Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 11.11.1987, Az.: 9 U 288/86

Haftung des Fahrers gegenüber Halter eines Autos aus Deliktsrecht für durch Verkehrsunfall bei Urlaubsfahrt entstandenen Schaden; Kriterien für stillschweigenden vertraglichen Haftungsverzicht; Frage der Reduzierung des Haftungsumfanges aufgrund Gesellschaftsverhältnis

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
11.11.1987
Aktenzeichen
9 U 288/86
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1987, 13759
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:1987:1111.9U288.86.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Göttingen - 01.10.1986 - AZ: 8 O 91/86

In dem Rechtsstreit
hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
auf die mündliche Verhandlung vom 7. Oktober 1987
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... und
die Richter am Oberlandesgericht ... und ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung gegen das Urteil der 8. Zivilkammer Landgerichts Göttingen vom 1. Oktober 1986 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Wert der Beschwer: 3.521,03 DM.

Entscheidungsgründe

1

Die Berufung ist nicht begründet.

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I.

Der Beklagte haftet dem Kläger nach § 823 Abs. 1 BGB auf vollen Schadensersatz.

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1.

Das Landgericht hat zutreffend ausgeführt, daß der Beklagte den Unfall und damit die Beschädigung des Fahrzeugs des Klägers schuldhaft - eine Beschränkung der Haftung gemäß § 708 BGB auf grobe Fahrlässigkeit kommt hier nicht in Betracht - verursacht hat. Das greift der Beklagte mit der Berufung auch nicht an.

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2.

Ein stillschweigender vertraglicher Haftungsverzicht läßt sich hier nicht feststellen.

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a)

Ein solcher entfällt freilich noch nicht deswegen ohne, weiteres, weil dem Beklagten grobe Fahrlässigkeit zur Last fiele. Zum einen ist ein stillschweigender Haftungsausschluß auch für Fälle grober Fahrlässigkeit denkbar (vgl. dazu BGH VersR 1980, 384, 386). Zum anderen dürfte dem Beklagten, wie schon das Landgericht angenommen hat, keine grobe Fahrlässigkeit zur Last fallen.

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b)

Einen stillschweigenden Haftungsausschluß hat die Rechtsprechung in Fällen, in denen sich der Halter eines Personenwagens in seinem eigenen Fahrzeug durch einen anderen fahren ließ, in Anwendung des § 242 BGB unter - im wesentlichen - zwei Voraussetzungen angenommen: Die Haftung mußte für den Fahrer des für ihn fremden Fahrzeugs wegen des damit verbundenen unüberschaubaren großen Risikos unzumutbar sein, was dann bejaht wurde wenn unter der Geltung der allen Fassung des § 11 Nr. 3 AKB Haftungsansprüche des Halters wegen eines Personenschadens gegen den mitversicherten Fahrer von der Haftpflichtversicherung ausgeschlossen waren; zum anderen mußte der Fahrer das Steuer ausschließlich oder ganz überwiegend im Interesse des Eigentümers und Halters übernommen haben (BGH VersR 1978, 625 f; NJW 1979, 414 f; NJW 1980, 1681 ff; VersR 1980, 384 ff). Beide Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

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Zwar bestand wegen eines am Fahrzeug eintretenden Sachschadens auch hier kein Versicherungsschutz, weil der Haftpflichtversicherer nicht für den Sachschaden einzutreten hat, den der - mitversicherte - Fahrer an dem benutzten Fahrzeug selbst verursacht. Das damit verbundene Risiko, das ein fremder Fahrer eingeht, ist aber nicht so unüberschaubar groß und damit unzumutbar wie im Fall von nichtversicherten Personenschäden. Vor allem war hier - anders als in den letzteren Fällen - das Haftungsrisiko nicht ungleich, sondern zwischen dem Kläger als Eigentümer und Halter auf der einen und dem Beklagten als Fahrer auf der anderen Seite gleichverteilt; der Kläger weist darauf zu Recht hin. Da die Parteien sich auf der Urlaubsfahrt am Steuer abwechselten, konnte es jedem von Ihnen passieren, daß er durch einen Fahrfehler einen Unfall verursachte und dabei das Fahrzeug beschädigte. Traf dies den Kläger, mußte er den Schaden allein tragen. Anknüpfungspunkte für eine anderweitige, stillschweigend getroffene Regelung sind nicht ersichtlich; der Beklagte hat dem Kläger, der auf das insoweit ihn treffende Risiko hingewiesen hat, auch nicht widersprochen.

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Auch die zweite der oben genannten beiden Voraussetzungen fehlt hier. Anders als in den von der Rechtsprechung entschiedenen Fallen, in denen der Fahrer das Steuer allein im Interesse des Fahrzeughalters übernommen hatte, hatten die Parteien im vorliegenden Fall ein gemeinsames Interesse daran, sich auf der langen Urlaubsfahrt nicht zu überanstrengen und sich deshalb die "Arbeit" des Fahrens zu teilen. Dem entsprach das auf beiden Selten gleichermaßen vorhandene Risiko, im Fall eines verschuldeten Unfalls für eine Beschädigung des Fahrzeugs einstehen zu müssen, und zwar der Kläger, weil ihm das Fahrzeug gehörte, der Beklagte, weil er Jenem den dann entstehenden Schaden ersetzen mußte. Gesichtspunkte, die es nach Treu und Glauben gebieten könnten, den Beklagten von dem ihn treffenden Risiko freizustellen, sind unter solchen Umständen nicht vorhanden.

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2.

Der Kläger hat auch nicht unter gesellschaftsrechtlichen Gesichtspunkten wenigstens die Hälfte seines Schadens selbst zu tragen. Zwar dürften die Parteien in der Tat ein Gesellschaftsverhältnis eingegangen sein, weil ein derartiges Vorhaben, wie sie es durchgeführt haben, über eine bloße Gefälligkeit des täglichen Lebens hinausgeht (vgl. dazu BGH NJW 1979, 414, 415) [BGH 14.11.1978 - VI ZR 178/77]. Daraus ergibt sich aber noch nicht ohne weiteres, daß alle auf der Urlaubsfahrt im Zusammenhang mit dem Fahrzeug entstehenden Aufwendungen und Insbesondere auch solche, die auf einem von einer der Parteien verschuldeten Unfall beruhten, aufzuteilen gewesen wären. Ausdrücklich haben die Parteien nur die Aufteilung der Benzinkosten - und den Wechsel am Steuer - vereinbart. Daß der Beklagte sich an dem Wertverlust, den das Fahrzeug auf der Reise erlitt, sowie an den festen Kosten wie Steuer, Versicherung und dergleichen nicht zu beteiligen brauchte. Ist zwischen den Parteien unstreitig; der Kläger hat, was den Wertverlust betrifft, darauf ausdrücklich hingewiesen, und der Beklagte hat dem nicht widersprochen. Die Behauptung des Klägers, es sei vereinbart worden, daß Verwarnungsgelder. Geldbußen und ähnliches derjenige zu zahlen habe, der sich ordnungswidrig verhalten habe, bestreitet der Beklagte nicht; das ist in der mündlichen Berufungsverhandlung. In der diese Frage erörtert worden ist, klargestellt worden. Unter diesen Umständen fehlt es an einer tatsächlichen Grundlage für die Annahme, die Parteien hätten sich stillschweigend darauf geeinigt, einen unfallbedingten Fahrzeugschaden unabhängig davon, wer von ihnen ihn verursachte und gegebenenfalls verschuldete, untereinander aufzuteilen.

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3.

Der Beklagte greift das Urteil des Landgerichts vor allem mit der Begründung an, der Kläger müsse sich ein - sogar überwiegendes - Mitverschulden anrechnen lassen, weil er sich Ihm, dem Beklagten, trotz seiner geringen Fahrpraxis anvertraut und überdies nicht für eine Vollkaskoversicherung gesorgt habe. Unter beiden Gesichtspunkten läßt sich Indessen ein Mitverschulden nicht begründen.

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Mangelnde Fahrpraxis des Fahrers begründet nur dann ein nach § 254 BGB zu berücksichtigendes Selbstverschulden desjenigen, der sich ihm anvertraut, wenn die Fahrt von vornherein erkennbar mit besonderen Schwierigkeiten verbunden war (BGH NJW 1965, 1075, 1076 [BGH 09.02.1965 - VI ZR 246/63]; Grunsky, Münch.Komm., 2. Aufl., § 254 Anm. 36). Dafür ist hier weder etwas vorgetragen noch ersichtlich. Im übrigen ist Insoweit auch der Umstand nicht ohne Bedeutung, daß beide Parteien über etwa die gleiche - geringe - Fahrpraxis verfügten und gegenseitig dem Fahrkönnen des jeweils anderen vertrauten.

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Eine Vollkaskoversicherung ist, anders als der Beklagte geltend macht, auch für einen Zahnarzt nicht selbstverständlich. Wenn er auf einen solchen Versicherungsschutz Wert legte, hätte er sich darüber vorher gewissem müssen. Tatsächlich hat er sich darüber damals offenbar selbst keine Gedanken gemacht.

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II.

Da der Beklagte in vollem Umfang für den dem Kläger entstandenen Schaden einzustehen hat, kommt es auf die Schadenspositionen, die der Kläger in der Berufungsinstanz hilfsweise geltend macht, nicht an.

14

III.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 und 713 ZPO.