Landgericht Aurich
Beschl. v. 15.01.2010, Az.: 12 Qs 161/09
§ 73 Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) als Ausprägung der Vorzugswürdigkeit des Strafverfolgungsinteresses des Staates vor der Wahrung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung i.R.d. Ermittlung bestimmter Straftaten
Bibliographie
- Gericht
- LG Aurich
- Datum
- 15.01.2010
- Aktenzeichen
- 12 Qs 161/09
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2010, 32185
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGAURIC:2010:0115.12QS161.09.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Aurich - 19.11.2009 - AZ: 6 Gs 1314/09
Rechtsgrundlagen
- § 473 Abs. 1 StPO
- § 73 Abs. 2 SGB X
Verfahrensgegenstand
Verdacht der Unterhaltspflichtverletzung
hier: Anhörungsrüge
In der Ermittlungssache
...
hat die II. große Strafkammer des Landgerichts Aurich
auf den Antrag des Beschuldigten vom 05.01.2010
gegen den hiesigen Beschluss vom 17.12.2009 (Az: 12 Qs 161/09)
durch
die unterzeichneten Richter am 15.01.2010
beschlossen:
Tenor:
Der Antrag des Beschuldigten gegen den hiesigen Beschluss vom 17.12.2009 (Az: 12 Qs 161/09) wird auf seine Kosten (§ 473 Abs. 1 StPO) als unzulässig verworfen.
Gründe
Mit hiesigem Beschluss vom 17.12.2009 (Az: 12 Qs 161/09) sind die Beschwerden des Beschuldigten gegen die Beschlüsse des Amtsgerichts Aurich vom 19.11.2009 betreffend die Offenbarung von Sozialdaten durch die AOK Aurich, die Agentur für Arbeit Aurich und die ARGE Aurich (Az: 6 Gs 1314/09) auf Kosten des Beschuldigten als unbegründet verworfen worden.
Mit Antrag vom 05.01.2010 wendet sich der Beschuldigte nunmehr gegen diesen Beschluss und macht gem. § 33a StPO die Verletzung rechtlichen Gehörs geltend. Zur Begründung führt er aus, dass er bereits in der Beschwerdeschrift darauf hingewiesen habe, dass § 73 Abs. 2 SGB X, auf den die Offenbarung von Sozialdaten gestützt worden sei, nicht mit seinem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung vereinbar sei. Hierauf sei das hiesige Gericht in dem angefochtenen nicht eingegangen. Wäre dies berücksichtigt worden, hätte die erkennende Kammer ggf. eine für ihn günstigere Entscheidung getroffen.
Dieser Antrag, mit dem die Verletzung rechtlichen Gehörs gerügt wird, ist bereits unzulässig, da die Voraussetzungen des§ 33a StPO nicht vorliegen.
Sachlich setzt die Vorschrift - insbesondere im Kontext mit § 33 Abs. 3 StPO - nämlich voraus, dass ein Gericht zum Nachteil eines Beteiligten Tatsachen und Beweisergebnisse verwertet hat, zu denen er nicht gehört worden ist ( Maul, in: KK-StPO6, § 33a Rz. 3). Tatsachen können ein äußeres Geschehen umschließen oder einen Vorgang im Innern des Menschen betreffen ( Maul, a.a.O., § 33 Rz. 9; Meyer-Goßner, StPO52, § 33 Rz. 13). Beweisergebnisse umfassen Zeugenaussagen, Sachverständigengutachten und Ergebnisse des Augenscheins ( Maul, a.a.O.).
Dies ist hier aber nicht der Fall.
Der Beschuldigte rügt hier gerade nicht, dass er zu Tatsachen oder Beweisergebnissen nicht gehört worden ist. Vielmehr rügt er, dass seine Rechtsauffassung, § 73 Abs. 2 SGB X verletzte ihn in seinem Recht auf informationelle Selbstbestimmung, nicht hinreichend gewürdigt worden sei. Damit macht der Beschuldigte jedoch letztlich nur geltend, dass der angefochtene Beschluss rechtlich unzutreffend ist. Ein derartiger Antrag ist aber bereits unzulässig, wenn nur gerügt wird, dass eine Entscheidung falsch sei (so ausdrücklich KG Beschluss vom 29.01.1997 - 1 Ss 271/96; Maul, a.a.O., § 33a Rz. 3).
Dessen ungeachtet ist der Antrag auch unbegründet. Die erkennende Kammer hat seinerzeit sehr wohl den verfassungsrechtlichen Hinweis zur Kenntnis genommen. Gleichwohl konnte keine für den Beschuldigten günstigere Entscheidung getroffen werden, da nach Auffassung der Kammer die Vorschrift des § 73 Abs. 2 SGB X eine gesetzliche Ausprägung davon ist, dass bei der Ermittlung von Straftaten wie der vorliegenden Art das Recht auf informationelle Selbstbestimmung hinter dem Strafverfolgungsinteresse des Staates zurückzutreten hat.
Angesichts dessen war der Antrag mit der Kostenfolge nach § 473 Abs. 1 StPO zu verwerfen.
Schitteck
Dr. Hunsmann