Verwaltungsgericht Braunschweig
Beschl. v. 17.02.1994, Az.: 7 B 7119/94

Voraussetzung für eine Einstellung in die Laufbahn des Amtsanwaltes; Befähigung für den gehobenen Dienst

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
17.02.1994
Aktenzeichen
7 B 7119/94
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1994, 23954
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGBRAUN:1994:0217.7B7119.94.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Braunschweig - AZ: 7 A 7157/94

Verfahrensgegenstand

Dienstpostenbesetzung
Antrag nach §123 VwGO

In der Verwaltungsrechtssache
...
hat die 7. Kammer des Verwaltungsgerichts Braunschweig
am 17.02.1994
beschlossen:

Tenor:

Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung bis zum Ablauf eines Monats nach Zustellung einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts Braunschweig in der Sache 7 A 7157/94 untersagt, die Stelle eines Amtsanwaltes mit dem Beigeladenen zu besetzen.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Gründe

1

I.

Der Antragsteller wendet sich gegen die Besetzung einer bei der Antragsgegnerin freien Planstelle eines Amtsanwaltes mit dem Beigeladenen. Er trat am 1.8.1975 als Rechtspfleger-Anwärter in den öffentlichen Dienst ein und absolvierte am 23.10.1978 die Laufbahnprüfung mit der Note "gut". Nach dem Bestehen der Prüfung für den Amtsanwaltsdienst am 10. August 1982 wurde er, nachdem er zunächst als beauftragter Amtsanwalt tätig war, am 01. Oktober 1984 zum Amtsanwalt ernannt. Am 28.2.1992 wurde er dienstlich mit "schon sehr gut", am 11.11.1992 mit "uneingeschränkt sehr gut" und am 23.11.1993 mit "sehr gut" beurteilt.

2

Am 23.11.1993 bewarb er sich um eine von zwei von der Antragsgegnerin ausgeschriebenen Planstellen für Amtsanwälte. Eine dieser beiden Stellen wurde mit einer Amtsanwältin der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Hildesheim besetzt. Nachdem die Generalstaatsanwaltschaft Celle der Antragsgegnerin mitgeteilt hatte, daß sie dem Versetzungsgesuch des Antragstellers frühestes zum 1.4.1995 entsprechen könne, sofern bis zu diesem Zeitpunkt weitere Ersatzkräfte zur Verfügung stünden, nahm die Antragsgegnerin zu dem Beigeladenen Kontakt mit dem Ziel auf festzustellen, ob dieser für eine kurzfristige Einstellung auf dem zu besetzenden Dienstposten in Betracht käme. Zu diesem Zweck führte sie ein Bewerbungsgespräch mit Ihm, aufgrund dessen sie zu der Überzeugung gelangte, daß der Beigeladene, der die 2. juristische Staatsprüfung am 28.1.1993 mit 5,05 Punkten bestanden hatte, geeignet sei, die Aufgaben eines Amtsanwaltes wahrzunehmen. Daraufhin teilte sie dem Antragsteller mit Schreiben vom 11.1.1994 mit, daß sie beabsichtige, die Stelle mit dem Beigeladenen zu besetzen. Den hiergegen eingelegten Widerspruch des Antragstellers wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 28.1.1994 zurück. Über die daraufhin anhängig gemachte Klage ist bisher nicht entschieden worden.

3

Am 26.1.1994 hat der Antragsteller um vorläufigen Rechtsschutz im Wege einer einstweiligen Anordnung nachgesucht. Zur Begründung trägt er vor: Der Beigeladene erfülle nicht die Voraussetzung für eine Einstellung als Amtsanwalt. Darüber hinaus habe die Antragsgegnerin bei ihrer ablehnenden Entscheidung dem Leistungsgrundsatz nicht hinreichend Rechnung getragen.

4

Er beantragt, nachdem die Antragsgegnerin im Verlauf des anhängigen Eilverfahrens über seinen Widerspruch gegen die ablehnende Entscheidung vom 11.1.1994 entschieden hat,

der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu untersagen, dem Assessor ... die Stelle eines Amtsanwaltes zu übertragen bis zum Ablauf eines Monats nach Zustellung einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts Braunschweig im Hauptverfahren.

5

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

6

Sie erwidert: Da der Beigeladene die 2. juristische Staatsprüfung bestanden habe und deshalb geeignet sei, die Aufgaben eines Staatsanwaltes wahrzunehmen, sei er auch geeignet, die weniger umfassenden Aufgaben eines Amtsanwaltes wahrzunehmen. Darüber hinaus habe sich der Beigeladene nach Durchführung des Bewerbungsgespräches als der qualifiziertere Bewerber erwiesen.

7

Der Beigeladene stellt keinen Antrag.

8

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im übrigen wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin, die Gegenstand der Beratung in der Kammer waren, Bezug genommen.

9

II.

Der nach §123 Abs. 1 VwGO statthafte Antrag ist begründet.

10

Gemäß §123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in bezug auf einen Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Darüber hinaus sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes zulässig, wenn diese Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. In jedem Fall sind die Dringlichkeit einer gerichtlichen Eilentscheidung (Anordnungsgrund) und das gefährdete Recht (Anordnungsanspruch) glaubhaft zu machen (§123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§935, 936 und 920 Abs. 2 ZPO). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.

11

Der Anordnungsgrund ergibt sich vorliegend aus der von der Antragsgegnerin geplanten kurzfristigen Besetzung der Stelle eines Amtsanwaltes mit dem Beigeladenen, die im Falle ihres Vollzuges dazu führen würde, daß der vom Antragsteller begehrte Dienstposten für ihn nicht mehr zur Verfügung stehen würde.

12

Der Anordnungsanspruch folgt aus Art. 33 Abs. 2 GG, wonach jeder Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte hat. Hieraus ergibt sich ein Anspruch des Antragstellers auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über seine Bewerbung um den Dienstposten. Die von der Antragsgegnerin getroffene Entscheidung ist rechtsfehlerhaft, weil der Beigeladene aus Rechtsgründen die Befähigung für die angestrebte Laufbahn nicht besitzt.

13

Die Kammer geht davon aus, daß die Antragsgegnerin nicht beabsichtigt, den Beigeladenen als "anderen Bewerber" im Sinne des §10 NBG einzustellen, da eine Befähigungsfeststellung durch den Landespersonalausschuß (§10 Abs. 2 NBG) nicht durchgeführt wurde. Es ist nach Auskunft der Antragsgegnerin vielmehr vorgesehen, den Beigeladenen als Laufbahnbewerber einzustellen. Dem stehen Rechtsgründe entgegen.

14

Die Aufgaben eines Amtsanwaltes werden durch Beamte des gehobenen Dienstes in der Laufbahn der Amtsanwälte wahrgenommenn (vgl. Bekanntmachung des MI v. 21.1.1988 - Nds. MBl. S. 238 Nr. 8.7.1). Ob ein Bewerber die für eine bestimmte Beamtenlaufbahn erforderlichen Voraussetzungen erfüllt, ergibt sich aus den einschlägigen Laufbahnvorschriften. Diese werden gemäß §21 Abs. 1 NBG durch Verordnung erlassen und können nach §22 Abs. 3 NBG bestimmen, welche Bildungsgänge und Prüfungen die Voraussetzungen für die Laufbahn erfüllen. Eine Bestimmung, wonach das erfolgreiche Bestehen der 2. juristischen Staatsprüfung die Voraussetzungen einer Einstellung in die Amtsanwaltslaufbahn erfüllt, besteht nicht.

15

Nach §25 Abs. 1 NBG ist für eine Laufbahn des gehobenen Dienstes mindestens die Ableistung eines dreijährigen Vorbereitungsdienstes zu fordern. Zwar können die Laufbahnvorschriften gemäß §25 Abs. 4 NBG vorsehen, daß die Befähigung für den gehobenen Dienst auch besitzt, wer eine entsprechende Ausbildung in einem Studiengang an einer Hochschule durch Prüfung abgeschlossen hat, doch enthält die Anlage 1 des insoweit einschlägigen §28 NLVO keine Regelung, nach der ein rechtswissenschaftliches Studium oder das Bestehen der 2. juristischen Staatsprüfung dem Vorbereitungsdienst für die Laufbahn des Amtsanwaltsdienstes gleichgestellt ist.

16

Auch §10 Abs. 1 NJAG bzw. §53 NJAO, wonach mit dem Bestehen der 2. juristischen Staatsprüfung gleichzeitig die Befähigung zum höheren allgemeinen Verwaltungsdienst erworben wird, führt zu keiner anderen Beurteilung der Rechtslage, da der Beigeladene nicht im höhreren allgemeinen Verwaltungsdienst verwendet werden soll.

17

Schließlich enthält auch die Ausbildungsordnung für Amtsanwälte vom 17.11.1988 (Nds. MBl. S. 267) keine Bestimmung, nach der die 2. juristische Staatsprüfung die Zugangsvoraussetzungen für diese Laufbahn erfüllt. Zwar sah die Ausbildungsordnung für Amtsanwälte in §1 Abs. 2 der bis Ende 1988 geltenden Fassung vom 9.5.1955 vor, daß zum Amtsanwalt ausnahmsweise auch ernannt werden kann, wer die große Staatsprüfung bestanden hat, doch ist diese Regelung nicht in die am 1.1.1989 in Kraft getretenen Novelle vom 17.11.1988 übernommen worden. Durch die Nichtübernahme dieser Bestimmung in die Neufassung der Ausbildungsordnung für Amtsanwälte hat der Normgeber zum Ausdruck gebracht, daß er eine Gleichwertigkeit künftig nicht mehr anerkennen will. Soweit sich die Antragsgegnerin in diesem Zusammenhang auf Mitteilungen des zuständigen Ministeriums beruft, wonach gegen die Ernennung eines Assessoors zum Amtsanwalt keine rechtlichen Bedenken bestehen, vermag dies zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung zu führen. Eine Norm ist allein nach ihrem objektiven Gehalt auszulegen. Vorliegend folgt bereits aus der in der Fassung der Ausbildungsordnung vom 9.5.1955 enthaltenen Formulierung "ausnahmsweise", daß - auch wenn die Ausbildung zum Volljuristen die für die Ausübung der Funktion eines Amtsanwaltes erforderlichen Kenntnisse vermittelt - der Normgeber die erworbenen Fähigkeiten nur im Einzelfall als Erfüllung der Einstellungsvoraussetzungen gelten lassen wollte.

18

Die Anerkennung der 2. juristischen Staatsprüfung als ausreichende Voraussetzung für eine Einstellung in die Laufbahn des Amtsanwaltes aus der Erwägung, daß die Ausbildung eines Volljuristen das für die Amtsanwaltstätigkeit erforderliche Wissen vermittele und es deshalb einer normgeberischen Festlegung bzw. einer Einzelfallfestellung durch eine zentrale Behörde wie den Landespersonalausschuß nicht bedürfe, ist ebenfalls nicht möglich. Dies würde einen allgemeinen ungeschriebenen Rechtssatz voraussetzen, demzufolge die Befähigung für eine bestimmte Laufbahn erwirbt, wer eine Ausbildung erfolgreich beendet hat, die ihrem Inhalt nach den Anforderungen dieser Laufbahn entspricht und darüber hinausgeht. Ein solcher Rechtssatz, der im übrigen ebenfalls voraussetzen würde, daß eine nicht näher bezeichnete Stelle zunächst feststellen müßte, ob der Inhalt dieser Ausbildung zumindest die Voraussetzungen einer anderen Ausbildung erfüllt, besteht indes nicht. Vielmehr bedarf es einer ausdrücklichen Entscheidung des Normgebers, ob eine Ausbildung die Laufbahnvoraussetzungen erfüllt. Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen:

19

Zunächst legt §22 Abs. 3 NBG fest, daßdie Laufbahnvorschriften bestimmen, welche Ausbildung als gleichwertig gilt und welche nicht. Eine solche Festlegung, die das Bestehen der 2. juristischen Staatsprüfung als Voraussetzung für eine Einstellung in die Laufbahn des Amtsanwaltes anerkennt, wurde - wie oben bereits dargelegt - nicht getroffen.

20

Auch aus der in §4 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. §17 Abs. 1 Nr. 2 NLVG enthaltenen Regelung, wonach die Befähigung für eine bestimmte Laufbahn dadurch erworben werden kann, daß mit dem Bestehen einer Lauf bahnprüfung gleichzeitig die Befähigung für die nächst niedrigere Laufbahn erworben wird (vgl. §39 APVO g.D.), wenn dies in der entsprechenden Ausbildungsordnung so festgelegt wird, ist ersichtlich, daß die Befähigung für eine bestimmte Laufbahn nicht ohne weiteres die Befähigung für die nächst niedrigere Laufbahn einschließt, sondern dies einer ausdrücklichen Festlegung durch den Normgeber bedarf.

21

Schließlich ergibt sich auch aus grundsätzlichen Erwägungen, daß eine Ausbildung nur dann als Erfüllung der Laufbahnvoraussetzungen anzusehen ist, wenn dies ausdrücklich vom Normgeber bestimmt oder von einer von ihm hierfür vorgesehenen Stelle (Landespersonalausschuß) festgestellt wird. Würde es nämlich einer solchen zentral gesteuerten Festlegung nicht bedürfen, müßte jede Behörde im Einzelfall selbst die Feststellung treffen, ob eine Ausbildung als Eingangsvoraussetzung anzuerkennen ist. Nichts anderes beabsichtigt im übrigen die Antragsgegnerin, wenn sie ohne Rückgriff auf eine entsprechende Regelung behauptet, das 2. Staatsexamen sei dem nach der Ausbildungsordnung für Amtsanwälte als Zugangsvoraussetzung geforderten Vorbereitungsdienst gleichzustellen. Ein solches Vorgehen generell angewandt würde indes die Gefahr in sich bergen, daß eine bestimmte Ausbildung von einer Behörde als vergleichbare Zugangsvoraussetzung anerkannt wird und von einer anderen Behörde nicht. Dies würde jedoch gegen Art. 33 Abs. 2 GG verstoßen, der eine Gleichbehandlung derjenigen vorschreibt, die Zugang zu einem öffentlichen Amt suchen.

22

Die Kostenentscheidung folgt aus §154 Abs. 1 VwGO.

23

Rechtsmittelbelehrung

24

Gegen diesen Beschluß ist die Beschwerde an das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht in Lüneburg statthaft.

25

...

Hartermann
von Krosigk
Schwarz