Amtsgericht Hameln
Urt. v. 25.04.2002, Az.: 33 C 343/01

Erstprämie; Fälligkeit; Leistungsfreiheit; Versicherungsvertrag

Bibliographie

Gericht
AG Hameln
Datum
25.04.2002
Aktenzeichen
33 C 343/01
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2002, 43578
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.022,58 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz gemäß § 1 Diskontüberleitungsgesetz seit dem 15. Nov. 2000 zu zahlen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 1/3 und die Beklagte 2/3 zu tragen.

3. Das Urteil ist für den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 1.500,00 € vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

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Am 27.06.2000 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Mitgliedschaft zum 01.06.2000. Der Antrag wurde am selben Tage von der Beklagten durch seine Geschäftsstelle in Hameln angenommen. Die Beklagte sieht für ihre Mitglieder bei der Neuaufnahme drei verschiedene Zahlungsmöglichkeiten vor: Barzahlung bei Antragstellung, Erteilung einer Einzugsermächtigung oder Überweisung nach Rechnungserstellung. Der Kläger machte von der letzten Möglichkeit Gebrauch. Der Kläger fuhr anschließend in die Türkei, wo am 21. Juli 2000 sein Fahrzeug mit einem Schaden liegen blieb. Infolgedessen hatte der Kläger Kosten in Höhe von 2.000,00 DM, bestehend aus Abschleppkosten in Höhe von 730,00 DM, Reparaturkosten in Höhe von 1.160,00 DM und Übernachtungskosten in einem Hotel in Höhe von 110,00 DM. Nach seiner Rückkehr aus der Türkei meldete der Kläger bei der Beklagten den vorgenannten Schaden an. Die Beklagte lehnte Erstattung mit der Begründung ab, daß der Kläger die Erstprämie noch nicht gezahlt hatte. Da der Kläger erklärte, daß er eine Erstrechnung noch nicht erhalten habe, erteilte die Beklagte dem Kläger unter dem 25.07.2000 eine zweite Rechnung unter Beifügung der -Mitgliedskarte mit einer am 01.06.2000 beginnenden Mitgliedschaft. Der Kläger hat daraufhin die Prämie gezahlt.

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Der Kläger macht mit der vorliegenden Klage den vorgenannten Schaden aus der Versicherung geltend. Außerdem hat er die Beklagte auf weiteren Deckungsschutz in Anspruch genommen.

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Der Kläger hat deshalb beantragt,

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1. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger aus dem Schadensfall vom 21. Juli 2000 Deckungsschutz zu gewähren,

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2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 2.000,00 DM nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz gem. § 1 Diskontsatzüberleitungsgesetz seit dem 15. Nov. 2000 zu zahlen.

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Die Klage auf Deckungsschutz hat der Kläger zurückgenommen und beantragt jetzt noch

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       die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 2.000,00 DM nebst Zinsen in Höhe von 5 % über

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       dem Basiszinssatz gem. § 1 Diskontsatzüberleitungsgesetz seit dem 15. Nov. 2000 zu zahlen.

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Die Beklagte beantragt,

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       die Klage abzuweisen.

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Die Beklagte beruft sich auf Leistungsfreiheit, weil der Kläger die Erstprämie nicht rechtzeitig gezahlt habe. Sie behauptet dazu ergänzend, sie habe dem Kläger unter dem 28.06.2000 die Erstrechnung übersandt.

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Der Kläger bestreitet, von der Beklagten eine erste Rechnung vom 28.06.2000 erhalten zu haben.

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Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im einzelnen wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage auf Zahlung des Schadens ist begründet. Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte auf eine Leistungsfreiheit gegenüber dem Kläger, weil dieser die Erstprämie nicht rechtzeitig gezahlt habe.

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Maßgeblich für die Entscheidung über eine Leistungsfreiheit der Beklagten ist nach den eigenen Angaben der Beklagten die Nummer 3 des Abschnittes A der Bestimmungen der -          -Pannen-und Unfallhilfe für          -Mitglieder- (im folgenden: Bestimmungen) wonach der Leistungsanspruch um 00.00 Uhr am Tag nach Eingang des Antrages der ..............-Mitgliedschaft beginntwenn der erste Beitrag rechtzeitig bezahlt wird.  Dieser Passus ändert die gesetzliche Vorschrift des § 38 Abs. 2 VVG ab, wonach der Versicherer von der Leistung frei ist, wenn die Prämie vor dem Eintritt des Versicherungsfalles nicht gezahlt ist. Im Gesetzestext wird schlicht an die Nichtzahlung der Erstprämie angeknüpft, ohne dass es auf ein Verschulden des Versicherungsnehmers ankommt. Die von der Beklagten verwendete Vertragsklausel stellt dagegen als Voraussetzung für ihre Leistungsfreiheit auf das Wort "rechtzeitig" ab. Da die Vertragsklausel den gesetzlichen Text in zulässiger Weise abändert, kommt es für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreites darauf an, was unter dem Wort "rechtzeitig" zu verstehen ist. Der Begriff wird in den allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten nicht definiert.

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Das VVG kennt den Begriff "rechtzeitig" in § 38 Abs. 1 Satz 2 VVG und knüpft daran die Berechtigung des Versicherers an, vom Vertrage zurückzutreten. Das Gesetz definiert den Begriff jedoch ebenfalls nicht. Auszugehen ist von der Grundvorstellung des Versicherungsvertragsgesetzes, das in seinem § 35 VVG im Regelfall bestimmt, daß die Erstprämie "sofort" nach dem Abschluß des Vertrages zu zahlen ist. "Sofort" bedeutet nicht "unverzüglich" im Sinne des § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB ("ohne schuldhaftes Zögern") und knüpft an kein Verschulden des Versicherungsnehmers an. Nach dem Gesetz hätte also der Kläger die Prämie, die ihm bei dem Abschluß des Vertrages der Höhe nach bekannt gewesen sein muß, sofort und d. h. noch vor seiner Abreise in die Türkei an die Beklagte überweisen müssen, um "rechtzeitig" im Sinne des Gesetzes zu handeln.

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Diese Auslegung des Begriffes "rechtzeitig" ist jedoch für den vorliegenden Fall nicht maßgeblich. "Rechtzeitig" ist kein absoluter Begriff, sondern bezieht sich auf die jeweilige Einzelfallregelung. In der Regel wird dieser Begriff auf die Fälligkeit einer Prämie zu beziehen sein, wenn sich nicht aus dem Gesetz oder aus dem Vertragsverhältnis etwas anderes ergibt. Über diese Fälligkeit haben die Parteien eine von dem Gesetz abweichende Regelung vereinbart. Während das Gesetz in seinem § 35 VVG für den Regelfall bestimmt, daß die Erstprämie "sofort" nach dem Abschluß des Vertrages zu zahlen ist, sieht die Beklagte drei verschiedene Zahlungsvarianten vor. Zwischen den Parteien ist die dritte dieser Varianten vereinbart worden, dass der Kläger nämlich nach Erhalt der Rechnung der Beklagten zahlen sollte. Damit war die Erstprämie auch erst nach Zugang dieser Rechnung fällig.

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Nun ist es auch möglich, den Begriff "rechtzeitig" im Zusammenhang mit der Leistungsfreiheit nicht an die Fälligkeit der Prämienzahlung anzuknüpfen sondern an eine sonstige speziellere Regelung über den Eintritt der Leistungsfreiheit. In diesem Zusammenhang beruft sich die Beklagte auf die Gesetzesvorschrift des § 38 Abs. 2 VVG, wonach der Versicherer von der Leistung frei ist, wenn die Prämie nicht vor dem Eintritt des Versicherungsfalles gezahlt ist. Die Beklagte übersieht jedoch, daß diese gesetzlich normierte Leistungsfreiheit hinter einer spezielleren vertraglichen Vereinbarung zurücktritt. Eine solche liegt hier vor. Die Beklagte hat nämlich in den von ihr entworfenen und verwendeten allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht etwa diese klare gesetzliche Regelung übernommen, sondern die Leistungsfreiheit an die nicht "rechtzeitige" Zahlung der Erstprämie angeknüpft. Sie muß sich diese etwas unklare und von der klaren gesetzlichen Regelung abweichende Bestimmung so zurechnen lassen, wie sie von dem Erklärungsempfänger, der keine besonderen Rechtskenntnisse hat, zu verstehen war. Bei diesem Verständnis spielt es eben auch eine wesentliche Rolle, daß der Anwender dieser Klausel, die Beklagte, von der klaren gesetzlichen Regelung für die Leistungsfreiheit abgewichen ist. Für den Kläger stellte sich danach diese von der Beklagten entworfene und verwendete Klausel als eine Abweichung von der gesetzlichen Norm und damit so dar, daß er ohne die Gefahr, Nachteile dadurch zu erleiden, die Prämie erst nach Eingang der Rechnung zahlen mußte. Nur wenn der Kläger auch das nicht unverzüglich tat, konnte sich die Beklagte auf die vertragliche Leistungsfreiheit berufen.

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Somit war die Beklagte darlegungs- und beweispflichtig dafür, daß die Voraussetzungen für den Eintritt ihrer Leistungsfreiheit vorliegen, indem der Kläger die Erstprämie nicht unverzüglich nach Erhalt der ersten Rechnung gezahlt hat. Die Beklagte war dazu auch darlegungs- und beweispflichtig, daß der Kläger die von ihr nach ihrer Behauptung am 28.06.2000 versandte Rechnung tatsächlich erhalten hat. Die Beklagte hat jedoch hierfür keinen Beweis angetreten. Die Tatsache allein, daß die Rechnung am Tage nach der Antragstellung automatisch erstellt werde und hinausgehe, ist kein hinreichender Beweis dafür, daß dieses im Einzelfall so geschehen ist und dass insbesondere dieser Brief den Adressaten auch erreicht hat. Für die Entscheidung dieses Rechtsstreits kann deshalb die von der Beklagten erteilte Rechnung vom 28.06.2000 nicht zur Grundlage gemacht werden, so daß davon auszugehen ist, daß der Kläger erstmalig die Beitragsrechnung vom 25.07.2000 erhalten hat, worauf er die Erstprämie unstreitig auch unverzüglich gezahlt hat. Nach dem Aufdruck auf dieser Rechnung begann die Mitgliedschaft des Klägers ebenfalls am 01.06.2000, so daß zum Zeitpunkt des Schadensereignisses Versicherungsschutz bestanden hat.

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Aus den vorstehenden Gründen war der Klage hinsichtlich der geltend gemachten bezifferten Schadensfolgen in vollem Umfange stattzugeben. Der Zinsanspruch ergibt sich aus dem Gesichtspunkt des Verzuges.

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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 92, 269 Abs. 3 ZPO. Das Gericht bewertet dabei den ursprünglichen Klageantrag auf Deckungsschutz mit einem Streitwert in Höhe von 1.000,00 DM, so daß sich für die Kostenentscheidung ein Gesamtstreitwert des Verfahrens von 3.000,00 DM ergibt.

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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 711 ZPO.