Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 10.11.1988, Az.: 3 A 453/87
Molkerei; Bescheinigung; Milchmenge; Referenzmenge; Kuhplätze; Garantiemenge; Teilausbau; Förderung; Öffentliche Mittel; Baugenehmigung
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 10.11.1988
- Aktenzeichen
- 3 A 453/87
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1988, 12880
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:1988:1110.3A453.87.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Oldenburg - 10.09.1987 - AZ: 2 VG A 180/86
- nachfolgend
- BVerwG - 01.08.1989 - AZ: BVerwG 3 B 13.89
- BVerwG - 19.09.1991 - AZ: BVerwG 3 C 48.89
Tenor:
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger. Die Entscheidung ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
Der Kläger bewirtschaftet einen im Juli 1978 gekauften ca. 40 ha großen, inzwischen durch Pachtflächen auf etwa 63 ha vergrößerten Grünlandbetrieb mit Milchproduktion. An seinen Milchkäufer lieferte er im Kalenderjahr 1981 173.694 kg und im Kalenderjahr 1983 173.525 kg Milch. Daraus errechnete die Molkerei eine Anlieferungs-Referenzmenge von 164.400 kg.
Mit Bewilligungsbescheid der Bezirksregierung Weser-Ems vom 17. Mai 1979 waren dem Kläger nach den Richtlinien für die Förderung einzelbetrieblicher Investitionen in der Landwirtschaft öffentliche Mittel für den Teilausbau der gekauften Hofanlage unter anderem für 60 Milchkühe und 10 tragende Färsen bewilligt worden. Nach dem der Bewilligung zugrundeliegenden Betriebsentwicklungsplan vom 18. April 1979 waren für das Zieljahr 1981/82 60 Milchkühe mit einer Zielmenge von 4.800 kg vorgesehen. Mit Widerrufsbescheid der Bezirksregierung Weser-Ems vom 17. Februar 1982 wurde die Förderung rückwirkend eingestellt; der gegen diesen Bescheid eingelegte Widerspruch wurde durch unanfechtbar gewordenen Bescheid der Bezirksregierung Weser-Ems vom 28. Juni 1986 zurückgewiesen.
Mit Bauschein das Landkreises Wesermarsch vom 21. Dezember 1983 erhielt der Kläger die Baugenehmigung zur Erweiterung eines landwirtschaftlichen Betriebsgebäudes durch einen Jungviehstall mit Güllekeller. Dieses Bauvorhaben wurde nicht ausgeführt. Mit Bauschein des Landkreises Wesermarsch vom 24. Januar 1985 erhielt der Kläger die Baugenehmigung zum Anbau eines Geräteschuppens/Erweiterung einer Remise für landwirtschaftliche Geräte. Mit Bauschein vom 18. November 1985 erteilte der Landkreis Wesermarsch ihm die Baugenehmigung zur Aufstellung eines Silos aus Fertigteilen.
Im August 1984 beantragte derr Kläger die Anerkennung eine besonderen Situation im Rahmen der Milch-Garantiemengen-Verordnung für die Erhöhung der Zahl der Kuhplätze von 24 auf 60 Stück durch eine genehmigte Baumaßnahme. Am 31. Juli 1984 seien 45 Milchkühe vorhanden gewesen. Diesem Antrag entsprach die Außenstelle Brake der Beklagten zunächst teilweise mit Bescheid vom 17. September 1984 und erteilte gemäß § 6 Abs. 4 MGVO eine Bescheinigung über eine neue Anlieferungsmenge von 256.855 kg (55 × 5.080 kg = 228.600 kg + 11 %); im übrigen wurde der Antrag mit der Begründung abgelehnt, daß die bescheinigte neue Anlieferungsmenge der vorhandenen Kuhzahl von 45 Tieren entspreche. Bei weiterer Milchkuhaufstockung könne ein neuer Antrag gestellt werden. Mit Bescheid vom 8. Februar 1985 lehnte die Außenstelle Brake der Beklagten eine Erhöhung der Anlieferungsmenge von 256.885 kg mit folgender Begründung ab:
"Mit Bescheid vom 17. September 1984 haben wir Ihnen nach § 6 Abs. 4 MGVO eine Anlieferungsmenge für 45 Kühe bescheinigt.
Wir waren versehentlich davon ausgegangen, daß Sie durch den Kauf des Betriebes und durch die erheblichen Investitionen die Zahl der Kuhplätze um mehr als 20 % erhöht haben.
Nach Durchsicht unserer Akten hatten Sie auf dem Pachtbetrieb in Schweiburg im Wirtschaftsjahr 1977/78 bereits 77 Kühe, d.h. durch den Kauf und Ausbau des neuen Betriebes wurde die Zahl der Kuhplätze nicht um mehr als 20 % erhöht.
Im vorliegenden Fall ist nicht nach § 6 Abs. 4 zu entscheiden, sondern nach § 6 Abs. 5 MGVO, denn es handelt sich hier nicht um eine Baumaßnahme mit einer Baugenehmigung, sondern um eine nicht genehmigte Baumaßnahme. Gel nicht genehmigten Baumaßnahmen ist nur eine Kuhaufstockung bis zum 1. 8. 1984 möglich, so daß bei Ihnen keine weiteren Kühe berücksichtigt werden können."
Auf den dagegen eingelegten Widerspruch wurde mit Bescheid der Beklagten vom 26. September 1985 der zweite Bescheid der Außenstelle Brake vom 8. Februar 1985 geändert und dem Kläger erneut eine Anlieferungsmenge von 256.855 kg bescheinigt; im übrigen wurde der Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen.
Zur Begründung seiner Klage hat der Kläger vorgetragen: Zum Stichtag am 1. August 1984 habe er 66 Kühe (44 Milchkühe und 22 Färsen) in seinem Bestand gehabt, so daß er Anspruch auf die Bescheinigung einer Anlieferungsmenge unter Berücksichtigung von 60 Kuhplätzen habe.
Der Kläger hat beantragt,
die Bescheide vom 8. Februar 1985 und 26. September 1985 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihm gemäß § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 MGVO zu bescheinigen, daß die Voraussetzungen für die Anerkennung einer besonderen Anlieferungs-Referenzmenge nach einer Milchmenge von 60 × 5.080 kg gegeben sind.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat erwidert: Der Betrieb des Klägers verfüge zwar über 60 ordnungsgemäße Kuhplätze. Bei der Neuberechnung der Anlieferungsmenge könne aber nur von 45 Milchkühen, der höchsten vor dem 1. August 1984 nachgewiesenen Kuhzahl, ausgegangen werden. Diese Anlieferungsmenge sei um den nach § 4 MGVO zu erwartenden Kürzungssatz von 11 % zu erhöhen gewesen, da bei Unterbelegung der Kuhplätze die nach der aufgestallten Kuhzahl berechnete Anlieferungsmenge ohne weitere Kürzungen als Referenzmenge anzunehmen sei.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil vom 10. September 1987 mit der Begründung abgewiesen, aus § 6 Abs. 2 MGVO könne der Kläger keine Rechte herleiten. Die Bezirksregierung Weser-Ems habe den Bewilligungsbescheid vom 17. Mai 1979 "von Anfang an" und damit rückwirkend widerrufen. § 6 Abs. 4 MGVO finde gleichfalls keine Anwendung. Zwar habe die Baugenehmigung vom 21. Dezember 1983 71 Stallplätze für Milchkühe vorgesehen. Der Kläger habe dieses Bauvorhaben jedoch nicht ausgeführt und zudem auf die Rechte aus diesem Bauschein ausdrücklich verzichtet. Die beiden weiteren im Jahre 1985 erteilten Baugenehmigungen seien zeitlich nach dem maßgeblichen Stichtag (29. Februar 1984) erteilt worden und schon deshalb nicht zu berücksichtigen.
Auf § 6 Abs. 5 MGVO könne sich der Kläger nicht berufen; in diesem Fall habe er nicht nachgewiesen, daß vor dem 1. August 1984 mehr als 45 Kühe aufgestallt gewesen seien. Nach der Bescheinigung seines Steuerberaters seien am 1. Mai 1984 44 Kühe und 20 Färsen und am 11. Dezember 1984 44 Kühe und 22 Färsen vorhanden gewesen. Die Leukoseliste vom 24. Februar 1984 weise 45 Kühe aus. Nach alledem habe nur eine Anlieferungsmenge unter Berücksichtigung von 45 Kühen und dem Landesdurchschnittssatz (5.080 kg) bescheinigt werden können.
Gegen diese Entscheidung führt der Kläger Berufung, mit der er sein Vorbringen weiterverfolgt. Er meint, von der Baugenehmigung vom 21. Dezember 1983 seien sämtliche zeichnerischen Darstellungen, mithin auch die - vorhandenen - 71 Kuhplätze erfaßt worden. Am 1. August 1984 habe er neben 45 Milchkühen 20 besonders hochwertige, hochtragende Färsen gehalten. Färsen müßten Milchkühen gleichgestellt, werden. Er beantragt,
das angefochtene Urteil zu ändern und nach seinem im ersten Rechtszug gestellten Antrag zu erkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird ergänzend auf ihre Schriftsätze, die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten und der Bezirksregierung Weser-Ems sowie die Bauakten des Landkreises Wesermarsch verwiesen; sie waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
II.
Die Berufung bleibt ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Es ist zutreffend davon ausgegangen, daß dem Kläger kein Anspruch nach § 6 Abs. 2 der Verordnung über die Abgaben im Rahmen von Garantiemengen im Bereich der Marktorganisation für Milch und Milcherzeugnisse vom 25. Mai 1984 (BGBl I S. 720) in der Fassung der Bekanntmachung vom 18. Juli 1986 (BGBl I S. 1227) - MGVO - mit dem von ihm begehrten Inhalt zusteht. Der Betriebsentwicklungsplan vom 18. April 1979, der für das Zieljahr 1981/82 60 Milchkühe und eine Zielmenge von 4.800 kg vorsah, ist durch Bescheid vom 17. Februar 1982 "von Anfang an" und damit rückwirkend widerrufen worden. Das hat zur Folge, daß der Kläger aus diesem Betriebsentwicklungsplan keine Ansprüche auf Zuerkennung einer Milchmenge herleiten kann.
Es liegt auch kein Fall des § 6 Abs. 4 MGVO (Erhöhung der Zahl der Kuhplätze mit einer Baugenehmigung) vor. Der vom Kläger und seinem Entwurfsverfasser unter dem 10. Dezember 1982 aufgestellte, von der Bauaufsicht am 21. Dezember 1983 genehmigte Bauantrag hatte die Erweiterung des bereits vorhandenen Wirtschaftsgebäudes um einen Jungviehstall zum Gegenstand. Die bauaufsichtliche Genehmigung bezog sich ausschließlich auf diesen Anbau, erfaßte mithin die im Wirtschaftsgebäude bereits vorhandenen Kuhplätze nicht; diese waren nur "nachrichtlich" in die Bauvorlagen mit aufgenommen worden. Das folgt aus § 2 der Verordnung über Bauantrag und Bauvorlagen im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren vom 14. Dezember 1973 (GVBl S. 521). Nach Abs. 1 Ziff. 6 sind dem Bauantrag "die vorhandenen baulichen Anlagen auf dem Grundstück ... mit Angabe ihrer Nutzung" beizufügen; nach Abs. 4 sind die vorhandenen baulichen Anlagen in grauer Farbe, die geplanten baulichen Anlagen in rot darzustellen. Aus den vom Kläger selbst überreichten Unterlagen und den beigezogenen Bauakten ergibt sich, daß lediglich der Anbau des Jungviehstalles einschließlich der Unterkellerung in rot angelegt ist; auf diesen Jungviehstall beziehen sich auch alle weiteren statischen und sonstigen Berechnungen, nicht auf das vorhandene Wirtschaftsgebäude. Die in diesem Gebäude vorhandenen, von den Beteiligten übereinstimmend mit 71 angegebenen Kuhplätze wurden damit von der Baugenehmigung vom 21. Dezember 1983 nicht erfaßt.
Bei der Beurteilung des vom Kläger im August 1984 gestellten Antrages auf Anerkennung einer besonderen Situation war mithin allein von § 6 Abs. 5 MGVO auszugehen (Baumaßnahme ohne Vorliegen einer Baugenehmigung), wie die Beklagte zu Recht in ihrem Bescheid vom 8. Februar 1985 erkannt hat. Unter Anwendung dieser Vorschrift hat der Kläger keinen Anspruch auf Zuerkennung einer höheren Anlieferungsmenge; denn für die Berechnung der Referenzmenge kann nur die Milchmenge zugrunde gelegt werden, die sich aus der Zahl der Kuhplätze, vervielfacht mit dem Landesdurchschnittssatz, ergibt, sofern vor dem 1. August 1984 so viele Kühe aufgestallt waren, wie zur Erzeugung der aufgrund der vorgenommenen Baumaßnahme zu erwartenden Anlieferungs-Referenzmenge erforderlich sind; ist diese Kuhzahl zu diesem Stichtag nicht erreicht worden, wird nur eine entsprechend verringerte Milchmenge berücksichtigt. Ein solcher Fall liegt hier vor. Nach den übereinstimmenden Angaben der Beteiligten waren am 1. August 1984 45 Milchkühe vorhanden; von dieser Kuhzahl ist die Beklagte bei ihren Berechnungen zu Recht ausgegangen. Die außerdem vorhandenen Färsen konnten nach dem Wortlaut der Bestimmung keine Berücksichtigung finden; sie waren keine Kühe im Sinne der Milch-Garantiemengen-Verordnung. Auch nach Sinn und Zweck der Regelung besteht keine Möglichkeit, den Anwendungsbereich dieser Vorschrift auszuweiten. Der Normzweck der Milch-Garantiemengen-Verordnung würde verfehlt, wenn die Übergangsbestimmungen und die Härteregelungen dazu führen würden, latente Milcherzeugungskapazitäten, die - aus welchen Gründen auch immer - bisher nicht oder nur unvollkommen genutzt worden sind, in der Krise der Überproduktion zu mobilisieren und behördlich anzuerkennen.
Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, der Ausspruch über ihre vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1 und 713 ZPO.
Die Revision konnte nicht zugelassen werden, weil dafür die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
Beschluß
Der Wert des Streitgegenstandes beträgt für das Berufungsverfahren 8.630,-- DM.
Eichhorn
Dr. Berkenbusch
Meyer