gemäß §708 Ziff. 11 ZPO vorläufig vollstreckbar.

Bartels