Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschl. v. 25.01.2022, Az.: L 14 U 53/21 WA
Wiederaufnahme eines Berufungsverfahrens; Statthaftigkeit einer Wiederaufnahmeklage (vorliegend verneint); Fehlende Benennung eines Wiederaufnahmegrundes
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 25.01.2022
- Aktenzeichen
- L 14 U 53/21 WA
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2022, 25043
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2022:0125.L14U53.21WA.00
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Bremen - 15.11.2005 - AZ: S 18 U 186/03
Rechtsgrundlagen
- § 179 Abs. 1 SGG
- § 192 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG
- § 586 Abs. 1 ZPO
- § 589 Abs. 1 S. 1 ZPO
- § 158 SGG
Tenor:
Die Wiederaufnahmeklage des Berufungsverfahrens L 14 U 183/05 wird als unzulässig verworfen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Dem Kläger werden Kosten gemäß § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG in Höhe von 225,00 € auferlegt.
Gründe
I.
Der Kläger begehrt erneut die Wiederaufnahme des Berufungsverfahrens L 14 U 183/05.
Der G. geborene Kläger erlitt am 19. Juni 1968 bei versicherter Tätigkeit als Kraftfahrer mit einem von ihm gesteuerten Autotransporter einen Verkehrsunfall. Hierbei erlitt er lt. Durchgangsarztbericht des Chirurgen Dr. H. vom 19. Juni 1968 eine Gehirnerschütterung sowie Verletzungen an Kopf, Arm, Hand und linkem Bein. Mit Bescheid vom 11. November 1969 gewährte ihm die Großhandels- und Lagerei-Berufsgenossenschaft als Rechtsvorgängerin der Beklagten (im Folgenden: Beklagte) vorläufig Verletztenrente und mit Bescheid vom 28. Mai 1970 Dauerrente in Höhe von jeweils 25 vom Hundert der Vollrente. Mit Bescheid vom 11. März 1975 wurde der Rentenanspruch des Klägers auf dessen Antrag hin ab April 1975 auf Lebenszeit abgefunden.
Am 14. Dezember 2001 beantragte der Kläger bei der Beklagten mit der Angabe, nunmehr Kopfbeschwerden zu haben, die Erhöhung der ihm im Hinblick auf den Unfall vom 19. Juni 1968 gewährten Verletztenrente. Nach Einholung eines ärztlichen Gutachtens erkannte sie mit Bescheid vom 12. September 2002 anfallsartige Kopfschmerzen als weitere Unfallfolge an, lehnte jedoch die Erhöhung der Verletztenrente ab. Den hiergegen gerichteten Widerspruch des Klägers wies die Beklagte nach Einholung weiterer Gutachten mit Widerspruchsbescheid vom 7. November 2003 zurück. Die hiergegen vom Kläger erhobene Klage wies das Sozialgericht (SG) Bremen mit Urteil vom 15. November 2005 (Verfahren S 18 U 186/03) ab. Die Berufung des Klägers wies der erkennende Senat des Landessozialgerichts (LSG) mit Urteil vom 18. Dezember 2008 (Verfahren L 14 U 183/05) zurück, hob jedoch den im Berufungsverfahren auf der Grundlage des § 48 Abs. 3 des Sozialgesetzbuchs Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) ergangenen Bescheid der Beklagten vom 25. Februar 2008, in dem diese entschieden hatte, es erfolge keine weitere Anerkennung bezüglich der von ihr zu Unrecht als Unfallfolge angenommenen anfallsartigen Kopfschmerzen und eventuelle Änderungen zu seinen Gunsten würden nicht mehr berücksichtigt, auf. Die vom Kläger gegen dieses Urteil eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde verwarf das Bundessozialgericht (BSG) mit Beschluss vom 9. September 2009 (Verfahren B 2 U 141/09 B) als unzulässig. Die mit Schriftsatz des Klägers vom 12. Juli 2011, eingegangen bei Gericht am 13. Juli 2011, erhobene Wiederaufnahmeklage hat der erkennende Senat mit Urteil vom 22. November 2012 (Verfahren L 14 U 169/11 WA) als unzulässig verworfen. Die hiergegen erhobene Nichtzulassungsbeschwerde hat das BSG mit Beschluss vom 8. April 2013 (Verfahren B 2 U 17/13 B) ebenfalls als unzulässig verworfen.
Mit Schreiben vom 26. Februar 2021 hat der Kläger erneut (sinngemäß) die Aufnahme des durch Urteil des Senats vom 18. Dezember 2008 (Verfahren L 14 U 183/05) rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens beantragt. Er macht geltend, dass dem Gericht bei seiner Entscheidung nicht ordnungsgemäß von der Beklagten geführte Verwaltungsakten vorgelegen hätten. Dementsprechend habe das Gericht auch kein ordnungsgemäßes Urteil treffen können. Die Beklagte wolle keine Pflichtverletzung erkennen und habe auch keine nachteiligen Schriftstücke aus ihren Verwaltungsakten entfernt. Deshalb könne sie nicht über ordnungsgemäß geführte Verwaltungsakten verfügen.
Der Kläger beantragt nach seinem schriftlichen Vorbringen sinngemäß,
das durch Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 18. Dezember 2008 - Az. L 14 U 183/05 - rechtskräftig abgeschlossene Verfahren wieder aufzunehmen.
Die Beklagte beantragt nach ihrem schriftlichen Vorbringen,
die Wiederaufnahmeklage als unzulässig zu verwerfen.
Die Beklagte ist der Auffassung, dass die Wiederaufnahmeklage bereits unzulässig ist.
Mit Verfügung vom 28. Juni 2021 hat der Senat die Beteiligten zu einer Verwerfung der Wiederaufnahmeklage als unzulässig im Beschlusswege angehört. In diesem Zusammenhang hat der Senat auch darauf hingewiesen, dass er im Falle einer Entscheidung die Auferlegung von Kosten in Höhe von 225,00 € gemäß § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGG beabsichtigt.
Dem Senat haben die Prozessakten zu dem Verfahren S 18 U 186/03 des SG Bremen (Aktenzeichen des Berufungsverfahrens: L 14 U 183/05) vorgelegen. Diese Akten sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Sachvortrags der Beteiligten wird hierauf ergänzend Bezug genommen.
II.
Der Senat macht nach entsprechendem Hinweis an die Beteiligten von der Möglichkeit des § 158 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gebrauch, die Wiederaufnahmeklage im Beschlussverfahren als unzulässig zu verwerfen (vgl. zur Anwendbarkeit des § 158 SGG auf Wiederaufnahmeklagen BSG, Urteil vom 10. Juli 2012 – B 13 R 53/12 B, Juris; Keller in Meyer-Ladewig u.a. SGG, 13. Aufl. 2020, § 158 Rz. 6a m.w.N.).
Die Zuständigkeit des Senates ergibt sich aus § 179 Abs. 1 SGG i.V.m. § 584 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO), da das angefochtene Urteil vom Berufungsgericht erlassen wurde und dieses sachlich entschieden hat (vgl. hierzu B. Schmidt in: Meyer-Ladewig u.a., a.a.O., § 179 Rz.8).
Die Wiederaufnahmeklage ist unzulässig. Es verbleibt damit bei der Rechtskraft des Urteils des Senates vom 18. Dezember 2008 – L 14 U 183/05.
Nach § 179 Abs. 1 SGG kann ein rechtskräftig beendetes Verfahren unter entsprechender Anwendung der Vorschriften der ZPO wiederaufgenommen werden. Nach § 578 Abs. 1 ZPO kann die Wiederaufnahme durch Nichtigkeitsklage (§ 579 ZPO) oder durch Restitutionsklage (§ 580 ZPO) erfolgen. Die Wiederaufnahmegründe sind im Gesetz abschließend aufgezählt. Eine Wiederaufnahmeklage zieht unter Umständen ein dreistufige Verfahren nach sich. Zunächst haben die Gerichte zu prüfen, ob die Wiederaufnahmeklage zulässig ist. Bejahendenfalls schließt sich die Prüfung ihrer Begründetheit an, wobei es darum geht, ob tatsächlich ein Wiederaufnahmegrund vorliegt; ist das der Fall, hat das Gericht das rechtskräftig abgeschlossene Verfahren wieder aufzunehmen. Unter Umständen schließt sich sodann das ersetzende Verfahren in der Sache an (B. Schmidt in: Meyer-Ladewig u.a., a.a.O., § 179 Rz. 9).
Im vorliegenden Fall ist die Wiederaufnahmeklage bereits unzulässig, weil sie nicht statthaft ist. Nach § 179 Abs. 1 SGG i.V.m. § 589 Abs. 1 Satz 1 ZPO gehört zur Zulässigkeitsprüfung die Statthaftigkeit der Wiederaufnahmeklage. Statthaft ist eine Wiederaufnahmeklage nur dann, wenn ein Wiederaufnahmegrund schlüssig behauptet wird (BSG, vom 23. April 2014 – B 14 AS 368/13 B, Rz. 9 - und vom 10. Juli 2012 – B 13 R 53/12 B -; LSG Hessen, Beschluss vom 16. Januar 2018 – L 9 U 181/17 -, alle in Juris; B. Schmidt in: Meyer-Ladewig u.a., a.a.O., § 179 Rz. 9). Keine Rolle spielt, ob man dieses Erfordernis tatsächlich der Statthaftigkeit oder der Beschwer im Sinne einer Klagebefugnis zuordnet. Jedenfalls erscheint es angesichts des Ausnahmecharakters der Wiederaufnahme eines rechtskräftig abgeschlossenen Gerichtsverfahrens unabdingbar, zur Zulässigkeitsvoraussetzung zu erheben, dass wenigstens ein gewisser „Anfangsverdacht“ für einen Wiederaufnahmegrund besteht. In diesem Zusammenhang bedeutet schlüssiges Behaupten, dass bei Unterstellung, die tatsächlichen Behauptungen des Klägers würden zutreffen, ein Wiederaufnahmegrund gegeben wäre (LSG Hessen, a.a.O., m.w.N.).
An der schlüssigen Darlegung eines Wiederaufnahmegrundes fehlt es vorliegend. Der Kläger hat überhaupt keinen Wiederaufnahmegrund, der eine Nichtigkeitsklage im Sinne des § 579 ZPO rechtfertigen würde, genannt. Die wiederholte Behauptung des Klägers, wonach die Beklagte ihre Akten nicht korrekt führe, weswegen die diesem Wiederaufnahmeverfahren zugrunde liegende Entscheidung des erkennenden Senates vom 18. Dezember 2008 unzutreffend sei, stellt auch keinen Wiederaufnahmegrund, der eine Restitutionsklage i.S.d. § 580 ZPO rechtfertigen würde, dar. Insoweit sind die Äußerungen des Klägers, die dem Senat aus einer Vielzahl anderer Verfahren bereits bekannt sind, völlig unsubstantiiert und gründen offensichtlich lediglich auf Mutmaßungen des Klägers selbst. Andere Restitutionsgründe hat der Kläger weder vorgetragen noch sind solche seinem Vorbringen nach sonst erkennbar.
Die Wiederaufnahmeklage ist zudem auch deshalb als unzulässig zu verwerfen, weil sie nicht binnen der einmonatigen Notfrist nach § 586 Abs. 1 ZPO erhoben wurde. Diese Frist beginnt nach Abs. 2 dieser Vorschrift mit dem Tag, an dem der Beteiligte von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erhält, jedoch nicht vor eingetretener Rechtskraft des Urteils. Dem Kläger wurde das Urteil des Senates vom 18. Dezember 2008 in dem Verfahren L 14 U 183/05 am 7. Mai 2009 zugestellt. Das Verfahren beim BSG, die Nichtzulassung der Beschwerde hiergegen betreffend, war Ende September 2009 abgeschlossen. Die – so gedeutete – Wiederaufnahmeklage, die mit Schriftsatz vom 26. Februar 2021 erhoben wurde, war damit offensichtlich verspätet. Sämtliche der für die Wiederaufnahmeklage geltend gemachten Gründe macht der Kläger bereits seit Jahren geltend, waren im Übrigen auch schon Gegenstand der Prüfung des ersten unter dem Aktenzeichen L 14 U 169/11 WA geführten Wiederaufnahmeverfahrens.
Der Senat hat im Rahmen seines Ermessens von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, dem Kläger sogenannte Verschuldenskosten nach § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG aufzuerlegen. Nach dieser Vorschrift kann das Gericht einem Beteiligten ganz oder teilweise die Kosten auferlegen, die dadurch verursacht werden, dass er den Rechtsstreit fortführt, obwohl ihm vom Vorsitzenden die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung oder der Rechtsverteidigung dargelegt und er auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung bei Fortführung des Rechtsstreits hingewiesen worden ist. Eine missbräuchliche Rechtsverfolgung ist anzunehmen, wenn die Weiterführung des Rechtsstreits von jedem Einsichtigen als völlig aussichtslos angesehen werden muss (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschlüsse vom 19. Dezember 2002 – 2 BvR 1255/02 -, Juris, Rz. 3 und vom 3. Juli 1995 – 2 BvR 1379/95 -, Juris, Rz. 10).
Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Der Kläger ist mit Verfügung des Senates vom 28. Juni 2021 von der Berichterstatterin anstelle der Vorsitzenden (§ 155 Abs. 4 SGG) ausdrücklich auf die Aussichtslosigkeit der Fortführung dieses Rechtsstreits und die Möglichkeit der Auferlegung von Verschuldenskosten hingewiesen worden. Obwohl er hinsichtlich des Urteils des Senates vom 18. Dezember 2008 in dem Verfahren L 14 U 183/05 bereits im Jahre 2011/2012 erfolglos ein Wiederaufnahmeverfahren mit vergleichbarer Argumentation geführt hat und trotz des vorgenannten Hinweises des erkennenden Senates hat er an seiner Wiederaufnahmeklage festgehalten.
Die Höhe der Kostenauferlegung ergibt sich aus § 192 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 184 Abs. 2 SGG.
Die Kostenentscheidung im Übrigen beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Die Auferlegung von Verschuldenskosten gemäß § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG ist nicht anfechtbar, § 177 SGG. Im Übrigen – also im Hinblick auf die Ablehnung der Wiederaufnahme des Urteils des Senates vom 18. Dezember 2008 (L 14 U 183/05) steht den Beteiligten das Rechtsmittel zu, das zulässig wäre, wenn das Gericht durch Urteil entschieden hätte, § 158 Satz 3 SGG (vgl. angefügte Rechtsmittelbelehrung).