Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 28.02.1995, Az.: 5 A 5267/94
Rechtmäßigkeit von Rundfunkgebühren; Kopfhörer (Hörschlauch) bei alleiniger Wiedergabe des Fernsehtons ohne Bild; Ohne Lautsprecher ausgestattetes, kein Rundfunkgerät darstellendes Bildwiedergabegerät ; Hörbarmachung und Sichtbarmachung als Voraussetzung für das Entstehen der Gebührenpflicht
Bibliographie
- Gericht
- VG Braunschweig
- Datum
- 28.02.1995
- Aktenzeichen
- 5 A 5267/94
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1995, 30782
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGBRAUN:1995:0228.5A5267.94.0A
Rechtsgrundlagen
- Art. 3 § 1 Abs. 1 RfGebStV
- Art. 4 § 1 Abs. 1 S. 1 RfGebStV
Verfahrensgegenstand
Rundfunk- und Fernsehrecht
Das Verwaltungsgericht Braunschweig - 5. Kammer - hat
auf die mündliche Verhandlung vom 28. Februar 1995
durch
den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht Hinselmann,
den Richter am Verwaltungsgericht Thommes,
den Richter Baumgarten sowie
die ehrenamtliche Richterin Bradt und
den ehrenamtlichen Richter Dürkop
für Recht erkannt:
Tenor:
Der Bescheid der Beklagten vom 23. Dezember 1992 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Juni 1994 wird aufgehoben, soweit er eine Gebührenpflicht für Hörschläuche feststellt.
Die Beklagte wird verpflichtet 5.920,20 DM an die Klägerin zu zahlen.
Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Hinterlegung oder Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abzuwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage die Aufhebung des die Gebührenpflichtigkeit feststellenden Bescheides des Beklagten für die zur Wiedergabe des Fernsehtones erforderlichen Kopfhörer (Hörschläuche) in den Krankenzimmern ihres Stadtkrankenhauses und die Zurückzahlung bereits gezahlter Gebühren.
Die Klägerin betreibt das Stadtkrankenhaus in .... Mit Schreiben vom 24.11.1992 beantragte sie bei dem Beklagten die Befreiung von den Rundfunkgebühren für die Hör- und Fernsehgeräte gem. § 5 Abs. 1 Befreiungsverordnung (BefrVO) vom 3.11.1992 (Nds. GVBl. S. 239 f.), die vom Krankenhaus ausschließlich den Patienten zur Verfügung gestellt werden. In diesem Zusammenhang wurden auch die Fernsehgeräte gemeldet, die als Wahlleistung gegen Entgelt den Patienten überlassen werden und der Beklagte darüber in Kenntnis gesetzt, daß die Hörfunkgeräte den Patienten grundsätzlich ohne Entgelt zur Verfügung stehen.
Mit Bescheid des Beklagten vom 23. Dezember 1992 wurde über die Anzahl der befreiten Rundfunkgeräte gem. § 3 Abs. 1 Nr. 1 BefrVO sowie über die gebührenpflichtigen Geräte entschieden. Da der Beklagte die 478 Tonträger zu den Fernsehmonitoren (Hörschläuche) als zu berechnende Hörfunkgeräte einstufte, ergab sich für ihn die Anzahl von 755 Hörfunk- und 38 Fernsehgeräten mit Gebührenbefreiung und von 478 Hörfunk- und 257 Fernsehgeräten mit Gebührenpflicht.
Mit Schreiben vom 19. Mai 1993 wandte sich die Klägerin gegen die Einstufung der Hörschläuche als gebührenpflichtige Hörfunkgeräte und forderte bereits gezahlte Gebühren in Höhe von 7.293,- DM zurück.
Mit Bescheid vom 2. November 1993 forderte der Beklagte die Klägerin zur Zahlung des zwischenzeitlich einbehaltenen Betrages auf. Auf den Widerspruch der Klägerin vom 11. November 1993 erging der abschlägige Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 6. Juni 1994, wogegen die Klägerin am 20. Juni 1994 Klage vor dem erkennenden Gericht erhob.
Die Klägerin ist der Auffassung unter Rundfunkempfangsgeräten im originären Sinne seien technische Einrichtungen zu verstehen, die zur Hör- oder Sichtbarmachung oder Aufzeichnung von Rundfunkdarbietungen geeignet sind. Für den Begriff des Rundfunkempfangsgerätes komme es nicht nicht entscheidend auf den bloßen Empfang von Tondarbietungen einerseits und von Bilddarbietungen andererseits an, sondern darauf, ob Rundfunkempfangsgeräte dem Empfang der Rundfunkdarbietungen "Hörfunk und Fernsehen" dienten, es sei also der Empfang von Programminhalten wesentlich. Folglich sei ein Kophörer (Hörschlauch), welcher lediglich den Fernsehton wiedergebe, für sich allein ebensowenig ein Rundfunkempfangsgerät im Sinne des Rundfunkgebührenstaatsvertrages (RfGebStV) wie ein nicht mit Lautsprechern ausgestattetes Bildwiedergabegerät. Ein Rundfunkempfangsgerät im eigentlichen Sinne bildeten erst die Komponenten Kopfhörer und Bildwiedergabegerät gemeinsam. Danach stellten die von dem Beklagten nicht gebührenbefreiten Hörschläuche keine Rundfunksempfangsgeräte dar und seien somit nicht gebührenpflichtig. Die von der Klägerin geltend gemachte Rückzahlungsverpflichtung des Beklagten in Höhe von 5.920,20 DM ergebe sich aus der der Klage beigefügten Aufstelltung, auf die sie sich zur Klagebegründung beziehe.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 23. Dezember 1992 in Verbindung mit dem Bescheid vom 2. November 1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Juni 1994 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, an die Klägerin 5.920,20 DM zu zählen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist der Auffassung, für Hörschläuche, die in Patientenzimmern angeschlossen seien, bestehe eine Anmeldepflicht. Diese Hörschläuche stellten ein Rundfunkempfangsgerät dar, und seien somit in der Höhe einer Hörfunkgebühr gebührenpflichtig.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze, den sonstigen Inhalt der Gerichtssakte sowie auf den Verwaltungsvorgang des Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist auch begründet. Der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 2. November 1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Juni 1994 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Dem Beklagten steht keine Rundfunkgebühr für die 478 Hörschläuche im Stadtdkrankenhaus in Wolfsburg zu. Die Klägerin hat daher auch einen Anspruch auf Rückzahlung der von ihr insoweit bereits erbrachten Zahlungen.
Der Beklagte hat die Hörschläuche zu Unrecht als eigenständige und daher gebührenpflichtige Hörfunkgeräte angesehen und berechnet. Zur Begründung nimmt die Kammer im wesentlichen Bezug auf das den Beteiligten bekannte Urteil des VGH Baden-Württemberg vom 2. Oktober 1992 (Az: 14 S 776/91). Nach Art. 3 § 1 Abs. 1 RfGebStV sind Rundfunkempfangsgeräte technische Einrichtungen, die zur drahtlosen oder drahtgebundenen, nicht zeitversetzten Hör- oder Sichtbarmachung oder Aufzeichnung von Rundfunkdarbietungen (Hörfunk und Fernsehen) geeignet sind. Rundfunkempfangsgeräte sind danach auch Lautsprecher, Bildwiedergabegeräte und ähnliche technische Einrichtungen als gesonderte Hör- oder Sehstellen, wobei mehrere Geräte dann als ein einzigen Rundfunkempfangsgerät gelten, wenn sie zur Verbesserung oder zur Verstärkung des Empfangs zueinander zugeordnet sind und damit eine einheitliche Hör- und Sehstelle bilden.
Die Formulierung "Hör- und Sichtbarmachung" sprich zwar zunächst dafür, als Rundfunkempfangsgeräte auch ein Gerät anzusehen, welches allein das Fernsehbild ohne Ton oder nur den Ton nicht aber das Bild der Fernsehdarbietung vermittelt. Bei historischer Auslegung des Regelungentextes ergibt sich aber, daß die durch den Rundfunkgebührenstaatsvertrag von 1974 eingeführte Definition des Rundfunkempfangsgerätes Rechtsprobleme ausräumen sollte, die aufgrund der früheren Begriffsbestimmung bei der Verwendung zusätzlicher Lautsprecher zum Hörfunkempfang entstanden waren. Die Neufassung des Gerätebegriffs wurde folglich mit Blick auf den Hörfunk, nicht jedoch auf das Fernsehen gemacht. Fernsehdarbietungen können im Unterschied zu Hörfunkdarbietungen aber grundsätzlich weder allein durch Hörbarmachen noch allein durch Sichtbarmachen empfangen werden, sondern nur durch das Hör- und Sichtbarmachen zusammen, also durch ein Gerät, welches Hör- und Sehstelle zugleich ist. Nur so kann der Programminhalt eines Fernsehprogramms empfangen werden und dieser Empfang ist Voraussetzung für das Entstehen der Gebührenpflicht.
Hierfür spricht auch der Klammerzusatz "Hörfunk und Fernsehen" in Art. 4 § 1 Abs. 1 Satz 2 RfGebStV, welcher klarstellt, daß es für den Begriff des Rundfunkempfangsgerätes auf die Geeignetheit für den Empfang von Rundfunkdarbietungen, also Programminhalten, ankommt. Da der Empfang eines Fernsehprogramms in der Regel erst bei dem Empfang von Ton und Bild zusammen vollständig ist, kann von einem Rundfunkempfangsgerät für Fernsehdarbietungen nur bei einer Anlage, die den Empfang von Ton und Bild ermöglicht, gesprochen werden.
Der von dem Beklagten in diesem Zusammenhang vertretenen Auffassung, ein Fernsehgerät könne vollwertig sowohl nur als Bildwiedergabegerät, als auch nur als Tonwiedergabegerät genutzt werden, kann nicht gefolgt werden. Der in diesem Zusammenhang geäußerte Hinweis des Beklagten auf Stummfilme und Musiksendungen die allein durch die Vermittlung des Bildes oder Tones wirkten, vermag die Kammer nicht vom Gegenteil zu überzeugen. Hinsichtlich von Musiksendungen des Fernsehens gilt, das diese ihre volle Wirkung beim Zuschauer erst im Zusammenhang mit den dazu gesendeten Bildern entfalten, was schon aus der Tatsache erhellt, daß private Rundfunkanbieter hierzu speziell geschaffene Videoclips verwenden, was im übrigen nach Kenntnis der Kammer auch im Bereich der öffentlich-rechtlichen Anbieter der Fall ist. Hinsichtlich von Stummfilmen ist zunächst festzustellen, daß deren Anteil an der Programmgestaltung der öffentlich-rechtlichen Fernsehveranstalter lediglich einen marginalen Anteil einnimmt. Er kann mithin nicht prägend ins Gewicht fallen. Im übrigen werden die Stummfilme, die gesendet werden, in der weit überwiegenden Zahl der Fälle nachvertont, d.h. mit einem Sprecherkommentar versehen oder zumindest mit Musik gesendet, die der Betonung ihrer Inhalte dienen soll.
Folglich ist ein Kopfhörer (Hörschlauch) der lediglich den Fernsehton wiedergibt, für sich allein ebensowenig ein Rundfunkempfangsgerät im Sinne des Art. 4 § 1 Abs. 1 Satz 1 RfGebStV wie ein nicht mit Lautsprechern ausgestattetes Bildwiedergabegerät. Hörschlauch und Bildwiedergabegerät zusammen bilden vielmehr ein Rundfunkempfangsgerät im eigentlichen Sinne, weil sie als unentbehrliche Gerätekomponenten nur in ihrem Zusammenwirken den Empfang der Rundfunkdarbietung "Fernsehen" ermöglichen. Zwar sind die Hörschläuche als Lautsprecher oder ähnliche technische Einrichtung im Sinne des Art. 4 § 1 Abs. 1 Satz 2 RfGebStV anzusehen, sie stellen jedoch keine "gesonderten Hör- oder Sehstellen" dar, weil sie lediglich den Empfang des Fernsehtones und nicht des Hörfunks dienen.
Diese Auslegung entspricht auch dem Sinn und Zweck der Regelung, denn danach soll eine weitere Rundfunkgebühr nur für solche Geräte entstehen, die neben der eigentlichen Empfangsanlage nach Art. 4 § 1 Abs. 1 Satz 1 RfGebStV den selbständigen Empfang des Programminhalts ermöglichen. Diese Voraussetzung ist bei den fraglichen Hörschläuchen soweit sie nur zum Empfang des Fernsehtones eingesetzt werden, nicht erfüllt, weil sie mangels Bildwiedergabemöglichkeit den selbständigen Empfang von Fernsehprogrammen nicht zulassen.
Zu dem vom Beklagten der Klageerwiderung in Kopie beigefügten Urteil des VG Stuttgart vom 6. November 1991 (Az: 16 K 1479/93) ist abschließend noch zu bemerken, daß diese Entscheidung auf die vorliegende Fallgestaltung nicht zu übertragen ist. Im dortigen Verfahren ging es nicht um die Beurteilung, ob Hörschläuche unter den Begriff des Rundfunkempfangsgerätes fallen. Aus diesem Grund hat das VG Stuttgart zu jener Frage auch nicht Stellung genommen.
Da somit für die Hörschläuche keine Gebührenpflicht entstanden ist, ist der Bescheid vom 23. Dezember 1992 und des Bescheides vom 6. Juni 1994 insoweit aufzuheben. Weiterhin kann die Klägerin auch die vorsorglich gezahlten Gebühren in Höhe von 5.920,20 DM von dem Beklagten zurückverlangen, da diese sie ohne Rechtsgrund erlangt hat. Gegen die Höhe dieser Forderung hat der Beklagte keine Einwendungen erhoben und die Kammer kann auch keine Fehler an der von der Klägerin insoweit vorgelegten Aufstellung erkennen.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf der Anwendung der §§ 154 Abs. 1, 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Richter Baumgarten der an der Entscheidung mitgewirkt hat, ist wegen Urlaubs an der Beifügung seiner Unterschrift gehindert. Thommes
Thommes