Arbeitsgericht Braunschweig
Urt. v. 24.08.1994, Az.: 3 Ca 660/93 - E

Anspruch auf Eingruppierung in bestimmte Vergütungsgruppe; Erfordernis zweifacher Steigerung der Anforderungen; Besondere Schwierigkeit einer Tätigkeit; Beurteilung des fachlichen Könnens und der fachlichen Erfahrung; Berücksichtigung der erhöhten Grundanforderungen der Tätigkeit; Beratungen mit Angehörigen

Bibliographie

Gericht
ArbG Braunschweig
Datum
24.08.1994
Aktenzeichen
3 Ca 660/93 - E
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1994, 20177
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:ARBGBS:1994:0824.3CA660.93E.0A

Verfahrensgegenstand

Tarifliche Eingruppierung

In dem Rechtsstreit
hat das Arbeitsgericht Braunschweig
auf die mündliche Verhandlung vom 24.8.1994
durch
den Richter am Arbeitsgericht Rudolph als Vorsitzenden und
die ehrenamtlichen Richter Aeffner und Zielinski als Beisitzer
für Recht erkannt:

Tenor:

  1. 1.

    Die Klage wird abgewiesen.

  2. 2.

    Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

  3. 3.

    Der Streitwert wird auf 9.000,00 DM festgesetzt.

Tatbestand

1

Der Kläger ist bei der Beklagten seit dem 1.1.83 gemäß dem schriftlichen Anstellungsvertrag vom 3.1.83 BL 13 als Sozialarbeiter ... beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis finden wegen beiderseitiger Organisationszugehörigkeit sowie aufgrund vertraglicher Vereinbarung die Vorschriften des BAT Anwendung.

2

Der Kläger verfügt über eine Ausbildung als "Sozialarbeiter/Sozialpädagoge mit staatlicher Anerkennung". Er ist seit dem 1.1.87 in die Vergütungsgruppe IV b BAT eingruppiert und fordert gem. Klage vom 14.12.93 die Höhergruppierung in die. Verg.Gr IV a. Der Kläger macht geltend, die von ihm ausgeübte Tätigkeit sei nicht lediglich als "schwierige Tätigkeit" i.S. der Fallgr. 16 der Verg.Gr. IV b anzusehen, sondern sie hebe sich durch "besondere Schwierigkeit und. Bedeutung" aus der Verg.Gr. IVb Fallgr. 16 heraus; zumindest sei das Heraushebungsmerkmal zu 1/3 erfüllt.

3

Der Kläger verweist auf eine Arbeitsplatzbeschreibung vom März 1992 BL 3. ff. d.A. Demgemäß ist er im "Allgemeinen Sozialen Dienst - ASD" eingesetzt. Ihm ist die "Stelle ... Stadtgebiet ..." übertragen mit Tätigkeiten in den Bereichen Jugendhilfe; Sozialhilfe; sonstige Tätigkeiten.

4

Der Kläger macht geltend, das Aufgabengebiet sei als ein einheitlicher Arbeitsvorgang zu werten. Es schließe eine Vielzahl schwieriger Tätigkeiten. i.S. der Verg.Gr. IVb Fallgr. 16 ein. Die dabei anfallende Kumulation schwieriger Tätigkeiten begründe das Heraushebungsmerkmal der "besonderen Schwierigkeit und Bedeutung" i.S. der Verg.Gr. IV a Fallgr. 15 und 16.

5

Der Kläger beantragt

festzustellen, daß die beklagte ... verpflichtet ist, an den Kläger ab 01.01.1991 Vergütung aus der Vergütungsgruppe IV a BAT zu zahlen und den monatlichen Nettodifferenzbetrag zwischen Vergütungsgruppe IV b BAT und IV a BAT mit 4 % zu verzinsen.

6

Die Beklagte beantragt Klagabweisung.

7

Sie bestreitet bereits das Vorliegen des Herausgebungsmerkmals "schwierige Tätigkeit" i.S. der Verg.Gr. IVb Fallgr. 16. Der Kläger übe Aufgaben eines Sozialarbeiters/Sozialpedagogen mit entsprechender normaler Tätigkeit i.S. der Eingangs-Vergütungsgruppe V b, Fallgr. 10 aus, ohne daß ein Heraushebungsmerkmal erfüllt sei. Er sei deswegen richtig in die Vergütungsgruppe Vb mit Bewährungsaufstieg in die Vergütungsgruppe IVb Fallgr. 17 nach 2-Jähriger Bewährung eingruppiert.

8

Wegen des weiteren Parteivortrags wird auf die Schriftsätze verwiesen.

Gründe

9

A.

Die Klage ist unbegründet, den der Kläger hat nicht schlüssig dargelegt, daß bei ihm das für eine Eingruppierung in die Verg.Gr. IV a a Fallgr. 15 16 oder erforderliche Merkmal der Heraushebung aus der Verg.Gr. IVb Fallgr. 16 durch besondere Schwierigkeit und Bedeutung erfüllt ist.

10

Die für die ein Gruppierung der Sozialarbeiter/Sozialpädagogen maßgeblichen Tätigkeitsmerkmale der Anlage 1a Teil II Abschn. G (Angestellte im Sozial- und Erziehungsdienst) bauen wie folgt aufeinander auf:

  • Verg.Gr. Vb Fallgr. 10 Sozialarbeiter... mit entsprechender Tätigkeit ... (mit Bewährungsaufstieg. Aufstieg nach 2 Jahren in Verg.Gr. IV b Fallgr. 17)
  • Verg.Gr. IVb Fallgr. 16 Sozialarbeiter ... mit schwierigen Tätigkeiten
  • Verg.Gr. IV a Fallgr. 15/16 Heraushebung aus Verg.Gr. IV b Fallgr. 16 (- schwierige Tätigkeiten-) durch "Besondere Schwierigkeit und Bedeutung der Tätigkeit"

Für die begehrte Eingruppierung in die Verg.Gr. IVa Fallgr. 15 oder 16 ist demzufolge eine zweifache Steigerung der Anforderungen vorausgesetzt, nämlich, daß im Vergleich zu den Grundanforderungen an die Tätigkeit eines Sozialarbeiters/Sozialpädagoge (Verg.Gr. Vb) die Tätigkeit sich nicht nur durch ihre Schwierigkeit heraushebt (VergGr IVb), sondern nochmals aus "... schwieriger Tätigkeit" durch "... besondere Schwierigkeit und Bedeutung ..." herausgehoben ist.

11

Das Tätigkeitsmerkmal der besonderen Schwierigkeit i.S. der Verg.Gr. IV a erfordert eine beträchtliche gewichtige Heraushebung über die Anforderungen der Vergütungsgruppe IV b (schwierige Tätigkeiten) hinaus. Dabei betrifft die Schwierigkeit die fachlichen Anforderungen an die Qualifikation des Angestellten, also an sein fachliches Können und seine fachliche Erfahrung. Diese erhöhte Qualifikation kann sich im Einzelfall aus der Breite des geforderten fachliche Wissens und Könnens, aber auch aus außergewöhnlichen Erfahrungen oder einer gleichwertigen Qualifikation, etwa besonderen Spezialkenntnissen ergeben (BAG AP Nr. 116 zu §§ 22, 23 BAT 1975).

12

Das weitere Tätigkeitsmerkmal der Bedeutung i.S. der Verg.Gr. IV a knüpft an die Auswirkungen der Tätigkeit an, ohne daß es inhaltlich oder gegenständlich begrenzt ist. Grundsätzlich ist jede Art der Auswirkung der Tätigkeit des Angestellten geeignet, die Bedeutung des Aufgabengebiets im Tarifsinne zu begründen. Es kommt deshalb lediglich darauf an, ob, gemessen an den Anforderungen der Vergütungsgruppe IV b die Auswirkungen bzw. die Tragweite der Tätigkeit des Angestellten aus welchem Grund auch immer deutlich wahrnehmbar bedeutungsvoller sind (BAG AP Nr. 116 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Der Kläger einer Eingruppierungsfeststellungsklage hat diejenigen Tatsachen vorzutragen und im Bestreitensfalle zu beweisen, aus denen der rechtliche Schluß möglich ist, daß er die im Einzelfall für sich beanspruchten tariflichen Tätigkeitsmerkmale unter Einschluß der darin vorgesehenen Qualifizierungen erfüllt. Sofern der Kläger des vorliegenden Rechtsstreits das Hervorhebungsmerkmal der "Schwierigkeit" bzw. der "besonderen Schwierigkeit" seiner Tätigkeit für sich in Anspruch nimmt, reicht eine genaue Darstellung seiner eigenen Tätigkeit nicht aus - SAGE 34, 158 (167). Das Hervorhebungsmerkmal besteht in einer Wertung. Diese erfordert einen Vergleich mit den unter die Vergütungsgruppe fallenden nicht herausgehobenen Tätigkeiten und setzt einen entsprechenden Tatsachenvortrag voraus, der den Vergleich ermöglicht. (BAG Urteil v. 20.10.93 4 AZR 47/93).

13

B.

Für den zu entscheidenden Fall ist zu berücksichtigen daß die Tätigkeit eines Sozialarbeiters/Sozialpädagogen von vornherein hohe Grundanforderungen stellt und deswegen eine entsprechendes Ausbildung voraussetzt. Die Arbeit mit und für Angehörige sozialer Randgruppen und Problemgruppen ist berufsimmanent. Die dabei auftretenden typischen Problemlagen müssen deswegen grundsätzlich noch den beruflichen Grundanforderungen i.S. der Eingangs - Vergütungssgruppe Vb Fallgruppe 10 "- Sozialarbeiter,... mit staatlicher Prüfung und entsprechender Tätigkeit-." zugeordnet werden. Die Darlegungen des Klägers, er müsse bei seiner Tätigkeit im ASD auch mit Angehörigen verschiedener Fallgruppen arbeiten, welche unter die Protokollnotiz Nr. 12 fallen (dort sind als schwierige Tätigkeiten beispielsweise anerkannt: Beratung von Suchtmittelabhängigen; Beratung von HIV - infizierten oder an Aids erkrankten Personen; begleitende Fürsorge und nachgehende Fürsorge für Heimbewohner oder Strafgefangene), reichen möglicherweise aus, um das Vorliegen des Heraushebungsmerkmals der "Schwierigkeit" der Tätigkeit i.S. der Verg.Gr. IVb Fallgr. 16 zu begründen. Ein Anspruch des Klägers auf Eingruppierung in die Verg.Gr. IVb ist jedoch nicht Gegenstand des Klagbegehrens, denn der Kläger ist bereits in die Verg.Gr. IVb, wenn auch im Wege des Bewährungsaufstiegs, eingruppiert. Im vorliegenden Rechtsstreit kommt eine eigenständige Entscheidung über die Erfüllung des Hervorhebungsmerkmals "Schwierige Tätigkeit" nicht in Frage, denn der Streit allein darüber, welche Fallgruppe einer Vergütungsgruppe, in die ein Angestellter eingruppiert ist, die Eingruppierung bestimmt, kann nicht selbständig Gegenstand eines Rechtsstreits sein. Die Entscheidung darüber, ob der Kläger als Sozialarbeiter/Sozialpädagoge "schwierige Tätigkeiten" ausübt, ist im vorliegenden Rechtsstreit vielmehr nur als Vortrage für die Erfüllung des weiteren Hervorhebungsmerkmals der "besonderen Schwierigkeit und Bedeutung der Tätigkeit" von Bedeutung, denn Klagegegenstand ist die Eingruppierung des Klägers in die Verg.Gr. IVa. Jedenfalls das Vorliegen des weiteren Steigerungsmerkmals der "besonderen Schwierigkeit und Bedeutung der Tätigkeit" im Vergleich zu schwierigen Tätigkeiten eines Sozialarbeiters/Pädagogen hat kann den Darlegungen des Klägers nicht entnommen werden.

14

Der Kammer ist es zweifelhaft, ob die Grundannahme des Klägers zutrifft, für die Tätigkeit des Klägers im ASD müsse ein einheitlicher Arbeitsvorgang bei Einzelfällen unterschiedlicher Anforderung angenommen werden. Sie geht vielmehr davon aus, daß die Arbeitsvorgänge nach Problemfeldern und Problemgruppen differenziert werden können und müssen. Davon geht offenbar auch der Tarifvertrag aus, wenn die Arbeit mit Angehörigen bestimmter einzelner Problemgruppen in der Protokollerklärung Nr. 12 als Beispielsfälle für "schwierige Tätigkeiten" i.S. der Verg.Gr. IVb Fallgr. 16 aufgeführt sind. Dabei kann nicht außer Betracht bleiben, daß bereits die Eingruppierung in die VergGr IVb Fallgr. 16 gem. §§ 22, 23 BAT erfordert, daß das Hervorhebungsmerkmal "schwierige Tätigkeit" mindestens zur Hälfte der Arbeitsvorgänge erfüllt ist. Das setzt bei einer Mischtätigkeit in der Regel die Arbeit auf mehreren solcher Problemfelder voraus. Die Kammer folgt deswegen nicht der Ansicht des Klägers, eine Kumulation schwieriger Problemgruppen i.S. der Protokollnotiz Nr. 12 begründe auch ohne Quantifizierung für sich allein bereits die Annahme besonders schwieriger Tätigkeiten i.S. der Verg.Gr. IVa Fallgr. 15/16. Würde man der Ansicht des Klägers folgen, daß es auf die Anzahl der schwierigen - Beratungs- und Betreuungsfälle i.S. der Protokollnotiz Nr. 12 nicht ankomme, dann müßte mit der Argumentation des Klägers bereits die Betreuung weniger Einzelpersonen aus den in der Protokollnotiz genannten besonderen Problemgruppen dazu führen, die vom Kläger als einheitlicher Arbeitsvorgang angenommene Tätigkeit als Sozialarbeiter/Sozialpädagoge im ASD insgesamt als "besonders schwierig und bedeutungsvoll" i.S. der Verg.Gr. IVa anzusehen.

15

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Streitwertbeschluss:

Der Streitwert wird auf 9.000,00 DM festgesetzt.

Die Streitwertfestsetzung aus 12 Abs. 7 ArbGG.