Amtsgericht Hameln
Urt. v. 01.11.2002, Az.: 23 C 335/01 (3)
Grenzen des Beseitigungsanspruchs; Verschuldensunabhängigkeit des Beseitigungsanspruchs aus § 1004 BGB
Bibliographie
- Gericht
- AG Hameln
- Datum
- 01.11.2002
- Aktenzeichen
- 23 C 335/01 (3)
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2002, 21941
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:AGHAMEL:2002:1101.23C335.01.3.0A
Fundstelle
- WuM 2003, 89-90 (Volltext mit amtl. LS)
In dem Rechtsstreit
hat das Amtsgericht Hameln auf die mündliche Verhandlung vom 25. O kt. 2002
durch
den Richter am Amtsgericht
für Recht erkannt:
Tenor:
- 1.
Die Klage wird abgewiesen.
- 2.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
- 3.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage die Beseitigung von ins Erdreich gesickerten Dieselkraftstoff und die anschließende Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes.
Die Klägerin ist Eigentümerin des Flurstücks ... der Flur, Gemarkung ... Die Beklagten waren von Juli 1997 bis Dez. 2001 Mieter von Wohnraum der Klägerin auf diesem Grundstück. Im Rahmen des Mietvertrages durften Sie auf dem Hof einen Pkw-Stellplatz nutzen. Zur Lage dieses Stellplatzes wird im einzelnen auf die der Klageschrift vom 28.0.01 beigefügten Skizzen (Bl. 4,5) und auf die Lichtbilder K 1 u. B 2 der Anlage zum Protokoll vom 08.02.2002 (Bl. 37 d.A.) verwiesen. Im Nov. 2000 tropfte von dem auf diesem Stellplatz abgestellten VW-Bully des Beklagten zu 2) Dieselkraftstoff - in welchem Umfang, ist zwischen den Parteien streitig - in den Boden. Die Beklagte zu 1) entfernten an der verunreinigten Stelle etwas Erdreich und harkte den Boden sodann wieder gerade.
Die Klägerin behauptet, durch den auslaufenden Dieselkraftstoff sei auf einer Fläche von ca. 6,75 qm der Boden bis zu einer Tiefe von 40 cm dauerhaft verseucht. Sei es länger trocken, so sei ein Fleck immer noch sichtbar.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, Verunreinigungen durch Dieselkraftstoff zu beseitigen, die sich auf dem im Eigentum der Klägerin stehenden Flurstück ... der Flur Gemarkung ... eingetragen im Grundbuch des Amtsgerichts Hameln von ... Band Blatt auf einer Fläche von 6,75 qm nordwestlich zur Grenze des Nachbargrundstückes Flurstück ... der Flur, Gemarkung ... eingetragen im Grundbuch des Amtsgerichts Hameln von ... Band Blatt ... in einem Abstand zu diesen von 0,6 m befinden.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagten behaupten, Eigentümer und Halter des VW.-Bully seien der Beklagte zu 2). Es seien damals lediglich einige Tropfen Dieselkraftstoff auf den Boden gelaufen. Wenn Diesel überhaupt in den Boden gelangt sei, dann allenfalls eine geringe Menge bis zu einer Tiefe von maximal 10 bis 20 cm. Dieses stelle keine Gefährdung der Umwelt dar. Sie machen außerdem unter Sachvortrag im einzelnen geltend, sie treffe kein Verschulden: Der Beklagte zu 2) habe das Auslaufen von Dieselkraftstoff erstmalig beim Tanken bemerkt, habe den Wagen dann sogleich nach Hause gefahren und eine Auffangschale darunter gestellt. So habe der Wagen bis zum nächsten Morgen gestanden. An diesem Morgen sei in dem Behälter kein Diesel gelaufen. Er sei gleich zur Werkstatt gefahren. Dort habe man festgestellt, dass die Ursache in der Zuleitung kurz vor der Einspritzdüse gelegen hat. Soweit der Sachverständige noch Rückstände von Mineralöl-Kohlenwasserstoffe (im folgenden MKW) festgestellt habe, seien diese zum einen ungefährlich, zum anderen stehe aber auch nicht fest, dass das von dem VW-Bully des Beklagten zu 2) stamme.
Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens wird auf den mündlich vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Protokolle über die mündlichen Verhandlungen vom 8.2.02 und 25.10.02 verwiesen.
Das Gericht hat gem. dem Beweisbeschluss vom 8.2.02 (38) Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens ... vom 12.8.02 (55-87).
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Die Klägerin kann von den Beklagten weder wegen positiver Vertragsverletzung des Mietvertrages noch nach § 823 Abs. 2 in Verbindung mit §§ 1004,249 BGB noch nach § 1004 BGB selbst verlangen, dass die Beklagten ins Erdreich gelangten Dieselkraftstoff beseitigen.
Die Klägerin hat gegen die Beklagten keinen Anspruch nach § 1004. Dieser Beseitigungsanspruch ist verschuldensunabhängig, richtet sich andererseits aber lediglich gegen den "Störer". Das bedeutet, dass angesichts des unwidersprochen gebliebenen Vortrags der Beklagten, lediglich der Beklagte zu 2) seit dem hier fraglichen Zeitraum (und auch vorher sowie später) Eigentümer und Halter des VW-Bullys gewesen war, ein Anspruch gegen die Beklagte zu 1) bereits deshalb ausscheidet, weil sie weder Handlungsstörer noch Zustandsstörer gewesen ist. Der Anspruch scheitert jedoch unabhängig davon bereits gegen beide Beklagte an folgendem: Der Beseitigungsanspruch ist unabhängig von seiner Rechtsgrundlage unter dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit begrenzt (BGH NJW 2000, 512 ff m.w.N.): Wenn die Herstellung nur mit unverhältnismäßig hohen Aufwendungen möglich ist, dann besteht kein Anspruch auf Wiederherstellung des früheren Zustandes. Dies ergibt sich aus einer Anwendung des Rechtsgedankens von § 251 Abs. 2 Satz 1 BGB (BGH a.a.O. m.w.N.; Palandt, BGB, 61. Auflg., Rdnr. 47 zum § 1004 BGB). So liegt es auch hier. Die jetzt noch vorhandenen Rückstände von eingesickertem Dieselkraftstoff sind ungefährlich. Das Gericht schließt sich aufgrund eigener kritischer Überprüfung dem Gutachten des Sachverständigen ... vom 12.8.02 an. Das Gutachten ist klar, logisch und in sich widerspruchsfrei. Der Gutachter hat lediglich bei einer (von 2) Mischproben (Probe MP 1) eine bedenkliche MKW-Konzentration festgestellt nämlich eine solche von 486 mg/kg. Diese Probe stammt jedoch aus einer Tiefe zwischen 0,0 bis 0,3 m, d. h. die Probe ist maximal in einer Tiefe von 30 cm entnommen worden. Bei der anderen Mischprobe (MP 2) betrug der MKW-Gehalt lediglich 76,9 mg/kg. Der Sachverständige hat weiter durch 3 Kleinrammbohrungen festgestellt, dass sich zum einen in einer Tiefe von 1 m noch kein Grundwasser befindet und zum anderen vor allem, dass in der Tiefe von 20-50 cm keine Auffälligkeiten im MKW-Gehalt im Erdreich festzustellen waren. Die Meßwerte der mittels der Rammbohrungen gewonnenen Proben lagen weit unterhalb des sogenannten Prüfwertes, also dem Wertebereich, in dem eine auf den Einzelfall bezogene weitere Prüfung stattzufinden hat, um Aufschluss darüber zu erhalten, ob eine schädliche Bodenveränderung oder Altlast vorliegt (Definition nach § 8 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Bundesbodenschutz- und Altlastenverordnung). Die von der Klägerin befürchteten karzinogenen Stoffe waren im betroffenen Erdreich nicht oder lediglich in toxikologisch nicht relevanter Menge vorhanden (siehe Seite 13 des Gutachtens = Bl 68 d.A.). Die von dem Sachverständigen verwandten Prüfwertbereiche orientierten sich dabei an der Nutzung für Wohn- sowie Park- und Freizeitflächen sowie für Kinderspielplätze, mithin (abgesehen von Trinkwasserschutzgebieten), an den höchsten Anforderungen. Boden wird ständig beansprucht und dabei auch nachteilig beeinträchtigt. Die Kosten für das Auskoffern des Bodens sind angesichts dessen, dass von dem eingedrungenen MKW - hier einmal unterstellt, dass es von dem VW-Bully des Beklagten zu 2) stammte - unverhältnismäßig angesichts dessen, dass hiervon keinerlei Gefährdungspotenzial ausgeht und auch keine anzuerkennende optische Beeinträchtigung. Zu letzterem ist anzumerken, dass nach der Darstellung der Klägerin ein Fleck nur noch längerer Trockenheit zu sehen ist; der Sachverständige selbst hat bei seinem Gutachten einen solchen Fleck nicht feststellen können (Seite 3 seines Gutachtens = Bl. 58 der Gerichtsakten).
Die Erwägungen gelten nicht nur für den Anspruch nach § 1004 BGB sondern auch - in diesem Fall sogar direkt - für Schadensersatzansprüche wegen positiver Vertragsverletzung des Mietvertrages bzw. wegen § 823 Abs. 2 in Verbindung mit den §§ 1004, 249 BGB.
Nebenentscheidungen: § 91 Abs. 1 ZPO zu den Kosten und §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO zur vorläufigen Vollstreckbarkeit.