Landgericht Göttingen
Beschl. v. 23.09.2005, Az.: 52 StVK 97/99 (Vollz)

Anspruch; Aufenthalt; Ausgang; Klinik; Kosten; Maßregelvollzug; Niedersachsen; Patient; Probewohn-Kosten; Probewohnen; Unterbringung; Unterbringungskosten; Urlaub; Vollzugslockerung; Wohnung; Überleitung; Übernachtung; Übernahme

Bibliographie

Gericht
LG Göttingen
Datum
23.09.2005
Aktenzeichen
52 StVK 97/99 (Vollz)
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2005, 51109
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

nachfolgend
OLG Celle - 02.02.2006 - AZ: 1 Ws 440/05

Tenor:

Der Antrag wird abgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens und die dem Antragsgegner entstandenen notwendigen Auslagen.

Der Gegenstandswert wird auf 2.044,32 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Antragsteller macht aus übergeleitetem Recht der Maßregel-Patientin B., später verheiratete und heute geschiedene T., Ansprüche auf Erstattung der vom Sozialamt des Antragstellers verauslagten Kosten eines sog. Probewohnens geltend.

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Er beantragt,

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den Antragsgegner unter Aufhebung des Bescheides vom 13. 08. 1998 [Az.:] und des Widerspruchsbescheides des Niedersächsischen Landesamtes für Zentrale Soziale Aufgaben (NLZSA) vom 06. 04. 1999 [Az.:] zu verurteilen, dem Antragsteller 3.998,35 DM nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu bewilligen.

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1. Frau B. befand sich seit dem 28. Januar 1994 im Vollzug der Maßregel der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus im Niedersächsischen Landeskrankenhaus (NLKH) M.. Dieser Unterbringung lag das Urteil des Landgerichts Göttingen vom 20. Januar 1994 wegen Körperverletzung in drei Fällen, versuchter gefährlicher Körperverletzung, versuchter Nötigung, Sachbeschädigung und versuchter schwerer Brandstiftung zugrunde [Az.:].

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Nach zunächst geschlossener und dann entsprechend dem Behandlungsfortschritt zunehmend gelockerter Unterbringung teilten die behandelnden Ärzte in ihrer jährlichen Stellungnahme gemäß den §§ 67 d und e StGB gegenüber Staatsanwaltschaft und Strafvollstreckungskammer am 23. Mai 199.. schließlich mit, dass sie mit Frau B. planten, „nach erfolgreichem Abschluss des Praktikums im Tierheim N. eine eigene Wohnung zu suchen und in langsamen Schritten ein von uns therapeutisch begleitetes Probewohnen zu beginnen. Flankierend dazu werden wir in Absprache mit Frau B. uns bemühen, eine sinnvolle Tätigkeit, möglicherweise in Form einer ehrenamtlichen Mitarbeit im Tierheim o. ä., zu finden. Nach einem erfolgreichen Probewohnen von mindestens drei Monaten kann eine Entlassung aus dem Maßregelvollzug von unserer Seite her diskutiert werden.“.

6

Bei einer persönlichen Vorsprache im Sozialamt des Antragstellers am 23. Juli 199.. beantragte Frau B. dann die Übernahme der Kosten dieses Probewohnens, nämlich der Miete und der Kaution sowie von Beihilfen für Einrichtungsgegenstände und für die Renovierung der Wohnung. In dem Vermerk über die Vorsprache heißt es u. a.: „B. ist z. Zt. gem. § 63 StGB im LKH M. untergebracht. Sie soll entlassen werden. Voraussetzung für den Entlassungsbeschluss ist jedoch die erfolgreiche Absolvierung eines sogenannten Probewohnens. Lt. Frau M. [die Frau B. begleitende Sozialarbeiterin] wird sich Frau B. während des Probewohnens tageweise in der Wohnung aufhalten. Ansonsten wird sie auch weiterhin die restlichen Tage im LKH sein. Für die Tage der Abwesenheit während des Probewohnens zahlt das LKH kein Verpflegungsgeld. Für diese Zeiträume müsste dann auch HLU gezahlt werden.“.

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Am 25. Juli 199.. mietete Frau B. daraufhin die 23 m² große 1-Zimmer-Wohnung in G. an. Der vertraglich vereinbarte Mietzins sollte 420,00 DM zzgl. 130,00 DM Betriebskosten und die vereinbarte Kaution 840,00 DM betragen.

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Mit Bescheid vom 29. Juli 199.. erklärte sich der Antragsteller in der Folge bereit, im Rahmen der Eingliederungshilfe nach dem BSHG Einrichtungs- und Erstausstattungsbeihilfen in Höhe von insgesamt 1.325,00 DM zu gewähren. Mit Bescheid vom 31. Juli 199.. erklärte sich der Antragsteller außerdem bereit, die Unterkunftskosten in Höhe der nachgewiesenen Miete für die Wohnung [in G.], bis längstens 30. September 199.. gemäß § 39 ff BSHG und die Kaution in Höhe von 840,00 DM darlehensweise gemäß § 15 b BSHG zu übernehmen.

9

Im folgenden Anhörungstermin vor der großen Strafvollstreckungskammer am 4. August 199.. erklärte Frau B. daraufhin u. a.: „Ich habe jetzt eine Wohnung in G. angemietet, und zwar ab 25. August [richtig: 25. Juli]. ... Die Wohnung muss noch renoviert und möbliert werden. Möbel werde ich mit bei der Br. aussuchen; das habe ich schon in die Wege geleitet und auch das Renovieren vorbereitet.“ Und die Stationsärztin Frau B. teilte mit: „Wir wollen das Probewohnen, das wir bei der StA beantragen werden, langsam angehen lassen. Geplant ist, dass Frau B. sich zunächst nur tagsüber, z. B. 2 x pro Woche in der Wohnung aufhält; später sollen dann Übernachtungen und Verlängerungen des Aufenthalts schrittweise folgen. Wenn alles gut läuft, können wir uns eine Entlassung Ende dieses / Anfang kommenden Jahres denken.“

10

Mit Schreiben noch vom Anhörungstage, dem 4. August 199.., baten die behandelnden Ärzte schließlich auch förmlich um die Zustimmung der Staatsanwaltschaft Göttingen als zuständiger Vollstreckungsbehörde zu einem geplanten Probewohnen ihrer Patientin in der angemieteten eigenen Wohnung in G.. In dem Schreiben der Ärzte heißt es dazu u. a.: „Wie wir bereits in unserer Stellungnahme vom 23. 05. 199.. beschrieben haben, beabsichtigen wir, mit Frau B. ein Probewohnen in langsamen Schritten zu beginnen. Wir planen, mit zwei bis drei Tagen tagsüber anzufangen, danach mit Übernachtungen und einer vorsichtigen Steigerung dem Verlauf entsprechend. Im Rahmen einer behutsamen Ablösung sollte ein längerer Zeitraum in Betracht gezogen werden, wir gehen von einer mindestens dreimonatigen Dauer aus. Begleitend dazu sind psychotherapeutische Gespräche mindestens einmal wöchentlich vorgesehen.“

11

Nachdem die Staatsanwaltschaft ihre Zustimmung mit Verfügung vom 8. August 199.. erteilt hatte, begann das eigentliche Probewohnen gleichwohl erst Mitte September 199...

12

Zwischenzeitlich hatte der Antragsteller die Kostenübernahmezusage hinsichtlich der Unterkunftskosten mit Bescheid vom 22. August 199.. bereits bis zum 31. Oktober 199.. verlängert. Mit Bescheid vom 12. September 199.. hatte er darüber hinaus Verpflegungsgeld in Höhe von 12,57 DM / Tag für September und in Höhe von 12,17 DM / Tag für Oktober 199.. bewilligt. Mit Bescheid vom 22. September 199.. schließlich kündigte der Antragsteller seine Bereitschaft auch noch zur Kostenübernahme für den Monat November an, wobei die abschließende Kostenzusage insoweit aber davon abhängen sollte, dass im Laufe des Oktober eine geeignete ambulante oder teilstationäre Betreuung für Frau B. gefunden würde. Anderenfalls wollte der Antragsteller das Probewohnen als gescheitert ansehen.

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Tatsächlich hielt sich Frau B. während folgender Zeiträume ganz oder teilweise in der von ihr angemieteten Wohnung auf: 23. bis 25. 09., 29. 09. bis 02. 10., 06. bis 10. 10., 13. bis 17. 10., 20. bis 24. 10., 27. bis 31.10. 199...

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Bereits mit Wirkung vom 7. November 199.. wurde das Probewohnen dann indessen wieder abgebrochen, nachdem sich das psychosoziale Umfeld in G. als ungünstig erwiesen und die Patientin selbst befürchtet hatte, bei einer Fortsetzung des Probewohnens psychisch zu dekompensieren.

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Erst zum 1. April 199.. nahm Frau B. dann ein neues Probewohnen, diesmal in einem anderen Wohnumfeld, in Angriff.

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2. Gegenstand des mit dem vorliegenden Antrag auf gerichtliche Entscheidung geltend gemachten Erstattungsantrages sind nun die Kosten des Probewohnens im Sommer und Herbst 199...

17

Diese berechnet der Antragsteller wie folgt:

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Miete einschließlich Betriebskosten, direkt an den Vermieter überwiesen aufgrund Auszahlungsanordnungen vom 7., 12. und 26. August 199..:

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für 08 / 9..:550,00 DM
für 09 / 9..:550,00 DM
für 10 / 9..:550,00 DM.
20

Kaution , direkt an den Vermieter überwiesen aufgrund Auszahlungsanordnung vom 7. August 199..:

21
Kaution:840,00 DM.
22

Möbelbeihilfe , ausgezahlt in bar aufgrund Auszahlungsanordnung vom 22. August 199..:

23
Möbelbeihilfe:625,00 DM.
24

Beihilfe für sonstige Einrichtungsgegenstände , Renovierung und Hausrat, ausgezahlt in bar aufgrund Auszahlungsanordnung vom 7. August 199..:

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Einrichtungsbeihilfe etc.700,00 DM.
26

Verpflegungsgeld für September 199.. (24. und 30. 09. = 2 Tage à 12,57 DM) sowie Oktober 199.. (1., 7., 8., 9., 14., 15., 16., 21., 22., 23., 28., 29., 30. 10. = 13 Tage à 12,17 DM), überwiesen aufgrund Auszahlungsanordnung vom 12. September 199..:

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Verpflegung September 25,14 DM
Verpflegung Oktober158,21 DM
insgesamt183,35 DM.
28

Die Zahlungen des Antragstellers summieren sich danach auf 3.998,35 DM.

29

3. Im weiteren Verlauf zeigte der Antragsteller mit Bescheid vom 1. Juli 1998 gegenüber dem Niedersächsischen Landeskrankenhaus (NLKH) M. an, „dass ich den Anspruch der Frau B. auf Kostenübernahme der im Rahmen der forensischen Unterbringung im LKH M. angefallenen und durch mich im Rahmen einer gesetzlich zugewiesenen Vorleistungsverpflichtung erbrachten Aufwendungen an Kosten für ein Probewohnen für die Zeit vom 01. August 199.. bis zum 31. 10. 199.. in Höhe von 3.998,35 DM gemäß § 90 Abs. 1 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) auf mich überleite.“

30

Dieser dem Antragsgegner am 3. Juli 1998 zugestellte Bescheid erlangte in der Folge Bestandskraft, nachdem auf den den rechtzeitig erhobenen Widerspruch des Antragsgegners als unbegründet zurückweisenden Widerspruchsbescheid des Antragstellers vom 1. Dezember 1998 Klage nicht erhoben wurde.

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4. Das weitere, in den vorliegenden Antrag auf gerichtliche Entscheidung mündende Verfahren war folgendes:

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Mit Schreiben vom 13. August 1998 begründete der Antragsgegner seinen Widerspruch gegen die Überleitungsanzeige des Antragstellers vom 1. Juli 1998 in Form eines eigenen Bescheides, wobei der Antragsgegner mitteilte, dass er „die Überleitungsanzeige [...] als Antrag auf Leistungen aus Mitteln des Maßregelvollzuges [werte]. Die Übernahme der Kosten in Höhe von 3.998,35 DM wird ... abgelehnt.“ Zugleich erteilte der Antragsgegner dem Antragsteller eine Rechtsbehelfsbelehrung dahin, dass der Antragsteller binnen eines Monats nach Zustellung des Bescheides Widerspruch beim Niedersächsischen Landesamt für Zentrale Soziale Aufgaben (NLZSA) einlegen könne.

33

Der Bescheid des Antragsgegners wurde dem Antragsteller am 17. August 1998 zugestellt.

34

Der Antragsteller erhob daraufhin unter dem 18. 08. 1998 Widerspruch zum NLZSA, der durch Bescheid des Niedersächsischen Landesamtes für Zentrale Soziale Aufgaben vom 6. April 1999 zurückgewiesen wurde. Dieser am 9. April 1999 beim Antragsteller eingegangene Bescheid enthielt eine Rechtsmittelbelehrung dahin, dass nunmehr innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung Klage bei der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Göttingen erhoben werden könne.

35

Der an die Strafvollstreckungskammer gerichtete Antrag auf gerichtliche Entscheidung mit dem eingangs bezeichneten Sachantrag ging am 23. April 1999 beim Landgericht Göttingen ein.

36

Der Antragsteller vertritt die Rechtsauffassung, dass aus § 25 Abs. 1 des Niedersächsischen Maßregelvollzugsgesetzes (Nds.MVollzG) ein Anspruch des Maßregelpatienten gegen den Einrichtungsträger auf Übernahme der durch das sog. Probewohnen entstehenden notwendigen Kosten folge, dem gegenüber die Leistungspflicht des örtlichen Sozialhilfeträgers gemäß § 2 Abs. 1 BSHG subsidiär sei.

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Demgegenüber verstehen der Antragsgegner und das NLZSA die Vorschrift des § 25 Abs. 1 Nds.MVollzG dahin, dass die Kosten des Probewohnens dadurch nicht erfasst seien, weil das Probewohnen außerhalb des Landeskrankenhaus keine Behandlungsmaßnahme (mehr) darstelle. Vielmehr sei diese Maßnahme „einerseits auf die Überprüfung des Erfolges der bisherigen Behandlungs- und Eingliederungsmaßnahme gerichtet, andererseits als Prognoseinstrument dahingehend bestimmt, dass die Patientin zukünftig aufgrund der Therapiefortschritte in einer eigenen Wohnung außerhalb des Maßregelvollzugs leben kann.“.

38

Wegen der weiteren Einzelheiten der wechselseitigen rechtlichen Argumentationen wird auf die Bescheide und Schriftsätze des Antragstellers vom 01. Juli und vom 1. Dezember 199.. sowie vom 23. April, 12. August und 22. Oktober 199.. und vom 16. Oktober 200.. und auf die Bescheide und Schriftsätze des Antragsgegners bzw. des NLZSA vom 13. August 199.., vom 6. April 199.. und vom 7. Oktober 199.. sowie vom 29. Oktober 200.. Bezug genommen.

II.

39

1. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist zulässig.

40

Die Beteiligten streiten um eine Maßnahme zur Regelung einer einzelnen Angelegenheit auf dem Gebiet des Maßregelvollzugs, § 109 Abs. 1 i. V. m. § 138 Abs. 3 StVollzG, nämlich die Ablehnung des Antrags auf Übernahme der Kosten eines sog. Probewohnens der Maßregel-Patientin T. (heute: B.) im Rahmen ihrer Maßregelunterbringung nach § 63 StGB und die Verpflichtung des Antragsgegners, diese Kosten zu tragen, wobei der Anspruch auf § 25 des Nds.MVollzG und damit auf eine maßregelvollzugsrechtliche Norm gestützt wird.

41

Geltend gemacht wird damit zugleich eine - in der Ablehnung der Kostenübernahme begründete - Verletzung der Maßregel-Patientin B. in ihren Rechten, § 109 Abs. 2 1 i. V. m. § 138 Abs. 3 StVollzG. Dabei steht der Zulässigkeit des Kostenübernahme-Antrags übrigens nicht entgegen, dass nicht die Maßregel-Patientin selbst Antragstellerin ist, sondern dass der Landkreis N. aus übergeleitetem Recht in der Folge von ihm erbrachter Sozialhilfeleistungen vorgeht. Denn dadurch ändert sich nichts an der Herleitung des Anspruchs aus dem besonderen Maßregelvollzugsverhältnis.

42

Schließlich sind das erforderliche Vorverfahren (§ 109 Abs. 3 StVollzG i. V. m. § 9 Nds.AGGVG) durchgeführt und der Antrag auf gerichtliche Entscheidung innerhalb der gesetzlichen Zwei-Wochen-Frist ab Zustellung des Widerspruchsbescheides (§ 112 Abs. 1 StVollzG) gestellt worden.

43

2. Der Antrag ist indessen nicht begründet. Tatsächlich besteht ein - überleitbarer - Anspruch der Patientin auf Übernahme der Probewohn-Kosten nämlich nicht.

44

a) Der Antragsteller stützt seinen Antrag vorrangig auf § 25 Abs. 1 Nds.MVollzG. Aus dieser Vorschrift lässt sich ein Anspruch auf Übernahme von Probewohn-Kosten indessen nicht herleiten.

45

aa) Schon im Ausgangspunkt erscheint fraglich, ob die landesrechtliche Vorschrift des § 25 Abs. 1 Nds.MVollzG - die allerdings die Tragung der Unterbringungskosten durch das Land vorsieht - überhaupt als Anspruchsgrundlage in Anspruch genommen werden kann. Denn insoweit ist zumindest zweifelhaft, ob § 25 Abs. 1 Nds.MVollzG verfassungsgemäß zustande gekommen ist. Im Zeitpunkt des Erlasses des Niedersächsischen Maßregelvollzugsgesetzes vom 1. Juni 1982 war die Frage, wer die Kosten der Vollstreckung von freiheitsentziehenden Maßregeln zu tragen hat, nämlich schon in § 10 Abs. 1 der - bundesrechtlichen - Verordnung über Kosten im Bereich der Justizverwaltung (JVKostO) geregelt. Der Bundesgesetzgeber hatte mithin von seiner ihm durch Art. 74 Nr. 1 GG zugewiesenen Kompetenz zur konkurrierenden Gesetzgebung für den Straf- und Maßregelvollzug bereits Gebrauch gemacht, so dass die Regelung des § 25 Abs. 1 Nds.MVollzG möglicherweise gar nicht mehr kompetenzgemäß und damit verfassungsgemäß erlassen werden konnte (vgl. zu dieser Problematik in Bezug auf die Kostenvorschrift des Bremischen Maßregelvollzugsgesetzes BVerfGE 85, 134 ff [BVerfG 12.12.1991 - 2 BvL 8/89]).

46

bb) Indessen kann die Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 25 Abs. 1 Nds.MVollzG im Ergebnis dahin stehen. Ein auf § 25 Abs. 1 Nds.MVollzG gestützter Anspruch auf Übernahme der Probewohn-Kosten scheidet nämlich schon deshalb aus, weil es sich dabei nicht um die nach dieser Vorschrift vom Land zu tragenden „Kosten einer Unterbringung nach diesem Gesetz“ handelte.

47

§ 1 Nds.MVollzG definiert den vollzugsrechtlichen Begriff der „Unterbringung“ als „Vollzug der durch strafrichterliche Entscheidung angeordneten freiheitsentziehenden Maßregeln der Besserung und Sicherung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt.“ Nach § 3 Abs. 1 des Nds.MVollzG findet dieser Vollzug in Einrichtungen des Landes oder in entsprechenden Einrichtungen anderer Träger statt, denen diese Aufgabe widerruflich übertragen worden ist und die der Aufsicht der zuständigen Behörden unterstehen. Die Ausgestaltung des Vollzuges wird in § 3 Abs. 2 Nds.MVollzG näher umschrieben. Danach sollen die Einrichtungen so gegliedert und ausgestattet sein, dass eine auf die unterschiedlichen Anforderungen abgestimmt Behandlung ermöglicht und die Eingliederung der Untergebrachten gefördert wird. Namentlich sollen die Voraussetzungen für einen geschlossenen und für einen offenen Vollzug vorgesehen werden. Die örtliche und sachliche Zuständigkeit der verschiedenen Einrichtungen ist nach § 5 Abs. 1 des Nds.MVollzG in einem Vollstreckungsplan zu regeln und nach allgemeinen Merkmalen zu bestimmen.

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Einen Maßregelvollzug in der Gestalt eines individuellen Probewohnens in eigener Wohnung sieht das Niedersächsische Maßregelvollzugsgesetz demgegenüber nicht vor. Aufenthalte außerhalb der Maßregelvollzugseinrichtung in eigener Wohnung ermöglicht es vielmehr nur in Form von Lockerungen des Vollzuges und Urlauben aus dem Vollzug nach Maßgabe des § 15 Nds.MVollzG. Gestattet werden kann den Untergebrachten danach, dass sie die Maßregelvollzugseinrichtung für eine bestimmte Zeit innerhalb eines Tages verlassen (Vollzugslockerung), wobei § 15 Abs. 2 Nds.MVollzG Zweck und Ausgestaltung dieser Lockerungen nur beispielhaft, jedoch nicht abschließend (vgl. Nds. Landtag - Drucks. 9 / 2605, S. 38) umschreibt und „insbesondere“ die Wahrnehmung einer regelmäßigen Beschäftigung außerhalb der Einrichtung sowie begleitete Ausführungen und unbegleitete Ausgänge aufführt. Daneben besteht die Möglichkeit von „befristeten, jedoch einen Kalendertag überschreitenden Aufhebungen des örtlichen Gewahrsams“ der Maßregelklinik (Urlaub -vgl. Nds. Landtag - Drucks. 9 / 2605, S. 38 f), die je nach Behandlungsstand und Art des (geschlossenen oder offenen) Vollzugs für zwei Tage bis zu mehreren Monaten als Urlaube bewilligt werden können, § 15 Abs. 3 und 4 Nds.MVollzG.

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Genau diesen Vorgaben entsprach aber das Probewohnen im vorliegenden Fall. So waren zunächst unbegleitete Aufenthalte außerhalb der Klinik in der angemieteten Wohnung nur tagsüber, mithin als Ausgänge, vorgesehen. Und ab 23. September 199.. fanden dann auch Urlaube mit zunächst zwei und später bis zu vier Übernachtungen in Folge in der angemieteten Wohnung statt. Befolgt wurde außerdem die weitere gesetzliche Vorgabe, wonach vor Bewilligung von Vollzugslockerungen und Urlauben die Vollstreckungsbehörde anzuhören und gegebenenfalls ihr Einvernehmen einzuholen ist, § 15 Abs. 5 Nds.MVollzG.

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Das Probewohnen stellte mithin keine Form der Unterbringung im maßregelvollzugsrechtlichen Sinne, sondern eine zeitlich umschriebene und kontrollierte Freistellung aus dieser Unterbringung dar. Bei den Kosten des Probewohnens handelte es sich dem gemäß auch nicht um in der Unterbringung entstandene Kosten der Behandlung in einer Einrichtung des Maßregelvollzuges, sondern um Kosten für die Ausgestaltung von Vollzugslockerungen und Beurlaubungen, die außerhalb der Unterbringung im Maßregelvollzug entstanden sind.

51

Dieser Wertung und namentlich der Einordnung des Probewohnens als Vollzugslockerungen bzw. Beurlaubungen steht schließlich nicht entgegen, dass das Probewohnen der Patientin T. (jetzt B.) therapeutischen Charakter haben sollte und daher „in langsamen Schritten“ vor sich ging und „therapeutisch begleitet“ wurde, um eine „behutsame Ablösung“ der Patientin von der Klinik zu ermöglichen. Denn im Gegenteil macht § 15 Abs. 1 Nds.MVollzG die Gewährung von Lockerungen und Urlauben geradezu davon abhängig, dass „zu erwarten ist, dass dadurch das Ziel der Unterbringung gefördert wird.“ Dem liegt die gesetzgeberische Einschätzung zugrunde, dass Vollzugslockerungen und Urlaube (neben dem offenen Vollzug) die wichtigste rehabilitative Handhabe für die allmähliche Gewöhnung der Untergebrachten an die allgemeinen Lebensverhältnisse darstellen und damit zugleich dazu beitragen, die Entscheidung über eine Vollstreckungsaussetzung zur Bewährung vorzubereiten (vgl. Nds. Landtag - Drucks. 9 / 2605, S. 37). Sie sind ihrer Zielsetzung nach mithin nicht nur Abschwächungen des Freiheitsentzuges, sondern zugleich positive Behandlungsmaßnahmen, die die intramurale Behandlung ergänzen, ja diese u. U. überhaupt erst ermöglichen (vgl. Volckart / Grünebaum, Maßregelvollzug, 6. Aufl., D.1.2.6.1., S. 124).

52

Im Ergebnis bleibt es deshalb dabei, dass die Kosten des Probewohnens nicht unter den Begriff der „Kosten einer Unterbringung“ im Sinne des § 25 Abs. 1 Nds.MVollzG zu fassen sind und ein Anspruch auf Übernahme dieser Kosten durch das Land bzw. die Maßregelvollzugseinrichtung aus dieser Vorschrift daher nicht herzuleiten ist.

53

b) Keine Grundlage findet der geltend gemachte Leistungsanspruch ferner in der - im Zeitpunkt der Entstehung der im Streit liegenden Probewohn-Kosten maßgeblichen - bundesrechtlichen Bestimmung des § 10 Abs. 1 JVKostO. Denn im Gegensatz zu § 25 Abs. 1 Nds.MVollzG geht diese Vorschrift sogar von einem grundsätzlichen Anspruch des Staates gegen den Verurteilten auf Ersatz der Vollstreckungskosten von Freiheitsstrafen und freiheitsentziehenden Maßregeln ausgeht, von dessen Geltendmachung nur unter bestimmten Voraussetzungen abgesehen werden kann.

54

c) Endlich schließt auch der aus den §§ 136 Satz 2 und 3 StVollzG, 2 Abs. 1, 8 Abs. 1 Nds.MVollzG abzuleitende Behandlungsanspruch der Maßregel-Patientin (vgl. Volckart / Grünebaum, Maßregelvollzug, 6. Aufl., D.1.3.1., S. 160 ) einen Anspruch auf Übernahme ihrer Probewohn-Kosten nicht ein. Denn der Behandlungsanspruch gilt nicht uneingeschränkt. Vielmehr folgt aus der Zusammenschau der §§ 3, 5 und 8 des Nds.MVollzG, dass vorrangig Behandlungsmaßnahmen in der Maßregelklinik beansprucht werden können.

55

Allerdings setzt die Gewährung von Vollzugslockerungen und Urlauben schon von Gesetzes wegen voraus, dass sie eine Förderung des Unterbringungs- und damit doch auch des Behandlungsziels erwarten lässt, § 15 Abs. 1 Nds.MVollzG. Dem entsprechend findet sich in der Entwurfsbegründung zu der Vollzugslockerungen und Urlaube betreffenden Vorschrift des - gemäß § 138 Abs. 1 StVollzG maßgeblichen - Niedersächsischen Maßregelvollzugsgesetzes vom 1. Juni 1982 der Hinweis, dass an eine „Unterstützung aus Landesmitteln zu denken [sei], wenn die Vollzugslockerung aus therapeutischen Gründen dringend erwünscht ist“ und keine ausreichenden eigenen Mittel des Untergebrachten zur Verfügung stehen, um die anfallenden Kosten zu decken (Nds. Landtag - Drucks. 9 / 2605, S. 39).

56

Indessen lässt sich eine generelle Verpflichtung der Maßregelkliniken, jegliche Kosten einer therapeutisch wünschenswerten und indizierten Vollzugslockerung oder Beurlaubung zu tragen, daraus doch nicht ableiten. Vielmehr ging der Gesetzgeber selbst ausdrücklich davon aus, dass die Untergebrachten die durch Vollzugslockerungen und Urlaub entstehenden Kosten „grundsätzlich selbst“ zu tragen haben (Nds. Landtag - Drucks. 9 / 2605, S. 39).

57

Als Ausnahme von diesem Grundsatz und unter Berücksichtigung des in den §§ 3 und 5 Nds.MVollzG festgeschriebenen Prinzips, wonach die Maßregeln in bestimmten vorgegebenen Einrichtungen vollzogen werden, ist die Übernahme von „extramuralen“ Kosten infolge von Vollzugslockerungen und Urlauben deshalb auf begrenzte und jedenfalls ambulante Einzelmaßnahmen beschränkt. Keinesfalls aber reicht der Behandlungsanspruch danach so weit, dass auch die Kosten einer der (bedingten) Entlassung aus der Unterbringung vorgeschalteten Dauerbeurlaubung von der Klinik getragen werden müssten.

58

Die Richtigkeit dieser Wertung wird besonders deutlich, wenn man sich vor Augen führt, dass es in aller Regel - und so auch im vorliegenden Fall - nicht ausreichen würde, die laufenden Mietkosten für das externe Wohnen zu übernehmen, sondern dass die Klinik auch die Mietkaution und die Anschaffung einer Erstausstattung mit Mobiliar und Haushaltsgegenständen zu tragen hätte. Denn das hat mit der Behandlung als solcher nichts mehr zu tun und dient vielmehr allein der sachlichen Ausgestaltung der Lebenssituation, in die hinein am Ende die Entlassung erfolgen soll. Zugespitzt formuliert stellte die Übernahme dieser Kosten keine Maßnahme der Behandlung, sondern eine solche der Eigentums- und Vermögensbildung für die Patientin dar, die unter keinen Umständen von der Behandlungspflicht der Klinik und der Zielsetzung der Unterbringung umfasst ist.

59

Im Ergebnis kann die Patientin von der Klinik eine Übernahme der Kosten des Probewohnens daher nicht verlangen. Und das gilt übrigens ausnahmslos für alle im Zusammenhang mit dem Probewohnen entstandenen Kosten, mithin vorliegend nicht nur für die Aufwendungen für Mobiliar, Hausrat, Erstrenovierung und Mietkaution, sondern auch für die regelmäßigen Mietzinszahlungen und die regelmäßigen Verpflegungskosten. Denn eine Aufspaltung in von der Klinik zu tragende „behandlungsdienliche“ und von der Patientin selbst aufzubringende „behandlungsfremde“ Einzelpositionen erschiene weithin künstlich - man denke beispielsweise an die Notwendigkeit, Einzelpositionen eines Mietvertrages auseinander zu dividieren, der Regelungen sowohl zum laufenden Mietzins als auch zu Mietkaution und Renovierungsleistungen enthält - und könnte im Einzelfall überdies zu beträchtlichen Abgrenzungsschwierigkeiten führen. Außerdem wäre die regelmäßige Übernahme der laufenden Mietzinszahlungen und der Verpflegungskosten schwerlich mit dem vom Gesetzgeber aufgestellten Grundsatz zu vereinbaren, dass die Lockerungs- und Urlaubskosten von den Untergebrachten „grundsätzlich selbst“ zu tragen sind.

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An alledem ändert es schließlich nichts, dass das Probewohnen vorliegend tatsächlich nicht in eine bedingte Entlassung mündete, weil die Patienten psychisch zu dekompensieren drohte. Denn der Abbruch des Probewohnens ändert an dem Charakter der Probewohn-Kosten nichts, so dass es bei vorgenannten Grundsätzen bleiben muss.

61

d) Nach allem bestand bzw. besteht kein - auf den Antragsteller überleitbarer - Anspruch der Untergebrachten T. (jetzt B.) auf Übernahme der Kosten ihres Probewohnens.

62

Inwieweit stattdessen ein - bezogen auf den Zeitpunkt des streitgegenständlichen Probewohnens womöglich aus § 15 a BSHG herzuleitender - Sozialhilfeanspruch besteht, ist im vorliegenden, allein das Rechtsverhältnis zwischen der Untergebrachten und der Maßregelvollzugseinrichtung betreffenden maßregelvollzugsrechtlichen Verfahren nicht zu entscheiden.

63

Jedenfalls sind der die Kostenübernahme ablehnende Bescheid des Antragsgegners vom 13. 08. 1998 [Az.:] und der diese Sachentscheidung bestätigende Widerspruchsbescheid des Niedersächsischen Landesamtes für Zentrale Soziale Aufgaben (NLZSA) vom 06. 04. 1999 [Az.:] - im Ergebnis nicht zu beanstanden. Der gegen diese Bescheide gerichtete Antrag auf gerichtliche Entscheidung war dem gemäß abzuweisen.

III.

64

Die Kostenentscheidung folgt aus § 121 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1, Abs. 4 StVollzG.

65

Die Entscheidung über den Gegenstandswert dieses Verfahrens beruht auf den §§ 52 Abs. 3, 60, 65, 72 Abs. 2 GKG v. 5. Mai 2004.