Anwaltsgerichtshof Niedersachsen
Urt. v. 09.12.2013, Az.: AGH 9/13 (II 5/9)
Bibliographie
- Gericht
- AGH Niedersachsen
- Datum
- 09.12.2013
- Aktenzeichen
- AGH 9/13 (II 5/9)
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2013, 64524
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Tenor:
1. Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Der Streitwert wird auf 50.000 € festgesetzt.
Gründe
I.
Der Kläger war als Rechtsanwalt zugelassen. Nachdem die Beklagte im Oktober 2012 darüber informiert worden war, daß die bei der E. Versicherung AG bestehende Berufshaftpflichtversicherung des Klägers zum 30. August 2012 geendet hatte, hat sie ihn unter Fristsetzung zum Nachweis über das Bestehen einer Berufshaftpflichtversicherung aufgefordert. Nach erfolglosem Fristablauf hat sie mit Widerrufsbescheid vom 24. Oktober 2012 die Zulassung des Klägers gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 9 BRAO widerrufen und die sofortige Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO angeordnet. Der Widerrufsbescheid [Bl. 27 ff. d.A.] ist dem Kläger laut Postzustellungsurkunde [Bl. 30 f. d.A.] unter der Anschrift Y., B. am 25. Oktober 2012 nach erfolglosem Übergabeversuch durch Einlegung in den zum Geschäftsraum gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung zugestellt worden.
Mit am 2. Mai 2013 per Telefax bei der gemeinsamen Post- und Faxannahmestelle des Oberlandesgerichts Celle und des Niedersächsischen Anwaltsgerichtshof eingegangenem Schriftsatz vom selben Tage hat der Kläger „rein vorsorglich“ Klage gegen den Widerrufsbescheid erhoben. Dabei hat er angegeben, weder angehört worden zu sein noch einen Widerrufsbescheid erhalten zu haben. Auch auf eine telephonische Anforderung sei ihm von der Beklagten ein Widerrufsbescheid nicht übersandt worden.
Möglicherweise sei allerdings eine fehlerhafte Zustellung durch die Briefpost erfolgt. Sämtliche Briefpost an den Kläger werde über das Postfach ... B. zugestellt. Förmliche Zustellungen erfolgten üblicherweise durch Übergabe an der Haustür des Büros, welches ganztägig besetzt sei.
„Rein vorsorglich“ werde auch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt; auf rechtlichen Hinweis für den Fall, daß sich durch den Anwaltsgerichtshof eine Fristversäumnis durch den Kläger ergebe, solle dieser Antrag weitergehend begründet werden.
Mit Einleitungsverfügung vom 7. Mai 2013 ist dem Kläger aufgegeben worden, binnen vier Wochen im Einzelnen darzulegen, wann und auf welche Weise er Kenntnis von dem Erlaß des Widerrufsbescheides erlangt habe und unter welcher Anschrift von Oktober 2012 bis Mai 2013 sein Büro eingerichtet gewesen sei.
Die Beklagte ist am 21. Mai 2013 der Auflage zur Vorlage des Widerrufsbescheids vom 24. Oktober 2012 nachgekommen und hat mit Schriftsatz vom 10. Juni 2013 u.a. Ablichtungen der Postzustellungsurkunde vorgelegt, die dem Kläger ebenfalls übermittelt wurde.
Der Kläger hat bestätigt, im relevanten Zeitraum unter der Anschrift Y., B. seine Kanzlei unterhalten zu haben. Während dort vor dem Hause zwei weitere „Fremdbriefkästen“ angebracht seien, befinde sich sein Briefkasten im Hausflur. Seitens der Post werde ihm allerdings seine Briefpost in sein Postfach eingelegt und nicht in seinen Briefkasten zugestellt. Im übrigen seien er oder zumindest seine Mitarbeiterin „während der üblichen Arbeitszeiten“ für den Postzusteller ständig erreichbar.
Er hat - allerdings durchgehend ohne Angabe einer irgend gearteten Datierung - vorgetragen, er habe im Rahmen einer Strafverteidigung von seinem Mandanten erfahren, daß dieser seitens des Gerichtes zu Benennung eines anderen Verteidigers aufgefordert worden sei. Auf seine Rückfrage sei er vom Vorsitzenden Richter mitgeteilt worden, daß seine Anwaltszulassung wegen Nichtzahlung der Berufshaftpflichtversicherung widerrufen worden sei.
Der Kläger behauptet zur Sache mit weiteren Ausführungen im einzelnen, tatsächlich berufshaftpflichtversichert zu sein; es bestehe eine zweite Vermögensschadenshaftpflichtversicherung bei der HDI Versicherung AG.
Der Kläger beantragt,
den Widerrufsbescheid der Beklagten vom 24. Oktober 2012 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage als unzulässig, hilfsweise als unbegründet abzuweisen.
Sie erachtet die Klage für unzulässig, da der Widerrufsbescheid ordnungsgemäß am 25. Oktober 2012 zugestellt worden und die Klageerhebung am 2. Mai 2013 verfristet sei.
Sie geht im übrigen davon aus, daß der Kläger bis heute keinen Nachweis über das Bestehen einer Berufshaftpflichtversicherung erbracht habe und hält ihren Bescheid auch in der Sache für zutreffend.
Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Kläger angegeben, der angefochtene Bescheid sei ihm in Ablichtung im Rahmen eines zwischen den Parteien dieses Rechtsstreits mit umgekehrtem Rubrum geführten Verfahren vor dem Landgericht B. bekannt geworden, was Anfang April 2013 der Fall gewesen sei. Bereits im Dezember 2012 habe sich - ausgelöst durch die Anfrage der Beklagten, ob nach dem rechtskräftig gewordenen Widerruf seiner Zulassung die Bestellung eines Abwicklers erforderlich sei - seine Mitarbeiterin H. vergeblich bemüht, telephonisch eine Abschrift des angefochtenen Beschlusses durch die Beklagte zu erhalten.
Die Personalakte des Klägers bei der Beklagten lag dem Senat vor und war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
II.
Die Klage ist als unzulässig zu abzuweisen, da sie entgegen § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO nicht innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Widerrufsbescheides erhoben worden ist.
Der Widerrufsbescheid ist dem Kläger ausweislich der Postzustellungsurkunde am 25. Oktober 2012 wirksam zugestellt und damit bekanntgegeben worden. Die Zustellung erfolgte unter der unstreitigen Kanzlei-Anschrift des Klägers. Die weiteren Zustellungsvoraussetzungen sind durch die Postzustellungsurkunde, bei der es sich um eine öffentliche Urkunde i.S.d. § 415 ZPO handelt, bewiesen, ohne daß der Kläger den ihm nach § 415 Abs. 2 ZPO offenstehenden, allerdings auch erforderlichen Gegenbeweis geführt hätte. Die öffentliche Beweiskraft der Urkunde gilt namentlich dafür, daß am 25. Oktober 2012 der Kläger und seine Bediensteten in der Kanzlei nicht angetroffen wurden und der Widerrufsbescheid in den zur Kanzlei gehörigen Briefkasten eingelegt worden ist. Demgegenüber ist insbesondere die unter Beweisantritt gestellte Behauptung, die Kanzleiangestellte des Klägers habe am Zustellungstag 25. Oktober 2012 „ein Klingeln des Postzustellers nicht wahrgenommen“ und ein solcher „habe sich an dem nämlichen Tage auch nicht gezeigt“ nicht erheblich. Auch wenn die Zeugin die in ihr Wissen gestellte Tatsache bekunden würde, wäre dies zur erforderlichen Widerlegung der in der Postzustellungsurkunde beurkundeten gegenteiligen Feststellungen nicht ausreichend.
Insofern kommt es auch in keiner Weise darauf an, daß seitens der Deutschen Post AG die „normale Briefpost“ des Klägers nicht in den Hausbriefkasten, sondern in ein von ihm unterhaltenes Postfach eingelegt wird und er eine entsprechende Bitte um Postübermittlung über das besagte Postfach oder durch persönliche Abgabe im Büro an der Hauseingangstür angebracht hat. Abgesehen davon, daß ein Postfach allein der Deutschen Post AG, nicht dagegen den mittlerweile zahlreichen anderen Postdienstleistern zur Verfügung steht und der Kläger somit ohnehin mit laufendem Posteingang gerade auch in seinen Kanzleibriefkasten rechnen muß, kann eine wirksame Ersatzzustellung nach den maßgeblichen Vorschriften der ZPO gerade nicht durch Einlage in ein Postfach erfolgen.
Damit aber war die Klagefrist lange abgelaufen, als der Kläger am 2. Mai 2013 seine Klage beim AGH einreichte.
Danach kommt es vorliegend nicht weiter darauf an, daß der Kläger auch nicht für sich die Voraussetzungen für eine etwaige Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Klagefrist glaubhaft gemacht.
Dies gilt bereits deswegen, weil er - ungeachtet der ausdrücklichen Aufforderung zu diesbezüglichem genauem Vortrag - nicht einmal dargetan hat, die zweiwöchige Wiedereinsetzungsfrist eingehalten zu haben, und dies noch viel weniger glaubhaft gemacht hat. Nach seinen eigenen Angaben im Termin vor dem Senat ist vielmehr davon auszugehen, daß eine Ablichtung des angefochten Bescheids im Rahmen des zwischen den hiesigen Parteien geführten Zivilrechtstreits vor dem Landgericht B. spätestens Anfang April 2013 in seinen Besitz gelangte. Bereits im Dezember 2012 war ihm bekannt geworden, daß dieser Bescheid ihm gegenüber rechtskräftig geworden sei. Selbst bei Annahme bis dahin fehlender Kenntnis vom genauen Inhalt des Bescheides war jedenfalls Anfang April 2013 ein für die Klagerhebung gegen den Bescheid etwa bestehendes Hindernis endgültig beseitigt. Damit aber war im Zeitpunkt der Einreichung der vorliegenden Klage am 2. Mai 2013 die vierzehntägige Wiedereinsetzungsfrist in jedem Falle bereits deutlich abgelaufen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 112 c Abs. 1 BRAO i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 112 c Abs. 1 BRAO i. V. m. §§ 167 Abs. 1 und 2 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung sind weder vom Kläger geltend gemacht noch ersichtlich (§§ 112 c Satz 1 BRAO, 124 Abs. 2 Nr. 3, 4 i. V. m. § 124 a Abs. 1 Satz 1 VwGO).