Amtsgericht Goslar
Beschl. v. 29.04.2010, Az.: 33 IN 94/09
Berücksichtigung der Abweichung von qualitativen und quantitativen Merkmalen vom vergütungsrechtlichen Normalfall bei Berechnung der Insolvenzverwaltervergütung; Rechtfertigung eines Abschlages auf die Regelvergütung bei wesentlicher Verwertung der Insolvenzmasse
Bibliographie
- Gericht
- AG Goslar
- Datum
- 29.04.2010
- Aktenzeichen
- 33 IN 94/09
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2010, 32293
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:AGGOSLR:2010:0429.33IN94.09.0A
Rechtsgrundlagen
- § 2 Abs. 1 InsVV
- § 3 Abs. 2b InsVV
- § 8 Abs. 3 InsVV
- § 45 Abs. 2 Nr. 1 BRAO
- § 45 Abs. 3 BRAO
Fundstellen
- NZI 2010, 15
- NZI 2010, 691-692
- ZInsO 2010, 1120
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Reduzierung der angemessenen Vergütung auf 70% der Normalvergütung.
- 2.
Abschlag von 10%, wenn die Masse bei Eröffnung des Verfahrens zu einem wesentlichen Teil verwertet war.
Gründe
Am 11.9.2009 ist XY als Insolvenzverwalter über den Nachlass des am 10.4.2005 verstorbenen Erblassers, vertreten durch den Nachlasspfleger Rechtsanwalt Z, bestellt worden. Die 1. Gläubigerversammlung (Berichts- und Prüfungstermin) war am 6.11.2009. Danach hat der Insolvenzverwalter seinen Schlussbericht nebst Schlussrechnung, Verteilungsverzeichnis und Vergütungsantrag am 16.3.2010 eingereicht. Mit Vfg. V. 17.3.2010 hat das Gericht den Insolvenzverwalter um Überprüfung seines Vergütungsantrags gebeten, da nach Auffassung des Gerichts die Voraussetzungen für die Regelvergütung (100%) nicht vorliegen. Der Insolvenzverwalter hat mit Schreiben v. 15.4.2010 erwidert. Auf die in der Akte befindlichen Schreiben wird insoweit Bezug genommen.
Die Vergütung ist nicht verwirkt. Zwar verwundert es im Hinblick auf § 45 Abs. 2 Nr. 1 BRAO i.V.m. § 45 Abs. 3 BRAO, dass der Nachlasspfleger Rechtsanwalt Z seinen Sozius XY als Nachlassinsolvenzverwalter vorgeschlagen und dieser das Amt angenommen hat. Eine Verwirkung der Vergütung eines Zwangsverwalters hat der BGH in seinem Beschl. v. 22.10.2009 - V ZB 77/09, ZInsO 2009, 2409, für den Fall festgestellt, dass ein Rechtspfleger ohne die für die Nebentätigkeit als Zwangsverwalter erforderliche Genehmigung in dem Bezirk des AG, an dem er tätig ist, sich zum Zwangsverwalter bestellen lässt und dieses Amt auch ausübt. Dem vergleichbar ist der vorliegende Fall aber nicht.
Die Regelvergütung ist um insgesamt 30% zu kürzen.
Die Vergütung des Insolvenzverwalters berechnet sich nach dem Wert der Insolvenzmasse bei Beendigung des Verfahrens. Unter Zugrundelegung einer Insolvenzmasse von 19.444,95 EUR beträgt die Regelvergütung (100%) des Insolvenzverwalters nach § 2 Abs. 1 InsVV 7.777,98 EUR. Nach Haarmeyer/Wutzke/Förster, InsVV, § 2 Rn. 10 bedarf es für die Bestimmung des vergütungsrechtlichen Normalfalls sowohl qualitativer als auch quantitativer Merkmale, weil nicht nur die Art, sondern auch der Tätigkeitsumfang ein die Vergütung prägender Faktor sind, weil besondere Umstände, welche die Tätigkeiten erleichtern oder erschweren, maßgeblichen Einfluss auf die Höhe der Vergütung haben.
Eine Betrachtung der qualitativen und quantitativen Merkmale bei Haarmeyer/Wutzke/Förster, a.a.O., § 2 Rn. 11-27 zeigt:
Der Bearbeitungsaufwand bei der Inbesitznahme der Vermögensmasse des Nachlasses, nämlich die Übernahme der Akten vom Partner in der eigenen Sozietät und die Umbuchung der Masse auf ein neues Konto, war minimal.
Die Erstellung einer Bilanz war nicht erforderlich.
Eine Buchhaltung hat praktisch nicht stattgefunden (4 Kontoauszüge).
Überlegungen zu einer Unternehmensfortführung waren nicht erforderlich.
Die Gläubiger hatte bereits der Nachlasspfleger ermittelt.
Die Anlegung eines Gläubigerverzeichnisses mit 10 Gläubigern ist weit unterdurchschnittlich
Anfechtungstatbestände lagen nicht vor.
Prozesse waren nicht zu führen.
Aus- und Absonderungsrechte wurden nach minimaler Prüfung aus der Masse freigegeben.
Hinsichtlich der quantitativen Kriterien für die Regelvergütung handelt es sich um ein weit unterdurchschnittliches Verfahren.
Die Summe der nicht erfüllten Kriterien für eine Regelvergütung macht deutlich, dass die Voraussetzungen für die Festsetzung von 100% der Regelvergütung nicht vorliegen (so auch Haarmeyer/Wutzke/Förster, a.a.O., § 2 Rn. 43), ist nämlich die Abweichung vom Normalfall gravierend (mehr als 20%), so erfordert das System der §§ 2, 3 eine Anpassung der Regelvergütung nach unten bereits auf dieser Stufe, bevor mögliche tätigkeitsbezogene Besonderheiten nach § 3 Berücksichtigung finden.
Mit Rücksicht auf die vorstehenden Ausführungen wird die angemessene Vergütung auf 70% der Normalvergütung festgesetzt. Dabei wurden die Abweichungen der qualitativen Merkmale vom Normalfall insgesamt mit 20% und die Abweichungen der quantitativen Merkmale vom Normalfall mit insgesamt 10% berücksichtigt.
§ 3 Abs. 2b InsVV regelt sodann das Zurückbleiben hinter dem Regelsatz. Ein Abschlag ist dann gerechtfertigt, wenn die Masse zu einem wesentlichen Teil verwertet war. So hat der Insolvenzverwalter nur die Masse auf sein Konto umgebucht und die Immobilien aus der Masse freigegeben.
Dem Insolvenzverwalter war gem. § 3 InsVV ein Abschlag in Höhe von insgesamt 10% mit 544,46 EUR von der angemessenen Vergütung abzuziehen.
Nach § 8 Abs. 3 InsVV steht dem Insolvenzverwalter eine Auslagenpauschale i.H.v. 15% der gesetzlichen Vergütung für das erste Jahr seiner Tätigkeit zu.
Für die Übertragung der Zustellungen gem. § 8 Abs. 3 InsO wurden Auslagen i.H.v. 34,50 EUR berücksichtigt.
Zusätzlich war gem. § 7 InsVV die von dem Insolvenzverwalter zu entrichtende USt festzusetzen.