Landgericht Göttingen
Beschl. v. 12.10.2005, Az.: 2 KLs 20/05

Festsetzung des Wertes der Gegenstände, die für eine Einziehung, einen Verfall oder Verfall des Wertersatzes beschlagnahmt worden sind ; Ermittlung des Gegenstandswerts von eingezogenem Rauschgift

Bibliographie

Gericht
LG Göttingen
Datum
12.10.2005
Aktenzeichen
2 KLs 20/05
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2005, 28477
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGGOETT:2005:1012.2KLS20.05.0A

Fundstelle

  • AGS 2006, 75 (Volltext mit amtl. LS u. Anm.)

Redaktioneller Leitsatz

Der Gegenstandswert von eingezogenem Rauschgift ist Null.

Die 2. große Strafkammer des Landgerichts Göttingen hat
durch
den Vorsitzenden Richter ...
die Richterin ... und
den Richter am Landgericht ...
am 12.10.2005
beschlossen:

Tenor:

Der Wert der Gegenstände der Angeklagten, die für eine Einziehung, einen Verfall oder Verfall des Wertersatzes beschlagnahmt worden sind oder sonst in Betracht kamen, wird gemäß § 33 RVG wie folgt festgesetzt:

  • betreffend den Verurteilten Ivan M. auf die Stufe bis 30.000 EUR;
  • betreffend den Verurteilten Rudolf M. auf die Stufe bis 8.000 EUR;
  • betreffend den Verurteilten Eugen M. auf die Stufe bis 13.000 EUR;
  • betreffend den Verurteilten Vitalij M. die Stufe bis 1.200 EUR
  • und betreffend den Verurteilten Andrej M. auf die Stufe bis 9.000 EUR.

Die Beschwerde gegen die Entscheidung wird zugelassen.

Gründe

1

I.

Bei der Festsetzung waren jeweils die Werte der gepfändeten Kontoguthaben und der beschlagnahmten Kraftfahrzeuge, Bargeldmengen sowie sonstiger Wirtschaftsgüter zu berücksichtigen, soweit deren Verwertung oder Vernichtung gegen den Willen der Verurteilten bezweckt war oder zumindest im Räume stand, mithin für die Verurteilten eine konkrete Gefahr einer Einbuße im wirtschaftlichen Sinne bestand. Die Kammer hat sich dabei an den Auskünften der kontoführenden Kreditinstitute und den Wertgutachten über die Kraftfahrzeuge - insoweit jeweils am Händlereinkaufswert, weil nach Lage der Dinge für die Verurteilten bei einem Verkauf ein höherer Preis voraussichtlich nicht erzielbar gewesen wäre - orientiert.

2

Der "Wert" des bei den Verurteilten Ivan M. bzw. M. zwecks Einziehung sichergestellten Heroins war hierbei nicht zu berücksichtigen. Denn der gemäß § 33 RVG für die Gebühr nach W 4142 festzusetzende Gegenstandswert ist der objektive Verkehrswert der Sache (Madert in: Gerald u.a., RVG, 16. Auflage, W 4142 Rn. 44), weil die Gebührenregelung (nur) solche Fälle erfassen will, in denen die Beschlagnahme oder Einziehung von Sachwerten für den Beschuldigten eine nicht nur unerhebliche wirtschaftliche Bedeutung hat und deshalb die Tätigkeit des Rechtsanwaltes erheblich umfangreicher und verantwortlicher ist (zu dieser Zweckrichtung der Vorschrift Madert, aaO., Rn. 33, 37). Der zeitweilige oder endgültige Verlust von Gegenständen die keinen objektiven Verkehrswert haben, berührt die wirtschaftlichen Belange des Besitzers nicht, mag er diesen auch als Nachteil empfinden. Gleiches gilt für Sachen, die lediglich einen subjektiven Unrechtswert haben; auch dieser bleibt bei der Bewertung außer Betracht (so noch zur gleichen Fragestellung nach altem Vergütungsrecht Fraunholz in: Riedel/Sußbauer, BRAGO, 8. Auflage, § 88 Rn. 12). Betäubungsmittel, die unter Verstoß gegen die Bestimmungen des BtMG in Besitz gehalten werden, haben regelmäßig keinerlei objektiven Verkehrswert, weil für den Besitzer jegliche Form der Veräußerung und der Weitergabe durch §§ 29 ff BtMG ausnahmslos verboten und unter Strafe gestellt ist und auch den Strafverfolgungsbehörden nach der Einziehung mangels legaler Verwendbarkeit nur die Vernichtung der Betäubungsmittel bleibt. Dass die Betäubungsmittel für den Besitzer subjektiv einen Wert darstellen mögen, weil er - illegale - Verwertungsmöglichkeiten kennt, ist als rein subjektiver Unrechtswert irrelevant.

3

Im Einzelnen ergeben sich hinsichtlich der Verurteilten danach folgende berücksichtigungsfähigen Werte und Gebührenstufen:

4

a) Ivan M.

5

Durch die Werte des sichergestellten Bargelds i.H.v. 24.020 EUR sowie des Mercedes Sprinter i.H.v. 2.100 EUR ist die Gebührenstufe bis 25.000 EUR überschritten; der Wert der übrigen Gegenstände und Forderungen (Kontoguthaben, 7 Mobiltelefone und Laptop) ist ersichtlich nicht geeignet, die nächst höhere Gebührenstufe bis 30.000 EUR zu überschreiten.

6

b) Rudolf M.

7

Durch die Werte des gepfändeten Bausparguthabens i.H.v. 976,31 EUR sowie des VW Passat i.H.v. 6.100 EUR ist die Gebührenstufe bis 7.000 EUR überschritten; der Wert der übrigen Gegenstände und Forderungen (Girokontoguthaben, 3 Mobiltelefone) ist ersichtlich nicht geeignet, die nächst höhere Gebührenstufe bis 8.000 EUR zu überschreiten.

8

c) Eugen M.

9

Durch die Werte des beschlagnahmten BMW i.H.v. 7.900 EUR sowie des VW Golf i.H.v. 1.200 EUR ist die Gebührenstufe bis 9.000 EUR überschritten; im Wege der Schätzung hat die Kammer für die 6 Mobiltelefone einen Wert von je 50 EUR, für das Laptop von 700 EUR, für die Digitalkamera 150 EUR und für die Videokamera 250 EUR angesetzt, so dass zwar auch die Gebührenstufe bis 10.000 EUR, keinesfalls aber die Stufe bis 13.000 EUR überschritten ist.

10

d) Vitalij M.

11

Durch die Werte des sichergestellten Bargelds i.H.v. 980 EUR sowie des Mobiltelefons, den die Kammer auf 50 EUR schätzt, ist die Gebührenstufe bis 1.000 EUR überschritten; selbst wenn der Wert des Mobiltelefons tatsächlich höher sein sollte wird die nächst höhere Gebührenstufe bis 1.200 EUR nicht überschritten. Der Wert des beschlagnahmten PKW Audi war nicht mit anzusetzen, da zum einen das Fahrzeug nicht dem Angeklagten, sondern seiner Verlobten Frau Sch. gehörte und zum anderen Rechtsanwalt R. insoweit ausdrücklich nicht als Verteidiger des Angeklagten, sondern als Bevollmächtigter der Frau Sch. tätig geworden ist, wie sein Schriftsatz vom 01 .02.2005 (Bl. 1 48 der Akte 2 KLs 28/05) belegt.

12

e) Andrej M.

13

Durch die Werte des sichergestellten Bargelds i.H.v. 4.650 EUR sowie des Audi i.H.v. 3.600 EUR ist die Gebührenstufe bis 8.000 EUR überschritten; der Wert der übrigen Gegenstände (Mobiltelefone und Kleingeld) ist ersichtlich nicht geeignet, die nächsthöhere Gebührenstufe bis 9.000 EUR zu überschreiten.

14

II.

Die Kammer hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Frage, ob der Schwarzmarktwert illegaler Drogen in den Gegenstandswert nach VV 4142 einzubeziehen ist, wie dies der Verteidiger des Angeklagten M. meint, gemäß § 33 Abs. 3 Satz 2 RVG die Beschwerde zugelassen. Soweit ersichtlich, ist nicht nur diese Frage bislang nicht obergerichtlich entschieden, sondern es fehlt zur Frage der Bestimmung des Gegenstandswertes nach W 4142 bzw. § 88 BRAGO insgesamt an solchen Entscheidungen (vgl. Madert, aaO., Rn. 48). Angesichts der beträchtlichen Schwarzmarktwerte, die bei gegenteiliger Auffassung für die Gebühr VV 41 42 anzusetzen wären, hätte eine Einbeziehung nachhaltige praktische Auswirkungen auf die Gebührenansprüche der Verteidiger in entsprechenden Betäubungsmittelstrafverfahren.