Amtsgericht Hameln
Beschl. v. 08.12.2021, Az.: 19 VI 938/18

Testamentsvollstrecker; Entlassung des Testamentsvollstreckers; Beendigung; beendet; Ausgleichsanspruch; Ausgleichsansprüche; Ausstattung

Bibliographie

Gericht
AG Hameln
Datum
08.12.2021
Aktenzeichen
19 VI 938/18
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2021, 70457
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Der Antrag der Beteiligten zu 1 auf Entlassung der Beteiligten zu 2 als Testamentsvollstreckerin über den Nachlass des Erblassers wird zurückgewiesen.

Der Geschäftswert des Verfahrens wird auf 35.704,04 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der am 22.11.2018 verstorbene Erblasser hat mit notariellen Testamenten vom 17.06.2005 (Bl. 52 der Nachlassakte, dieses zusammen mit seiner vorverstorbenen Ehefrau) und vom 12.02.2016 (Bl. 59 der Nachlassakte) die Beteiligte zu 2 als (alleinige) Testamentsvollstreckerin eingesetzt. Die Beteiligte zu 2 hat das Amt angenommen.

Die Beteiligte zu 1 hat mit Schriftsatz vom 01.03.2021 (Bl. 42 ff. der Nachlassakte) beantragt,

die Beteiligte zu 2 aus dem Amt des Testamentsvollstreckers aus wichtigem Grund zu entlassen und einen neuen Testamentsvollstrecker durch das Gericht zu ernennen.

Den Antrag hat die Beteiligte zu 1 damit begründet, dass die Beteiligte zu 2 als Testamentsvollstreckerin sich standhaft weigere, Ausgleichsansprüche gemäß § 2050 BGB zu prüfen, sie geltend zu machen und in das Nachlassverzeichnis aufzunehmen. Ausgleichsansprüche ergäben sich in erheblichem Umfang aus lebzeitlichen Zuschüssen des Erblassers und seiner vorverstorbenen Ehefrau an die Erben zum Hauskauf und aus der Zuwendung eines Hauses. Das pflichtwidrige Verhalten der Beklagten zu 2 rechtfertige deren Entlassung als Testamentsvollstreckerin gemäß § 2227 BGB. Es sei ein neuer Testamentsvollstrecker zu bestellen, da die Testamentsvollstreckung noch nicht beendet sei (vgl. Seite 2 f. Schriftsatz vom 01.03.2021, Bl. 43 f. der Nachlassakte).

Die Beteiligte zu 2 hat einer Entlassung durch das Nachlassgericht widersprochen. Sie hat ausgeführt, dass die Testamentsvollstreckung durch die Abrechnung und Auszahlung des Nachlasses abgeschlossen sei. Aus diesem Grund habe sie dem Nachlassgericht die Beendigung der Testamentsvollstreckung mitgeteilt (Schriftsatz vom 25.02.2021, Bl. 10 der Nachlassakte). Soweit die Beteiligte zu 1 mit der Verteilung nicht einverstanden sei, müsse sie im Streitverfahren gegen die angeblich zum Ausgleich verpflichteten Miterben vorgehen (Seite 2 Schriftsatz vom 06.05.2021, Bl. 80 der Nachlassakte).

II.

Der Antrag der Beteiligten zu 1 ist zurückzuweisen. Die Voraussetzungen für die Entlassung der Beteiligten zu 2 als Testamentsvollstreckerin gemäß § 2227 BGB liegen nicht vor.

Gemäß § 2227 BGB kann das Nachlassgericht den Testamentsvollstrecker entlassen, wenn ein wichtiger Grund, insbesondere eine grobe Pflichtverletzung oder die Unfähigkeit des Testamentsvollstreckers zur ordnungsmäßigen Geschäftsführung, vorliegt. Ob diese Voraussetzungen gegeben sind, kann hier offenbleiben. Zusätzliche Voraussetzung der Entlassung gemäß § 2227 BGB ist nämlich, dass das Testamentsvollstreckeramt nicht beendet ist. Nach Beendigung des Amtes kann der Testamentsvollstrecker nicht mehr entlassen werden (vgl. BayObLG, Beschluss vom 29.06.1995 - 1Z BR 158/94, juris, Rn. 10 m.w.N.; Zimmermann in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Aufl. 2020, § 2227 Rn. 3 m.w.N.; Krätschel in: Firsching/Graf, Nachlassrecht, 11. Aufl. 2019, § 19 Rn. 87).

1. Beendet ist das Amt und erlischt von selbst mit der vollständigen Ausführung aller Aufgaben, zu denen der Erblasser die Testamentsvollstreckerin oder den Testamentsvollstrecker berufen hat, ohne dass es einer Aufhebung der Testamentsvollstreckung oder der Entlassung des Testamentsvollstreckers durch das Nachlassgericht bedarf (vgl. BGH, Urteil vom 22.01.1964 - V ZR 37/62, NJW 1964, 1316; BayObLG, a.a.O.; Zimmermann, a.a.O., § 2225 Rn. 1).

So liegt es hier. Durch Testament vom 17.06.2005 haben zunächst der Erblasser und seine vorverstorbene Ehefrau die Antragsgegnerin zur Testamentsvollstreckerin bestimmt (Bl. 52 der Testamentsakte). Durch weiteres Testament vom 12.02.2016 hat der Erblasserin die Anordnung der Testamentsvollstreckung durch die Antragsgegnerin aufrechterhalten und sie zur alleinigen Testamentsvollstreckerin bestimmt (Bl. 59 der Testamentsakte). Gegenstand der vorliegenden Testamentsvollstreckung ist die Abwicklung und Auseinandersetzung des Nachlasses (§§ 2204, 2042 ff. BGB). Die Auseinandersetzung des Nachlasses hat die Beteiligte zu 2 durch Ermittlung der Nachlassaktiva und -passiva, durch Erstellung des Nachlassverzeichnisses (Anlage A1, Bl. 46 f. der Nachlassakte), durch Berichtigung der Nachlassverbindlichkeiten und durch Verteilung des Überschusses auf die Erben bewirkt (vgl. hierzu Schreiben der Beteiligten zu 2 vom 06.05.2021, Bl. 79 ff. der Nachlassakte). Hierdurch hat die Beteiligte zu 2 die ihr obliegenden Aufgaben vollständig erfüllt, sodass das Amt endete.

2. Zu Unrecht wendet die Antragstellerin ein, dass das Amt deshalb nicht beendet sei, sondern fortdauere, weil die Antragsgegnerin Ausgleichsansprüche nicht geprüft (aa) und nicht geltend gemacht habe (bb).

a) Ausweislich der Schreiben der Beteiligten zu 2 vom 25.02.2021 (Anlage A6, Bl. 69 der Nachlassakte) und vom 06.05.2021 (Bl. 80 der Nachlassakte) hat die Beteiligte zu 2 Ausgleichsansprüche geprüft, diese jedoch verneint.

b) Die Beteiligte zu 2 war auch nicht gehalten, Ausgleichsansprüche geltend zu machen. Es ist nicht ersichtlich, dass Ausgleichsansprüche aufgrund testamentarischer Anordnung (1) oder kraft Gesetzes (2) bestehen würden, denen die Testamentsvollstreckerin nachgehen müsste.

aa) Kraft testamentarischer Anordnung bestehen vorliegend keine Ausgleichsansprüche. Aus dem Testament und den Umständen des Falles ergibt sich eindeutig, dass der Erblasser gerade keine Ausgleichung anordnen wollte, solange keiner der Beteiligten Pflichtteilsansprüche geltend macht. Das Testament vom 17.06.2005 trifft außerhalb des Abschnitts zu Pflichtteilsansprüchen keine Regelungen zu einer Ausgleichung (Bl. 54 der Testamentsakte). Auch innerhalb des Abschnitts zu Pflichtteilsansprüchen werden Ausgleichsansprüche nur für den Fall angeordnet, dass einer der Erben den Pflichtteil geltend macht. Dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut der Regelungen im Testament vom 17.06.2005:

"V. Pflichtteil

Wir wurden vom Notar auf die gesetzlichen Pflichtteilsbestimmungen hingewiesen und bestimmen hierzu [Unterstreichung durch Gericht] wie folgt: ...

[Es folgt die Aufzählung der Zuwendungen an die einzelnen Erben, Einschub des Gerichts]

"Dieses ist für den Fall, dass unsere vorstehenden Erben unsere Wünsche nicht akzeptieren in jedem Fall zu berücksichtigen, sofern sich Pflichtteilsansprüche ergeben".

Hieraus ist zu folgern, dass eine Ausgleichung auf die Fälle beschränkt sein soll, dass ein Erbe den Pflichtteil verlangt. Aus dem Einschub "Vorab erklären wir dazu, dass unsere Erben von uns unter Anrechnung auf Erb- und Pflichtteil vorhandene Gegenstände zugewandt bekommen haben", lassen sich Ausgleichsansprüche nicht hinreichend ableiten. Das Testament vom 12.02.2016 (Bl. 58 ff. der Testamentsakte) ordnet eine allgemeine Ausgleichung ebenfalls nicht an.

Wesentliche Anhaltspunkte dafür, dass Ausgleichsansprüche zwischen den Erben gerade nicht begründet werden sollen, ergeben sich auch aus der vom Erblasser erstellten Tabelle über die Verteilung seines Vermögens und der Erbmasse (Anlage A3, Bl. 52 der Nachlassakte). Hätte der Erblasser eine Anrechnung der Zuwendungen gewollt, hätte er nicht jedem seiner Abkömmlinge testamentarisch 50.000,- Euro vermacht und auch nicht das Restvermögen in Höhe von 79.600,- Euro gleichmäßig auf die Erben verteilt.

bb) Auch kraft Gesetzes bestehen keine Ausgleichsansprüche.

(1) Bei der vorliegenden testamentarischen Erbfolge kommt ein Ausgleichsanspruch gemäß § 2050 BGB nur in Verbindung mit § 2052 BGB in Betracht. Nach § 2052 BGB ist bei einer testamentarischen Erbanordnung, bei der die Erben - wie hier - zu gleichen Teilen eingesetzt sind, nur im Zweifel anzunehmen, dass die Abkömmlinge zur Ausgleichung verpflichtet sein sollen. Aus den unter aa) geschilderten Gründen, steht jedoch fest, dass eine Ausgleichung außerhalb des Pflichtteils gerade nicht stattfinden soll.

(2) Eine Ausgleichung gemäß §§ 2052, 2050 Abs. 1 BGB scheitert zudem daran, dass nicht ersichtlich ist, dass das übertragene Haus oder die Zuschüsse zum Hauskauf Ausstattungen im Sinne des § 2050 Abs. 1 BGB sind.

Was als ausgleichungspflichtige Ausstattung im Sinne des § 2050 Abs. 1 BGB zu verstehen ist, wird in § 1624 Abs. 1 BGB definiert. Dies ist - im Lichte des § 2050 Abs. 1 BGB gelesen - dasjenige, was einem Abkömmling mit Rücksicht auf seine Verheiratung oder auf die Erlangung einer selbständigen Lebensstellung zur Begründung oder Erhaltung der Wirtschaft oder der Lebensstellung von dem Erblasser zugewandt wird. Dabei ist die Ausstattung eine von der Schenkung zu unterscheidende Art der unentgeltlichen Zuwendung mit einer causa sui generis (OLG Karlsruhe ZEV 2011, 531 f.). Ob eine solche Ausstattung gegeben ist und einer der genannten Ausstattungszwecke mit der Zuwendung verfolgt wird, ist im Wege der Auslegung zu ermitteln. Vorliegend ist nicht ersichtlich, dass die Erben die Zuschüsse im Hinblick auf eine Verheiratung, zur Erlangung einer selbständigen Lebensstellung oder zur Begründung oder Erhaltung der Wirtschaft erhalten haben könnten. Der Hauskauf ist nicht erforderlich zur Erlangung einer selbständigen Lebensstellung (vgl. zur ausgleichungspflichtigen Ausstattung insgesamt OLG Düsseldorf, Urteil vom 06.04.2018 - 7 U 34/17, BeckRS 2018, 30918 Rn. 32).

(3) Die Zuschüsse zum Hauskauf sind auch keine Zuschüsse zu Einkünften oder zu einer Vorbildung zum Beruf im Sinne des § 2050 Abs. 2 BGB.

(4) Die Zuschüsse sind schließlich nicht nach § 2050 Abs. 3 BGB auszugleichen. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass der Erblasser vor oder zum Zeitpunkt der jeweiligen Zuwendungen die Ausgleichung angeordnet hat.

3. Eine Entlassung der Beteiligten zu 2 aus dem Testamentsvollstreckeramt und die Bestellung eines neuen Testamentsvollstreckers ist auch nicht geboten, um Rechte der Beteiligten zu 1 zu sichern. Dieser bleibt es unbenommen, Schadensersatzansprüche gegen die Beteiligte zu 2 als Testamentsvollstreckerin gemäß § 2219 BGB geltend zu machen oder die anderen Miterben im Rahmen der Erbauseinandersetzung in Anspruch zu nehmen.

III.

Eine Kostenentscheidung ist im Hinblick auf § 22 GNotKG unterblieben. Von einer Kostenauferlegung der Auslagen der Beteiligten zu 2 nach § 81 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 FamFG hat das Gericht abgesehen.

Der Geschäftswert des Verfahrens ergibt sich aus § 65 GNotKG. Danach beträgt der Geschäftswert 10 % des Nachlasswertes zum Zeitpunkt des Erbfalls, wobei Nachlassverbindlichkeiten nicht abgezogen werden. Mangels anderer Anhaltspunkte ist der Nachlasswert zum Zeitpunkt des Erbfalls mit 357.040,38 Euro anzusetzen (vgl. Anlage A1, Bl. 46 d.A.).