Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 18.05.2022, Az.: 3 A 116/18

Gebührenkalkulation; Pfeifenstielgrundstück; Schlechterstellungsverbot; Sommerdienst; Straßenreinigungsgebühr

Bibliographie

Gericht
VG Göttingen
Datum
18.05.2022
Aktenzeichen
3 A 116/18
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2022, 59566
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. § 2 Abs. 1 Satz 3 NKAG und § 5 Abs. 2 Satz 3 NKAG sind auf nachträgliche Neukalkulationen nicht anwendbar (entgegen Nds. OVG, Urteil vom 03.05.2021 - 9 KN 162/17 -).
2. Eine nachträgliche Neukalkulation bedarf stets der rückwirkenden Inkraftsetzung der kalkulierten Gebührensätze.
3. Der Verzicht des Rates auf eine Deckung prognostizierter Kosten ist nicht umkehrbar.
4. Zur Frontlängenmaßstab der Straßenreinigungsgebühr bei Hammer- und Pfeifenstielgrundstücken.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen ihre Heranziehung zu Benutzungsgebühren. Sie wurde für das Kalenderjahr 2018 durch Bescheid der Beklagten vom 18.01.2018 – Kassenzeichen xxx – für das Grundstück X im Innenstadtgebiet unter anderem zu Straßenreinigungsgebühren für den Sommerdienst und den Winterdienst sowie zu einer Kanalbenutzungsgebühr für Niederschlagswasser herangezogen. Den Straßenreinigungsgebühren wurden zwei Längenangaben von jeweils 12,20m und 8,00m sowie Gebührensätze von 28,91 €/m und 0,55 €/m zu Grunde gelegt, woraus sich Gebühren in Höhe von 583,98 € (Sommerdienst) und 11,11 € (Winterdienst) ergaben. Worauf sich die Längenangaben bezogen, ist dem Bescheid nicht zu entnehmen. Die Kanalbenutzungsgebühr wurde nach einer bebauten Fläche von 407 m² und einem Gebührensatz von 0,57 €/m² mit 231,99 € festgesetzt.

Am 20.02.2018 hat die Klägerin Klage erhoben. Durch Schriftsatz vom 08.09.2021 hat die Beklagte die Festsetzung der Straßenreinigungsgebühr für den Winterdienst und der Kanalbenutzungsgebühr unter Anerkennung ihrer Kostenpflicht aufgehoben. Die Beteiligten haben den Rechtsstreit insoweit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt.

Zur Begründung der Klage gegen die Straßenreinigungsgebühr für den Sommerdienst trägt die Klägerin im Wesentlichen vor, die Anteile für das Allgemeininteresse für 2018 und die Vorjahre seien zu niedrig ausgefallen. Gebührenüber- und -unterdeckungen aus Vorjahren seien nicht rechtmäßig ausgeglichen worden. Die Kosten der Reinigung von Containerstandplätzen seien nicht ausgegliedert worden. Die Rechtmäßigkeit der Straßenreinigungsverordnung der Beklagten sei zweifelhaft.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid vom 18.01.2018 – Kassenzeichen xxxx – aufzuheben, soweit sie darin zu einer Straßenreinigungsgebühr für den Sommerdienst herangezogen wurde.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise, die Berufung zuzulassen.

Sie ist der Auffassung, die Klage sei im verbliebenen Umfang unbegründet. Als „veranlagungsrelevante Frontlängen“ seien 12,20m gemäß § 7 Abs. 1 und 2 ihrer Straßenreinigungsgebührensatzung und 8,00m gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 5 derselben Satzung festgestellt und in Ansatz gebracht worden. In die Gebührenkalkulation für 2018 seien 60.000 Euro Aufwand für bezogene Leistungen im Hinblick auf geplante Arbeiten zur Umstellung auf einen Flächenmaßstab zu Recht einbezogen worden.

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet. Der Berichterstatter hat mit Schreiben vom 20.01.2022 in den Parallelverfahren 3 A xx und xx/18 bestehende Zweifel an der Vereinbarkeit des § 7 Abs. 3 der Straßenreinigungsgebührensatzung der Beklagten ausführlich begründet und Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte dieses Verfahrens und der vorbenannten Parallelverfahren Bezug genommen; diese Unterlagen sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.

Entscheidungsgründe

Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit hinsichtlich der Straßenreinigungsgebühren für den Winterdienst und die Kanalbenutzungsgebühr übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren einzustellen und über die Kosten nach § 162 Abs. 2 VwGO entsprechend der Kostenübernahmeerklärung der Beklagten im Schriftsatz vom 08.09.2021 einheitlich mit der Kostenentscheidung des streitig gebliebenen Teils zu entscheiden.

Die im Übrigen zulässige und auch sonst statthafte Klage ist begründet. Die Erhebung von Straßenreinigungsgebühren für den Sommerdienst im Kalenderjahr 2018 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Gebührensätze von 4,13 €/m bzw. eines Mehrfachen davon gemäß § 4 Abs. 2 der Straßenreinigungsgebührensatzung der Beklagten vom 16.12.2016 in der Fassung der 1. Änderungssatzung vom 15.12.2017 (StrRGS) verstoßen gegen das Kostenüberschreitungsverbot des § 5 Abs. 1 Satz 2 NKAG. Dieser Verstoß hat seine wesentliche Ursache in der Kalkulation der Gebührensätze beim Ausgleich „alter“ Überdeckungen bei der Sommerdienstgebühr für 2018 ungeachtet der vom Nds. OVG vorgenommenen Gegenrechnung von nicht gebührenfähigen Kostenpositionen gegen die vermeintlich zu hoch einkalkulierten Überdeckungen aus den Kalkulationsperioden 2006 bis 2014. Weil die Gebührensätze des Sommerdienstes für 2018 vom Nds. OVG nicht beanstandet wurden, ist das Urteil insofern gemäß § 47 Abs. 5 VwGO nicht allgemeinverbindlich, sondern gilt nur inter partes.

Der 9. Senat hat im Urteil vom 03.05.2021 (– 9 KN 162/17 –, juris) in der Gebührenkalkulation der Beklagten für 2018 Kalkulationsfehler (aaO., Rn 248ff) beanstandet. Dazu hat er ausgeführt (aaO., Rn. 243, 301ff), dass diese Fehler nicht zur Unwirksamkeit der Gebührensätze führten. Sie fielen unter die Toleranzgrenze des § 2 Abs. 1 Satz 3 NKAG, weil es sich nicht um methodische, das Berechnungsverfahren betreffende Fehler handele. Die fehlende Verpflichtung der Beklagten zum Ausgleich der „alten“ Überdeckungen beim Sommerdienst aus den Jahren 2006 bis 2014 begründet er aus der Dreijahresfrist des § 5 Abs. 2 Satz 3 NKAG, welche den Ausgleich älterer Über- und Unterdeckungen verhindere (aaO., Rn. 283).

1. Diese Begründung überzeugt die Kammer nicht, weil zum einen die Voraussetzungen für eine Anwendung des § 2 Abs. 1 Satz 3 NKAG nicht vorliegen. Diese Vorschrift lautet:

Liegt der Beschlussfassung über Abgabensätze eine Berechnung der voraussichtlichen Kosten zugrunde, mit der bezüglich einzelner Kostenbestandteile versehentlich gegen Rechtsvorschriften verstoßen wird, so ist dieser Mangel unbeachtlich, wenn dadurch die Grenze einer rechtmäßigen Kostenvorausberechnung um nicht mehr als 5 vom Hundert überschritten wird; daraus folgende Kostenüberdeckungen sind auszugleichen.“

Der 9. Senat lässt keinen Zweifel daran, dass die Erhebung einheitlicher Winter- und Sommerdienstgebühren in den Jahreskalkulationsperioden 2006 bis 2014 (VG Göttingen, Urteil vom 17.04.2012 – 3 A 389/10 –, juris. Rn. 12ff; für 2015 vgl. VG Göttingen, Urteil vom 22.03.2016 – 3 A 226/15 –, juris, Rn. 27) rechtswidrig war (aaO., Rn. 225). Die Unterlassung der Bildung von Teilleistungsbereichen für den Sommer- und Winterdienst trotz unterschiedlicher Leistungsumfänge ist – neben den weiteren festgestellten satzungsrechtlichen Mängeln – ohne jeden Zweifel keine versehentliche Ungenauigkeit, sondern ein bewusster methodischer Fehler gewesen (so bereits VG Göttingen, Urteil vom 22.03.2016, ebendort). Sie betraf auch nicht nur einzelne Kostenbestandteile, sondern die falsche Zuordnung von Kosten- und Einnahmenprognosen zur Ermittlung von Einheitsgebührensätzen durchzog die gesamten Kalkulationen des Zeitraums. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Anwendung des § 2 Abs. 1 Satz 3 NKAG ab 2007 lagen also für keine der ursprünglichen Kalkulationen vor, die auf ihnen beruhenden Gebührensätze waren damit allesamt rechtswidrig. Dieser methodische Fehler besteht fort und infiziert nachfolgende Gebührenkalkulationen so lange, wie Beträge aus „alten“, methodisch falsch ermittelten Über- und Unterdeckungen nicht rechtlich korrekt ausgeglichen worden sind.

Um feststellen zu können, in welchem Umfang es in diesen Kalkulationsperioden in den beiden Teilleistungsbereichen zu Über- oder Unterdeckungen gekommen ist, war die Beklagte verpflichtet, Neukalkulationen mit den Zahlen der Betriebsergebnisse durchzuführen (aaO., Rn. 286). Die Beklagte hat dies getan und für den Sommerdienst dieser 9 Jahre kumulierte Überdeckungen in Höhe von ca. 3,44 Mio. Euro ermittelt, was einem Durchschnitt von ca. 0,382 Mio. Euro pro Kalkulationsperiode entspricht. Der Kammer liegen keine Anhaltspunkte vor, dass bei diesen Neukalkulationen wiederum Fehler bei der Zuordnung von Kostenpositionen vorkommen; mit Rücksicht auf eine „ungefragte Fehlersuche“ (aaO., Rn. 102 mwN.) geht sie deshalb von der Richtigkeit und Gebührenfähigkeit der in den Neukalkulationen verwandten Zahlen aufgrund der tatsächlichen periodengerechten Ausgaben und Einnahmen des Teilleistungsbereichs Sommerdienst aus. Zwar liegen diese Neukalkulationen der Kammer nicht vor. Weil aber der Ausgleich des Großteils dieser Überdeckungen im Jahr 2017 genügte, um die gebührenfähigen Kosten des Sommerdienstes in Höhe von ca. 3,1 Mio. Euro vollständig zu decken, dürften die jährlichen Gesamtkosten des Sommerdienstes demzufolge 4,5 Mio. Euro (einschließlich des Anteils der Allgemeinheit) keinesfalls überstiegen haben (vgl. auch aaO., Rn. 270). Daher muss die Kammer davon ausgehen, dass die Einnahmen die Kosten in jeder der 9 Neukalkulationen um deutlich mehr als 5 % überschritten. Selbst wenn also die Kammer – ungeachtet möglicher methodischer Fehler – von der rechnerischen Richtigkeit der Neukalkulationen ausgeht, wird die Toleranzgrenze des § 2 Abs. 1 Satz 3 NKAG (ab 2007; vgl. Driehaus-Lichtenfeld, Kommunalabgabenrecht, Stand: 03/2022, § 6 Rn. 731a mwN.) prima facie verletzt, was zur Rechtsfolge der Unwirksamkeit der Neukalkulationen führt. Der Grenzwert hat allerdings nur Bedeutung für die Entscheidung, ob Kalkulationsfehler ohne Weiteres zur Unwirksamkeit der Gebührensätze führen. Die zeitlich nicht befristete Ausgleichspflicht von Überdeckungen im letzten Halbsatz dieser Norm wird durch die Verletzung des Grenzwertes nicht berührt, weil nicht angenommen werden kann, dass der Gesetzgeber nur den Ausgleich von Überdeckungen anordnen wollte, welche den Gebührensatz nur geringfügig überhöhen, wogegen er rechtswidrige Einnahmen aufgrund deutlicher Überhöhungen von Gebührensätzen dauerhaft dem Einrichtungsträger belassen wollte.

Die Anwendbarkeit des § 2 Abs. 1 Satz 3 NKAG scheitert überdies daran, dass die Neukalkulationen unabhängig von ihrer angenommenen rechnerischen Richtigkeit wiederum unter einem grundlegenden methodischen Fehler leiden, indem sie für die Jahre ab 2006 potenzielle Gebührensätze ermitteln, die jedoch niemals festgesetzt worden sind. Da nicht einer der seit 2006 geltenden Einheits- oder Sommerdienstgebührensätze jemals aufgehoben wurde, gelten sie für die jeweiligen Jahre trotz ihrer beklagtenseits erkannten Rechtswidrigkeit fort. Damit fallen Neukalkulation und festgesetzter Gebührensatz in allen Fällen auseinander.

Zweck der Kalkulation ist, eine plausible, nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen (§ 5 Abs. 2 NKAG) erstellte Begründung der Gebührensätze zu geben, die von dem zuständigen Vertretungsgremium des Einrichtungsträgers in Kenntnis dieses Rechenwerks beschlossen werden. Dazu muss die Kalkulation dem Gremium vorgelegt und von ihm zustimmend zur Kenntnis genommen werden. Denselben Zweck hat auch die Neukalkulation, woraus folgt, dass die in ihr – anhand der tatsächlichen Ausgaben und Einnahmen der vergangenen jeweiligen Kalkulationsperiode – ermittelten Gebührensätze mangels prognosebedingter Ungenauigkeiten grundsätzlich exakt auf diesen Betrag rückwirkend vom Vertretungsgremium des Einrichtungsträgers festgesetzt werden müssen. Dabei ist allerdings § 2 Abs. 2 Satz 4 NKAG zu beachten, wonach die Gesamtheit der Gebührenpflichtigen durch die rückwirkend erlassenen Gebührensätze nicht ungünstiger als durch die ersetzte Satzung gestellt werden darf.

Auch ohne Kenntnis der Neukalkulationen ab 2006 liegt für die Kammer auf der Hand, dass die nach den Teilleistungsbereichen Sommer- und Winterdienst neu kalkulierten Gebührensätze den unverändert für die jeweiligen Kalkulationsperioden fortgeltenden Einheitsgebührensätzen nicht entsprechen können. Dabei hätte es nicht ausgereicht, wenn der Rat der Beklagten rückwirkend für die Jahre ab 2006 ausschließlich die Gebührensätze neu beschlossen hätte. Der Beklagten ist spätestens seit dem Urteil der Kammer vom 22.03.2016 im Verfahren 3 A 226/15 (S. 5f) bekannt, dass eine „Heilung“ von rechtswidrig beschlossenen Gebührensätzen nur möglich ist, indem rückwirkend auf die jeweilige Kalkulationsperiode die gesamte Gebührensatzung neu beschlossen und bekannt gemacht wird (vgl. auch Driehaus-Lichtenfeld, Kommunalabgabenrecht, Stand: 03/2022, § 6 Rn. 731h mwN.). Dieses Erfordernis ist keine bloße Förmlichkeit. Bei einer Neukalkulation für eine vergangene Kalkulationsperiode ist der Einrichtungsträger zwar ohne Weiteres in der Lage, die tatsächlichen Ausgaben festzustellen und anhand der Kostenprognosen der ursprünglichen Kalkulation zu prüfen, ob sie damals schon einbezogen worden waren und deshalb auch bei der Neukalkulation angesetzt werden dürfen. Für die Kostenseite sind die neuen Gebührensätze also nicht erforderlich.

Bei der Neuberechnung der Einnahmenseite ist dies jedoch anders. Die neuen, unter Beachtung des Verbots der rückwirkenden Schlechterstellung ermittelten Gebührensätze schaffen erst die Berechnungsgrundlage, aus der sich zusammen mit der Summe der Maßstabseinheiten die zulässige Einnahmenobergrenze ermitteln lässt. Erst wenn diese satzungsrechtlich verbindlich feststeht, können Über- oder Unterdeckungen der jeweiligen Kalkulationsperiode und des jeweiligen Teilleistungsbereichs berechnet werden. Die Beklagte hat dagegen versucht, für die Kalkulationsperioden ab 2006 Über- und Unterdeckungen anhand von fiktiven Gebührensätzen zu ermitteln, die nicht mit den für die Vergangenheit fortgeltenden und daher für die Beklagte weiterhin verbindlichen Einheitsgebührensätzen für die gesamte Straßenreinigung ihres Satzungsrechts übereinstimmen können. Die Neukalkulationen sind damit bereits insgesamt rechtswidrig, weil sie ungeeignet sind, die fortgeltenden Gebührensätze zu begründen. Auf diese Weise berechnete Über- und Unterdeckungen führen damit unmittelbar zur Rechtswidrigkeit der Kalkulationen, in die sie – wie in der Periode 2018 – einbezogen wurden.

2. Die Kammer vermag zum anderen nicht zu dem vom Nds. OVG unter ausführlicher Erörterung (aaO., Rn. 274ff) gefundenen Ergebnis zu kommen, dass die Befristung von Ausgleichspflichten auf drei Jahre gemäß § 5 Abs. 2 Satz 3 NKAG auf den Ausgleich der durch Neukalkulationen festgestellten Überdeckungen anwendbar sei. Diese Vorschrift lautet:

„Weichen am Ende des Kalkulationszeitraums die tatsächlichen von den kalkulierten Kosten ab, so ist die Kostenüberdeckung innerhalb der auf ihre Feststellung folgenden drei Jahre auszugleichen; eine Kostenunterdeckung soll innerhalb dieses Zeitraums ausgeglichen werden.“

Die tatbestandliche Voraussetzung dieser Norm, dass die tatsächlichen von den kalkulierten Kosten abweichen müssen, kann von einer Neukalkulation – im Gegensatz zu einer Nachkalkulation – schon deswegen nicht erfüllt werden, weil bei ihr mangels einer rechtmäßigen Ursprungskalkulation der vorgeschriebene Vergleich der prognostizierten Kosten mit den tatsächlich erfolgten Ausgaben nicht stattfinden kann, sondern ausschließlich mit den echten Ausgaben zu rechnen ist. Die prognosebedingten und damit systemimmanenten Ungenauigkeiten, die § 5 Abs. 2 Satz 3 NKAG periodenübergreifend ausgleichen will, sind bei einer Neukalkulation denknotwendig ausgeschlossen. Ebenso, wie von dieser Norm Überdeckungen, die bewusst herbeigeführt wurden oder die sich aus einer vom Einrichtungsträger unterlassenen Gebührenkalkulation ergeben, nicht erfasst werden, ist sie auch auf Neukalkulationen nicht anwendbar. Solche Kalkulationsfehler führen vielmehr, wenn sie nicht versehentlich erfolgen und nicht unter die Toleranzschwelle fallen, stets zur Nichtigkeit der Gebührensätze und zum Erfordernis ihrer nachträglichen Neukalkulation und rückwirkenden Berichtigung des Satzungsrechts. Hier besteht eine Parallele zur gesetzlichen Regelung zur 5%-Fehlertoleranz in § 2 Abs. 1 Satz 3 letzter Halbsatz NKAG in der Fassung vom 20.04.2017 (Nds. GVBl. S. 121), welche ausdrücklich vorschreibt, dass Überdeckungen aufgrund von Kalkulationsfehlern unbefristet auszugleichen sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.11. 2019 – 9 CN 1/18 –, juris, Rn. 20f; OVG NRW, Beschluss vom 17.01.2011 – 9 A 693/09 –, juris, Rn. 13; VG Magdeburg, Urteil vom 25.06.2020 – 9 A 53/19 –, juris, Rn. 32; Driehaus-Lichtenfeld, aaO., § 6 Rn. 731f und g). Angesichts des Charakters einer Ausnahme von der periodengerechten Kostenzuordnung ist für eine Ausweitung des Anwendungsbereichs des § 5 Abs. 2 Satz 3 NKAG über den Wortlaut hinaus auf Neukalkulationen kein Raum. Demzufolge bleibt die Kammer bei ihrer Auffassung, dass die in den Kalkulationsperioden 2006 bis 2014 und 2015 rechtswidrig erzielten Überdeckungen von der Beklagten vollumfänglich auszugleichen sind, was bisher mangels rechtmäßiger Berechnung noch nicht geschehen ist und zur Rechtswidrigkeit der Kalkulation der Sommerdienstgebührensätze für 2018 führt, bei welcher „Überdeckungen“ in erheblichem Umfang von ca. 320.000 € berücksichtigt wurden.

3. Selbst wenn ungeachtet des Vorstehenden die Beklagte mit dem 9. Senat davon ausgehen würde, dass eine zwar rechtswidrige und überhöhte, aber trotzdem eine tragfähige Grundlage für den Ratsbeschluss über die Gebührensätze bildende Feststellung von Überdeckungen aus Jahreskalkulationsperioden vor 2016 vorläge, die wegen eines versehentlichen Verstoßes gegen Rechtsvorschriften nur mit einem unbeachtlichen Mangel iSd. § 2 Abs. 1 Satz 3 NKAG behaftet wäre, würde dies am Ergebnis rechtswidrig kalkulierter Sommerdienstgebührensätze für 2018 nichts ändern. Denn für die vom 9. Senat vorgenommene Gegenrechnung (aaO., Rn. 307f) von vermeintlich überhöht eingestellten Überdeckungen gäbe es keine Rechtsgrundlage.

Im Ausgangspunkt der Überlegungen ist die Kammer mit dem 9. Senat einig (aaO., Rn. 274ff, 296), dass Fehler bei der Entscheidungsfindung über einen fristgerechten Ausgleich von Über- und Unterdeckungen nach § 5 Abs. 2 Satz 3 NKAG dazu führen, dass es erst nach dem Ablauf der Ausgleichsfrist an einer wirksamen Festlegung der Gebührensätze im dritten, ausgleichpflichtigen Jahr fehlt. Zu solchen Fehlern bei der Entscheidungsfindung gehört die Unkenntnis über auszugleichende Kostenüber- oder -unterdeckungen ebenso wie der bewusst oder irrtümlich unterlassene Ausgleich einer Überdeckung oder die auf unrichtiger Grundlage getroffene Entscheidung über einen Ausgleich ansatzfähiger Unterdeckungen spätestens im dritten Jahr. Diese Rechtsfolge ergibt sich unmittelbar aus § 5 Abs. 2 Satz 3 NKAG. Für sie kommt es auch nicht darauf an, in welcher Höhe sich ein eventueller Ausgleich auf die Höhe des Gebührensatzes ausgewirkt hätte, also ob der Gebührensatz bei einer fehlerfreien Ausgleichsentscheidung im Ergebnis nur geringfügig überhöht wäre bzw. unterhalb einer Fehlertoleranzgrenze läge.

Denn die Ermessensentscheidung über das "ob", "wie" und "wann" eines Ausgleichs von Über- oder Unterdeckungen abgelaufener Kalkulationszeiträume betrifft nicht die rein rechnerische Ermittlung der prognostizierten Kosten für die bevorstehende Gebührenperiode. Vielmehr gibt § 5 Abs. 2 Satz 3 NKAG für die Entscheidung über den fristgerecht zu treffenden Ausgleich im Einzelnen vor, wie mit Kostenüber- und -unterdeckungen zu verfahren ist. Die Norm überlässt es dabei aber insbesondere bei einem einjährigen Kalkulationszeitraum der Ermessensentscheidung des Ortsgesetzgebers, wann der Ausgleich innerhalb des zur Verfügung stehenden Dreijahreszeitraums bewirkt werden soll. Insofern hat die gesetzliche Verpflichtung, Über- oder Unterdeckungen gegenüber den Gebührenpflichtigen zeitnah (d.h. innerhalb von drei Jahren) auszugleichen, insbesondere bei einem einjährigen Kalkulationszeitraum keinen unmittelbaren Bezug zu der konkret anstehenden Gebührenkalkulation für ein bestimmtes Gebührenjahr.

Hinzu kommt, dass die Wahl, ob, wann und in welcher Höhe eine etwaige Unterdeckung ausgeglichen werden soll, vom beschließenden Rat eine bewusste Entscheidungsfindung verlangt. Entscheidet er sich gegen den grundsätzlich durchzuführenden Ausgleich ansatzfähiger Kostenunterdeckungen aus vergangenen Kalkulationszeiträumen oder nur für einen teilweisen Ausgleich spätestens im dritten Jahr, können diese Unterdeckungen auch später nicht mehr ausgeglichen werden. Fehler bei der Entscheidungsfindung über einen Ausgleich nach § 5 Abs. 2 Satz 3 NKAG sind daher anders als bloße Rechenfehler nur durch eine nachgeholte, fehlerfreie Entscheidung in Kenntnis der ausgleichspflichtigen Über- oder Unterdeckungen heilbar.

Die Kammer teilt ebenfalls die rechtliche Bewertung des 9. Senats (aaO., Rn. 297), dass der Rat der Beklagten bei der Gebührenkalkulation für das Jahr 2015 die ermittelte kumulierte Überdeckung aus den Jahren 2006 bis 2014 billigend zur Kenntnis genommen und entschieden hat, den größten Teil der Überdeckung im Jahr 2017 (mit der Folge faktischer Gebührenfreiheit in diesem Jahr) und den Restbetrag von ca. 320.000 Euro im Jahr 2018 auszugleichen (aaO., Rn 272). Einigkeit besteht auch darin, dass diese Ermessensentscheidung wirksam unabhängig von der Rechtsfrage ist, ob die Beklagte tatsächlich zum Ausgleich von Überdeckungen aus den Jahren 2006 - 2014 verpflichtet war (aaO., Rn. 298) oder ob die Überdeckungen in der richtigen Höhe berechnet worden sind.

Weiterhin besteht Einigkeit, dass nach der seit April 2017 für den Kalkulationszeitraum 2018 gültigen Fassung des § 5 Abs. 2 Satz 3 NKAG der Ausgleich innerhalb der auf ihre Feststellung folgenden drei Jahre erfolgen muss/soll.

Diese Feststellung ist nach der Auffassung der Kammer ein durch die Verwaltung vorzunehmender Abgleich einer rechtsfehlerfreien Kalkulation mit den Betriebsergebnissen der Periode, um die genaue Höhe von Über- und Unterdeckungen feststellen zu können. Sie bildet die Grundlage der Ratsentscheidung über den Ausgleich. Bei Unterdeckungen hat der Rat zu entscheiden, ob, wann und ggf. in welcher Höhe sie auszugleichen sind. Bei Überdeckungen muss er entscheiden, in welchen Kalkulationsperioden sie mit welchen Teilbeträgen auszugleichen sind. Diese Ermessensentscheidung kann wie die billigende Kenntnisnahme der vorgelegten Kalkulation konkludent mit dem Beschluss der Gebührensätze getroffen werden. Um sie rechtmäßig beschließen zu können, muss der Rat die rechtlich und rechnerisch korrekt festgestellten Zahlen kennen, da sie einen wesentlichen Teil der Tatsachenbasis seiner Ermessensentscheidung bilden. Entspricht die Feststellung nicht diesen Anforderungen, so ist die auf falschen Tatsachen beruhende Ratsentscheidung ermessensfehlerhaft, womit den Gebührensätzen, die unter Einbeziehung dieser fehlerbehafteten Feststellung beschlossen worden sind, keine rechtmäßige Gebührenkalkulation zugrunde liegt. Eine „Feststellung“, die an Rechts- oder Rechenfehlern leidet, ist demzufolge auch ungeeignet, die Frist des § 5 Abs. 2 Satz 3 NKAG in Gang zu setzen. Auf der Grundlage dieser Rechtsauffassung kommt es für eine Feststellung von Über- oder Unterdeckungen, die nach dem Inkrafttreten der aktuellen Fassung des § 5 Abs. 2 Satz 3 NKAG getroffen wurde, nicht darauf an, wie lange die Kalkulationsperiode zurückliegt, auf die sie bezogen ist. Maßgeblich für den Beginn der Ausgleichsfrist ist allein das Jahr, in welchem erstmals auf der Basis einer rechtmäßigen (Neu-)Kalkulation eine rechtmäßige und rechnerisch richtige Feststellung von der Verwaltung getroffen und vom Rat gebilligt wurde.

Die Überdeckungen aus den Jahren 2006 bis 2014 und 2015 hat die Verwaltung im Jahr 2016 (allerdings methodisch falsch, s.o. sub 1.) „festgestellt“. Der Rat hat sie ebenfalls im Jahr 2016 beim Beschluss der Gebührensätze für das Jahr 2017 billigend zur Kenntnis genommen und seiner Ermessensentscheidung über die zeitliche Aufteilung der Überdeckungen (nach damaliger Rechtslage auf die Jahre 2017 und 2018) zugrunde gelegt. Nach der Auffassung der Kammer liegt damit bis heute keine Feststellung im Sinne des § 5 Abs. 2 Satz 3 NKAG vor. Wenn die Beklagte trotzdem mit dem 9. Senat davon ausgeht, dass sie 2016 Feststellungen für die Kalkulationsperioden ab 2006 getroffen hat, die keine negativen Auswirkungen auf die Ermessensentscheidung des Rates für die Einbeziehung der festgestellten Überdeckungen aus Vorjahren in die Kalkulationsperiode 2018 haben, so ändert dies im Ergebnis nichts.

Der 9. Senat vertritt die Auffassung (aaO., Rn. 283), dass die Beklagte jedenfalls für 2018 nicht (mehr) verpflichtet war, Überdeckungen aus den Jahren 2006 bis 2014 auszugleichen. Die im Jahr 2016 getroffene Feststellung von Überdeckungen leide damit an einem Rechtsfehler. Obwohl der Rat der Beklagten demzufolge auch Ende des Jahres 2017 bei der Entscheidung über Ausgleichshöhe und -zeitpunkt für 2018 von einer falschen Tatsachengrundlage in Gestalt einer weit überhöhten Feststellung ausgegangen wäre, erklärt der 9. Senat diese Entscheidung einerseits für rechtmäßig (aaO., Rn. 298), zieht aber andererseits (aaO., Rn. 308) mehr als 255.000 Euro ab, die aus verbliebenen, festgestellten Überdeckungen der Jahre 2006 bis 2014 resultierten.

Diesem Abzug würde sich die Kammer auch dann nicht anzuschließen können, wenn die Dreijahresfrist des § 5 Abs. 2 Satz 3 NKAG vorliegend anwendbar wäre.

Die Kammer hat im April 2012 im Verfahren 3 A 389/10 einen angefochtenen Straßenreinigungsgebührenbescheid der Beklagten für die Kalenderjahre 2006 bis 2010 mit der tragenden Begründung rechtskräftig aufgehoben, dass mangels einer Trennung von Sommer- und Winterdienst keine rechtmäßige Kalkulation der Gebührensätze vorlag. Eine Vergleichsgrundlage für die Betriebsabrechnungsbögen zur Ermittlung von Über- und Unterdeckungen existierte damit weder für diesen Zeitraum noch für die Folgejahre, für welche die Kammer durch weitere rechtskräftige Urteile Mängel feststellte, die zur Nichtigkeit der gesamten Gebührensatzung führten. Bevor diese Satzungsmängel nicht rückwirkend behoben worden waren, bestand überhaupt keine Rechtsgrundlage für die Refinanzierung des Aufwandes der Sommerreinigung durch Gebühren in den fraglichen Jahren. Auch dies entspricht der Rechtsprechung des 9. Senats. Die Beklagte hat daraufhin offenbar für die Jahre 2006 bis 2015 Neukalkulationen unter Zuordnung von Ausgaben und Einnahmen getrennt nach den Teileinrichtungen Sommer- und Winterdienst erstellt. Als Ergebnis hat sie offenbar im Jahr 2016 für jeden dieser Kalkulationszeiträume des Sommerdienstes nachträglich Überdeckungen (oder kostenüberdeckende Einnahmen für den Sommerdienst?) „festgestellt“, die sich auf rund 3,44 Mio. Euro summierten (aaO., Rn. 272). Würden diese „Feststellungen“, beispielsweise wegen einer Überschreitung des bis Ende 2016 durch die Rechtsprechung und seit Anfang 2017 durch den Landesgesetzgeber bestimmten Allgemeinanteils (aaO., Rn. 260ff) zu Lasten öffentlicher Deckungsmittel, gegen geltendes Recht verstoßen, so würden sie nicht als Grundlage der Ermessensentscheidung dienen können, so dass die beschlossenen Gebührensätze rechtswidrig wären. Diesen Weg ist der 9. Senat jedoch nicht gegangen. Vielmehr hat er, wie bereits dargestellt, die fragliche(n) Feststellung(en) von Überdeckungen im Jahr 2016 für die Jahre 2006 bis 2014 ungeachtet der Rechtmäßigkeit des Ausgleichs für weiter zurückliegende Kalkulationszeiträume als tragfähige Grundlage der Ratsentscheidungen und letztere demgemäß als ermessensfehlerfrei angesehen.

Wenn demnach der Rat der Beklagten Ende 2016 und Ende 2017 beim Beschluss der Gebührensätze für 2017 und 2018 im Einklang mit dem höherrangigen Recht Überdeckungen aus den Jahren 2006 bis 2014 ausgleichen durfte, indem er auf die Refinanzierung gebührenfähiger Ausgaben dieser aktuellen Kalkulationsperioden in gleicher Höhe verzichtete, so ist keine Rechtsgrundlage zu erkennen, auf Grund derer sich die Rechtsprechung über die als rechtmäßig anerkannte Ermessensentscheidung hinwegsetzen und die Beklagte so behandeln dürfte, als hätte ihr Rat den Ausgleich für 2018 nicht beschlossen und Ausgaben in entsprechender Höhe nicht ausgesondert. Denn wie der 9. Senat völlig zu Recht ausführt (aaO., Rn. 275), können Kosten, die aus welchem Grund auch immer nicht in die Gebührenkalkulation eingestellt wurden, nicht erstmals in folgenden Rechnungsperioden periodenfremd berücksichtigt werden.

Der Rat der Beklagten hat mit dem Beschluss der Gebührensätze für 2018 im Spätherbst 2017 konkludent entschieden, „alte“ Überdeckungen im Umfang von mehr als 255.000 Euro vom gebührenfähigen Aufwand dieser Kalkulationsperiode abzusetzen. Gleichgültig, ob er dazu verpflichtet war oder die Ausgleichspflicht nur irrtümlich bzw. als moralische Verpflichtung gegenüber den Einrichtungsbenutzern angenommen hatte, hat er damit endgültig und unwiderruflich darauf verzichtet, periodenbezogenen Aufwand des Jahres 2018 in dieser Höhe zu refinanzieren. Dieser Verzicht bezog sich nicht etwa auf einzelne Aufwandspositionen (insbesondere die aaO., in Rn. 308 bezifferten), sondern auf die Summe des prognostizierten Aufwands.

An diesem Verzicht vermag der 9. Senat dreieinhalb Jahre später nichts mehr zu ändern. Denn abgesehen davon, dass die Normenkontrollentscheidung des Gerichts keine Ermessensentscheidung des Satzungsgebers abändert oder ersetzt, hätte ein „Wiederaufleben“ des nicht refinanzierten Aufwandes aus dem Jahr 2018 durch das Urteil des 9. Senates vom 03.05.2021 zwangsläufig zur Folge, dass nach dem Abzug der von ihm als nicht gebührenfähig angesehenen Kosten (aaO., Rn. 308 und 248ff) ungedeckter Aufwand in Höhe von ca. 190.000 Euro übrig bliebe, der bei der nachfolgenden Feststellung (im Sinne des § 5 Abs. 2 Satz 3 NKAG) für 2018 berücksichtigungsfähig wäre, weil die entsprechenden Kostenprognosen in der Kalkulation für 2018 bereits enthalten waren. Auf diese Weise würde aus einer Überdeckung aus dem Zeitraum 2006 bis 2014, die 2016 von der Beklagten festgestellt und 2018 von ihrem Rat zum Ausgleich gebracht wurde, infolge ihres Herausrechnens und des „Wiederauflebens“ des gegengerechneten Aufwands der Kalkulationsperiode 2018 im Mai 2021 rückwirkend auf den Zeitpunkt der Feststellung für das Jahr 2018 eine Unterdeckung, welche die Beklagte gemäß § 5 Abs. 2 Satz 3 NKAG wohl in den Jahren 2020 bis 2022 auszugleichen sollte. Dies allerdings nur unter der Prämisse, dass zwar die ursprüngliche Feststellung für das Jahr 2018 nachträglich rechtswidrig geworden wäre, weil ansatzfähige Kosten, die in der Kalkulation enthalten waren, nicht berücksichtigt wurden, dies nach der Rechtsprechung des 9. Senats jedoch keine Folgen für die Wirksamkeit der Feststellung und der auf ihr beruhenden Ratsentscheidungen hätte. Problematisch bliebe dann jedoch, dass die Feststellung des Jahres 2019 trotz ihrer Rechtmäßigkeit rechnerisch falsch wäre, weil sie die fraglichen ca. 190.000 Euro nicht berücksichtigt hätte.

Darüber hinaus müsste die konsequente Anwendung des „Wiederauflebensmodells“ des 9. Senats zur Folge haben, dass der weitaus größte Teil der ca. 3,1 Mio. Euro, der zum Ausgleich von Überdeckungen im Kalkulationszeitraum 2017 eingesetzt wurde, ebenfalls beachtet werden müsste. Könnte diese Ermessenentscheidung des Rates der Beklagten in gleicher Weise wie für 2018 durch die Rechtsprechung geändert werden, so hätte dies zur Folge, dass für die Kalkulationszeiträume ab 2018 nachträglich prognostizierte Kosten wiederaufleben würden, auf deren Refinanzierung der Satzungsgeber für das Jahr 2017 infolge der Festsetzung aller Gebührensätze auf 0,00 € wirksam verzichtet hatte. Die wiederaufgelebten Kosten würden – nach einer erneuten, rechtmäßigen Feststellung im Jahr 2022 – für 2017 zu einer millionenschweren Unterdeckung führen, die in den Jahren 2023 bis 2025 auszugleichen wäre. Diese Konsequenz hat der 9. Senat jedoch nicht gezogen (aaO., Rn. 272). Auch hat er nicht berücksichtigt, dass sogar nach seiner Auffassung der Teil der Überdeckungen, die innerhalb der letzten drei Jahre entstanden waren, noch auszugleichen gewesen wären. Vor seiner Gegenrechnung mit einrichtungsfremden Kosten der Kalkulation 2018 hat er sich keine Klarheit darüber verschafft, in welcher Höhe diese Überdeckungen „festgestellt“ worden waren und mit welchen Anteil sie in der Kalkulation für 2018 berücksichtigt wurden.

Gegen dieses Ergebnis kann schließlich auch nicht mit Erfolg eingewandt werden, dass bei Bagatellgebühren eine Beschränkung der Anfechtbarkeit einer Gebührenkalkulation auf wenige frühere Kalkulationsperioden erforderlich wäre, um die Kommune vom unverhältnismäßigen wirtschaftlichen Aufwand vieler Neukalkulationen und rückwirkendem Neuerlass von Satzungen zu entlasten, welche aufgrund einer – ausschließlich wegen rechtswidriger Feststellung von Über- oder Unterdeckungen aus lange zurückliegenden Kalkulationsperioden – erfolgreichen Klage sonst vorgenommen werden müssten. Bei grundstücksbezogenen Benutzungsgebühren wie der Straßenreinigungsgebühr kann jedem Kläger grundsätzlich die Bestandkraft der Gebührenbescheide, welche gegen ihn oder seine Rechtsvorgänger im Status des Gebührenpflichtigen ergangenen sind, für die jeweiligen Jahre entgegengehalten werden, in denen der Ausgleich von Über- und Unterdeckungen spätestens hätte erfolgen müssen, worauf der 9. Senat zu Recht hinweist (aaO., Rn. 283). Anders wäre dies nur bei besonders schwerwiegenden Mängeln (vgl. §§ 11 Abs. 1 Nr. 3b NKAG, 126f, 130 AO), bei denen die Rechtsordnung die fehlende fristgemäße Anfechtung des Gebührenbescheids hinter die materielle Gerechtigkeit zurücktreten lässt. Wenn eine Kommune über Jahre hinweg aufgrund rechtskräftiger Urteile weiß, dass ihre Gebührensätze und die zugrundeliegenden Kalkulationen rechtswidrig sind, ist sie in Bezug auf die während dieser Zeit trotzdem erlassenen Gebührenbescheide bösgläubig, so dass ihr die genannten Vorschriften eine Berufung auf die Bestandskraft verwehren dürften. Warum sie unter diesen Umständen über eine erweiternde Auslegung des § 5 Abs. 2 Satz 3 NKAG von der rückwirkenden Herstellung einer rechtmäßigen Erhebungsgrundlage entlastet werden sollte, erschließt sich der Kammer nicht. Im Gegenteil kann die erweiternde Auslegung des § 5 Abs. 2 Satz 3 NKAG durch den 9. Senat die Kommunen dazu verführen, die rückwirkende Herstellung rechtmäßigen Satzungsrechts zu verschleppen, um die Verwirkung des Anfechtungsrechts möglichst lange auszudehnen. Im Übrigen mag die Straßenreinigungsgebühr in vielen Fällen für die Gebührenpflichtigen eine Bagatellgebühr sein; für die Kommune als Gebührengläubigerin verlässt die Summe der Einnahmen in aller Regel den Bagatellbereich deutlich, so dass ihr wirtschaftliches Interesse an einer Verschonung vor dem Aufwand rückwirkender Satzungsänderungen an den Gesamteinnahmen zu messen wäre.

Musste demzufolge gemäß der Entscheidung des Rates die 2017 noch nicht ausgeglichene Überdeckung vollständig berücksichtigt werden, so errechnet sich mit den vom Nds. OVG (aaO., Rn. 308) verwendeten Zahlen (3.134.471,85 € - 323.515,00 € = 2.810.956,85 € : 684.163 m²) ein Gebührenhöchstsatz von 4,1086 €/m², was unter dem festgesetzten Gebührensatz von 4,13 Euro liegt. Weil die gesetzliche „Toleranzgrenze“ des § 2 Abs. 1 Satz 3 NKAG nur auf Fehler im Rechenvorgang betreffend einzelne Kostenbestandteile anzuwenden ist, in der Einstellung einrichtungsfremder Kosten aber ein methodischer, das Berechnungsverfahren betreffender Fehler vorliegt (aaO., Rn. 302 und 309), ist diese Vorschrift nicht anwendbar. Der Gebührensatz für den Sommerdienst verstößt daher gegen das Kostenüberschreitungsverbot des § 5 Abs. 1 Satz 2 NKAG und bietet keine wirksame Rechtsgrundlage für die angefochtene Gebührenfestsetzung.

Auf die Zweifel der Kammer, ob die vom 9. Senat vorgenommene Saldierung von einzelnen Kostenprognosen der Kalkulation mit „überschüssigen“ Überdeckungen aus Vorjahren zulässig sein kann, weil damit die Kalkulation und Tatsachengrundlage der Ratsentscheidung nachträglich verändert wird, kommt es nach dem Vorstehenden nicht mehr an.

4. Davon abgesehen und die Aufhebung der Sommerdienstgebühr zumindest teilweise gleichfalls tragend, bildet § 7 Abs. 3 StrRGS keine rechtmäßige Grundlage für die Veranlagung rückwärtiger Grenzlängen von Anliegergrundstücken.

Die Vorschrift lautet: Bei Anliegergrundstücken, die nicht mit der gesamten der Straße zugewandten Grundstücksseite an die Straße angrenzen, werden zusätzlich zu der Frontlänge nach Abs. 2 auch Frontlängen für nicht an die Straße angrenzende Teile der zugewandten Grundstücksseite zugrunde gelegt. Zugewandt sind alle vorderen Abschnitte der Grundstücksseite, die in gleichem Abstand oder in einem Winkel bis einschließlich 45 Grad zu der Straßengrenze verlaufen. Die Straßengrenze ist die gemeinsame Grundstücksbegrenzungslinie zwischen der Straße und den anliegenden Grundstücken.

Der Begriff der Frontlänge wird in § 7 Abs. 2 Satz 1 StrRGS – sinngemäß im Wege der Auslegung – definiert als die Strecke der gemeinsamen Begrenzungslinie des Verkehrsflächen- und des Anliegergrundstücks. Die in Abs. 3 genannten „Frontlängen für nicht an die Straße angrenzenden Teile der zugewandten Grundstücksseite“ erfüllen diese Definition nicht. Das Nds. OVG (aaO., Rn 206ff) behandelt sie deshalb ohne weitere Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Begriffsinhalten als „fiktive Frontlängen“. Der 9. Senat hat § 7 Abs. 3 StrRGS im Normenkontrollurteil vom 03.05.2021 nicht beanstandet (aaO., Rn. 198ff). Er hat allerdings deutlich gemacht (aaO., Rn. 102), dass er keine „ungefragte Fehlersuche“ betreibt und sich bei der Durchsicht dieser Satzungsvorschrift kein Fehler aufgedrängt hat. Tatsächlich fällt der Fehler nicht schon anhand des Satzungstextes, sondern erst auf, wenn in Anwendung des Gebots der konkreten Vollständigkeit, wonach für alle Grundstücke im Reinigungsgebiet ein sachgerechter Maßstab vorhanden sein muss (Nds. OVG, Urteil vom 30.01. 2017 – 9 LB 214/16 –, juris, Rn. 30), die konkrete Grundstückssituation im Innenstadtgebiet der Beklagten untersucht wird.

§ 7 Abs. 3 StrRGS ist ausgerichtet auf Grundstückszuschnitte, deren Umriss demjenigen eines Hammers oder einer Tabakpfeife ähneln, indem sie nur mit einer schmalen Zufahrt an die zu reinigende Straße grenzen, sich aber in der Tiefe nach einer oder beiden Seiten zu einer wohnbebaubaren Fläche erweitern. Das klägerische Grundstück (Flurstück 36/2) ist einem solchem Pfeifengrundstück zumindest ähnlich. Seine Nordgrenze bildet zwar nicht nur eine zufahrtsbreite, sondern eine mit einem Wohngebäude bebaute Frontlänge von ca. 12,20m mit der Südgrenze der Verkehrsfläche. Seine südlichen Teilflächen verlaufen auch hinter den westlichen Nachbargrundstücken Nr. 3 und 4; sie sind nach Westen um ca. 8m breiter als die nördlichen Teilflächen des Grundstücks. Zusätzlich verspringt das Grundstück aber auch in der Mitte um ca. einen halben Meter nach Westen. Der Straßengrenze zugewandte Seiten nach der Definition des § 7 Abs. 3 StrRGS als fiktive Frontlängen sind damit neben der veranlagten Grenze zur Südseite des Flurstücks 34 auch die beiden kurzen Versprünge im Verlauf der West- und Ostgrenze des Flurstücks 36/2.

Wie eine „fiktive Frontlänge“ zu berechnen ist, und welche „Teile der zugewandten Grundstücksseite“ wie berücksichtigt werden, regelt das Satzungsrecht der Beklagten nicht. In dem angefochtenen Bescheid vom 18.01.2018 wurde für das Flurstück 36/2 eine fiktive Frontlänge von 8m veranlagt; die beiden kurzen Versprünge wurden offenbar nicht berücksichtigt.

Für hammer- und pfeifenförmige Grundstücke ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass bei der Veranlagung nach dem zulässigen Wahrscheinlichkeitsmaßstab der Frontläge die fiktiven Frontlängen der straßenzugewandten hinteren Grundstücksteile bei der Veranlagung zur Straßenreinigungsgebühr mit herangezogen werden dürfen. Das System des Frontmetermaßstabs besteht in der Anknüpfung an die Länge der Grundstücksseite, die entlang der erschließenden Straße verläuft. Die Bildung einer fiktiven Frontlänge bei einem (Teil-)Hinterliegergrundstück ist auf dieser Grundlage zulässig, soweit sie methodisch der hypothetischen Schaffung eines Angrenzerverhältnisses bzw. dessen Vervollständigung durch eine Parallelverschiebung oder Projektion der Grundstücksgrenzen an die Straße dient, um sie für die Veranlagung den Grundstücken gleichzustellen, die mit einer vollen Grundstücksseite "entlang der Straße" verlaufen. Es geht hierbei darum, eine ungefähre Vergleichbarkeit der Teilhinterlieger- mit den Anliegergrundstücken herzustellen, wenn keine oder nur eine kurze reale Straßenfrontlänge existiert oder diese kein optimales Bemessungskriterium abgibt (BVerwG, Beschluss vom 15.03.2002 - 9 B 16.02 -, juris, Rn. 7). Es ist jedoch nicht der Sinn einer Bildung fiktiver Frontlängen, Grundstücke, die bereits mit einer Grundstücksseite - ggf. sogar vollständig - angrenzen und deshalb bereits Anliegergrundstücke sind, dergestalt "optimiert" an die Besonderheiten von Straßenverläufen anzupassen, dass sie mit möglichst vielen oder möglichst langen Grundstücksseiten an die Straße „angrenzen“. Vielmehr ist bei der Handhabung des Frontmetermaßstabs der Grundsatz zu beachten, dass die Lagegunst bzw. Lageungunst des Grundstücks auch für den Satzungsgeber grundsätzlich hinzunehmen ist und im Rahmen der Heranziehung nach fiktiven Frontlängen nur insoweit davon abgewichen werden darf, als es zur Begründung bzw. "Komplettierung" eines typischen Anliegerverhältnisses erforderlich ist (OVG NRW, Urteil vom 26.07.2016 - 9 A 2141/13 -, juris, Rn. 58ff).

Die Anwendung von § 7 Abs. 3 StrRGS auf den vorliegenden Fall führt dazu, dass auch Grundstücksgrenzen, die hintere Grundstücksteile mit Blick auf die Anliegergrenze nicht verbreitern, sondern parallel verschieben oder schmaler werden lassen, veranlagungserhöhend einzubeziehen sind. Zwar wird dem kommunalen Satzungsgeber durch Art. 3 Abs. 1 GG ein weiter Gestaltungsspielraum eröffnet; daher kann er je nach den Umständen des Einzelfalles eine Auswahl unter den verschiedenen Gebührenmodellen treffen, ohne dass sich aus dem Gleichheitssatz eine Präferenz für einen bestimmten Gebührenmaßstab ergibt (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.12.2000 - 11 C 7.00 - BVerwGE 112, 297, 300). Für das Abgabenrecht ist anerkannt, dass Durchbrechungen des Gleichheitsgrundsatzes durch Typisierungen und Pauschalierungen, insbesondere im Bereich der Massenverwaltung, aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung und Praktikabilität gerechtfertigt sein können. Erwägungen der Praktikabilität stellen regelmäßig einen vernünftigen Grund für eine ungleiche Inanspruchnahme des Abgabepflichtigen dar. Dies gilt aber nur, solange die durch jede typisierende Regelung entstehende Ungleichbehandlung oder Gleichbehandlung noch in einem angemessenen Verhältnis zu den erhebungstechnischen Vorteilen der Typisierung steht und die Anzahl der Durchbrechungen gering ist (Grundsatz der Typengerechtigkeit, Nds. OVG, Urteil vom 04.12.2019 - 10 LC 261/17 -, juris, Rn. 86; VG Göttingen, Urteil vom 25.07.2014 - 3 A 305/13 -, juris, Rn 15f, jeweils mwN.).

Der Blick auf den Katasterplan zeigt, dass im Innenstadtgebiet der Beklagten innerhalb der Wallanlagen, wo entlang der zu reinigenden öffentlichen Verkehrsflächen nahezu eine geschlossene Bebauung der Frontlängen besteht, bei hunderten von Grundstücken, die mit einer ortsüblichen und tatsächlich bebauten Breite an das Straßengrundstück grenzen, „zugewandte“ Grenzen in der Tiefe so verschwenken, dass das jeweilige Grundstück nicht wesentlich breiter oder sogar schmaler wird. Ein sachlicher Grund, zwecks erforderlicher "Komplettierung" eines typischen Anliegerverhältnisses Verschwenkungen wie beim Flurstück 36/2 einem hammer- oder pfeifenförmigen Grundstück – mit schmaler Frontlänge und Bebauung in der Tiefe – gleich zu behandeln, ist ohne Weiteres nicht zu erkennen. Hinzu kommt, dass es gerade bei geschlossen bebauten Straßenfronten in Innenstadtlagen eher unwahrscheinlich ist, dass eine nennenswerte Verschmutzung der Straße von hinteren, oftmals weniger dicht bebauten Grundstücksteilen ausgehen kann, so dass deren Breite und Tiefe für den Gebührenzweck kaum Relevanz besitzen wird. § 7 Abs. 3 StrRGS verstößt damit gegen den Grundsatz der Typengerechtigkeit.

Darüber hinaus verstößt § 7 Abs. 3 StrRGS auch gegen das Bestimmtheitsgebot. Es erfordert, dass die gebührenpflichtige Person allein anhand der Begründung einer Gebührenfestsetzung und der Gebührensatzung feststellen können muss, ob die Gebühr vorschriftsmäßig festgesetzt worden ist. Daran mangelt es vorliegend bereits deshalb, weil der Gebührenmaßstab nicht regelt, wie die „zugewandten“ Grundstücksseiten zu berücksichtigen sind. In Betracht käme grundsätzlich, entweder die tatsächliche Länge der „zugewandten“ Grenzen oder Länge einer rechtwinkligen Projektion auf die Straßenbegrenzungslinie vor dem Grundstück zu verwenden. Es liegt auf der Hand, dass die beiden Methoden zu je deutlicher unterschiedlichen Ergebnissen kommen, desto näher der Winkel zwischen der „zugewandten“ Grenze und der Straßenbegrenzungslinie an 45 Grad kommt. Zwar spricht Erhebliches dafür, dass für die fiktiven Frontlängen zugewandter Grundstücksseiten nach der StrRGS die Projektionsmethode anzuwenden ist. Denn das System des Frontlängenmaßstabes geht von der Länge der gemeinsamen Grenze mit dem Straßengrundstück aus, und in § 7 Abs. 4 lit c. StrRGS verwendet die Beklagte eine Projektion, was grundsätzlich eine Gleichbehandlung mit anderen fiktiven Frontlängen erfordert (vgl. Nds. OVG, Urteil vom 30.01.2017 - 9 LB 214/16 -, juris, Rn 28). Die Vergleichbarkeit fiktiver mit realen Frontlängen wird auch wirklichkeitsnäher (vgl. BVerwG, Beschluss vom 15.03.2002 - 9 B 16.02 -, juris, Rn 7; OVG NRW, aaO.). Zwingend ist aber nicht, dass der Rat den Maßstab in diesem Sinne bestimmt hat. So verwendet die Beklagte in den Heranziehungsbescheiden, die der Kammer vorliegen, offenbar die tatsächliche Länge der Grenze. Diese Unklarheit geht zu Lasten der Beklagten. Weil die Satzung aber auch ohne § 7 Abs. 3 StrRGS alle notwendigen Bestandteile gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 NKAG enthält und anzunehmen ist, dass der Rat die Satzung auch ohne diese Regelung erlassen hätte (vgl. aaO., Rn. 196), liegt nur eine Teilnichtigkeit des § 7 Abs. 3 StrRGS vor.

Solange die Beklagte nicht § 7 Abs. 3 StrRGS rückwirkend auf den 01.01.2018 durch eine rechtmäßige Vorschrift zur Veranlagung zusätzlicher fiktiver Frontlängen ersetzt haben wird, hat dies Auswirkungen auf die Gesamthöhe der Maßstabseinheiten und damit auf den höchstzulässigen Gebührensatz. Die Kammer weist bereits jetzt darauf hin, dass dies zum einen bei der Feststellung von Über- und Unterdeckungen für den Kalkulationszeitraum 2018 zu berücksichtigen sein wird. Zum anderen verändert die Teilnichtigkeit der Satzungsvorschrift die Summe der Maßstabseinheiten als Divisor bei der Ermittlung des Gebührenobersatzes in der Kalkulation, was grundsätzlich zur Rechtswidrigkeit der Kalkulation und der auf ihr beruhenden Gebührensätze führen würde. Weil jedoch das Nds. OVG diese Satzungsvorschrift geprüft und nicht beanstandet hat, bewertet die Kammer die unrichtige Summe der Maßstabseinheiten jedenfalls für die Kalkulationsperioden vor dem Urteil des 9. Senats vom 03.05.2021 als versehentliche Ungenauigkeit gemäß § 2 Abs. 1 Satz 3 NKAG, die angesichts der weitgehend auf Innenstadtbereichsgrundstücke beschränkten Veränderung bei den fiktiven Frontlängen die fünfprozentige Fehlertoleranzgrenze nicht erreichen wird.

Die von der Beklagten beantragte Berufung ist gemäß § 124a Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 4 VwGO zuzulassen, weil die Entscheidung von der Rechtsprechung des Nds. OVG im Urteil vom 03.05.2021 (– 9 KN 162/17 –, juris) abweicht und auf dieser Abweichung beruht.

Die Kostenentscheidung folgt hinsichtlich des erledigten Teils nach § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO gemäß der Kostenübernahmeerklärung der Beklagten und hinsichtlich des streitigen Teils aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 709 ZPO.