Verwaltungsgericht Göttingen
Beschl. v. 29.09.1999, Az.: 2 A 2045/96

Verfassungsmäßigkeit des § 1 Abs. 1 Nr. 2 Gesetz zur Sicherung des Unterhalts von Kindern alleinerziehender Mütter und Väter durch Unterhaltsvorschüsse oder Ausfallleistungen (Unterhaltsvorschussgesetz); Leistungswegfall nach Heirat des allein erziehenden Elternteils; Verfassungsrechtliche Pflicht zur Förderung von Stieffamilien

Bibliographie

Gericht
VG Göttingen
Datum
29.09.1999
Aktenzeichen
2 A 2045/96
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1999, 33012
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGGOETT:1999:0929.2A2045.96.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
BVerfG - 03.03.2004 - AZ: 1 BvL 13/00

Fundstelle

  • FamRZ 2001, 56-64 (Volltext mit red. LS)

Verfahrensgegenstand

Unterhaltsvoschußrecht

In der Verwaltungsrechtssache
...
hat das Verwaltungsgericht Göttingen - 2. Kammer -
auf die mündliche Verhandlung vom 29. September 1999
durch
den Vorsitzender Richter am Verwaltungsgericht F.,
den Richter am Verwaltungsgericht G. und
die Richterin am Verwaltungsgericht H. sowie
die ehrenamtlichen Richter I. und J.
beschlossen:

Tenor:

Das Verfahren wird ausgesetzt.

Es wird eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darüber eingeholt, ob § 1 Abs. 1 Nr. 2 des Gesetzes zur Sicherung des Unterhalts von Kindern alleinerziehender Mütter und Väter durch Unterhaltsvorschüsse oder Ausfallleistungen (Unterhaltsvorschussgesetz) vom 23. Juli 1979 (BGBl. I S. 1184) mit Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes vereinbar ist, soweit danach ein Berechtigter seinen Anspruch auf Unterhaltsleistungen verliert, sobald sein bis dahin allein erziehender Elternteil eine Ehe eingeht.

Gründe

1

I.

Der am 01.04.1993 geborene Kläger wendet sich gegen die Einstellung von Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz (UVG) durch die Beklagte.

2

Der Kläger erhielt aufgrund von Bewilligungsbescheiden vom 03.07.1991 und vom 26.05.1992 Unterhaltsausfallleistungen gem. § 1 Abs. 1 UVG in Höhe von (zuletzt) monatlich 256,00 DM. Nachdem seine Mutter 1995 geheiratet hatte, stellte die Beklagte mit Bescheid vom 21.02.1995 unter Hinweis auf § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG die Leistungen ab dem 01.02.1995 ein. Mit Schreiben vom 05.03.1995 legte der Kläger gegen die Einstellung der Unterhaltsvorschussleistungen Widerspruch ein, wobei er sich u. a. darauf berief, § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG sei teilweise verfassungswidrig; die Vorschrift verstoße gegen Artikel 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) i.V.m. Artikel 6 Abs. 1 GG, soweit sie nichteheliche Kinder aus dem Kreis der Anspruchsberechtigten ausschließe, sobald der Elternteil, bei dem das Kind lebe, heirate ("Stiefelternfamilie").

3

Unter dem 09.08.1995 änderte die Beklagte ihren Bescheid vom 21.02.1995 dahingehend, dass die sofortige Vollziehung der dort unter Ziffer 1 getroffenen Regelung (Einstellung der Leistungen mit Wirkung vom 01.02.1995) angeordnet werde, und hielt den Bescheid im Übrigen aufrecht. Am 08.02.1996 hat der Kläger Klage erhoben.

4

Mit Widerspruchsbescheid vom 10.04.1996 wies das Nds. Landesjugendamt den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid der Beklagten vom 21.02.1995 zurück und berief sich zur Begründung auf den Leistungswegfall infolge von § 1 Abs. 1 Ziffer 2 UVG nach Heirat der Mutter des Klägers. Die nach dem UVG zu gewährende Leistung sei gerade dazu bestimmt, die bei alleinstehenden Elternteilen typischerweise vorhandene Doppelbelastung mit der Verantwortung für den materiellen Unterhalt und die persönliche Betreuung des Kindes auszugleichen. Ein Kind, das in einer Stiefelternfamilie lebe, sei zum einen hinsichtlich der Betreuung in eine vollständige Familie eingebettet und nehme darüber hinaus an den Vergünstigungen teil, die der Stiefelternteil vielfach durch erhöhtes Kindergeld, Steuervergünstigungen und sonstige familienbezogene Sozialleistungen erhalte. Daher könne der mögliche Einwand, dass der jetzige Ehepartner gegenüber dem Kind keinerlei Verpflichtungen habe, keine Berücksichtigung finden. Im Laufe des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens stellte der Kläger klar, dass (auch) er der Auffassung sei, die Beklagte habe § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG bei Erlass des angefochtenen Bescheides zutreffend angewandt; allerdings sei diese Norm verfassungswidrig.

5

Er beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 21.02.1995 zu Ziffer 1 und den Widerspruchsbescheid des Nds. Landesjugendamtes vom 10.04.1996 aufzuheben, hilfsweise die Sprungrevision zuzulassen.

6

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

7

Sie hält unter Bezugnahme auf die Ausführungen des 12. Senats des Nds. Oberverwaltungsgerichts in dessen Beschluss vom 05.02.1996 gleichen Rubrums - 12 M 6848/95-§ 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG für verfassungsgemäß.

8

II.

1.

Das Verfahren ist gemäß § 100 Abs. 1 Satz 1 GG auszusetzen. Es ist eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Vereinbarkeit der im Beschlusstenor genannten Bestimmung des UVG, die die Kammer für verfassungswidrig hält, mit Art. 3 Abs. 1 i.V.m. 6 Abs. 1 GG einzuholen.

9

Ob die Klage begründet ist, hängt nämlich allein von der Verfassungsmäßigkeit des § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG ab. Wäre diese zu bejahen, ist die Klage abweisungsreif, denn der angefochtene Einstellungsbescheid der Beklagten vom 21.02.1995 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.04.1996 der Beklagten leidet an keinen (sonstigen) Rechtsfehlern.

10

Ist die Rechtsgrundlage des Bescheides indessen verfassungswidrig, so muss er aufgehoben werden.

11

Das Bundesverfassungsgericht hatte sich bislang nicht mit der Frage der Verfassungsmäßigkeit von § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG zu befassen. Indessen war diese mehrfach Gegenstand folgender obergerichtlicher Entscheidungen, in denen sämtlich keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken erhoben wurden:

VGH München, B. v. 31.03.1983 - 12 S 83 A 440 -, FEVS 32, 410ff.
OVG Lüneburg, B. v. 05.02.1996 - 12 M 6848/95 -, [...].
OVG Frankfurt/Oder, U. v. 22.08.1996 - 4 A 196/95 -, FEVS 47, 416ff.
OVG Münster, B. v. 23.12.1996 - 8 B 2935/96 -, NJW-RR 1997, 961f.
OVG Münster, B. v. 25.03.1997 - 8 E 830/96 -, [...].
OVG Münster, U. v. 23.09.1999 - 16 A 1491/99 -, NWVBI 2000, 101ff.
12

2.

Zu den (Grund-)Voraussetzungen für die Zuerkennung von Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz, wie sie in § 1 Abs. 1 UVG genannt sind, gehört nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG, dass der Elternteil, bei dem das anspruchstellende Kind lebt, ledig, verwitwet oder geschieden ist oder von seinem Ehegatten dauernd getrennt lebt, mit anderen Worten also alleinstehend ist. An dieser Voraussetzung fehlt es für den zur Entscheidung gestellten Zeitraum, nachdem die Mutter des Klägers 1995 erneut geheiratet hat. § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG kann nicht (verfassungskonform) dahingehend verstanden werden, dass lediglich eine Ehe zwischen den leiblichen Eltern nicht (mehr) bestehen darf bzw. die noch verheirateten leiblichen Eltern dauernd getrennt leben müssen, so dass eine Neuverheiratung des mit dem unterhaltsbedürftigen Kind zusammenlebenden Elternteils mit einer anderen Person als dem anderen Elternteil dem Anspruch auf Unterhaltsvorschussleistungen nicht entgegengehalten werden könnte. Vielmehr folgt schon aus der vollständigen Gesetzesbezeichnung - Gesetz zur Sicherung des Unterhalts von Kindern alleinstehender Mütter und Väter durch Unterhaltsvorschüsse oder - ausfallleistungen -, dass der erziehende Elternteil in einem umfassend zu verstehenden Sinne alleinstehend, d.h. unverheiratet bzw. getrenntlebend, sein muss. Noch deutlicher zeigt sich dieses Normverständnis daran, dass die leiblichen Eltern in § 1 UVG durchgängig als "Elternteil" oder "in Absatz 2 Nr. 1 bezeichneter Elternteil" bzw. als "anderer Elternteil" bezeichnet und damit terminologisch klar von "seinem Ehegatten", das heißt dem Ehegatten des erziehenden Elternteils, unterschieden werden. Da in § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG auf die Beziehung des mit dem Kind zusammenlebenden Elternteils mit "seinem Ehegatten" und nicht etwa mit dem "anderen Elternteil" abgestellt wird, kann es nicht mit dem Wortlaut der Vorschrift vereinbart werden, eine (Wieder-)Verheiratung des erziehenden Elternteils mit einer anderen Person als dem "anderen Elternteil" im Hinblick auf die Anspruchsvoraussetzung nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG als bedeutungslos anzusehen.

13

Die Beschränkung der Gewährung von Unterhaltsvorschuss an Kinder, die bei einem alleinstehenden Elternteil leben, entspricht wohl auch dem Willen des Gesetzgebers, wie er bei der Schaffung des Gesetzes zum Ausdruck gekommen ist. Der Gesetzgeber hat bewusst davon Abstand genommen, "Stiefkinder" in dieses Gesetz einzubeziehen. Im Gesetzentwurf der Fraktionen der SPD und F.D.P. im Deutschen Bundestag, der die Grundlage der gesetzlichen Regelung bildete (Bundestags-Drucksache 8/1952, S. 6 f.), heißt es hierzu:

"Es erscheint nicht erforderlich, die neue Unterhaltsleistung zu zahlen, wenn der alleinerziehende Elternteil einen anderen als den anderen leiblichen Elternteil heiratet. Wenn der alleinerziehende Elternteil heiratet und das Kind einen Stiefelternteil erhält, ändert sich zwar nicht die unterhaltsrechtliche, wohl aber die faktische Gesamtlage. Das Kind ist nunmehr in eine vollständige Familie eingebettet und nimmt im allgemeinen auch an deren sozialem Stand teil. Der Stiefelternteil kann Kindergeld und Steuervergünstigungen sowie gegebenenfalls Sachleistungen im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung oder entsprechende Beihilfen für das Kind erhalten. Der bisher alleinerziehende Elternteil ist insgesamt freier gestellt, was auch dem Kind zugute kommt. Daher ist hier in aller Regel nicht die prekäre Lage wie bei alleinstehenden Elternteilen und somit kein hinreichender Grund gegeben, für diesen Fall Unterhaltsleistungen vorzusehen".

14

Angesichts des eindeutigen Wortlautes von § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG und des vom Gesetzgeber verfolgten Zwecks ist daher von vornherein kein Raum für eine mögliche verfassungskonforme Auslegung der Norm. Denn die Möglichkeit einer solchen Auslegung findet in jedem Falle ihre Grenze am klaren Wortlaut und dem Sinn und Zweck der Regelung (vgl. OVG Münster, U. v. 23.09.1999, a.a.O. mit Hinweis auf: BVerfG, B. v. 30.6.1964 - 1 BvL 16/62 u.a. -, BVerfGE 18, 97 (111); von Mangoldt/Klein/ Starck, Das Bonner Grundgesetz, 3. Auflage, Band 1, Art. 1 Abs. 3, Rn. 205 bis 208).

15

3.

Die Einstellung von Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz ist jedoch nach Auffassung der Kammer verfassungswidrig. Sie verstößt gegen das verfassungsrechtliche Gebot zur Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG) sowie das verfassungsrechtliche Verbot, Ehe und Familie zu benachteiligen (Art. 6 Abs. 1 GG).

16

Verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab für den durch § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG bewirkten Begünstigungsausschluss - insoweit ist dem OVG Lüneburg, B. v. 05.02.1996, a.a.O., beizutreten - ist Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 6 Abs. 1 GG. Art. 3 Abs. 1 GG verbietet es, dass eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten. Bei - grundsätzlich zulässigen - typisierenden Regelungen ist indessen zu beachten, dass die durch sie eintretenden Härten und Ungerechtigkeiten regelmäßig nur eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betreffen und der Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht sehr intensiv ist (BVerfG, U. v. 17.11.1992 - 1 BvL 8/87 -, E 87, 234, 255; st. Rspr.). Der weite Gestaltungsspielraum, der dem Gesetzgeber nach Art. 3 Abs. 1 GG im Bereich der gewährenden Staatstätigkeit - gerade auch bei der Abgrenzung des Kreises der Begünstigten - zuzubilligen ist, ist bei Regelungen, die sich die Ehe benachteiligend auswirken können, allerdings durch die Grundsatznorm des Art. 6 Abs. 1 GG stark beschränkt (BVerfG, B. v. 10.07.1984 - 1 BvL 44/80 -, BVerfGE 67, 186, 195 f; U. v. 17.11.1992 - 1 BvL 8/87 -, BVerfGE 87, 234, 255 f).

17

Im Rahmen des allgemeinen Gleichheitssatzes hat der Gesetzgeber, sofern nichteheliche Kinder betroffen sind, zudem auch die besondere verfassungsrechtliche Wertentscheidung des Art. 6 Abs. 5 GG zu beachten (BVerfGE 8, 210, 216 [BVerfG 23.10.1958 - 1 BvL 45/56]; BVerfG, B. v. 29.10.1963, BVerfGE 17,148,153 [BVerfG 29.10.1963 - 1 BvL 15/58]; BVerfG, B. v. 11.07.1967, BVerfGE 22, 163, 172 [BVerfG 11.07.1967 - 1 BvL 23/64][BVerfG 11.07.1967 - 1 BvL 23/64]). Diese Wertentscheidung verbietet nicht nur eine Benachteiligung nicht ehelicher Kinder gegenüber ehelichen Kindern, sondern wird nach der Rechtsprechung des BVerfG auch dann verletzt, wenn die gesetzliche Regelung einzelne Gruppen unehelicher Kinder im Verhältnis zu anderen Gruppen mittelbar schlechter stellt (BVerfG, B. v. 11.07.1967, BVerfGE 22, 163, 172 [BVerfG 11.07.1967 - 1 BvL 23/64]).

18

Die gesetzliche Regelung des § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG benachteiligt diejenigen nichtehelichen Kinder (wie den Kläger), deren Mutter verheiratet ist, im Vergleich zu anderen nichtehelichen oder ehelichen Kindern, deren betreuender Elternteil nicht verheiratet ist. Eine solche Benachteiligung ist jedoch mit Art. 6 Abs. 5 GG unvereinbar.

19

Überdies hat der Gesetzgeber nicht hinreichend berücksichtigt, dass es auch eine verfassungsrechtliche Pflicht gibt, gerade Stieffamilien zu fördern. Zur Auszahlung von Kindergeld an den Stiefvater hat das BVerfG entschieden (B. v. 11.07.1967, BVerfGE 22, 163 [BVerfG 11.07.1967 - 1 BvL 23/64]):

"Der Stiefvater eines unehelichen Kindes wird in der freiwillig übernommenen Pflicht, an diesem Kinde Vaterstelle zu vertreten und sich insbesondere um seine Erziehung und Ausbildung zu kümmern, moralisch bestärkt, wenn er für die übernommene Last wenigstens einen gewissen Ausgleich erhält. Nach den Erfahrungen der Praxis bildet gerade die finanzielle Belastung der Stiefvater-Familie durch die Aufnahme des unehelichen Kindes oft Stoff für Konflikte, die sich nachteilig auf die Entwicklung des Kindes auswirken.

Die Wertentscheidung des Art. 6 Abs. 5 GG verpflichtet den Gesetzgeber allgemein, die gleichen Bedingungen nicht nur für die leibliche, sondern auch für die seelische Entwicklung des unehelichen Kindes zu schaffen wie für das eheliche Kind. Da die entscheidende Benachteiligung für die Entwicklung des unehelichen Kindes im Fehlen der Familiengemeinschaft mit Vater und Mutter liegt, bedeutet diese Aufgabe auch, dass der Gesetzgeber das ihm Mögliche tun muss, um das Aufwachsen des Kindes in einer "Ersatzfamilie" zu fördern. Dem entspricht es, wenn die Kindergeldregelung auch die Stiefväter unehelicher Kinder in die gewährte soziale Familienhilfe einbezieht. Dagegen ist es mit dem Verfassungsgebot nicht vereinbar, wenn der Gesetzgeber bestimmten "Ersatzfamilien" die gebotene Entlastung ohne Ausgleich wieder versagt und damit mittelbar die Eingliederung des Kindes in diese Familie und seine harmonische Entwicklung erschwert."

20

Das BVerfG geht also davon aus, dass Stieffamilien nicht von vornherein den "vollständigen" Familien gleichstehen. Es liege vielmehr eine Benachteiligung des Stiefkindes vor, das nicht die Möglichkeit habe, in einer Familiengemeinschaft mit seinem Vater und mit seiner Mutter aufzuwachsen. Die Stieffamilie könne dem Stiefkind aber zu einer Ersatzfamilie werden, die das Fehlen der Familiengemeinschaft mit Vater und Mutter ausgleiche. Den Staat treffe die Verpflichtung, das Mögliche zu tun, um diese Entwicklung der Stieffamilie zur vollwertigen Ersatzfamilie zu unterstützen. Der Staat müsse insbesondere dem Stiefvater helfen, die freiwillig übernommene Last zu tragen.

21

Demgegenüber hat der Gesetzgeber des UVG Stieffamilien den vollständigen Familien gleichgestellt. Das Stiefkind sei "in die Familie eingebettet". Damit hat der Gesetzgeber die vom BVerfG aufgezeigte besondere Benachteiligung von Kindern, die nicht in einer Familiengemeinschaft mit ihrem Vater und ihrer Mutter aufwachsen können, unbeachtet gelassen.

22

Art. 6 Abs. 1 GG enthält ein objektiv-rechtliches Verbot, Ehe und Familie durch staatliche Maßnahmen zu benachteiligen. Dieses Verbot der Schlechterstellung von Ehe und Familie gilt nicht nur bei der Auferlegung von Belastungen, sondern in gleichem Maße auch für den Bereich der staatlichen Gewährung von Vorteilen (BVerfG, B. v. 29.05.1990, BVerfGE 82, 60, 80). Art. 6 Abs. 1 GG ist demzufolge als ein besonderes Differenzierungsverbot zu verstehen.

23

Differenziert der Gesetzgeber zum Nachteil von Ehe und Familie, so ist der besondere Schutz zu beachten, den der Staat nach Art. 6 Abs. 1 GG der Ehe und Familie schuldet (BVerfG, U. v. 17.11.1992, BVerfGE 87, 234, 256 [BVerfG 17.11.1992 - 1 BvL 8/87]).

24

Die Begünstigung der Kinder Alleinstehender und den Ausschluss von Stiefkindern steht einer Differenzierung zu Lasten der Ehe in verfassungswidriger Weise entgegen. Als Maßstab der Prüfung gemäß Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 6 Abs. 1 GG sind als Vergleichspaar jeweils die Kinder heranzuziehen. Da die Regelung aber zwischen Kindern mit verheiratetem Elternteil und Kindern mit ledigem Elternteil differenziert, Anknüpfungspunkt der Differenzierung also eine Eheschließung ist, ist bei der Prüfung am Maßstab des allgemeinen Gleichheitssatzes auch die objektiv-rechtliche Wertentscheidung des Art. 6 Abs. 1 GG zu berücksichtigen. Auf diese Weise gelangt man zu dem Prüfungsmaßstab "Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 6 Abs. 1 GG".

25

Der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verbietet es, dass eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und von solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (BVerfG, U. v. 17.11.1992, BVerfGE 87, 234, 255 [BVerfG 17.11.1992 - 1 BvL 8/87]). Bei der Ungleichbehandlung von Personengruppen unterliegt der Gesetzgeber anders als bei lediglich verhaltensbezogenen Unterscheidungen einer strengen Bindung, so dass die für die Differenzierung angeführten Gründe im einzelnen darauf geprüft werden müssen, ob sie auch von ihrer Art und ihrem Gewicht her die ungleichen Rechtsfolgen rechtfertigen können (BVerfG, 26.01.1993, BVerfGE 88, 87, 96 f.).

26

Da es hier um die Ungleichbehandlung von Personengruppen geht, ist die Kontrolldichte von vornherein hoch anzusetzen. Der - grundsätzlich vorhandene - weite Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers wird dadurch relativiert. Dies gilt umso mehr vor dem Hintergrund der Wertentscheidungen der Verfassung in Art. 6 Abs. 1 GG, die zu einer weiteren Erhöhung der Kontrolldichte führt. Soweit die Verfassungsmäßigkeit des § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG in der eingangs genannten obergerichtlichen Rechtsprechung bejaht worden ist, wurde dies übereinstimmend mit einem Hinweis auf die große Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers bei der Regelung von Ansprüchen der gewährenden Verwaltung begründet. Prüfungsmaßstab sei deshalb allein das Willkürverbot.

27

Dem vermag sich die Kammer nicht anzuschließen. Insbesondere setzen alle zitierten obergerichtlichen Entscheidungen die gerichtliche Kontrolldichte der Judikative gegenüber der Legislative zu niedrig an. Das Bundesverfassungsgericht geht demgegenüber je nach Prüfungsgegenstand von einer unterschiedlichen Kontrolldichte aus. Bei der Regelung der Leistungsverwaltung ist der Gesetzgeber freier als bei eingreifenden Gesetzen (BVerfGE 49, 260, 271 [BVerfG 10.10.1978 - 2 BvL 10/77]; 61, 138, 147). Nicht jede tatsächliche Verschiedenheit muss daher auch rechtliche Relevanz haben. Es ist in der gewaltenteilenden Demokratie grundsätzlich Sache des Gesetzgebers zu entscheiden, welchen tatsächlichen Verschiedenheiten auch für das Recht unterscheidende Bedeutung zukommt (BVerfGE 3, 225, 240 [BVerfG 18.12.1953 - 1 BvL 106/53]).

28

Das BVerfG ergänzt diesen Ausgangspunkt allerdings sofort: "Doch findet sein Ermessen eine Grenze in den Konkretisierungen des Gleichheitssatzes durch die Verfassung selbst" (BVerfGE 3, 225, 240 [BVerfG 18.12.1953 - 1 BvL 106/53]). Diese Konkretisierungen des Gleichheitssatzes finden sich nicht allein in den Verfassungsbestimmungen, die ausdrücklich die "Gleichheit" ansprechen. Es gibt vielmehr auch sog. "apokryphe" Differenzierungsverbote; das wichtigste unter diesen ist gerade Art. 6 Abs. 1 GG (Herzog, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 3 Anhang, Rdnr. 47 f.).

29

Dementsprechend darf der Gesetzgeber auch im Rahmen der gewährenden Verwaltung und der dort bestehenden Gestaltungsfreiheit nicht sachwidrig differenzieren (BVerfGE 28, 324, 349). Die weite Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers findet ihre Grenzen somit in den speziellen Wertentscheidungen der Verfassung (BVerfGE 28, 324, 349).

30

Das Bundesverfassungsgericht hat insoweit ausgeführt (BVerfGE 17, 210, 217 [BVerfG 12.02.1964 - 1 BvL 12/62] unter Hinweis auf BVerfGE 13, 290, 298 f. [BVerfG 24.01.1962 - 1 BvL 32/57][BVerfG 24.01.1962 - 1 BvL 32/57], beide zu Art. 6 Abs. 1 GG; ebenso: BVerfGE 36, 321, 330 f. [BVerfG 05.03.1974 - 1 BvR 712/68][BVerfG 05.03.1974 - 1 BvR 712/68]; 81, 108, 118):

"Die besonderen Wertentscheidungen des Grundgesetzes prägen den Gleichheitssatz nach bestimmten Richtungen hin aus. Sie schränken die grundsätzliche Freiheit des Gesetzgebers ein, selbst zu bestimmen, was 'gleich' und 'ungleich' sein soll, indem sie Unterscheidungen verbieten, die dem in der Wertentscheidung ausgedrückten Willen des Verfassungsgebers zuwiderlaufen würden, einen bestimmten Lebensbereich oder Lebensverhältnis seinen besonderen Schutz angedeihen zu lassen"

31

Der besondere Schutz, den die Verfassung der Ehe gewährt, fordert somit eine eingehende Prüfung, ob eine Differenzierung zuungunsten der Ehe mit der Verfassung in Einklang steht. Beschränkte man sich nur darauf, einen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers zu konstatieren, würde man den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die richterliche Kontrolldichte gegenüber dem Gesetzgeber nicht gerecht.

32

§ 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG verstößt gegen Art. 3 Abs. 1 GG, weil die dort vorgenommene Differenzierung mit der wertentscheidenden Grundsatznorm des Art. 6 Abs. 1 GG unvereinbar ist. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG hat dasjenige Kind Anspruch auf eine Unterhaltsleistung, das im Geltungsbereich des UVG bei einem seiner Elternteile lebt, der ledig, verwitwet oder geschieden ist oder von seinem Ehegatten dauernd getrennt lebt. Ein Kind, das bei einem Elternteil lebt, der mit einem Dritten verheiratet ist (Stiefkind), hat hingegen nach dem Gesetz keinen Anspruch auf eine Unterhaltsleistung.

33

Das Gesetz differenziert somit zwischen Kindern, deren betreuender Elternteil ledig, verwitwet, geschieden oder von seinem Ehegatten dauernd getrennt lebend ist, und Kindern, deren betreuender Elternteil mit einem Dritten (nicht dem Kindesvater) verheiratet ist. Gemeinsames Merkmal beider Vergleichsgruppen ist, dass es sich um nichteheliche Kinder handelt, die bei einem Elternteil leben und von dem nicht betreuenden leiblichen Elternteil nicht oder zumindest nicht regelmäßig Unterhalt erhalten. Unterscheidungskriterium ist allein der Familienstand des betreuenden Elternteils bzw. dessen Leben in ehelicher Gemeinschaft.

34

Ein Kind, dessen Elternteil ledig, verwitwet, geschieden ist oder von seinem Ehegatten dauernd getrennt lebt, verliert seinen Anspruch auch dann nicht, wenn der betreuende Elternteil statt zu heiraten mit einem Lebenspartner in nichtehelicher Gemeinschaft lebt (etwas anderes gilt nach § 1 Abs. 3, 1. Alt. UVG nur dann, wenn der Lebenspartner der andere Elternteil ist). Daraus ergeben sich dann drei weitere Differenzierungen zwischen Kindern, deren betreuender Elternteil ledig, verwitwet, geschieden oder von seinem Ehegatten dauernd getrennt lebend ist und sich allein um das Kind kümmert, Kindern, deren betreuender Elternteil ledig, verwitwet, geschieden oder von seinem Ehegatten dauernd getrennt lebend ist und mit einem Dritten in nichtehelicher Lebensgemeinschaft lebt, sowie Kindern, deren betreuender Elternteil mit einem Dritten verheiratet ist. Nur die letztgenannte Vergleichsgruppe erhält die Sozialleistung nicht.

35

Die Ausklammerung der Stiefkinder aus dem Kreis der Begünstigten ist vom Gesetzgeber gewollt, wie sich aus der Begründung des Gesetzentwurfes (vgl. BT-Drucksache 8/1952, S. 6 <oben bereits im Wortlaut zitiert> und den Ausschussbericht BT-Drucksache 8/2774, S. 12) entnehmen lässt.

36

Anknüpfungspunkt für die Ungleichbehandlung im Unterhaltsvorschussrecht ist die Ehe des betreuenden Elternteils. Oder - da auch das Getrenntleben der Ehegatten den Anspruch auf Unterhaltsleistung entstehen bzw. weiterbestehen lässt - jedenfalls die "intakte" Ehe des betreuenden Elternteils. d.h. die eheliche Lebensgemeinschaft des betreuenden Elternteils. Dieses durch Auslegung des Wortlauts des § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG gewonnene Differenzierungskriterium ist der weiteren verfassungsrechtlichen Prüfung zugrundezulegen.

37

Das OVG Lüneburg ist in seinem B. v. 05.02.1996 der Auffassung, das UVG knüpfe an eine bestimmte tatsächliche Familiensituation des Kindes an, die durch das Fehlen eines Miterziehers gekennzeichnet sei ("Zu den Anspruchsvoraussetzungen gehört vielmehr grundsätzlich auch, dass der Elternteil, bei dem das Kind lebt, alleinstehend ist, also auch der Miterzieher ausgefallen ist."). Dies ergebe sich aus § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG selbst, erschließe sich aber auch aus § 1 Abs. 3 UVG.

38

Dem tritt die Kammer nicht bei. Es muss vielmehr herausgestellt werden, dass das Fehlen des Miterziehers jedenfalls nicht unter den tatbestandlichen Anspruchsvoraussetzungen erscheint. Das Fehlen des Miterziehers darf daher nicht schon bereits bei dem Prüfungspunkt "Differenzierungsmerkmal" berücksichtigt werden, sondern erst auf einer späteren Ebene beim Differenzierungsziel und im Rahmen der weiteren Rechtfertigung des vom Gesetzgeber gewählten Differenzierungskriteriums. Es ist jedoch nicht statthaft, von vornherein die Prüfung mit der Feststellung zu eröffnen, Differenzierungskriterium sei das Fehlen eines Miterziehers. Differenzierungskriterium ist allein das Bestehen einer intakten Ehe des betreuenden Elternteils. Für die Annahme, dass der Gesetzgeber möglicherweise glaubte, durch dieses Kriterium das Fehlen des Miterziehers als Unterscheidungsmerkmal aufzustellen, spricht wenig. Selbst wenn es aber so wäre, würde dies nichts daran ändern, dass der Wortlaut des Gesetzes jedenfalls nicht an dieses Kriterium anknüpft. § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG knüpft nur an das Bestehen einer (intakten) Ehe an.

39

Erforderlich ist desweiteren eine genaue Bestimmung des Differenzierungsziels. Vordergründig ist das Differenzierungsziel die Entlastung alleinerziehender Elternteile. Der Gesetzgeber darf indessen nicht eine Personengruppe herausgreifen und sie ohne weitere Angabe von Gründen gegenüber anderen Personengruppen begünstigen. Er muss vielmehr gerade durch das Herausgreifen dieser Personengruppe ein besonderes Ziel verfolgen. Die Entlastung einer Personengruppe ist also nur ein Zwischenziel. Dahinter steht ein Endziel, das letztlich das entscheidende Differenzierungsziel darstellt.

40

Der Gesetzgeber wollte - wie die Gesetzesmaterialien zeigen - eine Personengruppe begünstigen, die in besonderer Weise einer bestimmte Belastung ausgesetzt ist; er legt vielmehr dar, welche Zielsetzung er für die Auswahl des Kreises der Begünstigten für letztlich tragend hält: Bestimmte Elternteile würden ihre Kinder in der Regel unter erschwerten Bedingungen erziehen und müssten bei Ausfall von Unterhaltsleistungen des einen Elternteils auch für den von ihm geschuldeten Unterhalt aufkommen. Hierin liegt das vom Gesetzgeber verfolgte Differenzierungsziel. Es geht um den Ausgleich oder zumindest die Abmilderung einer näher beschriebenen besonderen Belastung bestimmter Elternteile.

41

Das Differenzierungsziel ist auf diese Weise allerdings nur sehr grob umschrieben, es bedarf einer weiteren Konkretisierung. Dabei wird es vor allem um die Antwort auf die Frage gehen, worin die angesprochene besondere Belastung bestimmter Elternteile zu erblicken ist.

42

Hierbei könnte man - wie wohl auch das OVG Lüneburg in seinem B. v. 05.02.1996 und das OVG Münster im B. v. 10.05.1995 - zur Annahme gelangen, das Gesetz sehe die besondere Belastung des Elternteils darin, wenn für die Erziehung des Kindes nur eine Person zur Verfügung stehe. Dann wäre es das Differenzierungsziel, einen Ausgleich für das Fehlen des Miterziehers zu schaffen.

43

Im Finanzausschuss des Bundesrates wurde insoweit der Standpunkt vertreten:

"Grund für die Gewährung der gesetzlichen Leistung ist der Ausfall des Miterziehers; an dieser Voraussetzung fehlt es aber auch beim Zusammenleben in einer eheähnlichen Gemeinschaft." (Bundesrat-Drucks. 219/1/79 vom 21. Mai 1979, S.1).

44

Er schlug daher vor, die UVG-Leistung für eheähnliche Gemeinschaften zu streichen.

45

Dieser Vorschlag und vor allem diese Begründung stießen im Plenum des Bundesrats auf starke Ablehnung (Bundesrat - Protokoll der 473. Sitzung vom 01.06.1979, S. 125 D, S. 126 D), es gehe nicht um das Fehlen eines Miterziehers, sondern allein um die Nichtdurchsetzbarkeit des Unterhaltsanspruchs.

46

Senator Apel (Hamburg) äußerte sich dahingehend, der Vorschlag, die Leistung bei nichtehelichen Lebensgemeinschaften einzustellen, berufe sich darauf, dass dann ja ein Miterzieher vorhanden sei. Er führte gegen diese Argumentation aus, dahinter stehe wohl die Vorstellung, dass mit vergleichbar wenigen D-Mark der Miterzieher ersetzt werden könnte. Das sei doch gar nicht der Ansatz dieses Gedankens, es gehe allein um den Unterhalt des Kindes. Im Bundestag vertrat die zuständige Berichterstatterin des Jugendausschusses, die Abgeordnete Karwatzki, die Auffassung, auch Stiefkinder hätten in den Kreis der Anspruchsberechtigten einbezogen werden müssen. Sie seien zwar in eine Familie eingebettet, ihr Unterhaltsanspruch gegen den leiblichen Vater sei dadurch aber keineswegs leichter durchsetzbar geworden (Deutscher Bundestag, 8. Wahlperiode, 151. Sitzung, S. 12067 D).

47

Hiernach wäre die vom OVG Lüneburg geäußerte Rechtsauffassung nur zutreffend, wenn im Wege der Auslegung des Gesetzes nachzuweisen wäre, dass der Gesetzgeber das Fehlen des Miterziehers zum Anknüpfungspunkt gemacht hätte. Soweit sich das OVG Lüneburg darauf beruft, auf die Gesetzgebungsgeschichte könne es nicht ankommen, wenn sich anhand des Gesetzestextes eindeutig ein anderes Ergebnis erzielen lasse, mag das zwar im Grundsatz zutreffen; der erforderliche Nachweis anhand des Gesetzeswortlautes ist jedoch nicht zu führen. Der Senat verweist auf § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG und auf § 1 Abs. 3 UVG. Danach wird die Unterhaltsleistung nicht gewährt, wenn der betreuende Elternteil einen Ehegatten hat und mit diesem nicht dauernd getrennt lebt. Ferner wird die Sozialleistung nicht gewährt, wenn der zweite leibliche Elternteil mit dem ersten in nichtehelicher Lebensgemeinschaft lebt. Hieraus lässt sich jedoch nicht die Schlussfolgerung ziehen, dass das Fehlen eines Miterziehers quasi zur Tatbestandsvoraussetzung des Anspruchs gemacht worden wäre. Dies sind nämlich nur zwei Fallkonstellationen von vielen denkbaren.

48

UVG-Leistungen werden gewährt, wenn als Miterzieher im Haushalt des betreuenden Elternteils alternativ eine von folgenden Personen zur Verfügung steht:

  • ein nichtehelicher Lebenspartner des betreuenden Elternteils,

  • die Eltern des betreuenden Elternteils,

  • ein Bruder oder eine Schwester des betreuenden Elternteils,

  • ein mit dem betreuenden Elternteil in Wohngemeinschaft lebender Dritter.

49

Man kann demnach die gesetzgeberische Entscheidung keineswegs dahin verallgemeinern, dass die Leistung beim Vorhandensein einer weiteren Bezugsperson des Kindes nicht gewährt werden soll. Das Vorhandensein eines Miterziehers ist vielmehr grundsätzlich für den Leistungsempfang unschädlich. Erst in dem Moment, in dem die Kindesmutter die Ehe mit dem Miterzieher eingeht, entfällt ein Anspruch auf UVG-Leistungen. Nur ein einziger potentieller Miterzieher, nämlich derjenige, der die Mutter ehelicht, begründet den Wegfall der Leistung. Dies spricht dafür, dass es dem Gesetzgeber überhaupt nicht auf den Aspekt des Miterziehens ankam, sondern dass andere Kriterien ausschlaggebend waren.

50

Aber auch der Wortlaut des § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG spricht gegen die vom OVG Lüneburg angenommene Gesetzesauslegung: Das UVG verlangt in § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG nur, dass das Kind "bei" einem seiner Elternteile lebt. Diese Formulierung wurde bewusst gewählt. Der ursprüngliche Formulierungsvorschlag der Bundesregierung lautete: "im Haushalt eines Elternteils". Dieser Vorschlag wurde aber vom Bundestag (BT-Drucksache 8/2774, S. 12) fallengelassen, weil ansonsten Kinder, die gemeinsam mit ihrer Mutter im Haushalt der Großeltern oder eines Großelternteils lebten, nicht anspruchsberechtigt wären. Der Gesetzgeber wollte aber auch diese Kinder begünstigen, obwohl sie in einer solchen Fallkonstellation außer der Mutter auch die Großeltern als Miterzieher hätten.

51

Zu Recht fasst Rehnelt (NDV 1980, 57, 58) die tatbestandliche Anspruchsvoraussetzung "bei einem seiner Elternteile" wie folgt zusammen:

"Der Berechtigte muss bei einem Elternteil leben. Die Voraussetzung wird auch gegeben sein, wenn das Kind zusammen mit dem Elternteil bei dessen Eltern oder auch anderen Personen - ausgenommen beim anderen Elternteil des Kindes - lebt. Die Frage, wer die Erziehung und Betreuung des Berechtigten überwiegend ausübt, ist im Rahmen des Unterhaltsvorschussgesetzes ohne Bedeutung, so dass auch die Berufstätigkeit des Elternteils in einem solchen Fall keinen Einfluss auf Ansprüche nach diesem Gesetz hat."

52

Anknüpfungspunkt der gesetzlichen Regelung ist - dies belegen die Gesetzesmaterialien - eine bestimmte Doppelbelastung des betreuenden Elternteils.

53

Dieser Elternteil hat - erstens - seine eigene Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind zu erfüllen. Hierzu statuiert § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB die Regel: "Die Mutter erfüllt ihre Verpflichtung, zum Unterhalt eines minderjährigen unverheirateten Kindes beizutragen, in der Regel durch die Pflege und Erziehung des Kindes." Die Mutter erbringt also den sog.

54

Betreuungsunterhalt. Über die Pflege und Erziehung des Kindes hinaus schuldet die Mutter grundsätzlich also keine weiteren Geld- oder Sachmittel als Unterhalt. Den Barunterhalt hat vielmehr ausschließlich der Kindesvater zu leisten. Selbst wenn die alleinerziehende Mutter erwerbstätig ist, schuldet sie dem Kind nur die Betreuung und keine zusätzliche Geldleistung. Der Bundesgerichtshof hat insoweit entschieden, dass der das minderjährige unverheiratete Kind betreuende Elternteil durch dessen Pflege und Erziehung seine Unterhaltspflicht vollständig erfüllt (BGH, U. v. 8.4.1981, NJW 1981,1559 [BGH 08.04.1981 - IVb ZR 584/80]).

55

Selbst wenn der betreuende Elternteil eigene zusätzliche Einkünfte erzielt, wird über die Betreuung hinaus grundsätzlich kein Barunterhalt geschuldet.

56

Bleibt nun dieser vom Kindesvater zu zahlende Unterhalt aus, so tritt - zweitens - die Ersatzhaftung des § 1607 Abs. 2 BGB ein: Obwohl die Mutter eigentlich ihre Unterhaltspflicht durch die Gewährung von Betreuungsunterhalt bereits erfüllt hat, schuldet sie nunmehr dem Kind auch noch den Barunterhalt, der vom anderen Elternteil nicht beigetrieben werden kann. Auf diese Weise kommt es zu einer Doppelbelastung der Mutter, die zum einen dem Kind Betreuungsunterhalt leistet, zum anderen aber auch für den nicht freiwillig gezahlten Barunterhalt des anderen leiblichen Elternteils aufzukommen hat.

57

Diese Doppelbelastung teilweise auszugleichen ist nach Ansicht der Kammer Aufgabe des Unterhaltsvorschussrechts (ebenso OVG Frankfurt/Oder, U. v. 22.08.1996). Diese Schlussfolgerung findet ihre Stütze auch in den Gesetzesmaterialien: In der Begründung (BT-Drs 8/1952, S. 6 sowie BT-Drs 8/2774, S. 11) heißt es, der alleinerziehende Elternteil müsse "auch nach § 1607 BGB im Rahmen seiner eigenen Leistungsfähigkeit für den vom anderen Elternteil geschuldeten Unterhalt aufkommen." Im Anschluss daran wird die Zielsetzung des UVG umschrieben: "Diese zusätzliche Belastung", nämlich die Ersatzhaftung nach § 1607 BGB, solle durch Einführung einer neuen öffentlichen Unterhaltsleistung aufgehoben oder wenigstens gemildert werden.

58

Von diesem Ausgangspunkt her ist es konsequent, wenn die UVG-Leistung auch dann gewährt wird, wenn die Mutter in eheähnlicher Gemeinschaft mit einem Dritten lebt. Auch in diesem Falle leistet die Mutter sowohl den Betreuungsunterhalt als auch den vom anderen Elternteil nicht erbrachten Barunterhalt für das Kind. Weiterhin wäre es folgerichtig, dass der Gesetzgeber Stiefkindern keine Leistungen nach dem UVG mehr gewährt, wenn die Unterhalts rechtliche Doppelbelastung der Mutter infolge der Eheschließung entschärft würde. Dies ist allerdings - wie unter aufgezeigt werden wird - nicht der Fall.

59

Soweit die Gesetzesbegründung überdies darauf abstellt, dass das Stiefkind in eine Familie eingebettet sei und an deren sozialem Stand teilnehme, vertritt die Kammer die Ansicht, dass dies kein eigenständiges zweites Motiv des Gesetzgebers, das neben die angesprochene Doppelbelastung tritt, ist.

60

Der Ausschussbericht (BT-Drs 8/2774, S. 11) stellt in seinem "Allgemeinen Teil" die Zielsetzung des Gesetzes dar und spricht allein das Ziel an, diejenigen Kinder begünstigen zu wollen, deren Eltern einer unterhaltsrechtlichen Doppelbelastung ausgesetzt sind. Der Gesichtspunkt der Einbettung in eine Familie erscheint erst bei den Erläuterungen zu § 1 UVG.

61

Es ist deshalb davon auszugehen, dass das Eingebettet-Sein in eine Familie nicht als selbständiger Unterscheidungsgrund neben die unterhaltsrechtliche Doppelbelastung treten sollte.

62

Das Entschärfen der Doppelbelastung ist auf verschiedene Weise möglich:

63

Erstens kann man beim Barunterhalt ansetzen. Fließen der Mutter, dem Kind oder auch dem Stiefvater kindbezogene Bar- oder Sachleistungen zu, so stehen Mittel für den Barunterhalt zur Verfügung. Die unterhaltsrechtliche Ersatzhaftung der Mutter für den Barunterhalt würde dadurch wesentlich abgemildert.

64

Zweitens wäre es denkbar, auch beim ersten Element der Doppelbelastung (dem Betreuungsunterhalt) anzusetzen. Stellt der Staat der Mutter beispielsweise einen kostenlosen Ganztagshortplatz zur Verfügung, wird ihr die Verpflichtung zur Leistung von Betreuungsunterhalt teilweise abgenommen, so dass man kein UVG mehr gewähren müsste.

65

Das Eingebettet-Sein in und die Teilnahme am sozialen Stand der (neuen) Familie sind schließlich kein eigenständiges Argument, sondern werden in der Gesetzesbegründung damit erläutert, das Kind habe Teil an bestimmten Vergünstigungen. Diese würden zwar dem Stiefelternteil gewährt, aber weil es sich insgesamt um eine Familie handele und weil das Stiefkind in diese Familie eingebettet sei, könne man davon ausgehen, dass das Kind auch an diesen Vergünstigungen teilhabe und dass dadurch letztlich auch die Mutter entlastet werde. Das Eingebettet-Sein in die Familie bezeichnet also nicht den selbständigen Hinweis auf eine bestimmte Lebens- und Erziehungssituation, sondern die Teilhabe an verschiedenen kindbezogenen sozialstaatlichen finanziellen Entlastungen, die der Familie zugute kommen. Der Hinweis auf die Einbettung in die Stieffamilie stellt damit keinen selbständig tragenden Grund dar, sondern sollte nur die Teilhabe des Kindes an den sozialen Vergünstigungen plausibel machen.

66

Daher bezieht sich das Eingebettet-Sein auf den finanziellen Aspekt und somit auf die unterhaltsrechtliche Ersatzhaftung für den Barunterhalt.

67

Weiterhin spricht für diese Interpretation, dass das Gesetz nach seiner Gesamtkonzeption als Geldleistungsgesetz darauf ausgerichtet ist, Schwierigkeiten nicht bei der Betreuung, sondern bei der Beschaffung des Barunterhalts auszugleichen. Die Kammer weist an dieser Stelle noch einmal auf das Bundesrats-Protokoll der 473. Sitzung vom 1. Juni 1979 (S. 125 D, S. 126 D) hin. Senator Apel (Hamburg) sagte, es gehe nicht darum, mit vergleichbar wenigen D-Mark den Miterzieher zu ersetzen. Das sei doch gar nicht der Ansatz dieses Gedankens. Es gehe allein um den Unterhalt des Kindes.

68

Es ist daher festzuhalten: Differenzierungsziel ist die Begünstigung der Elternteile, die einer unterhaltsrechtlichen Doppelbelastung ausgesetzt sind.

69

Das gewählte Differenzierungskriterium ist allerdings nicht geeignet, dieses Differenzierungsziel zu erreichen.

70

In der obergerichtlichen Rechtsprechung wird in diesem Zusammenhang darauf verwiesen, dass ein Stiefvater bestimmte Vergünstigungen und Sachleistungen in Anspruch nehmen könne, die auch dem Kind zu Gute kämen, deshalb sei die Differenzierung tragfähig (OVG Münster, B. v. 23.12.1996, U. v. 23.09.1999; OVG Frankfurt/Oder, U. v. 22.08.1996; OVG Lüneburg, B. v. 05.02.1996). Diese Argumentation verkennt, dass es die vermeintlichen Vergünstigungen für den Stiefvater, die dieser dem Kind weitergeben könnte, tatsächlich nicht bzw. nicht in dem erforderlichen Umfang gibt, was im Einzelnen unten ausgeführt werden wird.

71

Zu bedenken ist ferner, dass die Kindesmutter nach wie vor für ihr Kind den Betreuungsunterhalt und zusätzlich den vom anderen Elternteil pflichtwidrig nicht erbrachten Barunterhalt leisten muss. Falls der Stiefvater sich an der Betreuung beteiligen sollte, so ist dies rechtlich eine Betreuungsleistung der Kindesmutter an das Kind, allerdings mit der Besonderheit, dass sich die unterhaltspflichtige Kindesmutter zur Erfüllung ihrer Betreuungsunterhaltspflicht ihres Ehemannes bedient (vgl. Palandt-Diederichsen, § 1606 Rdnr. 22). Dies ergibt sich aus der (bereits erwähnten) Rechtsprechung des BGH, wonach es dem betreuenden Elternteil freisteht, sich zur Erfüllung seiner Betreuungspflicht auch eines Verwandten bzw. hier des Ehemanns zu bedienen. Der Elternteil, bei dem das Kind lebt, schuldet auch dann über diese Betreuungsleistung hinaus keinen weiteren Unterhalt. An der Gleichwertigkeit der Fürsorgeleistungen ändert sich durch die Erwerbstätigkeit des betreuenden Elternteils grundsätzlich nichts, solange dieser die Kindesbetreuung weiterhin in vollem Umfang wahrnimmt. Weder für die Erfüllung der Unterhaltspflicht noch für die Gleichwertigkeit der elterlichen Leistungen ist ausschlaggebend, in welcher Weise und zu welchen Zeiten die Mutter das Kind pflegt und erzieht. Der Naturalunterhalt wird auch dann gleichwertig erbracht, wenn der dazu Verpflichtete sich dazu der Hilfe von Verwandten bedient. Durch deren Betreuungsleistungen erfüllt er dann das Versorgungsbedürfnis des Kindes. Derartige Leistungen sind der Betreuung durch den Pflichtigen zuzurechnen (BGH, U. v. 08.04.1981, NJW 1981,1559 [BGH 08.04.1981 - IVb ZR 584/80]). Der Stiefvater ist familienrechtlich lediglich der Erfüllungsgehilfe der Mutter. Rechtlich ist es die Mutter, die dem Kind die Betreuungsleistung erbringt.

72

Bleibt der vom Kindesvater geschuldete Unterhalt aus, kommt es über die zusätzliche Ersatzhaftung nach § 1607 BGB wiederum zu der beschriebenen Doppelbelastung der Kindesmutter. Es bleibt also dabei, dass die Kindesmutter dem Kind erstens Betreuungsunterhalt und zweitens Barunterhalt leisten muss.

73

Die Gesetzesmaterialien rechtfertigen die Einstellung des Unterhaltsausfallgelds deshalb wohl auch nicht damit, nunmehr sei ja ein Miterzieher vorhanden. Sie berufen sich zur Begründung vielmehr in erster Linie darauf, die Mutter müsse weniger Barunterhalt leisten, denn der Stiefvater habe finanzielle Vorteile, die er an das Stiefkind weitergebe. Dahinter steht die Überlegung, hierdurch könne sich die Mutter wieder darauf beschränken, nur den Betreuungsunterhalt zu leisten, so dass ihre Doppelbelastung entfalle.

74

Der obergerichtlichen Rechtsprechung ist zuzugeben, dass die Materialien auch die Aussage enthalten, das Stiefkind sei in eine neue Familie "eingebettet".

75

Aus dem Zusammenhang ergibt sich indessen, dass die Gesetzesbegründung damit nur sagen will, das Kind nehme an dem sozialen Stand dieser Familie und insbesondere an den dieser Familie gewährten sonstigen Vergünstigungen wie Steuervorteilen, Kindergeld und Krankenversicherungsvorzügen teil. Man kann deshalb den Ausschluss der Stiefkinder aus dem Kreis der Anspruchsberechtigten nicht damit begründen, es gebe einen Miterzieher. Es ist vielmehr im einzelnen zu prüfen, ob die (vermeintlichen) Vorteile, die der Stiefvater an das Stiefkind weitergeben könnte, auch wirklich bestehen. Die Kammer tritt in diesem Zusammenhang ausdrücklich der Auffassung des OVG Lüneburg entgegen, aus § 1 Abs. 3 UVG ergebe sich, dass der Elternteil, bei dem das Kind lebe, alleinstehend sein müsse, also der Miterzieher ausgefallen sei. Leben beide leiblichen Elternteile zusammen, so kann das Kind von beiden die Betreuung verlangen. Beide Elternteile leisten dem Kind Betreuungsunterhalt. Selbst wenn ein Elternteil nicht die außerdem erforderlichen Barmittel zur Verfügung hat, kommt es nicht zu einer doppelten Belastung des anderen Elternteils. Denn dann schuldet der andere Elternteil gerade nicht den vollen Betreuungsunterhalt zuzüglich des vollen Barunterhaltes. Insbesondere kann sich die Kindesmutter nicht darauf berufen, sie brauche keinen Barunterhalt zu leisten, weil sie das Kind betreue. Leben beide Elternteile zusammen und betreuen sie das Kind gemeinsam, gilt § 1606 Abs. 2 Satz 3 BGB nicht, da Gegenstand dieser Vorschrift nur die Kindesbetreuung durch einen Elternteil ist (vgl. Palandt-Diederichsen, BGB, § 1606 Rdnr. 22). Durch die Einschränkung der Anspruchsberechtigten mittels des § 1 Abs. 3 UVG hat der Gesetzgeber also nicht zum Ausdruck gebracht, es komme auf den Ausfall eines Miterziehers an. Er hat vielmehr klargestellt, dass die Unterhaltsleistung dort nicht gewährt werden soll, wo es an der beschriebenen Doppelbelastung des einen Elternteils fehlt. Genauso wenig kann aus den vorbezeichneten Gründen aus § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG der Schluss gezogen werden, es komme auf das Fehlen des Miterziehers an. Vielmehr hat der Gesetzgeber auch hier normieren wollen, dass es auf das Vorhandensein der beschriebenen Doppelbelastung ankomme. Eine finanzielle Belastung sei wegen der dem Stiefvater zukommenden verschiedenen Vergünstigungen nicht gegeben.

76

Es bleibt somit festzuhalten: Das gewählte Differenzierungskriterium ist nicht geeignet, das Differenzierungsziel zu erreichen. Auch wenn das Stiefkind einen Stiefvater erhalten hat, schuldet nach wie vor die Mutter doppelten Unterhalt: den Barunterhalt und den Betreuungsunterhalt. Rechtlich wird die Mutter weder bei der einen noch bei der anderen Form des Unterhalts entlastet, da Betreuungsleistungen des Stiefvaters rechtlich Betreuungsleistungen der Mutter an das Kind sind und es die vermeintlichen finanziellen Vergünstigungen für den Stiefvater, die für den Barunterhalt eingesetzt werden könnten nicht gibt. § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG ist daher, schon wenn man die Bestimmung am allgemeinen Gleichheitssatz misst, verfassungswidrig.

F.
G.
H.