Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 04.10.1990, Az.: XII 322/87

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
04.10.1990
Aktenzeichen
XII 322/87
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1990, 22144
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:1990:1004.XII322.87.0A

Tenor:

  1. Die Klagen werden auf Kosten der Kläger abgewiesen.

Tatbestand:

1

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, der Kinderfreibeträge und der abzugsfähigen Vorsorgeaufwendungen in den Jahren 1983, 1986 und 1988 streitig.

2

Der Kläger ist Rechtsanwalt, die Klägerin Lehrerin. Der Kläger ist Eigentümer der Grundstücke . 5 und 7. Nach den Feststellungen einer Außenprüfung für die Jahre 1980 bis 1982 nutzt der Kläger das Haus Nr. 7 zu 12 v.H., das Haus Nr. 5 zu 30 v.H. betrieblich. Die AfA für das Haus Nr. 5 beträgt 2.022,00 DM, ab 1987 646,00 DM, die AfA für das Haus Nr. 7 beträgt 2.651,00 DM (2 % v. 132.562,00 DM) zuzüglich 1.325,00 DM Sonder-AfA nach § 82 a EStDV.

3

Der Kläger wohnt im Haus Nr. 5, das Haus Nr. 7 steht bis auf den betrieblich genutzten Teil seit dem Auszug der letzten Mieter um die Jahreswende 1980/81 leer. Ab 1. August 1986 ist ein Zimmer in diesem Hause für monatlich 100,00 DM an den Schwiegervater des Klägers, der seinen Hauptwohnsitz in D. hat, vermietet.

4

Da der Kläger seine Einkommensteuererklärung 1983 zunächst nicht einreichte, schätzte das beklagte Finanzamt die Besteuerungsgrundlagen und ermittelte eine Steuer von 49.758,00 DM. Nachdem der Kläger seine Einkommensteuererklärung im Einspruchsverfahren abgegeben hatte, erhöhte das beklagte Finanzamt die Steuer auf 52.516,00 DM, hob den Änderungsbescheid jedoch auf, weil es nicht auf die Verböserungsabsicht hingewiesen hatte. Im Einspruchsbescheid wurde die Steuer, nachdem der Hinweis nachgeholt worden war, auf 51.502,00 DM festgesetzt. Streitig blieben allein die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. In seiner Einkommensteuererklärung hatte der Kläger sie wie folgt ermittelt, wobei er die AfA-Ermittlung teilweise dem Beklagten überlassen hatte:

Haus Nr. 5:

Zinsaufwand

956,64 DM

AfA

2.022,00 DM

Mieteinnahmen

4.183,00 DM

Mietwert

441,00 DM

Überschuß

1.645,36 DM

Haus Nr. 7:

Zinsaufwand, 70 %

30.432,84 DM

AfA, 70 %

5.567,00 DM

Mieteinnahmen

-;

Verlust

35.999,94 DM

5

Die anderen 30 % der Grundstücksaufwendungen in Höhe von 15.428,65 DM machte der Kläger als Betriebsausgaben geltend.

6

Demgegenüber ermittelte das beklagte Finanzamt die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung wie folgt:

Haus Nr. 5:

Mietwert (1,4 % von 88 % v. 35.800,00 DM)

441,00 DM

nachgewiesener Zinsaufwand 624,77 DM, davon 88 %

550,00 DM

Eigenmietwert nach § 21 a EStG

0 DM

AfA § 82 a EStDV (88 % v. 2.022,00 DM)

1.780,00 DM

Einkünfte

./.

1.780,00 DM

Haus Nr. 7:

keine Einkunftserzielungsabsicht, daher Einkünfte

0 DM

7

Die Grundstücksaufwendungen wurden vom Beklagten zu 30 v.H. von 16.263,00 DM = 4.879,00 DM statt 15.428,65 DM bei den Einkünften aus selbständiger Arbeit als Betriebsausgaben berücksichtigt. Wegen der Ermittlung im einzelnen wird auf das Schreiben des Beklagten vom 30. März 1987 (Bl. 69 des Hefters Einspruch 1983) und den Einspruchsbescheid vom 7. Mai 1987 verwiesen. Von den Vorsorgeaufwendungen der Kläger waren aufgrund der Vorschriften des § 10 Abs. 3 EStG 13.025,00 DM abzugsfähig.

8

In seiner Einkommensteuererklärung 1986 ermittelte der Kläger seine Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung wie folgt:

Haus Nr. 5:

Aufwand

174,54 DM

AfA

4.181,00 DM

Haus Nr. 7:

Aufwand

4.020,41 DM

AfA

5.567,00 DM

Disagio

1.700,00 DM

Einkünfte

./.

15.643,00 DM

9

Das beklagte Finanzamt ermittelte die Einkünfte demgegenüber wie im Jahre 1983 mit 88 % des Grundbetrages und 88 v.H. der Aufwendungen allein für das Haus Nr. 5 auf ./. 1.494,00 DM. Wegen der Berechnung wird auf Bl. 28 der Einkommensteuerakten 1986 verwiesen. Von der AfA für das Haus Nr. 7 berücksichtigte es 30 v.H. = 1.192,00 DM als Betriebsausgaben (Bescheid vom 17. Februar 1989). -; Von den Vorsorgeaufwendungen in Höhe von 19.906,00 DM waren aufgrund der Vorschriften des § 10 Abs. 3 EStG 8.766,00 DM abzugsfähig.

10

Der Einspruch hiergegen blieb mangels Begründung erfolglos.

11

In seiner Einkommensteuererklärung 1988 ermittelte der Kläger seine Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung wie folgt:

Haus Nr. 5:

Aufwendungen

4.456,43 DM

AfA

2.807,00 DM

Haus Nr. 7:

70 % der Aufwendungen

8.867,63 DM

AfA

5.567,00 DM

Werbungskosten

21.698,00 DM

Mieteinnahmen

1.200,00 DM

Verlust

20.498,00 DM

12

Das beklagte Finanzamt ließ demgegenüber für das Haus Nr. 5 nur 88 v.H. der Sonder-AfA nach § 82 a EStDV von 569,00 DM zum Abzug zu und berücksichtigte 12 v.H. der geltend gemachten Aufwendungen als Betriebsausgaben. Von den Aufwendungen für das Haus Nr. 7 ließ es 30 v.H. als Betriebsausgaben zum Abzug zu und berichtigte einen Fehler in der Ermittlung der AfA. -; Von den Vorsorgeaufwendungen in Höhe von 20.730,00 DM waren aufgrund der Vorschrift des § 10 Abs. 3 EStG 8.128,00 DM abzugsfähig.

13

Der Einspruch hiergegen blieb mangels Begründung erfolglos.

14

Mit ihren Klagen wenden sich die Kläger zunächst gegen den Nichtansatz der Aufwendungen für das Haus Nr. 7 (70 v.H.) als Werbungskosten. Es habe seit dem Erwerb des Grundstückes im Jahre 1980 die Absicht bestanden, das Haus zu vermieten, soweit es nicht für betriebliche Zwecke verwendet werde. Eine Vermietung sei jedoch bisher wegen des Zustandes des Hauses nicht möglich gewesen. Es sei von der letzten Mieterin so verwohnt und verwahrlost übergeben worden, daß höhere Investitionen für die Herrichtung erforderlich wären. Diese könnten die Kläger aber wegen fehlender Mittel zur Zeit nicht durchführen. Allein der später an den Vater der Klägerin vermietete Raum sei in einfacher Weise wieder hergestellt worden. Werbungskosten seien zu Unrecht nicht anerkannt worden. Die AfA nach § 7 b EStG betrage 6.628,00 DM. Daneben machen die Kläger noch geltend, daß die Kinderfreibeträge nicht in ausreichender Höhe und die Vorsorgeaufwendungen nicht in der tatsächlichen Höhe berücksichtigt worden seien. Letzteres gelte ab 1986 auch für die Beträge für die auswärtige Unterbringung der in Ausbildung befindlichen Kinder.

15

Die Kläger beantragen,

die Einkommensteuer 1983 auf 20.000,00 DM herabzusetzen, die Einkommensteuer 1986 um 11.674,00 DM niedriger festzusetzen,

16

die Einkommensteuer 1988 um 10.328,00 DM niedriger festzusetzen.

17

Das beklagte Finanzamt beantragt,

die Klagen abzuweisen.

18

Es trägt dazu vor: Weitere Werbungskosten seien nicht nachgewiesen. Es liege an den Klägern, Belege aufzubewahren, solange die Steuern noch nicht endgültig festgesetzt worden seien. Täten sie das nicht, hätten sie den Nachteil der Unaufklärbarkeit zu tragen. Eine ernsthafte Vermietungsabsicht habe nie bestanden, wie die lange Zeit des Leerstehens beweise. Die Einlassung der Kläger könne wegen ihrer Kreditwürdigkeit nicht überzeugen. Der vorgelegte Mietvertrag beweise nicht das Gegenteil. Der Mieter bewohne das Zimmer nur gelegentlich zu Erholungszwecken, weil er in D. seinen Hauptwohnsitz habe. Das Mietverhältnis sei weder ernsthaft gewollt noch tatsächlich durchgeführt.

19

Hätten die Kläger im Rahmen des Vorverfahrens zu den Freibeträgen etwas vorgetragen, hätte das beklagte Finanzamt das Einspruchsverfahren ruhen lassen.

20

Die Kinderfreibeträge und der Ausbildungsfreibetrag seien seit 1986 angemessen erhöht worden. Insoweit bestünden keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Vorsorgebeträge seien im Rahmen der gesetzlich vorgesehenen Höchstbeträge als Sonderausgaben berücksichtigt worden.

21

Das beklagte Finanzamt hat den Einkommensteuerbescheid 1986 im Laufe des Klageverfahrens geändert und den Einkommensteuerbescheid 1983 bezüglich der Kinderfreibeträge für vorläufig erklärt. Die Kläger haben die geänderten Bescheide zum Gegenstand des Verfahrens gemacht.

Gründe

22

Die Klage ist unbegründet.

23

Die Höhe der Werbungskosten -; geldlicher Aufwand, Abschreibungen -; für die beiden Grundstücke ist vom Beklagten zutreffend ermittelt worden. Der von den Klägern vorgelegten EDV-Buchführung kommt demgegenüber keine steuerliche Bedeutung zu.

24

Werbungskosten sind Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen; sie sind bei der Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind (§ 9 Abs. 1 EStG). Eine Buchführung nach §§ 140; 148 AO ist im Regelfall der Besteuerung zugrunde zu legen (§ 158 AO).

25

Aus diesen Vorschriften ergibt sich nicht, daß die von den Klägern vorgelegte EDV-Buchfürung für die beiden Grundstücke der Besteuerung zugrunde zu legen ist. Denn für Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung ist eine Buchführung nicht vorgesehen, bei ihnen kommt es auf den Nachweis der Werbungskosten an. Den Nachweis der Werbungskosten kann die Finanzbehörde jedenfalls bis zur Bestandskraft der Steuerbescheide verlangen. Kann der Steuerpflichtige den Nachweis, daß die Aufwendungen entstanden sind und mit einer bestimmten Einkunftsart zusammenhängen, nicht erbringen, hat er den Nachteil der Nichterweislichkeit zu tragen.

26

Die Absetzungen für Abnutzung sind vom Beklagten zutreffend anhand der in den Akten befindlichen Abschreibungstabellen berücksichtigt worden. Abschreibungen nach § 7 b EStG stehen den Klägern für das Haus Nr. 7 nicht zu, weil es nicht zu mehr als 66 2/3 v.H. Wohnzwecken dient, denn das Gebäude stand, soweit es nicht betrieblichen Zwecken diente, ständig leer. Nur wenn Räume vorübergehend leerstehen, ist dies für die Anwendung des § 7 b EStG unerheblich (Schmidt, EStG, 9. Auflage, Anm. 5 h zu § 7 b). Das war jedoch nicht der Fall. Denn die Räume standen vom Anfang des Jahres 1981 bis zur mündlichen Verhandlung leer, mit Ausnahme des einen, nur notdürftig hergerichteten Raumes, der dem Vater der Klägerin zur Verfügung gestellt wurde. Eine Eigennutzung oder Vermietung der Räume war nicht ernsthaft beabsichtigt. Wenn auch den Klägern die Mittel hierfür nicht zur Verfügung gestanden haben mögen, hätten sie diese sich leicht durch Kreditaufnahme beschaffen können, da der Kläger durch seinen Beruf und das vorhandene Grundvermögen kreditwürdig war. Nutzte der Kläger aber in einem Zeitraum von fast 10 Jahren die Möglichkeit, die Räume ertragbringend herzurichten, nicht, kann von einem nur vorübergehenden Leerstehen nicht die Rede sein.

27

Darüber hinaus war der Begünstigungszeitraum von 8 Jahren gemäß § 7 b EStG mit Ablauf des Jahres 1987 beendet, so daß die AfA nach § 7 b EStG im Jahre 1988 ohnehin nicht mehr gewährt werden durfte.

28

Das beklagte Finanzamt hat die auf die leerstehenden Räume entfallenden 70 v.H. der Aufwendungen zu Recht nicht zum Abzug als Werbungskosten zugelassen, weil sie nicht der Erwerbung, Sicherung und Erhaltung von Einnahmen dienten (§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG). Das langjährige Leerstehenlassen spricht für eine insgesamt fehlende Einnahmeerzielungsabsicht (BFH-Urteil vom 19. September 1990 IX R 5/86, Der Betrieb 1990, 2451). So ist der erkennende Senat in seinem nicht veröffentlichten Urteil vom 21. November 1985 XII 553/84 bei einem Leerstehen von nur zwei Jahren davon ausgegangen, daß dem Eigentümer die Absicht fehle, Einnahmen zu erzielen. Dies muß est recht gelten, wenn Räume fast 10 Jahre leerstehen.

29

Die "Vermietung" eines Zimmers an den Vater der Klägerin steht dem nicht entgegen. Das beklagte Finanzamt hat den Mietvertrag zu Recht nicht berücksichtigt. Die steuerliche Anerkennung von Verträgen unter nahen Angehörigen setzt u.a. voraus, daß sie inhaltlich dem entsprechen, was auch unter einander fremden Personen vereinbart worden wäre. Hieran fehlt es im Streitfall. Der Vater hat seinen Wohnsitz in D.. Bei dem von ihm im Haus Nr. 7 "angemieteten" Zimmer handelt es sich um einen Raum, der ihm dann zur Verfügung steht, wenn er Tochter und Enkelkinder besucht. Es ist ungewöhnlich, wenn ein Angehöriger für einen Raum bei Besuchen der Kinder Miete zahlt. Gleichermaßen wäre es ungewöhnlich, wenn die Kläger beim Besuch des Vater für den dort genutzten Raum Miete zahlen würden. Das Zimmer wäre auch an eine familienfremde Person nicht vermietbar, da es nur in einfacher Weise, also nicht den heutigen Wohnbedürfnissen entsprechend, wieder hergestellt worden ist. Einen solchen Raum nimmt man nur bei kurzen Besuchen, nicht aber bei ständiger Anwesenheit in Kauf, ohne dafür -; unabhängig von der tatsächlichen Nutzung -; Miete zu bezahlen.

30

Das beklagte Finanzamt hat den abzugsfähigen Teil der Vorsorgeaufwendungen zutreffend ermittelt.

31

Verfassungsmäßige Bedenken gegen die Begrenzung des Abzugs auf bestimmte Höchstbeträge bestehen nicht (Beschluß des BVerfG vom 28. Dezember 1984 1 BvR 1472/84, 1 BvR 1473/84, HFR 1985, 337).

32

Insbesondere trifft es nicht zu, daß der Kläger als Freiberufler, der seine eigene Altersvorsorge finanzieren muß, gegenüber Arbeitnehmern durch die Beschränkung der Abzugsfähigkeit benachteiligt würde. Denn auch Arbeitnehmer können höhere Beträge als die gesetzlichen Höchstbeträge nicht steuerlich geltend machen. Soweit der Arbeitgeber Beiträge zugunsten des Arbeitnehmers zur Sozialversicherung leistet, werden sie auf die Höchstbeträge angerechnet; steht dem Arbeitnehmer eine Altersvorsorge ohne eigene Beitragsleistung zu -; z.B. der Klägerin als Beamtin -;, wird zwecks Gleichbehandlung eine Anrechnung fiktiver Arbeitgeberbeiträge vorgenommen.

33

Das beklagte Finanzamt hat die Ausbildungsfreibeträge für auswärtige Unterbringung in der gesetzlichen Höhe angesetzt. Diese sind nicht zu beanstanden (Urteil des Nieders. Finanzgerichts vom 15. November 1988 VII 517/87, EFG 1989, 235). Denn die Summe von Ausbildungs- und Kinderfreibetrag zuzüglich des in eine steuerliche Entlastung umgerechneten Kindergeldes (vgl. Beschl. des BVerfG vom 29. Mai 1990 1 BvL 20/84 u.a., NJW 1990, 2869 [BVerfG 29.05.1990 - 1 BvL 20/84]) führt zu einer Entlastung, die den sozialhilferechtlichen Regelsatz übersteigt.

34

Auch die Höhe der Kinderfreibeträge in den Jahren 1986 und 1988 (2.484,00 DM) ist unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht zu beanstanden. Denn zusammen mit dem in eine steuerliche Entlastung umgerechneten Kindergeld hält das so ermittelte Gesamtvolumen unter Berücksichtigung der Sozialhilfesätze einer verfassungsrechtlichen Prüfung stand (Urteil des Hessischen Finanzgerichts vom 17. Januar 1989 7 K 3737/88, EFG 1989, 235, vgl. auch BFH-Beschluß vom 2. August 1988 III B 12/88, BFHE 154, 123).

35

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung.