Verwaltungsgericht Osnabrück
Beschl. v. 11.07.2002, Az.: 3 B 58/02
Anordnungsanspruch; Beamter; Beurlaubung; Dienstleistung; Dienstleistungspflicht; einstweilige Anordnung; Erholungsurlaub; Ferien; Gesetzgeber; Kind; Kindesbetreuung; Sommerferien; Sonderurlaub; Teilzeitbeschäftigung; Urlaub; Urlaub ohne Bezüge; Wortlaut; öffentlicher Dienst
Bibliographie
- Gericht
- VG Osnabrück
- Datum
- 11.07.2002
- Aktenzeichen
- 3 B 58/02
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2002, 43484
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 87a Abs 1 Nr 2 BG ND
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Eine Beurlaubung aus familiären Gründen kommt nur als eine generelle Regelung des .Arbeitszeitstatus für einen längeren Zeitraum in Betracht
Tenor:
Die Antragstellerin ist teilzeitbeschäftigte Beamtin im mittleren Justizdienst und beim .... gericht X. in einer Service-Einheit eingesetzt. Sie ist verheiratet und hat vier Kinder. Im März 2002 beantragte sie Urlaub ohne Bezüge für die Zeit der Schul-Sommerferien in L., wo sie ihren Wohnsitz hat. Mit Bescheid vom 06.05.2002 lehnte der Antragsgegner den Antrag ab. Den Widerspruch der Antragstellerin wies er mit Bescheid vom 24.06.2002 zurück. Die Antragstellerin hat Klage erhoben (3 A 127/02). Sie begehrt mit Rücksicht auf den Ferienbeginn am ......2002 vorläufigen Rechtsschutz, zu dessen Begründung sie - wie bereits im Verwaltungsverfahren vorgetragen - geltend macht: Die Betreuung ihrer Kinder während der Ferienzeiten habe sie in der Vergangenheit dadurch gewährleistet, dass sie während der Sommerferien Überstunden ausgeglichen und während der anderen Ferien Erholungsurlaub in Anspruch genommen habe. Die Dienststelle genehmige keine Überstunden mehr, weshalb sie nunmehr für die Sommerferien auf eine Beurlaubung ohne Bezüge angewiesen sei. Eine alternative Möglichkeit für die Betreuung ihrer Kinder stehe ihr nicht zur Verfügung. Der Beurlaubung stünden keine zwingenden dienstlichen Gründe entgegen. Eine seit Jahren beurlaubte Kollegin sei damit einverstanden, sie während der Sommerferien zu vertreten.
Die Antragstellerin beantragt,
den Antragsgegner durch einstweilige Anordnung zu verpflichten, ihr für die Zeit vom ... 2002 bis zum ... 2002 Urlaub ohne Bezüge zu gewähren.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Er trägt vor: Dem Begehren der Antragstellerin stünden zwingende dienstliche Gründe entgegen. Sie sei für die Dauer des begehrten Urlaubs nicht an ihrem Arbeitsplatz zu ersetzen. Die angespannte Personalsituation an der Dienststelle der Antragstellerin lasse eine Vertretung der Antragstellerin durch die anwesenden Bediensteten nicht zu, ohne letztere in unangemessenem Maße zu beanspruchen. Die von der Antragstellerin vorgeschlagene Vertretung durch eine beurlaubte Justizhauptsekretärin lasse sich nicht verwirklichen. Diese Beamtin sei bereits seit knapp 10 Jahren beurlaubt, habe die vielfältigen Änderungen im Zuge der Umstrukturierung bei den Tätigkeiten in den Service-Einheiten der Gerichte nicht kennen gelernt und könne deshalb die Antragstellerin nicht kurzfristig adäquat ersetzen. Es falle auch nicht in ihren Kompetenzbereich, über stellentechnische und organisatorische Überlegungen der personalführenden Entscheidungsträger zu urteilen. Der Regelungszweck des § 87 a NBG habe nicht die kurzzeitige Freistellung von der Dienstleistungspflicht für die Dauer von Schulferien zum Gegenstand, sondern sei darauf ausgerichtet, dem Beamten oder der Beamtin auf längere Sicht die Pflege oder Betreuung eines minderjährigen Kindes zu ermöglichen.
Gründe
Der Antrag ist zulässig. Er ist jedoch nicht begründet. Die Antragstellerin hat einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht.
Es kann dahingestellt bleiben, ob die Arbeitkraft der Antragstellerin für die Dauer der Sommerferien durch eine Beamtin, die seit fast 10 Jahren beurlaubt und deshalb mit den gegenwärtigen Arbeitsbedingungen am Arbeitplatz der Antragstellerin möglicherweise nicht hinreichend vertraut ist, ohne schwerwiegende Nachteile für den Dienstbetrieb des ... gerichts X ersetzt werden kann. Denn die Antragstellerin kann ihren Anspruch auf Urlaub ohne Bezüge auch dann nicht erfolgreich auf § 87 a Abs. 1 Nr. 2 NBG stützen, wenn die dienstlichen Belange, die der Antragsgegner gegen eine Verwendung der beurlaubten Beamtin als Ersatzkraft ins Feld führt, nicht als -zwingende- im Sinne der genannten Vorschrift zu bewerten wären. Zwar wären dann die Tatbestandsvoraussetzungen des Anspruchs auf Urlaub dem Wortlaut nach erfüllt. Sinn und Zweck der gesetzlichen Ausgestaltung des Urlaubsanspruchs stehen jedoch einer nur am Wortlaut ausgerichteten Anwendung der Vorschrift entgegen, die vom Gesetzgeber nicht als Instrument zur Bewältigung kurzzeitig eintretender und in der Regel nicht vorhersehbarer Konflikte zwischen der Dienstleistungspflicht und der Betreuung oder Pflege von Kindern oder sonstigen Angehörigen geschaffen worden ist. Die Vorschrift dient familienpolitischen Belangen. Die Einführung der ursprünglichen Fassung des inhaltsgleichen § 72 a BBG ist im schriftlichen Bericht des Innenausschusses des Bundestages (v. 06.02.1969 - BT-Drs. zu V/3831 ., S. 1 f., zit. nach Plog/Wiedow/Beck/ Lemhöfer, BBG, § 72 a, Anm. 25) dahingehend erläutert worden, -dass sowohl aus familienpolitischen Gründen als auch im Interesse der Erhaltung ihrer Dienstfähigkeit denjenigen Beamtinnen ... eine Teilzeitbeschäftigung oder langfristige Beurlaubung zugestanden werden soll, die neben ihrer Berufstätigkeit Mutterpflichten zu erfüllen haben ...-. Die Vorschrift zielt auf eine generelle Regelung des Arbeitsstatus einer Beamtin oder eines Beamten ab im Sinne einer nicht von den Zufälligkeiten des Alltags bestimmten Übereinstimmung von Arbeitszeit mit Betreuungs- oder Pflegetätigkeit. In diesem Sinne wandelt sie den Grundsatz ab, dass der Beamte und die Beamtin sich mit voller Hingabe (und voller Arbeitszeit) ihrem Beruf zu widmen haben. Mit der ihr bewilligten Teilzeitbeschäftigung hat die Antragstellerin den Dienstleistungsstatus gewählt, der es ihr generell erlaubt, die Berufstätigkeit mit der Betreuung ihrer Kinder zu vereinbaren. Treten dabei situationsbedingte Konflikte zwischen Dienstleistung und Kindesbetreuung (etwa Erkrankung eines Kindes während der Schulzeit) auf, so sind diese - ebenso wie bei einem vollbeschäftigten Beamten - nicht durch eine unter Umständen nur Stunden, Tage oder wenige Wochen betreffende Änderung der Dienstleistungspflicht auf der Grundlage des § 87 a NBG zu lösen, sondern nach Maßgabe der Vorschriften über die Gewährung von Erholungsurlaub oder Sonderurlaub oder durch organisatorische Maßnahmen des oder der Betroffenen (z. B. Fremdbetreuung). Die unterschiedlichen Regelungsbereiche des § 87 a NBG einerseits und der Vorschriften über Erholungs- und Sonderurlaub andererseits drücken sich in verschiedenen personalwirtschaftlichen Handlungsmöglichkeiten der Dienststelle und verschiedenen Rechtsfolgen für den Fürsorgeanspruch des Beamten aus. Auch dies zeigt, dass die Regelung des § 87 a NBG eine langfristige Statusentscheidung im Blick hat, während die anderen Möglichkeiten, von der Dienstpflicht befreit zu werden, eine Reaktion auf die Wechselfälle des täglichen Lebens zulassen.
Eine Beurlaubung nach § 11 der Sonderurlaubsverordnung hat die Antragstellerin nicht beantragt. Ihren auf § 87 a NBG gestützten Antrag entsprechend umzudeuten oder auszulegen, würde ihrem Begehren nicht zum Erfolg verhelfen. Denn der Antragsgegner kann eine entsprechende Beurlaubung bereits dann versagen, wenn dienstliche Gründe ihr entgegenstehen. Solche Gründe hat der Antragsgegner plausibel vorgetragen.