Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 14.01.2009, Az.: 2 A 121/08

Einordnung von Angaben zu genetisch veränderte Organismen enthaltenden Flurstücken als personenbezogene Daten im Rahmen eines Auskunftsanspruches nach dem Umweltinformationsgesetz; Einordnung der Angaben von Flurstücken als vertrauliche Daten im Rahmen des § 17a Gesetz zur Regelung der Gentechnik (GenTG); Einordnung eines als Gesellschaft bürgerlichen Rechts geführten landwirtschaftlichen Betriebs als natürliche Person im Sinne des § 3 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG); Überwiegen der persönlichen Interessen von Eigentümern genetisch veränderte Organismen enthaltender Flurstücke im Rahmen einer Interessenabwägung bezüglich eines Auskunftsanspruches

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
14.01.2009
Aktenzeichen
2 A 121/08
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2009, 10650
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGBRAUN:2009:0114.2A121.08.0A

Fundstelle

  • ZUR 2009, 211-213 (Volltext mit red. LS)

Verfahrensgegenstand

Streitigkeiten nach dem Umweltinformationsgesetz

Redaktioneller Leitsatz

Aus dem Auskunftsanspruch des § 3 S. 1 NUIG folgt, dass die zuständige Behörde auf Anfrage darüber informieren muss, auf welchen in ihrem Zuständigkeitsbereich liegenden Flurstücken GVO-verunreinigtes Rapssaatgut der Partie D-BN 3237/318 ausgebracht wurde. Eine erhebliche Beeinträchtigung der Interessen der betroffenen Landwirte ist durch die Bekanntgabe der personenbezogenen Daten nicht gegeben.

In der Verwaltungsrechtssache
...
hat das Verwaltungsgericht Braunschweig - 2. Kammer -
auf die mündliche Verhandlung vom 14. Januar 2009
durch
den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht Schwarz,
die Richterin am Verwaltungsgericht Karger und
die Richterin Dr. Thorn-Christoph sowie
die ehrenamtlichen Richter D. und E.
für Recht erkannt:

Tenor:

Der Beklagte wird unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 14.12.2007 i.d.F. des Widerspruchsbescheides vom 05.05.2008 verpflichtet, dem Kläger unter Angabe der Gemarkung, der Flur und des Flurstücks Auskunft zu erteilen, auf welchen Flächen seines Zuständigkeitsbereichs im Jahr 2007 Raps der Sorte Taurus aus der Saatgutpartie D-BN 3237/318 ausgebracht wurde.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des festzusetzenden Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Bekanntgabe von Flurstücken, auf denen im Jahr 2007 Rapssaat ausgebracht wurde, die geringe Anteile gentechnisch veränderter Organismen enthielt.

2

Bei der behördlichen Routinekontrolle einer Probe von Rapssaatgut im August 2007 wurde eine geringfügige Verunreinigung mit gentechnisch veränderten Organismen (GVO) festgestellt. Da das Saatgut bereits über den Handel an Landwirte in mehreren Bundesländern veräußert und von diesen teilweise schon ausgebracht worden war, wurden die betroffenen Landwirte in einem konzertierten Vorgehen der zuständigen Landesbehörden aufgefordert, die Saat auflaufen zu lassen und anschließend zu vernichten. Im Folgejahr sollte auf den betroffenen Flächen kein Raps angebaut und noch vorhandenes Saatgut an den Handel oder den Hersteller zurückgegeben werden. Der Beklagte verpflichtete die Landwirte zudem zur Vollzugsmeldung sowie zur Übermittlung weiterer Angaben und behielt sich vor, die Durchführung der Maßnahmen ggf. zu kontrollieren.

3

Am 08.10.2007 bat der Kläger beim Niedersächsischen Umweltministerium auf der Grundlage des Umweltinformationsgesetzes um Angabe der Flächen, auf denen in Niedersachen Raps aus der betroffenen Saatgutpartie ausgebracht wurde und um Mitteilung der daraufhin durchgeführten Maßnahmen und Kontrollen. Da die Flächen im Zuständigkeitsbereich mehrerer Gewerbeaufsichtsämter lagen, gab das Ministerium die Anfrage an diese Behörden zur Bearbeitung weiter. In dem sich anschließenden Verfahren hörte der Beklagte drei in seinem Zuständigkeitsbereich betroffene Betriebsinhaber an, von denen sich zwei in schriftlichen Äußerungen gegen eine flurstücksgenaue Bekanntgabe der Flächen aussprachen. Der dritte Landwirt hat erst im Verlauf des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens seine Zustimmung schriftlich verweigert und dazu angegeben, er habe dies zuvor bereits fernmündlich getan. Ein Vermerk hierüber findet sich in der Behördenakte nicht. Einer der betroffenen landwirtschaftlichen Betriebe wird in der Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts geführt.

4

Mit Bescheid vom 14.12.2007 informierte der Beklagte den Kläger darüber, dass das Saatgut in seinem Zuständigkeitsbereich auf insgesamt 62 ha Ackerland von drei Landwirten ausgebracht worden sei, deren Betriebe in den Gemeinden Liebenburg, Wetzleben und Roklum lägen. Zudem teilte er mit, welche Anordnungen den Landwirten gegenüber getroffen wurden. Eine flurstücksgenaue Bezeichnung der Flächen lehnte der Beklagte mit der Begründung ab, durch diese Information würden personenbezogene Daten offenbart und dadurch die Interessen der Betroffenen erheblich beeinträchtigt. Diese hätten einer Offenbarung widersprochen, weil sie befürchten würden, Gentechnikgegner könnten ihre Namen bekannt machen und sie dadurch Nachteile bei der Vermarktung ihrer Produkte erleiden. Zudem - so der Beklagte weiter - lasse sich nicht ausschließen, das gewaltbereite Gentechnikgegner Felder der Landwirte verwüsten, wie dies in der Vergangenheit andernorts bereits geschehen sei. Im Rahmen der gesetzlich vorgeschriebenen Interessenabwägung sei zu berücksichtigen, dass die betroffenen Landwirte nicht vorsätzlich gehandelt hätten und der behördlichen Anordnung zur Vernichtung des Rapses vollumfänglich nachgekommen seien. Da ein Auskreuzen mit Rapspflanzen von Mitgliedern des Klägers somit nicht möglich sei, bestehe für ihn auch kein gesteigertes Interesse an der Bekanntgabe der Flurstücke.

5

Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 21.01.2008 Widerspruch ein und führte zur Begründung aus: Es sei bereits fraglich, ob es sich bei der Angabe von Flurstücken um vertrauliche Informationen handele. Denn nach § 17a GenTG, der als Maßstab herangezogen werden könne, würden der Name und die Anschrift des Betreibers einer gentechnischen Anlage sowie der Ort der Freisetzung gentechnisch veränderten Materials nicht unter das vertraulich zu behandelnde Betriebs- und Geschäftsgeheimnis fallen. Zudem ergebe sich aus § 3 BDSG, dass nur die persönlichen Daten natürlicher Personen geschützt seien. Insofern bestreite er, dass sämtliche Inhaber der betroffenen landwirtschaftlichen Betriebe natürliche Personen seien. Schließlich sei die Interessenabwägung fehlerhaft. Der Beklagte habe das vom Gesetzgeber vorgesehene Regel-/Ausnahmeverhältnis missachtet, das der Bekanntgabe von Umweltinformationen grundsätzlich den Vorrang einräume. Es läge keine erhebliche Beeinträchtigung der Interessen der betroffenen Landwirte vor. Für Aktionen gewaltbereiter Gentechnikgegner gäbe es keine konkreten Anhaltspunkte. Soweit solche Aktionen in der Vergangenheit stattgefunden hätten, könne der Hinweis darauf nicht ausreichen, Informationen zurückzuhalten, da das Umweltinformationsgesetz sonst weitgehend ins Leere liefe. Notwendig seien vielmehr konkrete Anhaltspunkte für bevorstehende Übergriffe. Im vorliegenden Fall sei mit Sachbeschädigungen nicht zu rechnen, weil die Landwirte schuldlos gehandelt hätten und die betroffenen Felder bereits abgeerntet seien. Für ein öffentliches Interesse an der Bekanntgabe spreche dagegen der Umstand, dass von Samenkörnern, die gentechnisch veränderte DNA enthielten und evtl. im Boden verblieben seien, bis zu 15 Jahre lang die Gefahr eines Durchwuchses ausgehe. Deshalb hätten Imker ein Interesse an der Kenntnis der betroffenen Parzellen, damit sie ihre Bienenvölker nicht in deren Nähe aufstellen und so eine mögliche Kontamination des Honigs vermeiden könnten. Auch andere Landwirte, die dem Kläger angehören, seien an dieser Information interessiert, da sie ihre Erzeugung landwirtschaftlicher Produkte einer strengen Kontrolle unterworfen hätten.

6

Diesen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 05.05.2008 - dem Kläger zugestellt am 07.05.2008 - aus den Gründen des Ausgangsbescheides zurück.

7

Daraufhin hat der Kläger am Montag, den 09.06.2008, den Verwaltungsrechtsweg beschritten. Zur Begründung seiner Klage wiederholt und vertieft er sein Vorbringen. Ergänzend trägt er vor: Die Information über Flurstücksbezeichnungen seien keine personenbezogenen Daten. Auskunft zur Person der Landwirte, die die Saat ausgebracht hätten, sei nicht verlangt worden. Für die ihm angehörenden Imker und Landwirte sei dies auch nicht von Interesse. Aus der Kenntnis der Flurstücke könne nicht ohne Weiteres ermittelt werden, wer den Raps ausgesät habe, da die Katasterämter über die Grundstückeigentümer keine Informationen an Dritte erteilen und die Flächen zudem häufig von Pächtern bewirtschaftet würden. Für ein öffentliches Interesse an der Bekanntgabe der Flurstücke spreche neben der Gefahr des Durchwuchses, zu dessen Möglichkeit der Kläger umfangreiches Material vorgelegt hat, auch, dass der Beklagte keine wirksame Nachkontrolle vorgesehen habe, die bei einer genehmigten Freisetzung obligatorisch gewesen wäre.

8

Der Kläger beantragt,

den Beklagten unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 14.12.2007 i.d.F. des Widerspruchsbescheides vom 05.05.2008 zu verpflichten, unter Angabe der Gemarkung, der Flur und des Flurstücks Auskunft zu erteilen, auf welchen Flächen seines Zuständigkeitsbereichs Raps der Sorte Taurus aus der Saatgutpartie D-BN 3237/318 ausgebracht wurde.

9

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

10

und tritt dem Vorbringen des Klägers aus den Gründen der angefochtenen Bescheide entgegen.

11

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge des Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe

12

Die Klage ist zulässig und begründet.

13

Der Kläger hat Anspruch darauf, dass der Beklagte ihn informiert, auf welchen in seinem Zuständigkeitsbereich liegenden Flurstücken im Jahr 2007 GVO-verunreinigtes Rapssaatgut der Partie D-BN 3237/318 ausgebracht wurde.

14

Gemäß § 3 Satz 1 des Niedersächsischen Umweltinformationsgesetzes - NUIG - i.d.F. vom 07.12.2006 (Nds. GVBl. 2006 S. 580) hat jede Person, ohne ein Interesse darlegen zu müssen, nach Maßgabe dieses Gesetzes Anspruch auf Zugang zu Umweltinformationen, über die eine informationspflichtige Stelle verfügt. Da der Kläger Informationen über Flächen begehrt, auf denen (unbeabsichtigt) GVO-verunreinigtes Saatgut ausgebracht wurde und der Beklagte nach Nr. 9 der Anlage zur ZustVO-Umwelt-Arbeitsschutz vom 18.11.2004 (Nds. GVBl. 2004 S. 464) für die Überwachung der Durchführung des Gentechnikgesetzes zuständig ist, ist er in Bezug auf die erbetenen und bei ihm vorhandenen Daten informationspflichtige Stelle im Sinne des Gesetzes. Bei den Angaben über die betroffenen Flächen handelt es sich um Umweltinformationen. Dies sind nach § 3 S. 2 NUIG i.V.m. § 2 Abs. 3 Nr. 1 des Umweltinformationsgesetzes - UIG - i.d.F. vom 22.12.2004 (BGBl. I S. 3704) alle Daten über den Zustand von Umweltbestandteilen wie (u.a.) dem Boden einschließlich gentechnisch veränderter Organismen. Dabei ist es unerheblich, dass der auf den Flächen ausgesäte Raps später vernichtet wurde. Denn der Umweltinformationsanspruch umfasst auch die bei einer Behörde vorhandenen Informationen zu einem in der Vergangenheit liegenden Zustand der Umwelt (vgl. OVG Koblenz, Urt. vom 02.06.2006 - 8 A 10267/06 -, NVwZ 2007, 351). Anspruchsberechtigt sind neben natürlichen auch juristische Personen (vgl. BR Drs. 439/04 S. 28), so dass sich der Kläger, der den nach § 3 S. 2 NUIG i.V.m. § 4 Abs. 1 UIG erforderlichen Antrag gestellt hat, hierauf berufen kann.

15

Der Beklagte hat zu Unrecht die Information gemäß § 3 S. 2 NUIG i.V.m. § 5 Abs. 3 UIG auf die Bekanntgabe der politischen Gemeinden beschränkt, in deren Gebiet die betroffenen Flächen liegen. Gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 UIG, der über § 3 S. 2 NUIG hier Anwendung findet und auf den der Beklagte seine Ablehnung weitergehender Information gestützt hat, ist ein Antrag abzulehnen, soweit durch das Bekanntgeben der Informationen personenbezogene Daten offenbart und dadurch Interessen der Betroffenen erheblich beeinträchtigt würden, es sei denn die Betroffenen haben zugestimmt oder das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe überwiegt. Die danach erforderlichen Voraussetzungen für eine Auskunftsverweigerung liegen hier nicht vor, weil für eine erhebliche Beeinträchtigung von Interessen der betroffenen Landwirte keine hinreichenden Anhaltspunkte vorliegen.

16

Allerdings werden durch die Bekanntgabe der Flurstücke personenbezogene Daten im Sinne des Gesetzes offenbart. Zur Definition dieses Begriffs kann auf die datenschutzrechtlichen Regelungen zurückgegriffen werden. Das Umweltinformationsgesetz dient der Umsetzung der Richtlinie 2003/4/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28.01.2003 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen und zur Aufhebung der Richtlinie 90/313 des Rates (ABl. L 41 S. 26). § 9 Abs. 1 Satz 1 UIG transformiert Art. 4 Abs. 2 u.a. 1 lit. f) RL 2003/4 in das deutsche Recht, der die Vertraulichkeit personenbezogener Daten regelt. Hierzu bestimmt Art. 4 Abs. 2 u.a. 3 RL 2003/4, dass die Mitgliedstaaten für die Anwendung der Bestimmung des Buchstaben f) sicherstellen, dass die Anforderungen der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24.10.1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (ABl. L 281 S. 31) eingehalten werden. Nach Art. 2 lit. a) RL 95/46/EG sind personenbezogen Daten alle Informationen über eine bestimmte oder bestimmbare natürliche Person. Dabei wird eine Person als bestimmbar angesehen, die direkt oder indirekt identifiziert werden kann. Gleiches gilt nach § 3 Abs. 1 des Bundesdatenschutzgesetzes - BDSG - i.d.F. vom 05.09.2005 (BGBl. I S. 2722) und nach § 3 Abs. 1 des Nds. Datenschutzgesetzes vom 29.01.2002 (Nds. GVBl. S. 22). Dabei ist für die Frage der Bestimmbarkeit einer Person auf die Kenntnisse und Möglichkeiten der speichernden Stelle abzustellen (vgl. Gola/Schomerus, Komm. zum BDSG, 9. Aufl. § 3 Rn 10). Personenbezogen sind Daten, wenn sie Angaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer natürlichen Person enthalten (vgl. § 3 Abs. 1 BDSG). Zu den sachlichen Verhältnisse können auch Angaben über Grundbesitz gehören, der der Person zuzuordnen ist (vgl. Gola/Schomerus a.a.O. Rn. 7).

17

Obwohl einer der drei betroffenen landwirtschaftlichen Betriebe in der Rechtsform einer GbR geführt wird, handelt es sich auch insoweit bei der Angabe der Flurstücke um personenbezogene Daten i. S. des § 9 Abs. 1 Nr. 1 UIG. Das belegt die entsprechende Regelung in § 3 Abs. 1 BDSG. Zwar schützt diese Vorschrift nur personenbezogene Daten natürlicher Personen, doch können sich einzelne Mitglieder einer juristischen Person hierauf ebenfalls berufen, wenn sich die Angaben über die Personengemeinschaft auch auf sie beziehen, d.h. wenn sie auf sie "durchschlagen" (vgl. BGH, Urt. vom 17.12.1985 - VI ZR 244/84 -, NJW 1986, 2505). So liegt es hier bei der landwirtschaftlichen GbR, in der wenige natürliche Personen die Landwirtschaft betreiben.

18

Die begehrten personenbezogenen Daten verlieren ihre Schutzwürdigkeit nicht deshalb, weil § 17a Abs. 2 Nr. 3 GenTG bestimmt, dass der Ort der Freisetzung von GVO nicht unter das Betriebs- und Geschäftsgeheimnis nach Absatz 1 fällt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Vorschrift im Regelungszusammenhang des Verfahrens zur Genehmigung von Freisetzungen und des Inverkehrbringens gentechnisch veränderter Organismen steht. Für genehmigte Freisetzungen sieht § 16a GenTG ein Standortregister vor, in dessen allgemein zugänglichem Teil nach § 16a Abs. 4 Nr. 3 GenTG auch das Grundstück der Freisetzung veröffentlicht wird. Insoweit dient § 17a Abs. 2 GenTG der Klarstellung, dass diese in das Standortregister vorzunehmende Eintragung nicht nach § 17a Abs. 1 GenTG als Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis deklariert werden kann. Dagegen schreibt das Gentechnikgesetz nicht vor, im Falle des Ausbringens von Saatgut, welches ohne Kenntnis des Landwirts geringfügig mit GVO verunreinigt ist, die davon betroffenen Flächen in das Standortregister einzutragen. Denn die Regelungen des Dritten Teils dieses Gesetzes betreffen nur das Verfahren für ein genehmigtes Freisetzen oder Inverkehrbringen. Derjenige, der eine Freisetzung oder ein Inverkehrbringen von GVO beabsichtigt und hierfür eine Genehmigung beantragt, ist sich bewusst und nimmt es hin, dass bestimmte Angaben über möglicherweise umstrittene Vorhaben der Öffentlichkeit bekannt werden. Im Falle eines unbewussten Ausbringens geringer Mengen von GVO ist das dagegen nicht der Fall. Deshalb kann auch die in den §§ 16a und 17a GenTG zum Ausdruck kommende Wertung, dem Betroffenen eine öffentliche Bekanntgabe der Flurstücke zuzumuten, nicht ohne Weiteres auf die Bekanntgabe von Informationen nach dem UIG übertragen werden (vgl. VGH München, Beschl. vom 22.11.2000 a.a.O.). Das Umweltinformationsgesetz lässt eine Bekanntgabe geschützter personenbezogener Daten ohne Zustimmung des Betroffenen seinem Wortlaut nach nur dann zu, wenn dieser hierdurch keine erheblichen Nachteile erleidet oder das öffentliche Interesse an einer Offenbarung sein schutzwürdiges Interesse überwiegt.

19

Die Klage hat Erfolg, weil nicht ersichtlich ist, dass durch die Bekanntgabe der personenbezogenen Daten Interessen der Betroffenen erheblich beeinträchtigt würden. Auch wenn nach den Gesetzesmaterialien ein Antrag auf Umweltinformation grundsätzlich bereits dann abzulehnen ist, wenn durch das Bekanntgeben personenbezogene Daten offenbart werden und der Betroffene nicht zugestimmt hat (vgl. BR Drs. 439/04 S. 39), sieht der Wortlaut des Gesetzes eine Informationsverweigerung nur unter der weiteren Voraussetzung vor, dass durch die Bekanntgabe Interessen der Betroffenen erheblich beeinträchtigt würden. Damit geht § 9 Abs. 1 Nr. 1 UIG n.F. über die frühere Regelung des § 8 Abs. 1 Nr. 1 UIG i.d.F. vom 08.07.1994 (BGBl. I S. 1490) hinaus, die jede Interessensbeeinträchtigung zur Informationsverweigerung ausreichen ließ. Die Gesetzesnovelle trägt damit den Erwägungen Rechnung, die der Richtlinie 2003/4/EG zugrunde liegen und zu deren Umsetzung das UIG im Jahr 2004 geändert wurde. Danach soll die Bekanntgabe von Informationen die Regel und deren Verweigerung die Ausnahme sein (vgl. Nr. 16 der der Richtlinie vorangestellten Erwägungen).

20

Die Formulierung "erheblich beeinträchtigt würden" setzt eine Prognose voraus, bei der hinsichtlich der betroffenen Interessen und des Grades sowie der Wahrscheinlichkeit ihrer Beeinträchtigung die Angaben der anzuhörenden Betroffenen zu berücksichtigen sind. Hierzu hat im vorliegenden Fall ein Grundstückseigentümer und Verpächter angegeben, er halte die Folgen einer Bekanntgabe für unabsehbar und wirtschaftliche Beeinträchtigungen der Nachfolgefrucht oder auch der Fläche für denkbar, die zu Pachtminderungen führen könnten. Der Pächter dieser Fläche hat eingewandt, er habe die Anordnung des Beklagten zwar befolgt, aber dagegen Klage erhoben, über die noch nicht entschieden worden sei, was auf eine Informationsverweigerung nach § 8 Abs. 1 Nr. 3 UIG n.F. abzielt, wonach ein Informationsantrag grundsätzlich abzulehnen ist, wenn die Bekanntgabe nachteilige Auswirkungen auf die Durchführung eines laufenden Gerichtsverfahrens hätte. Zudem befürchte er, radikale Gruppen könnten sich berufen fühlen, die Umsetzung der behördlichen Anordnung zur Vernichtung der Rapspflanzen zu überprüfen und ggf. Selbstjustiz üben. Hierzu verweist er auf ein bei der dpa Hamburg eingegangenes Drohschreiben der "Aktion Feld-Bestellung" vom 20.08.2007. Der zweite Landwirt trägt dieselben Argumente vor und befürchtet ergänzend, er könne in eine öffentliche Diskussion geraten, welche mit einseitigen Schuldzuweisungen die sachliche Ebene verlasse. Der dritte Landwirt schließlich hat zur Begründung seiner Zustimmungsverweigerung keine konkreten Befürchtungen geäußert. Der Beklagte hat zusätzlich auf die Besetzung von Feldern in der Nähe von Northeim hingewiesen, auf denen versuchsweise gentechnisch veränderte Rüben angebaut werden sollten.

21

Dieses Vorbringen lässt eine erhebliche Beeinträchtigung von Interessen der Betroffenen nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit befürchten. Dabei ist zu berücksichtigen, dass eine nur entfernte Möglichkeit drohender Gewaltaktionen oder wirtschaftlicher Boykottmaßnahmen nicht ausreicht, um erbetene und vorhandene Angaben zurückzuhalten, weil sonst die nach dem UIG zu offenbarenden Informationen in den meisten Fällen dieser Art nicht bekannt gegeben würden, was eine Umkehr des vom Gesetzgeber gewollten Regel-/Ausnahmeverhältnisses zur Folge hätte. Notwendig sind vielmehr konkrete Anhaltspunkte für solche Beeinträchtigungen (vgl. VGH München, Beschl. vom 22.11.2000 - 22 ZE 00.2779 -, NVwZ 2001, 342 [VGH Bayern 22.11.2000 - 22 ZE 2779/00]), die hier nicht vorliegen.

22

Soweit es die noch anhängigen Klagen zur gerichtlichen Prüfung der Rechtmäßigkeit der behördlichen Anordnung betrifft, den Aufwuchs zu vernichten, über die erstinstanzlich bereits am 03.12.2008 entschieden wurde, ist nicht ersichtlich, dass und wie eine Bekanntgabe der betroffenen Flächen Dritten gegenüber diese Verfahren nachteilig beeinflussen könnte. Die Voraussetzungen für eine Ablehnung der beantragten Information nach § 8 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 UIG liegen deshalb nicht vor. Auch drohende Gewaltaktionen "militanter" Gentechnik-Gegner hält die Kammer für unwahrscheinlich. Denn die betroffenen Landwirte haben der Anordnung zur Vernichtung der Pflanzen und zur anderweitigen Bewirtschaftung der Flächen im Jahr 2008 Folge geleistet, so dass das Ackerland weitestgehend frei von GVO ist. Da sie zudem keine gentechnisch veränderten Pflanzen anbauen, besteht für gewaltbereite Dritte kein Anlass, die Felder in Mitleidenschaft zu ziehen. Nachteilige Auswirkungen auf den Verkauf ihrer landwirtschaftlichen Produkte müssen die betroffenen Landwirte ebenfalls nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit befürchten. Soweit es den GVO-verunreinigten Raps angeht, haben sie die Pflanzen ohnehin vernichtet. Hinsichtlich der Produkte, die sie in den Folgejahren anbauen, lässt sich der Standort ihrer Erzeugung bei der Vermarktung i. d. R. nicht feststellen, weshalb Vermarktungsnachteile kaum zu erwarten sind. Entsprechende Befürchtungen der Landwirte sind deshalb reine Spekulation. Soweit sie befürchten, in der öffentlichen Diskussion mit ungerechtfertigten und unsachlichen Vorwürfen überzogen zu werden, ist auch dies sehr unwahrscheinlich. Denn zum einen ist schon fraglich, ob die Namen der Landwirte überhaupt öffentlich bekannt würden, weil dies voraussetzen würde, dass der Kläger die Namen auf der Grundlage der ihm bekannt gegebenen Flurstücke erfährt und sie sodann einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich macht. Beides erscheint der Kammer wenig wahrscheinlich. Zum anderen haben die betroffenen Landwirte schuldlos gehandelt und vermeintlich einwandfreies Saatgut ausgebracht. Dass sich dieses später als gering belastet erweisen würde, war von ihnen nicht zu erkennen und hätte auch jeden anderen Landwirt treffen können. Deshalb sind ungerechtfertigte Vorwürfe kaum zu erwarten. Hinzu kommt, dass die Landwirte die Rapspflanzen im Spätsommer 2007 vor der Blüte vernichtet haben, was interessierte Landwirte aus der Umgebung auch schon seinerzeit veranlasst haben dürfte, dieses ökonomisch unplausible Verhalten ihnen vermutlich bekannter Pächter oder Eigentümer zu hinterfragen.

23

Da es somit an einer erheblichen Beeinträchtigung der Interessen der betroffenen Landwirte fehlt, kann die Frage, ob trotz ihrer fehlenden Zustimmung ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Bekanntgabe der Flurstücke besteht, unbeantwortet bleiben.

24

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

25

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG.

26

Gründe für eine Zulassung der Berufung durch das erkennende Gericht (§ 124 a VwGO) liegen nicht vor.

27

Gegen die Streitwertfestsetzung ist die Beschwerde statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 Euro übersteigt.

Schwarz
Karger
Dr. Thorn-Christoph