Oberlandesgericht Braunschweig
v. 12.07.2012, Az.: 1 U 1/04
Gynäkologie; Geburtsmedizin; Arzthaftung; Arzthaftpflichtrecht; Arzthaftungsrecht; Kunstfehler; Ärztliche Fehlbehandlung
Bibliographie
- Gericht
- OLG Braunschweig
- Datum
- 12.07.2012
- Aktenzeichen
- 1 U 1/04
- Entscheidungsform
- Teilurteil
- Referenz
- WKRS 2012, 44370
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BGH - 15.04.2014 - AZ: VI ZR 382/12
Rechtsgrundlagen
- § 611 BGB
- § 823 Abs 1 BGB
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Handlungsanweisungen in Leitlinien ärztlicher Fachgremien oder Verbände dürfen nicht unbesehen mit dem medizinischen Standard gleichgesetzt werden. Dies gilt im Besonderen Maße für Leitlinien, die erst nach der zu beurteilenden medizinischen Behandlung veröffentlicht worden sind. Leitlinien ersetzen kein Sachverständigengutachten. Zwar können sie im Einzelfall den medizinischen Standard für den Zeitpunkt ihres Erlasses zutreffend beschreiben; sie können aber auch Standards ärztlicher Behandlung fortentwickeln oder ihrerseits veralten.
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 11.12.2003 - 4 O 371/02 - wird in Bezug auf die Beklagte zu 1.) zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1.) zu tragen. Die weitergehende Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
Dieses Urteil ist hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1.) vorläufig vollstreckbar. Das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 11.12.2003 – 4 O 371/02 – wird hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1.) für ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar erklärt.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
Die Klägerin begehrt Schmerzensgeld und die Feststellung der Ersatzpflicht allen materiellen und immateriellen Schadens, der ihr aus behaupteter ärztlicher Fehlbehandlung anlässlich ihrer Geburt und deren unmittelbarer Vorbereitung in der Zeit vom 22. bis 28.6.1995 entstanden ist. Sie nimmt die Beklagte zu 1.) (geburtshilfliche Klinik) wegen der geburtshilflichen Behandlung und die Beklagte zu 2.) wegen der neonatologischen Behandlung unmittelbar nach der Geburt in Anspruch.
Wegen des Sach- und Streitstands erster Instanz wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils (S. 1 bis 7 = Bl. 292 bis 297 d.A.) Bezug genommen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe einen schuldhaften Behandlungsfehler der Ärzte beider Beklagten nicht bewiesen, der die Beeinträchtigungen der Klägerin verursacht habe. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (LGU S. 7-12 = Bl. 297-302 d.A.) verwiesen.
Gegen dieses ihr am 15.12.2003 (Bl. 305 d.A.) zugestellte Urteil hat die Klägerin am 5.1.2004 (Bl. 313 f. d.A.) Berufung eingelegt. Aufgrund des am 13.2.2004 (Bl. 331 f.) eingegangenen Antrages ist die Berufungsbegründungsfrist bis zum 15.3.2004 verlängert worden (Bl. 341 d.A.). Die Klägerin hat ihre Berufung mit dem am 15.3.2004 per Fax eingegangenen (Bl. 342 ff. d.A.) Schriftsatz begründet.
Der Senat hat nach umfangreicher Beweisaufnahme durch Teil- und Grundurteil vom 18.12.2008 gegenüber beiden Beklagten dem Feststellungsantrag stattgegeben sowie die Klageansprüche im Übrigen dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Wegen der Einzelheiten und des damaligen Sach- und Streitstands wird auf das Teil- und Grundurteil des Senats vom 18.12.2008 (Bl. 830-851 d.A.) verwiesen.
Dieses Teil- und Grundurteil ist bezüglich der Beklagten zu 2.) rechtskräftig.
Hinsichtlich der Beklagten zu 1.) ist das Teil- und Grundurteil vom 18.12.2009 durch Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 30.11.2010 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 7.2.2011 – VI ZR 25/09 – aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an Oberlandesgericht zurückverwiesen worden (Bl. 64-68R, 76/76R Bd. V d.A.).
Die Klägerin erhebt gegenüber der Beklagten zu 1.) auch weiterhin den Vorwurf, dass diese – ebenso wie die Beklagte zu 2.) – grobe Behandlungsfehler vorzuwerfen seien. Diese behauptet sie weiterhin in dreifacher Hinsicht: Zum einen habe die Beklagte zu 1.) ihre Mutter als Risikoschwangere erst gar nicht zur Behandlung aufnehmen dürfen. Sie hätte ihr stattdessen die Aufnahme in einem Perinatalzentrum der Maximalversorgung empfehlen müssen. Dass dies nicht geschehen sei, stelle sowohl einen Einwilligungs- wie einen groben Sicherungsaufklärungsfehler dar. Das medizinische Personal habe ihre Mutter beim Eingriff grob fehlerhaft in Steinschnittlage ohne Halblinksseitenlage gelagert, was sich aus fehlender entsprechender Dokumentation ergebe. Dadurch sei es zu einem Druck über den schwangeren Uterus auf die rechts liegende Vena cava inferior mit der Folge eines Blutdruckabfalls für ihre Mutter und somit auch für sie – die noch ungeborene Klägerin – schädigend gekommen. Schließlich habe unmittelbar nach ihrer Geburt das medizinische Personal der Beklagten zu 1.) durch grob unsachgemäße Handhabung der Nabelklemme ihre Nabelschnur verletzt, wodurch sie einen zu ihren Dauerschäden führenden Blutverlust erlitten habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des weiteren Berufungsvorbringens wird auf die klägerischen Schriftsätze vom 14.4.2011 (Bl. 923-925 d.A.), 16.6.2011 (Bl. 1040-1047 d.A.), 5.8.2011 (Bl. 1069-1104 d.A.), 30.8.2011 (Bl. 1114 d.A.), 14.12.2011 (Bl. 1188-1191 d.A.), 19.6.2012 (Bl. 1276-1306 d.A.) und 4.7.2012 (Bl. 1307 f. d.A.) verwiesen.
Die Klägerin beantragt,
– soweit darüber noch nicht durch das Teil- und Grundurteil des Senats rechtskräftig entschieden worden ist –
1. unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld nebst „5% Zinsen“ [gemeint sind: „Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten“] über dem Basiszinssatz seit dem 24.2.2001 auf den ausgeurteilten Betrag, wenn dieser bis zu 255.645,94 € (500.000 DM) beträgt, und auf den weiteren Betrag ab Klagezustellung zu zahlen,
2. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin alle materiellen und immateriellen Schäden aus der ärztlichen Fehlbehandlung der Klägerin durch das Krankenhauspersonal der Beklagten zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf öffentlich-rechtliche Versicherungsträger übergegangen oder zu Ziff. 1.) ausgeurteilt worden sind.
Die Beklagten beantragen,
die Berufung zurückzuweisen, soweit über diese noch nicht rechtskräftig entschieden worden ist.
Die Beklagte zu 1.) bestreitet auch weiterhin einen ursächlichen Zusammenhang zwischen ihrer Behandlung und dem eingetretenen Schaden. Sie bestreitet auch weiterhin, dass die Aufnahme der Mutter der Klägerin in ihrer Klinik sowie das unstreitig unterbliebene Abraten von einer Aufnahme pflichtwidrig gewesen seien, ferner, dass die Mutter der Klägerin bei dem Eingriff zum Muttermundverschluss sowie bei der Notsectio nicht in Linksseitenlage gelagert worden sei, und schließlich, dass einem ihrer Mitarbeiter bei dem Umgang mit der Nabelklemme ein Fehler unterlaufen sei. Falls diesem im Umgang mit der Nabelklemme gleichwohl ein Fehler unterlaufen sein sollte, so sei dieser jedenfalls nicht grob fehlerhaft.
Wegen der weiteren Einzelheiten des weiteren Vorbringens der Beklagten zu 1) wird auf deren Schriftsätze vom 4.4.2011 (Bl. 912-914 d.A.), 16.6.2011 (Bl. 1037-1039 d.A.), 14.7.2011 (Bl. 1055 f. d.A.) und 26.10.2011 (Bl. 1160-1162 d.A.) verwiesen.
Die Beklagte zu 2.) hat zur Frage der Haftung der Beklagten zu 1.) keine weitere Stellungnahme abgegeben.
Der Senat hat weiter Beweis erhoben gemäß prozessleitenden Verfügungen vom 23.2.2011 (Bl. 887-890 d.A.), 4.4.2011 (Bl. 911 d.A), 12.5.2011 (Bl. 941f. d.A.), 19.5.2011 (Bl. 950f. d.A.), Beweisbeschlüssen vom 15.4.2011 (Bl. 926/926R d.A.), vom 6.7.2011 (Bl. 1049-1051 d.A.), Beschluss vom 2.9.2011 (Bl. 1117 d.A.) und Verfügung vom 13.10.2011 (Bl. 1152f. d.A.) durch Einholung – letztlich - schriftlicher Aussagen der Zeugin S. (Bl. 930 d.A.) und des Zeugen Dr. B. (Bl. 933-936, 948a d.A.) zur Frage der Lagerung der Mutter der Klägerin beim Eingriff und der Entbindung bzw. etwaiger Absprachen zwischen den Braunschweiger Kliniken betreffend Risikoschwangerschaften, Einholung eines eines anästhesiologischen Zusatzgutachtens zur Frage der erforderlichen Lagerungsdokumentation, Vernehmung des Zeugen Dr. Fr. zur Frage der Lagerung der Mutter der Klägerin beim Eingriff und der Entbindung, zweimalige Anhörung des geburtsmedizinischen Sachverständigen Prof. Dr. F., Einholung eines weiteren geburtsmedizinischen Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. T. sowie auch Anhörung dieses Sachverständigen.
Wegen des Ergebnisses der weiteren Beweisaufnahme wird auf die schriftlichen Aussagen der Zeugin S. (Bl. 930 d.A.) und des Zeugen Dr. B. (Bl. 933-936, 948a d.A.), das anästhesiologische Zusatzgutachten des Sachverständigen Prof. Dr. W. vom 10.5.2011 (Bl. 944-947 d.A.) nebst Ergänzung vom 20.5.2011 (Bl. 966 d.A.), das Gutachten des weiteren geburtsmedizinischen Sachverständigen Prof. Dr. T. vom 20.9.2011 (Bl. 1121-1146 d.A.) sowie die Sitzungsniederschriften der mündlichen Verhandlungen vom 26.5.2011 (Bl. 967-993 d.A.) und vom 7.6.2012 (Bl. 1201-1238 d.A.) Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung ist hinsichtlich der Haftung der Beklagten zu 1.) zur Entscheidung reif (§ 301 Abs. 1 ZPO).
Auf das Schuldverhältnis zwischen den Parteien finden die bis zum 31.12.2001 geltenden Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches Anwendung (Art. 229 § 5 EGBGB), soweit nicht besonders gekennzeichnet.
Der Klägerin steht gegen die Beklagte zu 1.) der geltend gemachte Klageanspruch beruht nicht zu. Eine schuldhafte und schadenskausale Pflichtverletzung der Beklagten zu 1.) i. S. v. §§ 823 Abs. 1, 831 Abs. 1 Satz 1, 847 Abs. 1 BGB bzw. §§ 611, 278 BGB ist nach dem Ergebnis der weiteren Beweisaufnahme nicht festzustellen.
A. Vorwurf „Aufnahme und Nichtverlegung“ bzw. „Aufnahme und Nichtempfehlung der Verlegung“
1. Rechtliche Einordnung
a) Abgrenzung Behandlungsfehler/Aufklärungsfehler
Für den rechtlichen Gesichtspunkt des Aufklärungsfehlers gilt bzgl. des Vorwurfs der Aufnahme/Nichtverlegung der Risikoschwangeren:
Über die personelle und fachliche Ausstattung der Behandlungsseite (sog. Qualitätsaufklärung), selbst wenn sie sich im unteren Bereich des Standards bewegt, ist grundsätzlich nicht ungefragt aufzuklären (Frahm/Nixdorf/Walter, Arzthaftungsrecht, 4. Aufl., Rn. 205; vgl. Hart, MedR 2012, 13 li. Sp. unten). Demgegenüber bedarf es einer Aufklärung, wenn feststeht, dass eine deutlich risikoärmere Behandlung durch einen anderen Arzt oder eine andere Klinik durchgeführt werden kann (a.a.O.) und die Risikoverringerung eben nicht nur im Promillebereich liegt (a.a.O.; BGH NJW 1988, 763, 765 [BGH 22.09.1987 - VI ZR 238/86]).
Ob das vorliegend der Fall ist, kann unter dem Gesichtspunkt der Einwilligungsaufklärung dahinstehen. Denn der Patient muss bei einem – hier unterstellt bewiesenen Einwilligungsaufklärungsfehler – auch beweisen, dass sich gerade das aufklärungsbedürftige Risiko – hier das Nichtverlegen in eine ggf. erfahrenere Klinik – im Schaden verwirklicht hat (vgl. Frahm/Nixdorf/Walter, Arzthaftungsrecht, 4. Auflage, Rn. 229; OLG Hamburg VersR 2000, 190, 191; OLG Stuttgart MedR 2000, 35). Dafür gibt es hier keine zureichenden Anhaltspunkte. Die sogenannte Grundaufklärung vor dem Eingriff hat die Mutter der Klägerin unstreitig erhalten (vgl. Berufungsbegründung vom 15.3.2004, S, 6 = Bl. 359 d.A.).
Eine Beweislastumkehr für eine Risikoverwirklichung gibt es im Bereich „fehlender Erfahrung“ nur bei sog. Anfängeroperationen, die ohne ausreichende Überwachung vom Anfänger durchgeführt werden. Nur dann ist es Sache der Behandlungsseite, zu beweisen, dass der Primärschaden nicht auf der fehlenden Erfahrung und Übung beruht (Frahm/Nixdorf/Walter, a.a.O., Rn. 163 mwNw aus der BGH-Rspr.). Für eine Behandlung durch einen Anfänger ( = Arzt in Ausbildung; Frahm/Nixdorf/Walter, a.a.O.) ist hier nichts vorgetragen oder sonst ersichtlich. Zu sagen, der Schaden deute auf eine Anfängerbehandlung, wäre ein unzulässiger Zirkelschluss.
Eine diesbezügliche Beweiserleichterung wegen "groben" oder "schwerwiegenden" Aufklärungsfehlers bei der Risiko- oder Einwilligungs-aufklärung gibt es nicht, weil diese nicht zur Behandlung gehört, sondern der Entsprechung des Selbstbestimmungsrechts des Patienten dient, um eine durch wirksame Einwilligung gerechtfertigte Behandlung zur ermöglichen (OLG Hamburg VersR 2000, 190, 191, rechtskräftig durch Nichtannahmebeschluss des BGH vom 27.07.1999, VI ZR 28/99; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 6. Aufl., Kap. C, Rn. 130f.; Frahm/Nixdorf/Walter, Arzthaftungsrecht, 4. Aufl., Rn. 229;. Weder die Unwirksamkeit der Einwilligung selbst noch die Umstände, die zu ihrer Unwirksamkeit geführt haben, können die Aufklärbarkeit der Folgen des Eingriffs und der Schädigungsursachen erschweren. Damit fehlt es an dem für eine Beweislastumkehr zentralen Begründungselement, das der für die Beweislastumkehr beim groben Behandlungsfehler maßgeblichen Begründung (vgl. BGH NJW 1988, 2949 [BGH 28.06.1988 - VI ZR 217/87]) entspricht.
Soweit der Vorwurf der Klägerin außerdem dahingeht, ihre Mutter hätte als Risikoschwangere erst gar nicht in die Klinik der Beklagten zu 1.) aufgenommen werden dürfen, weil dies dem medizinischen Standard widersprochen habe, so handelt es sich um den Vorwurf eines Behandlungsfehlers. Der Vorwurf, die Mitarbeiter der Beklagten zu 1.) hätten es pflichtwidrig versäumt, die Risikoschwangere darüber aufzuklären, dass diese nach dem – wie die Klägerin behauptet – damaligen medizinischen Standard nicht in dem Krankenhaus der Beklagten zu 1.), sondern in Perinatalzentrum hätte aufgenommen werden müssen, vermag das ggf. keinen neben der erfolgten Aufnahme selbstständigen Behandlungsfehler zu begründen. Eine selbständige (Einwilligungs-) Aufklärungspflicht eines Arztes darüber, er werde einen Behandlungsfehler begehen, existiert ebenfalls nicht.
Demnach geht es bei dem o. g. Vorwurf allein um die Frage, ob die Mutter der Klägerin als Risikoschwangere nach dem damaligen medizinischen Standard in der Geburtsklinik der Beklagten zu 1.) hätte aufgenommen werden dürfen oder nicht, mithin um die Frage eines einheitlichen Behandlungsfehlers, sei es in Form der stationären Aufnahme selbst oder auch in Kombination mit der unterbliebenen vorherigen entsprechenden Sicherungsaufklärung.
b) Kausalität
Es ist vorliegend nicht feststellbar, worauf die Schädigung der Klägerin letztlich zurückzuführen ist. Sowohl nach den nach den Ausführungen des erstinstanzlichen Sachverständigen Prof. Dr. J. (GA v. 28.1.2003, S. 5f. = Bl. 171f. d.A.), des Sachverständigen Prof. Dr. Ba., denen der Sachverständige Prof. Dr. F. sich angeschlossen hat, ist es möglich, dass sie durch eine vorgeburtliche Sauerstoffunterversorgung eingetreten ist oder aber auch unbekannter Genese allein im Zusammenhang mit der Frühgeburtlichkeit als solcher ist (vgl. Prot. d. LG v. 6.11.2003, S. 4 = Bl. 211 d.A.; GA Prof. Dr. Ba. v. 29.1.2008, S. 23 = Bl. 729 d.A.; so auch Schlichtungsgutachten Prof. Dr. V. v. 16.11.2000, S. 17 = Bl. 27 d.A.). Ebenso ist es danach (lediglich) möglich, dass erst die Blutung aus der anschließenden Nabelschnurverletzung oder die unzureichende Nachsorge durch die Beklagte zu 2.) zu den irreversiblen Hirnschäden geführt haben oder auch eine Kombination mehrer Faktoren einschließlich der Frühgeburtlichkeit als solcher. Dass die Schwester der Klägerin ein unterschiedliches bzw. überhaupt kein Schadensbild aufweist, erlaubt nicht den Schluss, dass nur die Behandlung der Beklagten, nicht aber die Frühgeburtlichkeit als solche schon den Schaden der Klägerin ausgelöst haben kann. Aus den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. T. in seinem schriftlichen Gutachten vom 20.9.2011 (S. 18 oben = Bl. 1138 d.A.), die insoweit mit den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. J. (GA v. 28.1.2003, S. 9 = Bl. 175 d.A.) übereinstimmen, entspricht es dem Erfahrungsstand der praktischen Medizin, dass unterschiedliche Organismen auf identische Bedingungen (also jeglicher Art) durchaus unterschiedlich reagieren können und selbst ein und dieselbe Versorgungseinschränkung nicht zu identischen bleibenden Folgen bei verschiedenen Individuen führen müssen.
Demnach ist vorauszuschicken, dass die Klägerin – wie schon gegenüber der Beklagten zu 2.) – auch gegenüber der Beklagten zu 1.) wegen fehlender Nachweisbarkeit der Kausalität für den Primärschaden auf die Beweiserleichterung des groben Behandlungsfehlers angewiesen ist.
2. Pflichtverletzung und Verschulden
Den Behandlern der Beklagten zu 1.) ist unter Zugrundelegung des medizinischen Standards im Jahre 1995 nicht vorzuwerfen, die Mutter der Klägerin im Krankenhaus der Beklagten zu 1.) aufgenommen bzw. dieser stattdessen nicht die Aufnahme in einem Perinatalzentrum nahegelegt zu haben. Insoweit liegt bereits kein Pflichtverstoß vor (a). Selbst wenn man einen solchen unterstellte, wäre dieser jedenfalls nicht schlechterdings unverständlich (b).
a) Pflichtverletzung
Ein Pflichtverstoß liegt nicht vor. Es ist nicht festzustellen, dass es zum damaligen Zeitpunkt (bereits) einen dahingehenden medizinischen Standard gegeben hat, der ein entsprechendes Handeln der Ärzte der Beklagten zu 1.) erfordert hätte.
aa) Behandlungsstandard
Der Behandlungsstandard wird durch die Medizin auf der Basis von wissenschaftlicher Erkenntnis, ärztlich-praktische Erfahrung und Akzeptanz in der Profession bestimmt (Hart, Patientensicherheit, Fehlermanagement, Arzthaftungsrecht – zugleich ein Beitrag zur rechtlichen Bedeutung von Empfehlungen, MedR 2012, 1, 12; Bergmann/Wever, KH 2012, 140ff.).
Soweit der Sachverständige Prof. Dr. F. im Gegensatz zu den Sachverständigen Prof. Dr. J. (vgl. Prot. der Sachverständigenanhörung vom 28.4.2005, Seite 11 oben = Bl. 461 d.A.) und Prof. Dr. T. (GA v. 20.9.2011, Seite 8-15 = Bl. 1128-1135 d.A.; Prot. v. 7.6.2012, Seite 12-19 = Bl. 1212-1219 d.A.) einen solchen Standard zum damaligen Zeitpunkt bereits bejaht, fehlt dafür eine hinreichend nachvollziehbare Grundlage. Die dafür von ihm angeführten Quellen, soweit diese – und nur insoweit maßgeblich – vor der streitgegenständlichen Behandlung oder zumindest im gleichen Jahr datieren, tragen eine solche Feststellung zur Überzeugung des Senats (§ 286 ZPO) nicht:
(1) Beschluss des Vorstandes der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe vom Juni 1991 (Bl. 987 d.A.):
"Innerhalb der drei Ebenen der Krankenhausversorgung – Grundversorgung, Schwerpunktkrankenhaus und Krankenhaus der Maximalversorgung – ist zu empfehlen, dass stärker als bisher eine graduelle und dem Bedarf angepasste Verschiebung von Risikofällen in die nächst höhere Versorgungsstufe stattfindet. … Es wird dringend empfohlen, entsprechend den Mutterschaftsrichtlinien auch in Verdachtsfällen ein Perinatalzentrum zu konsultieren."
Zunächst ist festzuhalten, dass eine Verlegung dort nicht als obligat angesehen wird, sondern dass es sich - sowohl nach dem Wortlaut, als auch nach dem Sinn - um eine Empfehlung handelt, die, wie sich aus dem weiteren Text ergibt, zudem in jedem Einzelfall zu prüfen ist. Einschränkend heißt es darin:
"Die Definition der Hoch Risikoschwangerschaft ist schwierig, da die Übergänge von geringgradigen in höhergradigen Risiken und umgekehrt fließend sind. Die nachfolgende Auflistung von Risikomerkmalen stellt daher eine Empfehlung von beispielhaftem Charakter dar und orientiert sich an der Häufigkeit der Perinatalmortalität anhand der Analyse der perinatalen Erhebungen."
In der dann folgenden Aufzählung ist zwar ein Schwangerschaftsmerkmal mit dem vorliegenden Fall übereinstimmend, nämlich Wehen vor der 33. Woche. Bezüglich der Mehrlingsschwangerschaften ist hingegen von "höhergradigen Mehrlingsschwangerschaften" die Rede, was eben mehr als „nur“ Zwillinge sind. Soweit die Verdachtsfälle angesprochen sind und auf die "Mutterschaft-Richtlinien" Bezug genommen wird, ist hervorzuheben, dass in diesen (vgl. Hülle Bl. 659 d.A.) in Ziffer 5 nur dann von einer Weiterüberweisung die Rede ist, sofern der ambulante Gynäkologe bestimmte Untersuchungen nicht selbst vornehmen kann. Das entsprechende Voraussetzungen hier vorlagen, ist schon nicht festzustellen. Unter Nr. 6 der "Mutterschaft-Richtlinien" heißt es, wie der Sachverständige Prof. Dr. T. schon in seinem Gutachten ebenfalls hervorgehoben hat, dass der betreuende Arzt die Schwangere bei der Wahl der Entbindungsklinik unter dem Gesichtspunkt beraten soll, dass die Klinik über die nötigen personellen und apparativen Möglichkeiten zur Betreuung von Risikogeburten und/oder Risikokindern verfügt.
Nach den Ausführungen des Sachverständigen T., denen die Klägerin und der Sachverständige Prof. Dr. F. sowie der Privatgutachter der Klägerin Prof. Dr. P. nichts Konkretes entgegensetzt haben, waren diese Möglichkeiten bei der Beklagten zu 1.) gegeben. Nach den konkret gegebenen Empfehlungen auf den hier gegenständlichen Behandlungsverlauf sei die geforderte personelle Mindestbesetzung (Anzahl der Ärzte, Hebammen, Pflegepersonal) vorhanden gewesen, indem ein geburtshilflicher Facharzt, ein Neonatologe und ein Anästhesist zugegen gewesen seien; ungeachtet der formalen Zuordnung der Geburtsklinik der Beklagten zu 1.) seien alle den damaligen ärztlichen und organisatorischen Standard entsprechende Maßnahmen ergriffen worden, welche auch in einer Einrichtung der Maximalversorgung ergriffen worden wären, um den speziellen Risiken des vorliegenden Geburtsfalles Rechnung zu tragen (GA S. 11-15 = Bl. 1131-1135 d.A.).
Die daran von der Klägerin geäußerte methodische Kritik ist nicht begründet. Der Vorwurf, es handele sich insoweit um eine unzulässige Ex-post-Betrachtung (Schriftsatz vom 14.12.2011, Seite 2 unten = Bl. 1189 d.A. bis Seite 3 oben = Bl. 1190 d.A.), ist nicht gerechtfertigt. Der Sachverständige Prof. Dr. T. hat auch nicht gleichsam darauf abgestellt, dass ein "Überholen im Überholverbot" nicht pflichtwidrig gewesen sei, weil es im Ergebnis ja ausnahmsweise auch "gut gehen“ könne (vgl. Schriftsatz der Klägerin, a.a.O. Seite 3 oben = Bl. 1190 d.A.). Der Sachverständige T. hat vielmehr auf die konkrete Ex-Ante-Situation abgestellt und geprüft, ob, wenn schon nicht aus formellen, so aber wenigstens aus inhaltlichen Gründen (z. B. der personellen Ausstattung sowie der sich in der Wahl der Behandlungsschritte inhaltlich zeigenden fachlichen Qualifikation) eine Verlegung hätte erfolgen müssen. Das ist methodisch richtig. Dass der Sachverständige T. auch bei inhaltlicher Prüfung der Behandlungsvoraussetzungen zu keinem Fehler wegen der Nichtverlegung kommt, kann die Methodik nicht infrage stellen. Der Einwand der Klägerin zeigt vielmehr, dass sie die Nichtverlegung bereits als Pflichtwidrigkeit voraussetzt, die es aber erst festzustellen gilt. Sie unterliegt insoweit einem Zirkelschluss.
(2) Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e.V. "Mindestanforderungen an prozessuale, strukturelle und organisatorische Voraussetzungen für geburtshilflichen Abteilungen"
Diese Empfehlungen haben keinen den damaligen Behandlungsstandard bildenden Charakter. In der Präambel heißt es ausdrücklich unter 2 und 3:
"Die Stellungnahme ist kein Gesetz und keine Richtlinie. Sie stellt eine kompetente Äußerung der führenden Fachgesellschaft auf diesem Gebiet dar. Die Stellungnahme hat Appellcharakter. Sie fordert nicht nur die Ärzte, sondern auch die Kostenträger und Krankenhäuser dazu auf, es den Geburtshelfern zu ermöglichen, ihre verantwortungsvolle Tätigkeit in einem entsprechenden Umfeld durchzuführen. Sie ist nicht nur Verpflichtung, sondern formuliert auch einen Anspruch, der in der Zukunft verwirklicht werden soll, sofern die finanziellen Rahmenbedingungen gegeben sind“ [Hervorhebungen hier durch den Senat].
Da diese Stellungnahme aus dem Jahr 1995 stammt, spricht alles dafür, dass der vorgenannte Beschluss derselben Fachgesellschaft aus dem Jahr 1991 nicht mehr als eine Forderung für die Zukunft darstellen, die als solche nicht den seinerzeit aktuellen Behandlungsstandard abbildete. Das Gegenteil ist jedenfalls nicht festzustellen.
Die genannte Stellungnahme der DGGG empfiehlt gem. Ziffer 3.4.2. die Regionalisierung von Hochrisiko-Fällen auch nicht einmal für jeden Hoch-Risikofall, sondern nur für solche, „deren Bewältigung offenbar und voraussehbar die personellen und organisatorischen Möglichkeiten des Krankenhauses übersteigt“.
Überdies gilt generell, dass allein Empfehlungen von Fachgesellschaften, die
– wie auch hier – noch nicht in Leitlinien der entsprechenden Fachrichtung erstarkt sind, nicht mit dem ärztlichen Standard gleichzusetzen sind (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 31.8.2005 – 3 U 277/04, Medizinrecht 2006,111, hier zitiert nach juris, Rn. 23 f.).
Der Sachverständige Prof. Dr. F. hat ferner zwei Arten von Leitlinien der Gesellschaft für Neonatologie und pädiatrische Intensivmedizin vorgelegt, der jeweils die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe zugestimmt hat:
(3) Leitlinien der Gesellschaft für Neonatologie und pädiatrische Intensivmedizin „Antepartaler“ [= vorgeburtlicher] „Transport von Risiko-Schwangeren“ (Hülle Bl. 659 d.A.)
Diese Leitlinien sind ausweislich ihres Ausdrucks erstmals am 1.9.1996 erstellt und in der Zeitschrift PerinatalMedizin 1997, Heft 9, Seite 68, veröffentlicht worden. Die streitgegenständliche Behandlung erfolgte im Jahre 1995. Spätere strengere Leitlinien können schon deshalb keinen Behandlungsstandard für einen zurückliegenden Zeitpunkt indizieren. Die Leitlinien befassen sich auch thematisch ausdrücklich nicht mit – der hier allein interessierenden – Frage, ob und gegebenenfalls wann ein Krankenhaus der Grundversorgung die Aufnahme einer Risiko-Schwangeren zur Entbindung ablehnen und diese in ein Perinatalzentrum mit Maximalversorgung verlegen muss. Die Leitlinien befassen sich lediglich damit, wann ein vorgeburtlicher Verlegungstransport von Risiko-Schwangeren aus einer Klinik der Grund- und Regelversorgung in eine Klinik der Maximalversorgung indiziert ist. Vor allem aber heißt es in der Präambel ausdrücklich:
"Die Entbindung von bestimmten Risiko-Schwangeren benötigt im Hinblick auf die Mutter oder das Kind spezialisierte Kenntnisse, Fähigkeiten und Ausrüstung, die aus Häufigkeit-, Erfahrungs- und Kostengründen nicht an jedem Ort vorhanden sein können."
Vorliegend ist schon aus den von dem Sachverständigen Prof. Dr. T. ausgeführten Gründen nicht festzustellen, dass in der Klinik der Beklagten derartige Defizite im Fall der Klägerin vorgelegen haben. Zudem heißt es in der Präambel weiter:
"Im Einzelfall muss allerdings abgewogen werden, ob die Verlegung für Mutter und Kind Gewinn bringt gegenüber den Risiken und Nachteilen eines Transports.“
Wie der Sachverständige Prof. Dr. T. überzeugend hervorgehoben hat, versprach eine Verlegung für Mutter der Klägerin bzw. die Klägerin ex ante keinen Gewinn, weil es in der Geburtsklinik der Beklagten zu 2.) unstreitig auch kein Perinatalzentrum unter einem Dach gegeben hat.
Soweit der Prozessbevollmächtigte der Klägerin in der letzten mündlichen Verhandlung erklärt hat, es gehe nicht nur um die Verlegung in die Geburtsklinik der Beklagten zu 2.), sondern überhaupt in ein Perinatalzentrum, so ist festzustellen, dass nicht einmal der Sachverständige Prof. Dr. F. eine Verlegung der Mutter der Klägerin in das seinerzeit nächstgelegene „Unter-einem-Dach“-Perinatalzentrum nach H. für erforderlich erachtet hat (vgl. Protokoll vom 30.10.2008, Seite 3 = Bl. 779 d.A.). Das ist überzeugend. Die Beklagte zu 1.) hat unstreitig dafür gesorgt, dass das Neonatologenteam der Beklagten zu 2.) vor Ort war.
(4) Leitlinien der Gesellschaft für Neonatologie und pädiatrische Intensivmedizin "Leitlinie: Aufgaben des Neugeborenen-Notarztdienstes" (Bl. 992 d.A.)
Auch aus diesen Leitlinien kann die Klägerin nichts für sich herleiten. Diese sind zwar „alt genug“, da auf den 8.12.1993 datieren; sie sind jedoch nicht einschlägig. Sie befassen sich mit den Aufgaben des Neugeborenen-Notarztdienstes und nicht mit der Frage, wann eine Risiko-Schwangere von der geburtshilflichen Klinik der Grundversorgung in eine der Maximalversorgung verlegt werden muss. Wörtlich heißt es in Nr. 2:
"Die Verfügbarkeit eines Neugeborenen-Notarztdienstes darf nicht dazu führen, die erforderliche Verlegung einer Risikoschwangeren in ein Krankenhaus mit perinatologischem Schwerpunkt/Zentrum zu unterlassen."
Diese Aussage geht ersichtlich davon aus, das die Verlegung in ein räumlich einheitliches Perinatalzentrum erfolgt und nicht nur wiederum in eine Geburtsklinik mit lediglich verfügbaren Neugeborenen-Notarztdienst. Die Unsetzung der erstgenannten Variante war indes seinerzeit in Braunschweig unstreitig nicht möglich und im Übrigen nach den Ausführungen sowohl des Sachverständigen Prof. Dr. F. als auch des Sachverständigen Prof. Dr. T. auch nicht erforderlich. In der Aussage der Nr. 2 der vorgenannten Leitlinien ist zudem die Erforderlichkeit der Verlegung bereits postuliert, nicht aber wird geregelt, wann eine Verlegung einer Risikoschwangeren zwingend erforderlich ist. Aus der folgenden Nr. 3 der Leitlinie ergibt sich, dass das auch nicht solcher Art geregelt, sondern der Patientin vorgestellt werden soll:
"Die Schwangere mit hohen Risiken ist über die Möglichkeit und Notwendigkeit einer präpartalen Verlegung aufzuklären.“
Auch in dieser Aussage sind die Möglichkeit und die Notwendigkeit postuliert, ohne dass geregelt ist, welche Voraussetzungen dafür vorliegen müssen. Das ist auch der weiteren Leitlinie nicht zu entnehmen, sondern nur, wann beispielhaft eine Hochrisikoschwangerschaft vorliegt.
Unerheblich ist insoweit, dass demgegenüber der Sachverständige Prof. Dr. T. in seiner Anhörung vor dem Senat die Auffassung vertreten hat, dass die vorgenannte, unter der Federführung der Gesellschaft für Neonatologie und pädiatrische Intensivmedizin erstellte gemeinsame Leitlinie mit der DGGG vom 8.12.1993 (Bl. 992 f d. A.) „von der reinen Formulierung her“, wie sie in Ziffer 3. zum Ausdruck komme, eine obligate Aufklärung der Risikoschwangeren über die Notwendigkeit einer pränatalen Verlegung formuliere und die Mutter der Klägerin wegen der Wehentätigkeit vor der 33. Woche zu der nach dem weiteren Text beispielhaft aufgezählten Gruppe der Risikoschwangeren gehört habe (Prot. v. 7.6.2012, S. 17 = Bl. 1217 d.A.). Entscheidend ist, dass – wie der Sachverständige Prof. Dr. T. an gleicher Stelle weiter und in jeder Hinsicht überzeugend ausgeführt hat – es seinerzeit eben keine widerspruchsfreie Aussage und Empfehlung gegeben habe. Aus der Präambel der kurz nach der streitgegenständlichen Behandlung im November in der Zeitschrift Frauenarzt 1995 veröffentlichten Leitlinien der DGGG gehe indes klar hervor - was schon insoweit nach eigener Prüfung des Senats keiner anderen Auslegung zugänglich ist - , dass die Konsensbildung eben noch nicht abgeschlossen gewesen sei. Aus dem Umstand, dass die DGGG dann selbst eine Leitlinie verabschiedet hat, die hinter der der Neonatologen von 1993 zurückbleibe, sei zu schließen, dass es einen solchen Standard noch nicht gegeben habe. Das ist denklogisch zutreffend, weshalb diesen Ausführungen zuzustimmen ist. Es zeigt, worauf auch der Sachverständige Prof. Dr. T. hingewiesen hat, dass der Diskussionsprozess in der medizinischen Fachwelt gerade und mindestens in dem Jahr der streitgegenständlichen Behandlung noch so im Gang war, dass von der einschlägigen geburtsmedizinischen Fachgesellschaft DGGG eine Leitlinie veröffentlicht wurde, die es hier der Beklagten zu 1.) ohnehin in eigener Sachprüfung erlaubt hätte, zu beurteilen, ob hier eine Empfehlung zur Aufnahme in ein Perinatalzentrum ausgesprochen werden musste oder nicht.
Soweit der Sachverständige Prof. Dr. F. demgegenüber die Auffassung vertreten hat, es sei seinerzeit nur dem wirtschaftlichen Druck wegen der Existenz der kleinen Kliniken geschuldet gewesen, dass die 1995-Leitlinien so „vorsichtig“ formuliert worden seien, ist das unbeachtlich. Denn der Sachverständige Prof. Dr. F. hat gleichzeitig eingeräumt, dass er für diese Auffassung keinen Beleg anführen könne (vgl. Prot. v. 7.6.2012, S. 17 = Bl. 1217 d.A.).
Der vom Sachverständigen Prof. Dr. F. stattdessen lediglich apodiktisch wiederholten Meinung, dass die medizinische Notwendigkeit für eine Empfehlung Risikoschwangere in ein Perinatalzentrum zu überstellen und nicht in eine Klinik der Grundversorgung aufzunehmen, schon damals medizinischer Konsens gewesen sei (a.a.O.), hat sich der Prof. Dr. T. nicht angeschlossen. Er hat dies dahingehend – und korrespondierend mit den oben genannten Ausführungen – vereinzelt begründet, dass es medizinischer Konsens gewesen sei, eine Vereinheitlichung erst noch herbeizuführen, und zwar eine Vereinheitlichung, die dazu diente, die sinnvolle Regionalisierung nach bestimmten Standards sicherzustellen. Im Jahr 1995 habe es nicht mal einen Standard für die vorhandenen Perinatalzentren in Deutschland gegeben, insbesondere auch keine Standards für die Weiterbildung. Diese sei damals noch fakultativ gewesen. Einheitlichen Standards für die Perinatalzentren gebe es erst seit jüngerer Zeit. Deshalb wäre seinerzeit die Empfehlung einer Aufnahme in einem Perinatalzentrum darauf hinausgelaufen, lediglich eine Weiterempfehlung nach „Etikett“ auszusprechen. Dies habe die zuständige Fachgesellschaft DGGG letztlich veranlasst, in der 1995-Leitlinie auf das Merkmal der jeweiligen Qualität der Alternativen abzustellen (a.a.O., S. 18 = Bl. 1218 d.A.).
Der Senat hat keine Bedenken, sich diesen – ebenfalls – widerspruchsfreien, schlüssigen und überzeugenden Ausführungen anzuschließen. Sie werden zusätzlich dazu gestützt, dass auch der Sachverständige Prof. Dr. F. bestätigt hat, dass es präzise definierte Standards für Perinatalzentren erst seit dem Jahre 2005 gibt. Soweit er ergänzend betont hat, es habe aber schon vor dem hier streitgegenständlichen Ereignisempfehlungen für die Ausstattung von Perinatalzentren gegeben, ist das unbeachtlich. Dem Einwand ist mit dem Sachverständigen Prof. Dr. T. und ihm insoweit zustimmend dem Privatsachverständigen der Klägerin Prof. Dr. P. entgegenzuhalten, dass es seinerzeit eben auch noch nicht Standard war, die Empfehlungen für die Ausstattung von Perinatalzentren, welche die Medizin für die Zukunft gefordert habe, in diesem Perinatalzentren bereits konsequent umzusetzen, weil zunächst die gleichmäßige räumliche Verteilung von Perinatalzentren in der Fläche der jeweiligen Bundesländer im Vordergrund stand (a.a.O. Seite 18 f.= Bl. 1218f. d.A.).
Soweit die Klägerin auf die Motivation hinweist, die zu den o. g. Empfehlungen Anlass gegeben haben, folgt auch daraus nicht, dass sich seinerzeit schon ein bestimmter verbindlicher Standard herausgebildet hätte. Insoweit kann dahinstehen, ob die Empfehlung der Überweisung von Risikogeburten in ein Perinatalzentrum gerade wegen der in diesen Fällen gehäuft auftretenden, nicht vorhersehbaren und nicht auf einer zwingend fehlerhaften Behandlung resultierenden Komplikationen beruht. Dass es bei Risikogeburten häufiger schicksalhaften Komplikationen kommt, korreliert schon mit dem Begriff "Risikoschwangerschaft" bzw. "Risikogeburt". Keine der genannten Empfehlungen stellt gleichwohl auf starre formale, sondern auf konkrete Bedingungen des Einzelfalls ab, um eine Qualitätssicherung zu erreichen. In keinem Fall lässt sich insbesondere ein Anhaltspunkt dafür finden, dass es einen ärztlichen Standard oder auch nur eine Empfehlung gab, die sich etwa auf die (unbewiesene) Aussage gründete: „Risikogeburten in Krankenhäusern der Grund- und Regelversorgung sind stets ex ante komplikationsträchtiger als Risikogeburten in Krankenhäusern der Maximalversorgung, die ebenfalls keinem ‚Unter-einem-Dach‘-Perinatalzentrum angehören.“
Soweit die Klägerin kritisiert, der Sachverständige Prof. Dr. T. habe für seine Auffassung keine weitergehenden Quellen angeführt, ist das nicht geeignet, um Defizite an den gutachterlichen Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. T. festzustellen. Zeitgenössische Quellen für die Existenz eines Standards sind zwar zu erwarten, nicht aber bzw. eher fernliegend für die - wie hier - Nichtexistenz eines bestimmten Standards.
Dass es vor dem hier streitgegenständlichen Ereignis in anderen Fällen, Sachverständige gegeben haben mag, die in den dortigen Fällen eine Verlegung der Risikoschwangeren in ein Perinatalzentrum (vgl. BGH, Urteil vom 14.12.1993 – VI ZR 67/93 = VersR 1994, 480, hier zitiert nach juris, Rn. 10) bzw. Kinderklinik der Maximalversorgung (vgl. OLG Zweibrücken, Urteil vom 16. 5. 1994 – 7 U 211/91, Seite 12 = Bl. 259 = Bl. 1291 d.A.) scheinbar als schon vorhandenen Standard vertreten haben, begründet keinen Grund im Sinne von § 412 ZPO, um nunmehr noch ein weiteres Gutachten einzuholen. Der Umstand, dass – wie auch hier – mit dem geburtsmedizinischen Sachverständigen Prof. Dr. F. (Gerichtsgutachter) , den pädiatrischen/neonatolgischen Sachverständigen Prof. Dr. V. (Schlichtungsgutachter) und Prof. Dr. P. (Privatgutachter der Klägerin) einerseits und den geburtsmedizinischen Sachverständigen Prof. Dr. T. (Gerichtsgutachter), Prof. Dr. W. (Schlichtungsgutachter, vgl. GA v. 21.8.1998, S. 3 Ziff. 3 = Bl. 38 d.A.: Einweisung und Aufnahme fehlerfrei) sowie pädiatrischen Sachverständigen Prof. Dr. J. (Gerichtsgutachter, vgl. Prot. v. 28.4.2005, S. 11 = Bl. 461 d.A.: Lediglich Forderung der Kinderärzte) andererseits sich auch zu dem vorliegenden Fall keine einheitliche Auffassung herausbilden lässt, belegt zusätzlich eindrucksvoll, dass sich eben kein Standard im Sinne der klägerischen Behauptung zum damaligen Zeitpunkt feststellen lässt. Aus den oben dargelegten Gründen sind die Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. T. zudem in der Sache überzeugend.
Im Übrigen sind die in den zitierten Entscheidungen (BGH a.a.O.; OLG Zweibrücken a.a.O.) zum Ausdruck kommenden tragenden Erwägungen der Ausführungen jener Sachverständigen auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. Tragendes Element war dort jeweils (BGH a.a.O.; OLG Zweibrücken a.a.O.), dass wegen der Nichtverlegung jeweils kein neonatologisches Spezialistenteam bereitstand, was aber vorliegend der Fall war.
Die darüber hinaus von der Klägerin aufgeworfenen Frage, welche Recherchen der Sachverständige Prof. Dr. T. angestellt habe, in welchem Umfang Kinderärzte "– wie aktenkundig –" von der Beklagten zu 1.) verlangt hätten, Frauen mit drohender Frühgeburt vorgeburtliche in ein Perinatalzentrum zu verlegen, führt ebenfalls nicht weiter. Abgesehen davon, dass sich aus der Aussage des damaligen Oberarztes der Beklagten zu 2.) Dr. B. eine verbindliche Absprache zwischen den Beklagten gerade nicht ergibt, sondern nur einseitig gebliebene Forderungen der Beklagten zu 2.), Ist die Frage auch rechtlich irrelevant. Es geht um den 1995 allgemein gültigen ärztlichen geburtshilfliche Standard. Der ärztlich-geburtshilflichen Standard wird nicht gebildet durch einseitig gebliebene regionale Forderungen von Kinderärzten.
Die für noch nicht standardisierte Behandlungen entwickelten Rechtsgrundsätze führen vorliegend auch zu keiner anderen Beurteilung. Zwar ist anerkannt, dass dann, wenn für eine Krankheit noch keine standardgerechte Behandlung existiert, nach dem Maßstab eines vorsichtigen Arztes zu behandeln ist (KG GesR 2012, 44). Solche Überlegungen sind hier jedoch nicht einschlägig. Vorliegend geht es nicht darum, dass für einen bestimmten Ausgangsbefund (hier: Risikoschwangerschaft) etwa noch überhaupt keine standardgerechte Behandlung existiert hätte, sondern allein darum, ob sich dieser Standard bereits in eine bestimmte Richtung entwickelt und insbesondere verschärft hat.
bb) Zeitpunkt des Behandlungsstandards
Unabhängig von den vorstehenden Ausführungen kann es auch aus rechtlichen Gründen nicht darauf ankommen, dass mit den o. g. Leitlinien vom 8.12.1993, die unter der Federführung der neonatologische Fachgesellschaft verfasst worden sind, es zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Aufnahme Leitlinien gab, die der o.g. 1995er-Leitlinie scheinbar verbindlich entgegenstanden. Selbst wenn dies entgegen der obigen Ausführungen standardbildend gewesen sein sollte, ist Folgendes zu berücksichtigen:
Bei der rechtlichen Beurteilung des ärztlichen Handelns ist zwar grundsätzlich der medizinische Standard zum Zeitpunkt der Behandlung zu Grunde zu legen. Später bekannt gewordene Umstände, neue klinische Entwicklungen und Erfahrungen, nachträgliche wissenschaftliche Erkenntnisse und Forschungsergebnisse können sich zu Gunsten des Arztes auswirken, soweit sie seine therapeutischen Maßnahmen rechtfertigen (vgl. BGH, Urt. v. 18.3.2003 – VI ZR 266/02 = VersR 2003, 858 mwNw zur dort zitierten und nicht beanstandeten Rechtsmeinung; ebenso Ulsenheimer, Arztstrafrecht in der Praxis, 4. Aufl, Rn. 19a). Daraus folgt, dass das Verhalten der Beklagten zu 1.) im Zusammenhang mit der Aufnahme der Mutter der Klägerin auch schon deshalb nicht pflichtwidrig gewesen sein kann, weil es den maßgeblichen Leitlinien der einschlägigen Fachgesellschaft aus November 1995 entsprochen hat.
b) Zum etwaigen Verschulden
Aus den vorgenannten Gründen folgt gleichzeitig, dass es keinerlei Anhaltspunkte dafür gibt, dass ein – insoweit lediglich nur unterstellter – Behandlungsfehler als schlechterdings unverständlich und damit beweislastumkehrend als grob qualifiziert werden könnte. Der Sachverständige Prof. Dr. T. hat insoweit nachvollziehbar darauf abgestellt, dass die Änderung der Leitlinien i. S. d. Verhaltens der Mitarbeiter (unbestritten) ohnehin unmittelbar bevorstand und von der persönlichen und technischen Ausstattung der Behandlung der Mutter der Klägerin sowie wie von der räumlichen Situation Kliniken her gesehen die Behandlung in der Geburtsklinik der Beklagten zu 1.) mit dem herbeigerufenen Neonatologenteam der Beklagten zu 2.) ex ante keine wesentlich andere Situation bestand, als wenn die Mutter der Klägerin in die Geburtsklinik der Beklagten zu 2.) verlegt worden wäre. Denn diese befand sich zum damaligen Zeitpunkt auch noch nicht mit der Kinderklinik der Beklagten zu 2.) unter einem Dach und hätte deren Team genauso anfordern müssen. Die schon damals von der Beklagten zu 2.) innegehabte Bezeichnung „Perinatalzentrum“ ohne verbindlichen Standard rechtfertigt es nicht, eine Nichtverlegung, die mangels konkreter Anhaltspunkte ex ante inhaltliche Vorteile nur auf allenfalls spekulativer Grundlage erwarten ließ, als schlechterdings unverständlich zu bezeichnen. Konkrete und valide Anhaltspunkte solcher Art vermochten insbesondere der Sachverständige Prof. Dr. T. und auch der Privatsachverständige Prof. Dr. P. nicht anzugeben. Eine Verlegung nach H. oder in ein ggf. noch weiter entfernt liegendes „formales“ Perinatalzentrum war – abgesehen von den damit verbundenen Transportrisiken – selbst nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. F. nicht indiziert. Es ist daher – abgesehen, dass aus obigen Gründen bereits keine Pflichtverletzung gegeben ist – jedenfalls nicht festzustellen, dass mit der Aufnahme der Mutter der Klägerin bzw. dem Nichtabraten von ihrer Aufnahme das ärztliche Personal der Beklagten zu 1.) eindeutig gegen bewährte ärztliche Behandlungsregeln und gesicherte medizinische Erkenntnisse verstoßen und dadurch einen Fehler begangen hat (hätte), der aus objektiver ärztlicher Sicht nicht mehr verständlich erscheint (erscheinen würde), weil ein solcher Fehler einem Arzt schlechterdings nicht unterlaufen darf.
B. Vorwurf „Fehlerhafte Lagerung“
1.
Nach dem Ergebnis der weiteren Beweisaufnahme kann nicht festgestellt werden, dass die Mutter der Klägerin bei dem Eingriff zum Muttermundverschluss oder zur Durchführung des Kaiserschnitts fehlerhaft gelagert worden ist, mit der Folge, dass es durch Druck auf die Vena cava zu einem Blutdruckabfall bei der Kindesmutter mit einer Schädigung der Klägerin gekommen wäre.
a)
Die Klägerin hat für ihre Behauptung einer falschen Lagerung keinen Beweis angeboten. Soweit von der Beklagten zu 1.) benannte Zeugen vernommen worden sind bzw. sich schriftlich geäußert haben, haben ihre Aussagen keine Hinweise auf eine falsche Lagerung ergeben.
Der der Klägerin obliegende Nachweis einer falschen Lagerung ist auch nicht indirekt geführt worden. Er ergibt sich insbesondere nicht daraus, dass die Klägerin und ihre Schwester nachgeburtlich unterschiedliche Zustände und Entwicklungen gezeigt haben bzw. zeigen. Insoweit wird auf die obigen Ausführungen verwiesen, wonach unterschiedliche Organismen auf gleiche Bedingungen nicht zwingend gleich reagieren. Der Sachverständige Prof. Dr. Ba. hat dies bestätigend noch zusätzlich damit begründet, dass es sich um eine Zwillingsschwangerschaft mit zwei unabhängigen Plazenten gehandelt habe (Prot. v. 30.10.2008, S. 5 = Bl. 780 d.A.).
Eine falsche Lagerung kann auch nicht aus dem Verlauf der Blutdruckmessungen der Mutter der Klägerin abgeleitet werden. Wie die weitere Beweisaufnahme ergeben hat, ließ sich bereits im Ausgangspunkt die noch in der Anhörung vom 30.10.2008 vom Sachverständigen Prof. Dr. F. geäußerte Annahme, die Mutter der Klägerin habe unter dem Eingriff einen "enormen" Blutdruckabfall erfahren (a.a.O. Seite 6 = Bl. 780R d.A.), nicht aufrechterhalten. Der Sachverständige Prof. Dr. T. hat bereits in seinem schriftlichen Gutachten vom 20.9.2011 ausgeführt, dass es nach den zeitlich hinreichend engmaschig aufgenommenen Messwerten laut Anästhesieprotokoll zu keinem Zeitpunkt einen mütterlichen systolischen Blutdruck gegeben habe, der den Grenzwert von 100 mmHg unterschritten habe. Ein Blutdruckabfall sei damit nicht nachzuweisen (GA S. 17 = Bl. 1137 d.A.). Daraus folge auch, dass selbst bei einer unterstellten fehlerhaften Lagerung diese nicht kausal für eine mütterliche Hypotonie (= einen unnormal niedrigen Blutdruck) geworden, in deren Folge es zu einer Versorgung, zumindest eines der beiden Zwillingskinder hätte kommen können (GA a.a.O.).
Diesen, bereits aus sich heraus verständlichen und überzeugenden Ausführungen sind in der Anhörung vor dem Senat vom 7.6.2012 weder der Sachverständige Prof. Dr. F. noch der Privatsachverständige Prof. Dr. P. entgegengetreten. Soweit der Privatsachverständige Prof. Dr. P. eingewandt hat, man wisse nicht, welches der Blutdruck Normalwert von Frau Fricke gewesen sei, auffällig sei, dass der Blutdruck gleich zu Anfang gesunken sei, hat der Sachverständige Prof. Dr. T. ausgeführt, dass dieser Verlauf auch bei völlig regelhaften Verhältnissen nicht ungewöhnlich sei. Dies hat er überzeugend damit begründet, dass das Protokoll noch im Wachzustand der Patientin begonnen habe. Zu Beginn der Operation seien Patienten für gewöhnlich sehr aufgeregt, so dass der Blutdruck einen höheren Anfangswert habe. Im Verlaufe der Anästhesie trete dann unter der Narkose die Beruhigung ein und der Blutdruck falle, regelmäßig auch entsprechend dem Ausmaß und dem zeitlichen Ablauf des vorliegenden Falls (Prot. v. 7.6.2012, S. 10 = Bl. 1210 d.A.). Dem hat sich der Sachverständige Prof. Dr. F. angeschlossen (a.a.O. Seite 11 = Bl. 1211 d.A.).
Aus der Menge der der Mutter der Klägerin unter dem Eingriff zugeführten Flüssigkeit kann ebenfalls nicht geschlossen werden, dass es einen erheblichen Blutdruckabfall gegeben haben muss, welcher gegebenenfalls nicht bzw. nicht richtig protokolliert worden ist. Nach den insoweit übereinstimmenden Ausführungen der Sachverständigen Prof. Dr. T. und Prof. Dr. F. sowie des Privatsachverständigen Prof. Dr. P. entsteht im Blutkreislauf nicht zwingend ein Druckabfall, wenn bei laufender Blutung laufend Volumen ersetzt wird, sondern erst dann, wenn der Volumenersatz zum Volumenverlust erheblich zeitversetzt gegeben wird (Prot. v. 7.6.2012 = Bl. 1209 d.A.). Das ist bereits physikalisch einleuchtend.
b) Abgesehen davon, dass nach den vorstehenden Ausführungen eine – hier nur unterstellte – fehlerhafte Lagerung der Mutter der Klägerin sich nicht schädigend ausgewirkt haben kann, ist eine fehlerhafte Lagerung als solche auch nicht nach den Grundsätzen der Beweiserleichterung aus der Verletzung einer Dokumentationspflicht zu vermuten.
Nach dem Ergebnis der weiteren Beweisaufnahme ist der Klägerin der ihr obliegende Beweis für ihre Behauptung, dass bei Behandlungen wie im vorliegenden Fall neben der Bezeichnung "Steinschnittlage" die leichte Linksseitenneigung der Lagerung dokumentationspflichtig sei, nicht gelungen.
Der Sachverständige Prof. Dr. F. hat es im Verlauf der weiteren Beweisaufnahme zunächst noch für erforderlich gehalten, die Frage der vorgenannten Dokumentationspflicht durch einen Sachverständigen für Anästhesie beantworten zu lassen (Schreiben v. 24.3.2011 = Bl. 900 d.A.). Nach dem daraufhin eingeholten anästhesiologischen Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. W. vom 10.5.2011 (Bl. 944-947 d.A.) nebst Ergänzung vom 20.5.2011 (Bl. 958 d.A.) ist es – auch nach dem Stand im Jahr 1995 – ausreichend, wenn die Lagerung als "Steinschnittlage" und nicht zusätzlich als Halbseitenlagerung dokumentiert ist. Dies hat der Sachverständige Prof. Dr. W. dahingehend erläutert, dass es sich bei Zwillingsschwangeren um eine Selbstverständlichkeit handele, den Operationstisch nur leicht nach links zu neigen, um die erforderliche vorbeugende Entlastung der Vena cava zu gewährleisten, was aber auch schon stattdessen durch eine Unterpolsterung der rechten Körperseite durch Kissen hergestellt werden könne. Die Dokumentation der seitlichen Lagerung sei aus medizinischer Sicht für weiter behandelnde Ärzte nicht erforderlich.
Soweit der Sachverständige Prof. Dr. T. demgegenüber nach den Ausführungen in der Anhörung vom 7.6.2012 es gleichwohl aus Geburtshelfersicht für erforderlich gehalten hat, die Halbseitenlage zusätzlich bzw. alternativ zur Steinschnittlage zu dokumentieren, kann dem schon deshalb nicht gefolgt werden, weil der Sachverständige Prof. Dr. F. dafür keine nachvollziehbare Erklärung angeben konnte. Seine Erläuterung für seine Auffassung, dies sei jedenfalls in den ihm bekannten OP-Berichten oder Vorblättern "jedenfalls früher so gemacht" worden (Protokoll Seite 7 = Bl. 1207 d.A.), ist nicht überzeugend. Die Dokumentationspflicht hängt allein ab von ihrer medizinischen Notwendigkeit. Die medizinische Notwendigkeit lässt sich nicht daraus ableiten, ob etwas "jedenfalls früher so gemacht" worden ist. Auf entsprechenden Vorhalt sah sich der Sachverständige Prof. Dr. F. auch nicht in der Lage, selbst medizinische Gründe zur Untermauerung seiner Auffassung anzugeben (a.a.O. Seite 8 = Bl. 1208 d.A.).
Die privatgutachterliche Stellungnahme des Sachverständigen Prof. Dr. P. vom 2.6.2011 (S. 1 = Bl. 1031 d.A.) rechtfertigt ebenfalls keine andere Beurteilung der Dokumentationspflicht. Zwar hat dieser darin ausgeführt, dass es für die richtige Behandlung der kindlichen Kreislaufsituation erforderlich sei, die äußeren Umstände der bei der Mutter in Betracht kommenden Ursachen zu kennen. In Übereinstimmung mit dem Sachverständigen Prof. Dr. T. wie auch dem Sachverständigen Prof. Dr. F., der sich dem insoweit angeschlossen hat, hat der Privatsachverständige Prof. Dr. P. in der mündlichen Verhandlung vom 7.6.2012 jedoch selbst ergänzend klargestellt, dass es für die Behandlung entscheidend sei, dass insoweit eine Kommunikation zwischen den Behandlern möglich sei, nicht aber, dass zusätzlich auch deren Dokumentation erfolge (Prot. v. 7.6.2012, S. 8 = Bl. 1208 d.A.). Unstreitig ist vorliegend eine derartige Kommunikation zwischen den Behandlern der Beklagten zu 2.) und den Beklagten zu 1.) möglich gewesen (Prot. a.a.O.).
Nach alldem scheidet eine Haftung der Beklagten zu 1 unter dem Gesichtspunkt der Lagerung der Mutter der Klägerin aus.
C. Vorwurf „Fehlerhafter Umgang mit der Nabelklemme“
Die weiteren Beweisaufnahme hat ergeben, dass sich die im insoweit vom Bundesgerichtshof teilaufgehobenen Grund- und Teilurteil vom 18.12.2009 noch getroffene Feststellung, dass es einen grob fehlerhaften Umgang mit der Nabelklemme im Verantwortungsbereich der Beklagten zu 1.) gegeben hat, nicht aufrechterhalten werden kann:
1. Nach den Aussagen sämtlicher vernommenen Zeugen gab es keine krankhaft veränderte Nabelschnur, aus der es "von allein" hätte bluten können. Nach der postnatalen pathologischen Auswertung war die Nabelschnur ohne Entzündungszeichen (vgl. GA Prof. Dr. Ba., S. 9 = Bl. 715 d.A.).
2. Nach den insoweit übereinstimmenden Aussagen der Zeugin L. und des Zeugen Dr. B. lag bei der Klägerin an der Nabelschnur eine äußere, durch eine Nabelklemme verursachte blutende Verletzung vor. Beide haben zudem übereinstimmend ausgesagt, dass die entsprechende Nabelklemme nicht vom Personal der Beklagten zu 2.) gesetzt worden sei. Ihre Aussagen divergieren lediglich insoweit, als die Zeugin L. bekundet hat, es habe unterhalb einer schief sitzenden Klemme geblutet, und der Zeuge Dr. B. hingegen ausgesagt hat, es habe aus einem Abdruck einer Nabelklemme heraus geblutet. Alle übrigen Aussagen sind unergiebig oder stehen dem jedenfalls nicht entgegen, weil sie das nicht ausschließen.
Weder gibt es Anhaltspunkte dafür, die es möglich erscheinen lassen, die Divergenz zwischen den Aussagen der Zeugin L. und Dr. B. weiter zu klären, noch gibt es hinreichende Anhaltspunkte dafür, nach denen einer der Aussagen den Vorzug vor anderen zu geben wäre.
Der Zeuge Dr. B. und die Zeugin L. haben jeweils glaubhaft ausgesagt. Die Abweichungen zwischen ihren Aussagen lassen sich mit nachvollziehbar mit dem erheblichen Zeitablauf seit dem erlebten Geschehen erklären, ohne dass festgestellt werden kann, welche Aussage inhaltlich „zutreffender“ ist. Plausibel ist auch, dass beiden die wesentliche Besonderheit, die Blutung aus der Nabelschnur aus einer - wie auch immer - durch Nabelklemme beschädigten Stelle, noch in Erinnerung gewesen ist. Die Zeugen haben einen glaubwürdigen Eindruck gemacht. Sie haben ohne erkennbare Übertreibungen oder Be- oder Entlastungstendenzen ausgesagt. Beide Zeugen haben kein erkennbares Interesse daran, in diesem Punkt die Beklagte zu 1.) zu Unrecht zu be- oder zu entlasten, da sie weder persönlich dafür haften, noch die von ihnen bekundeten Tatsachen für die Frage von Bedeutung gewesen ist, ob die Beklagte zu 2.) haftet oder nicht. Überdies war die Zeugin L. bei der Beklagten zu 2.) schon zum Zeitpunkt ihrer Vernehmung nicht mehr beschäftigt.
Damit steht allenfalls das mechanische Verursachen einer blutenden Verletzung im Zusammenhang mit einer Nabelklemme fest, die durch Mitarbeiter der Beklagten zu 1.) gesetzt wurde.
2. Zwar haben die Sachverständigen Prof. Dr. T. und Prof. Dr. F. übereinstimmend ausgeführt, dass man bei dem Setzen der Nabelklemme an sich „nichts falsch machen“ könne, weil dies ein Vorgang sei, der entweder vollständig gelinge oder nicht (Protokoll Seite 6 = Bl. 1206 d.A.). Werde die Klemme beim Schließvorgang eingeklickt, sei sie nicht mehr zu öffnen. Dabei sei es gleichgültig, in welcher Raste dies geschehe. Schließe sie nicht richtig, so bemerke man das, weil das Klicken fehle, was man sensorische oder akustisch bemerken müsse, so dass dann eine neue Klemme näher zum Kind hin gesetzt werden müsse (Protokoll vom 7.6.2012, Seite 2 = Bl. 1202 d.A.).
Es kann jedoch dahinstehen, ob nach diesen Ausführungen ein nicht richtiges Schließen bzw. ein Nichtbemerken eines gegebenenfalls fehlenden Einklickens der Nabelklemme einen Fehler darstellt, der schlechterdings unverständlich ist. Denn nach dem Ergebnis der weiteren Beweisaufnahme steht bereits nicht fest, dass der Ablauf so gewesen und die Verletzung der Nabelschnur auf diese Weise verursacht worden ist.
Nach den weiteren Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. T. in der Anhörung vom 7.6.2012, denen auch der Sachverständige Prof. Dr. F. zugestimmt hat (Prot. a.a.O., S. 3 = Bl. 1203 d.A.) und die auch mit den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. J. korrespondieren (Prot. v. 28.4.2005, S. 6 oben = Bl. 458R d.A.), kann es vorliegend auch so gewesen sein, dass zunächst die Nabelklemme – ordnungsgemäß – orthogonal auf die Nabelschnur gesetzt worden und dabei auch zugeklickt ist. Es ist möglich, dass anschließend durch das Einschlagen des Kindes in Tücher, die Übergabe und das damit insgesamt verbundene Hantieren mit der relativ geringgewichtigen Klägerin die sehr zarte Nabelschnur verletzt worden ist, indem die Klemme dabei mechanisch aus ihrer orthogonalen Grundstellung gebracht wurde oder sonst unter Zug geraten ist, was wegen der Verdeckung durch das Tuch auch nicht sofort bemerkt werden musste (Prot. a.a.O., S. 3 = Bl. 1203 d.A.).
Da dieser Ablauf nicht mit der erforderlichen Sicherheit, die vernünftigen Zweifeln Schweigen gebietet, ohne diese völlig auszuschließen (§ 286 ZPO), zu widerlegen ist, würde die Beklagte zu 1.) insoweit nur haften, wenn auch dieser Ablauf einen groben Behandlungsfehler darstellte. Eine solche Feststellung ist indes nicht gerechtfertigt.
Diese Beurteilung durch den Senat ist gestützt auf die weiteren Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. T..
Dieser hat auf nochmaligen konkreten Vorhalt der Anforderungen, die die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs an das Vorliegen eines so genannten groben Behandlungsfehlers stellt, und unter ausdrücklichem Hinweis darauf, dass ein Sachverständiger in Beantwortung dieser Frage nicht auf subjektive Aspekte wie Empathie und persönliches Verständnis, sondern auf den objektiven Maßstab abzustellen habe, ausgeführt:
Wenn beim Hantieren mit dem Kind bei gesetzter Nabelklemme eine mechanische Einwirkung zu einer Verletzung führe, so sei das ein Vorgang, der zwar bei größter Sorgfalt vermieden werden könne, der aber durchaus auch in einer ordentlich geführten Klinik mit ordentlich ausgebildetem und erfahrenem Personal schon passieren könne. Dies sei nicht schlechterdings unverständlich. Dabei spielten die objektiven Umstände wie die Verletzlichkeit der Nabelschnur des Frühgeborenen, die besonders gegeben sei bei einem so geringem Gewicht, wie auch die Eilbedürftigkeit, die darin gelegen habe, dass zwei Kinder versorgt werden mussten. Es handele sich um ein Szenario im Grenzbereich zwischen Verwirklichung behandlungsspezifischen Risikos und Behandlungsfehler. Falls jemand konzentriert allein darauf achte, die Nabelklemme unter keinen mechanischen Zug oder sonstige Einwirkung zu bringen, könne eine dadurch bedingte eintretende Verletzung zwar vermieden werden. Das entspreche aber eben nicht dem Ablauf, wie er regelmäßig vorkomme und der Bewältigung der objektiv konkurrierenden Behandlungserfordernisse zu genügen habe. Das Erfordernis, auf die gesetzte Nabelklemme keine mechanische Einwirkung, die verletzungsträchtig sein könne, auszuüben, sei nicht höher ansetzen, als die allgemeine Regel, dass ein Arzt grundsätzlich keinem Patienten schaden solle. In dieser Hinsicht seien mehrere Dinge zu beachten gewesen, um Schaden von der Klägerin zu vermeiden. Es habe eine Sorgfaltskonkurrenz zwischen den ärztlich gebotenen Verhaltenspflichten bestand. Zum einen sei es darum gegangen, nicht unnötig mechanische Einwirkungen auf die Nabelklemme auszuüben, zum anderen darum, das Kind möglichst schnell vor Auskühlung zu schützen, schließlich darum, es möglichst schnell den bereitstehenden Neonatologen zu übergeben. Werde in solchen Fällen eine dieser erforderlichen Maßnahmen in ihrer Ausübung zu sehr zu Lasten der anderen ausgedehnt oder bevorzugt, könne es auch dadurch in dem Bereich der anderen Maßnahmen zu Schäden kommen. Es gebe auch im Perinatalzentren insoweit keine spezialisierte Rangfolge im Umgang mit Frühgeborenen dahingehend, dass speziell auf die Vermeidung der Verletzung der Nabelschnur geachtet werden solle, also vorrangig vor den anderen zu beachtenden Umständen, nach denen insbesondere eine schnelle Auskühlung vermieden werden und das Kind schnell pädiatrisch versorgt werden müsse.
Diesen überzeugenden und schlüssigen Ausführungen, denen im Übrigen der Sachverständige Prof. Dr. F. auch auf ausdrückliche Nachfrage nichts mehr entgegenzusetzen vermocht hat (Prot. v. 7.6.2012, S. 5 Mitte = Bl. 1205 d.A.), schließt sich der Senat nach eigener kritischer Prüfung an. Sie sind widerspruchsfrei, logisch aufeinander aufbauend und in jeder Hinsicht nachvollziehbar.
3. Die Beklagte zu 1.) haftet schließlich auch nicht wegen ggf. ihrem Personal anzulastenden Nichtbemerkens der Blutung der Klägerin.
Es ist nicht festzustellen, dass Umstände vorgelegen haben, die den Behandlern der Beklagten zu 1.) eine solche Feststellung ermöglicht hätten (a). Unabhängig davon wäre – ein hier nur unterstelltes Nichtbemerken der Nabelschnurverletzung und/oder Blutung der Klägerin durch die Mitarbeiter der Beklagten zu 1.) – allenfalls als einfacher Fehler ohne Beweislastumkehr für die nicht erwiesene Schadensursächlichkeit einzustufen (b).
a) Der Sachverständige Prof. Dr. T. hat hierzu überzeugend ausgeführt, dass die Mitarbeiter der Beklagten zu 1.) deshalb nicht zwingend die Blutung vorher, d. h. bevor sie von Herrn Dr. B., dem Mitarbeiter der Beklagten zu 2.), bemerkt wurde, hätten bemerken müssen, weil bereits nicht festzustellen sei, wann die Blutung – insbesondere bemerkbar – begonnen habe. Dies hat der Sachverständige Prof. Dr. T. nachvollziehbar damit begründet, dass die Klägerin von blutigem Fruchtwasser benetzt gewesen sei. Ein so kleines Kind habe selbst eine so geringe Menge Blut, dass schon ein relativ langer Vorgang der Blutung einsetzen müsse, um die Blutmenge von den sowieso durch Fruchtwasser und Kindsmutter vorhandenen Blutanhaftungen erkennbar unterscheiden zu können (Prot. v. 7.6.2012, S. 6 = Bl. 1206 d.A.).
Der dem und den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. J. (vgl. Prot. v. 28.4.2005, S. 4 = Bl. 457R d.A.) entgegenstehenden Auffassung des Privatsachverständigen Prof. Dr. P. ist nicht zu folgen. Diese beruht auf der Annahme, dass es schon im Einflussbereich des Personals der Beklagten zu 1.) eine bemerkbare massive Blutung gegeben haben müsse, was er wiederum daraus gefolgert hat, dass das Blut aus dem Tuch getropft sei, was nach dem Kontext seiner Äußerungen voraussetzt, dass dieses Tuch zuvor so viel Blut – und zwar im Wesentlichen allein von der Klägerin – aufgesogen hätte, dass weiteres nicht mehr aufgenommen werden konnte (Prot. vom 28.4.2005, Seite 3 = Bl. 457 d.A.). Dieser, der Annahme des Privatsachverständigen vorgeschaltete Ablauf, ist indes (ebenfalls) nicht bewiesen. Die Befragungen der Zeugen Dr. B. (Prot. v. 14.2.2006, S. 2 = Bl. 555R d.A.) und Frau L. (Prot. v. 3.8.2006, S. 2 = Bl. 595 d.A.) sind insoweit unergiebig geblieben und haben insoweit kein klares Bild vom Ablauf ergeben. Wie das Tuch beschaffen gewesen ist, als die Mitarbeiter der Beklagten zu 1.) die Klägerin dort hinein gelegt haben, konnten die genannten Zeugen nicht wahrnehmen. Zudem widersprechen sich ihre Aussagen schon im Hinblick darauf, ob bzw. wann ein Tuchwechsel durch das Team der Beklagten zu 2.) erfolgt ist, ohne dass sich Anhaltspunkte für eine weitere Aufklärung ergeben haben oder sonst ersichtlich sind. Überdies hat bereits der Sachverständige Prof. Dr. J. ausgeführt, dass Tücher nicht immer vollständig um das Kind geschlungen würden und außerdem bei einer seitlichen Haltung es möglich sei, das Blut auch unmittelbar aus einer kleineren Lache seitlich heraus gelaufen sei, so dass es auch lediglich so ausgesehen haben könne, als ob es aus dem Tuch tropfe (a.a.O., S. 7 = Bl. 459 d.A.).
b) Unabhängig davon wäre ein – hier lediglich unterstelltes – Nichtbemerken einer Blutung der Klägerin vor deren Übergabe an die Mitarbeiter der Beklagten zu 2.) jedenfalls nicht schlechterdings unverständlich. Aus den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. T. folgt das auf der Hand liegend, weil danach schon nicht davon ausgegangen werden kann, dass ggf. unterscheidbare Blutanhaftungen vor Übergabe der Klägerin an die Beklagte vorhanden gewesen sind. Auch der Sachverständige Prof. Dr. F. hat es – insoweit nachvollziehbar und überzeugend – wegen der Eilbedürftigkeit als verständlich bezeichnet, wenn der Geburtshelfer die Nabelklemmenverletzung nicht bemerke (Prot. v. 30.10.2008, S. 4 = Bl. 779R d.A.).
D. Schmerzensgeldhöhe
Die im Verhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 2.) noch auszuurteilende Schmerzensgeldhöhe wird vorliegend ganz überwiegend durch das Interesse der Klägerin an einer Kompensation des erlittenen immateriellen Schadens geprägt. Zur Feststellung des insoweit berechtigten Interesses bedarf es zusätzlich der Feststellung der gegenwärtigen Beeinträchtigungen, unter denen die Klägerin infolge des Schadens leidet, einschließlich einer entsprechenden Prognose. Über die im klägerischen Schriftsatz vom 27.11.2008 (Bl. 800ff. d.A.) vorgetragenen und noch durch weitere Feststellungen zu aktualisierenden Umstände ist noch nicht verhandelt worden, sodass der dem Grunde nach rechtskräftig feststehende Schmerzensgeldanspruch in Bezug auf die Beklagte zu 2.) noch nicht zur Höhe zur Entscheidung reif ist.
III.
Die (Teil-) Kostenentscheidung folgt hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1.) wegen deren Ausscheidens aus dem Rechtsstreit aus § 97 Abs. 1 ZPO (vgl. BGH NJW-RR 2001, 642 [BGH 25.01.2001 - V ZR 22/00]). Da es sich um kein abschließendes Urteil handelt, war die Kostenentscheidung im Übrigen der Schussentscheidung vorzubehalten.
Die Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1.) aus § 708 Nr. 10 ZPO. Darüber hinaus hat die Anordnung zu unterbleiben, da dieses Teilurteil im Übrigen keinen vollstreckungsfähigen Inhalt hat.
Die Revision war zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) zuzulassen.
Den nachgelassenen Schriftsatz der der Klägerin vom 19.6.2012 sowie den nicht nachgelassenen Schriftsatz der Klägerin vom 4.7.2012 hat der Senat bei der Entscheidung berücksichtigt.