Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 09.11.1988, Az.: 3 A 156/87

Molkerei; Bescheinigung; Milchmenge; Referenzmenge; Kuhplätze; Garantiemenge; Melkanlage

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
09.11.1988
Aktenzeichen
3 A 156/87
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1988, 12879
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:1988:1109.3A156.87.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
BVerwG - 27.04.1989 - AZ: BVerwG 3 B 1/89

Tenor:

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger. Die Entscheidung ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

1

I.

Der Kläger bewirtschaftet einen landwirtschaftlichen Betrieb mit Milchproduktion. An seinen Milchkäufer lieferte er im Kalenderjahr 1981 251.792 kg und im Kalenderjahr 1983 304.485 kg Milch. Daraus errechnete die Molkerei eine Anlieferungs-Referenzmenge von 266.500 kg. Der Betrieb des Klägers unterliegt der Milchkontrolle. Für das Kontrolljahr 1982/83 wurde bei einer durchschnittlichen Kuhzahl von 50,3 Stück eine Milchleistung von 6.688 kg je Kuh festgestellt.

2

Unter dem 19. Juli 1984 beantragte der Kläger die Anerkennung einer besonderen Situation im Rahmen der Milch-Garantiemengen-Verordnung. Er habe in der Zeit vom 1. Juli 1978 bis zum 29. Februar 1984 eine nicht genehmigte Baumaßnahme zur Erhöhung der Zahl der Kuhplätze um mindestens 20 % begonnen und abgeschlossen. Vor Beginn der Baumaßnahme habe er 32 Kuhplätze und nach ihrem Abschluß 60 Kuhplätze gehabt. Am 29. Februar 1984 habe er 51/48 Stück Milchkühe gehalten.

3

Nachdem bei einer Betriebsbesichtigung am 7. August 1984 48 Kuhplätze und weitere 11 Plätze für trockenstehende Kühe festgestellt worden waren, lehnte die Außenstelle Vechta der Beklagten mit Bescheid vom 28. September 1984 die beantragte Bescheinigung ab, weil die Voraussetzungen nach § 6 Abs. 5 MGVO nicht erfüllt seien. Die tatsächliche Anlieferungsmenge 1983 sei höher als eine auf der Grundlage von 48 Kuhplätzen neu zu berechnende Milchmenge (48 × 6.688 - 10. v.H. = 288.921).

4

Der Kläger legte Widerspruch ein und trug vor, es seien 57 Kuhplätze vorhanden. Bei der Hofbesichtigung seien auch 57 Plätze gezählt worden. Die nicht anerkannten neun Plätze seien nur deshalb nicht anerkannt worden, weil sie am Besichtigungstage keine Rohrmelkanlage aufgewiesen hätten. Sie seien nach Größe und Ausstattung bautechnisch voll für Kühe ausgelegt gewesen.

5

Die Baumaßnahme sei auch abgeschlossen gewesen, weil die Verlängerung der bestehenden Rohrmelkanlage, die allein noch erforderlich gewesen sei, keine Baumaßnahme sei. Die Rohrmelkanlage sei bestellt, aber noch nicht eingebaut gewesen. Der Einbau habe erfolgen sollen, wenn die vorhandenen eigenen Rinder zum Abkalben gelangt seien.

6

Der Widerspruch blieb ohne Erfolg. Mit seiner Klage hat der Kläger vorgetragen, weder aus der Regelung in § 6 Abs. 5 MGVO noch aus anderen Vorschriften ergebe sich, daß eine angemessene Melkanlage zwingender Bestandteil einer Baumaßnahme zur Erhöhung der Zahl der Kuhplätze sein müsse. Die Melkanlage gehöre nicht zur Bausubstanz; sie sei Zubehör. Wenn die Baumaßnahme abgeschlossen, aber das notwendige Zubehör noch nicht vollständig beschafft sei, hindere das nicht die Anerkennung als Kuhplatz. Im übrigen seien sämtliche Bestandteile der Melkanlage auf seinem Betrieb vorhanden. Nur der Einbau sei noch nicht erfolgt. Lediglich die Verlängerung der Milchleitung habe noch vorgenommen werden müssen. Das sei aber nicht nötig gewesen, da auf den neuen Plätzen noch keine Kühe aufgestallt gewesen seien. Da die Verordnung mehrfach sehr deutlich zwischen Kuhplätzen und aufgestallten Kühen unterscheide, müsse nicht jeder Kuhplatz von einer Kuh belegt sein. Wenn aber eine Kuh nicht zwingend zum Kuhplatz gehöre, sei auch die Verlängerung der Milchleitung als Bestandteil der Melkanlage nicht zwingend erforderlich. Für ihn seien nach alledem 57 Kuhplätze anzuerkennen.

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Der Kläger hat beantragt,

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die Bescheide vom 28. September 1984 und 29. März 1985 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten ihm nach § 9 Abs. 2 Nr. 2 iVm § 6 Abs. 5 MGVO zu bescheinigen, daß die Voraussetzungen für die Anerkennung einer besonderen Anlieferungs-Referenzmenge gegeben seien und als Zielmenge 57 × 6.688 - 10 v.H., also 343.094 kg zu berücksichtigen sei.

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Die Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Sie hat erwidert, es sei lediglich von 48 fertiggestellten und funktionsfähigen Kuhplätzen auszugehen. Die darüber hinaus geltend gemachten neun Plätze seien nicht termingerecht zum 29. Februar 1984 fertiggestellt gewesen, da diese Plätze nicht rechtzeitig mit einer Melkanlage ausgestattet worden seien. Eine ausreichende Melkanlage mit dem notwendigen Zubehör gehöre begriffsnotwendig zu einem Kuhplatz, weil nur so hygienisch einwandfreie Milch erzeugt werden könne.

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Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil vom 5. Februar 1987 mit der Begründung abgewiesen, die über 48 hinausgehenden neun weiteren Plätze seien nicht berücksichtigungsfähig, weil sie nicht bis zum 29. Februar 1984 fertiggestellt worden seien. Es sei unstreitig, daß sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht über eine Melkanlage verfügt hätten. Voraussetzung für die Anerkennung eines durch eine Baumaßnahme geschaffenen Stallplatzes als Kuhplatz im Sinne des § 6 MGVO sei aber, daß es sich dabei um einen nach objektiven Kriterien unter Berücksichtigung der in der Landwirtschaft allgemein anerkannten Praxis und ohne weiteres anhand der baulichen Ausführung sowie der technischen Einrichtung als solchen erkennbaren Kuhplatz handele. Diesen Anforderungen genüge ein Kuhplatz nicht, der keine Melkanlage aufweise. Durch die Anerkennung besonderer Situationen nach § 6 Abs. 2 bis Abs. 5 MGVO hätten nur diejenigen Milcherzeuger in ihrem Vertrauen geschützt werden sollen, die in einem bestimmten Zeitraum vor Inkrafttreten der MGVO Baumaßnahmen durchgeführt hätten, die sie in die Lage versetzten, mehr Milch abzuliefern. Da der Staat diese Baumaßnahmen gefördert, genehmigt oder jedenfalls geduldet habe, hätten die Milcherzeuger darauf vertrauen können, daß die mit den Baumaßnahmen verbundenen Investitionen nicht vollständig nutzlos gewesen seien. Diese Ausnahmeregelung sei aber nur dann anwendbar, wenn der Milcherzeuger auch tatsächlich in dem in der Verordnung vorgesehenen Zeitraum Kuhplätze geschaffen habe, die zu einer Erhöhung der gelieferten Milchmenge hätten führen können. Die endgültige Herstellung eines Kuhplatzes setze zwingend voraus, daß er so eingerichtet sei, daß auf ihm Kühe gehalten werden könnten, daß auf ihm Milch erzeugt werde, daß also auch eine Melkanlage vorhanden sei. Da dies bei den geltend gemachten Kuhplätzen unstreitig nicht der Fall gewesen sei, könnten sie nicht im Rahmen des § 6 Abs. 5 MGVO anerkannt werden. Es blieben mithin nur 48 anerkennungsfähige Kuhplätze, auf deren Grundlage sich eine Anlieferungs-Referenzmenge von 288.921 kg errechne; sie sei niedriger als die tatsächliche Anlieferungsmenge des Jahres 1983.

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Gegen diese Entscheidung führt der Kläger Berufung, mit der er sein Vorbringen weiterverfolgt. Die Melkanlage sei auch für die geltend gemachten neun Plätze vorhanden gewesen; es habe lediglich an der Herstellung der Verbindung zu der an den Kuhplätzen vorbeiführenden Milchleitung gefehlt.

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Der Kläger beantragt,

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das angefochtene Urteil zu ändern und nach seinem im ersten Rechtszug gestellten Antrag zu erkennen.

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Die Beklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

18

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird ergänzend auf die Verwaltungsvorgänge (1 Heft) verwiesen.

19

II.

Die Berufung war gemäß Art. 2 § 5 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit vom 31. März 1978 (BGBl I S. 446) in der Fassung des Gesetzes vom 4. Juli 1985 (BGBl I S. 1274) - EntlG - durch Beschluß zurückzuweisen, da der Senat sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.

20

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit zutreffenden Gründen, denen sich der Senat für das Berufungsverfahren anschließt, abgewiesen. Die Beklagte konnte dem Kläger keine besondere Situation im Sinne von § 6 der Verordnung über die Abgaben im Rahmen von Garantiemengen im Bereich der Marktorganisation für Milch und Milcherzeugnisse vom 25. Mai 1984 (BGBl I S. 720) in der Fassung der Bekanntmachung vom 18. Juli 1986 (BGBl I S. 1227) - MGVO - mit dem von ihm begehrten Inhalt bescheinigen.

21

Der Senat geht davon aus, daß die Rohrmelkanlage entsprechend dem im Verwaltungsverfahren vorgelegten Kostenanschlag vom 20. Dezember 1983 im Oktober 1984 geliefert und montiert werden sollte; dies entsprach dem Vorbringen des Klägers im Vorverfahren und wird durch die Feststellungen der Bediensteten der Beklagten anläßlich der Ortsbesichtigung am 7. August 1984 gestützt. Unter dieser Voraussetzung waren die über 48 Kuhplätze hinausgehenden neun weiteren Stallplätze nicht bis zum 29. Februar 1984 fertiggestellt. Zu der nach § 6 Abs. 5 MGVO erforderlichen Fertigstellung eines Kuhplatzes gehört neben der baulichen Ausführung auch die technische Einrichtung und Ausstattung des Platzes, insbesondere mit der erforderlichen Melkvorrichtung. Da diese Voraussetzung bis zum Ende des Stichtages unstreitig nicht erfüllt war, konnte die Beklagte nach den für sie geltenden Bestimmungen keine besondere Situation bescheinigen. Es liegt im Wesen einer jeden Stichtagsregelung, daß eine Überschreitung und der damit verbundene Ausschluß von einer begünstigenden Regelung, gleich ob es sich bei der Überschreitung um wenige Tage oder einen längeren Zeitraum handelt, zu Härten für den Betroffenen führt. Daß die Festsetzung eines Anfangsstichtages wie eines Endstichtages (1. 7. 1978 bis 29. 2. 1984) nicht gegen Grundrechte des Klägers verstößt, und zwar weder gegen die gemeinschaftsrechtlichen noch gegen die im Grundgesetz niedergelegten Grundrechte, entspricht der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 24. 3. 1988 - 3 C 36.87 -).

22

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf Art. 2 § 5 Abs. 4 EntlG, § 154 Abs. 2 VwGO, der Ausspruch über ihre vorläufige Vollstreckbarkeit auf Art. 2 § 5 Abs. 4 EntlG, § 167 Abs. 2 VwGO iVm §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1 und 713 ZPO.

23

Die Revision konnte nicht zugelassen werden, weil dafür die Voraussetzungen nach Art. 2 § 5 Abs. 2 EntlG, § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

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Eichhorn

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Dr. Berkenbusch

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Meyer