Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 01.02.1967, Az.: IV OVG A 100/66

Ersatz einer Gleichstellung wegen Minderbeschädigung durch eine Gleichstellung wegen Schwererwerbsbeschränkung; Sonderurlaub nur für Schwerbeschädigte; Fehlen einer gesetzlichen Regelung; Folgen für die Änderung des Arbeitsplatzes und die Erteilung der Zustimmung zur Kündigung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
01.02.1967
Aktenzeichen
IV OVG A 100/66
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1967, 11613
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:1967:0201.IV.OVG.A100.66.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Hannover - 18.01.1966 - AZ: V A 29/65

Verfahrensgegenstand

Gleichstellung mit den Schwerbeschädigten.

In der Verwaltungsrechtssache
hat der IV. Senat des Oberverwaltungsgerichts für die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein in Lüneburg
am 1. Februar 1967
durch
die Oberverwaltungsgerichtsräte Dr. Färber und Dr. Wroblewski,
den Verwaltungsgerichtsrat Dr. Riemann sowie
die ehrenamtlichen Verwaltungsrichter Hencke und Böhme
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover - Fünfte Kammer - vom 18. Januar 1966 geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

I.

Der am 20. Januar 1912 geborene Kläger ist auf seinen Antrag vom 6. Juli 1961 durch Bescheid der Fürsorgestelle der Hauptstadt ... vom 5. August 1961 nach § 2 Abs. 1 des Schwerbeschädigtengesetzes vom 16. August 1953 als Minderbeschädigter für die Dauer seines Arbeitsverhältnisses bei dem Volkswagenwerk den Schwerbeschädigten gleichgestellt worden. Seine vom Versorgungsamt anerkannte Erwerbsminderung betrug damals 30 v.H., sie war ausgesprochen worden wegen Herzmuskelschadens, wegen Metallsplitter in den Weichteilen des rechten Oberarms und wegen Narben am rechten Oberarm; sie ist auf Grund eines Urteils des Sozialgerichts vom 7. Oktober 1965 inzwischen auf 40 v.H. ab 1. April 1964 festgesetzt worden. Das Arbeitsamt und das Volkswagenwerk hatten die Gleichstellung befürwortet. Der Kläger hatte seinen Antrag damit begründet, er sei im Jahre 1958 bei dem Volkswagenwerkstätten als Arbeiter eingestellt worden, infolge der schweren Arbeit in der Motorenteileanfertigung habe sich sein anerkanntes Versorgungsleiden verschlechtert, so daß ihm auf Anraten des Werkarztes die Arbeit in der Motorenabteilung verboten sei; er solle auf einen Schönplatz umgesetzt werden, diesen Arbeitsplatz könne er sich jedoch nur erhalten, wenn er die Gleichstellung beibringe.

2

Im Mai 1964 beantragte der Kläger seine Gleichstellung als Schwererwerbsbeschränkter nach § 2 Abs. 1 b des Schwerbeschädigtengesetzes idF vom 14. August 1961 mit der Begründung, neben seinem Kriegsleiden leide er an einer progressiven Muskeldystrophie, so daß seine Erwerbsminderung höher als 50 v.H. sei. Das Gesundheitsamt bestätigte, der Kläger leide an progressiver Muskeldystrophie, es bestehe eine rechtsseitige Lähmung des Schulterblattsmuskels, die Gesamterwerbsminderung betrage 70 v.H. Das Arbeitsamt befürwortete die Gleichstellung nicht, mit dem Hinweis, der Kläger werde der Gleichstellung zur Erhaltung des Arbeitsplatzes bei dem Volkswagenwerk als Prüfer nicht bedürfen, da er bereits gleichgestellt sei. Die Fürsorgestelle der Stadt ... befürwortete die beantragte Gleichstellung ebenfalls nicht; der jetzige Arbeitsplatz des Klägers sei durch seine Gleichstellung gesichert, es werde hier offensichtlich der Sonderurlaub von 6 Tagen für Schwerbeschädigte mit angestrebt. Die Hauptfürsorgestelle lehnte darauf am 14. Juli 1964 den Antrag des Klägers ab, da sein jetziger Arbeitsplatz ausreichend geschützt sei, die Ersetzung der im Jahre 1961 erteilten Gleichstellung als Minderbeschädigter durch eine Gleichstellung als Schwererwerbsbeschränkter entbehre einer zwingenden Notwendigkeit. Im Widerspruchsverfahren empfahl das Volkswagenwerk, die beantragte Gleichstellung nach § 1 b des Schwerbeschädigtengesetzes nicht zu erteilen, da der Kläger den Schutz des Schwerbeschädigtengesetzes genieße, als Schwerbeschädigter angerechnet werde und da über 400 Werksangehörige vorhanden seien, die zu 30 und 40 v.H. kriegsbeschädigt seien und für sich das gleiche Recht wie der Kläger in Anspruch nehmen könnten. Der Widerspruchsausschuß wies durch Bescheid vom 8. Februar 1965 den Widerspruch zurück. Würde dem Antrag des Klägers stattgegeben, dann hätte er zwei rechtsgültige Bescheide in der Hand. Dadurch werde Rechtsunsicherheit geschaffen. Der Kläger habe durch seine bisherige Gleichstellung die Vorteile erlangt, die zur Erhaltung des Arbeitsplatzes erforderlich seien. Eine Gleichstellung nur mit dem Ziel der Erlangung des Zusatzurlaubes oder anderer Vergünstigungen sei mit dem Sinn und dem Zweck des Gesetzes nicht vereinbar. Die Hauptfürsorgestelle habe von ihrem Ermessen rechtmäßig Gebrauch gemacht.

3

Mit der Klage hat der Kläger unter Wiederholung seines bisherigen Vorbringens noch vorgetragen, er bezwecke mit seinem Antrage die Erlangung des Anspruchs auf Zusatzurlaub. Nach dem bisherigen Recht habe ihm als Minderbeschädigtem der Zusatzurlaub ebenfalls zugestanden. Nach der Übergangsvorschrift des Art. II des Gesetzes zur Änderung des Schwerbeschädigtengesetzes vom 3. Juli 1961 habe er Anspruch auf Zusatzurlaub nur noch bis Juli 1963, d.h. zwei Jahre nach dem Inkrafttreten des Änderungsgesetzes gehabt. Nunmehr könne er Zusatzurlaub nur noch verlangen, wenn er seine Gleichstellung als Schwererwerbsbeschränkter erlange. Durch die Zuerkennung des Zusatzurlaubs an diesen Personenkreis habe der Gesetzgeber ein besonderes Erholungsbedürfnis anerkannt. Ein solches Erholungsbedürfnis liege bei ihm vor. Die bisherige Gleichstellung vom Jahre 1961 könne zugleich mit der neuen Gleichstellung aufgehoben werden. Der Beklagte habe von seinem Ermessen einen fehlerhaften Gebrauch gemacht. Der Kläger hat beantragt,

  1. 1.

    den Bescheid des beklagten Amtes vom 14. Juli 1964 und den Widerspruchsbescheid des Widerspruchsausschusses bei der Hauptfürsorgestelle Hannover vom 8. Februar 1965 aufzuheben und

  2. 2.

    den Beklagten zu verpflichten, ihm die Gleichstellung gemäß § 2 Abs. 1 Buchst. b des Schwerbeschädigtengesetzes vom 14. August 1961 zu gewähren,

    hilfsweise,

    den Beklagten zu verpflichten, ihm unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

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Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

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Er hat unter Hinweis auf die Begründung der angefochtenen Bescheide noch vorgetragen, das Gesetz gewähre keinen Rechtsanspruch auf Gleichstellung, sie stehe im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde. Die Hauptfürsorgestelle sei mangels Zuständigkeit auch nicht in der Lage, den von einer örtlichen Fürsorgestelle erteilten Gleichstellungsbescheid aufzuheben.

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Sie sei zudem rechtlich gehindert, dem neuen Antrag des Klägers zu entsprechen, weil infolge der bereits erfolgten Gleichstellung eine der vom Gesetz geforderten Voraussetzungen, nämlich die Gefährdung des Arbeitsplatzes, nicht vorliege.

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Das Verwaltungsgericht hat durch Urteil vom 18. Januar 1966 der Klage stattgegeben. Das Rechtsschutzinteresse des Klägers ergebe sich daraus, daß der Gesetzgeber zwei Gruppen von Gleichzustellenden ausdrücklich unterschieden und unterschiedlich behandelt habe. Das Motiv des Klägers, den Zusatzurlaub zu erlangen, gebe zu rechtlichen Bedenken keinen Anlaß. Es bedürfe keiner Erörterung, ob über den neuen Gleichstellungsantrag des Klägers deshalb hätte sachlich entschieden werden müssen, weil der alte Bescheid vom Jahre 1961 bereits nach dem Inkrafttreten des Änderungsgesetzes ergangen sei; denn die Hauptfürsorgestelle habe in der Sache selbst entschieden. Hinsichtlich der Frage, ob die Gleichstellung nach Buchst. a als Minderbeschädigter oder nach Buchst. b als Schwererwerbsbeschränkter zu erfolgen habe, stehe der Hauptfürsorgestelle ein Ermessensspielraum nicht zu. Soweit nach Ermessen zu entscheiden sei, darüber nämlich, ob überhaupt eine Gleichstellung angebracht sei, sei dieses Ermessen bereits zugunsten des Klägers im Jahre 1961 ausgeübt worden. Da die Erwerbsminderung des Klägers insgesamt 70 v.H. betrage, habe er Anspruch auf Gleichstellung als Schwererwerbsbeschränkter, ohne Rücksicht darauf, daß ein Teil seiner Erwerbsminderung auf einer Kriegsbeschädigung beruhe.

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Gegen dieses am 1. März zugestellte Urteil richtet sich die am 30. März 1966 eingegangene Berufung. Das beklagte Amt macht geltend, es bestünden schon Zweifel hinsichtlich der Zulässigkeit der Klage, da der Kläger den Zusatzurlaub nach § 30 SBG erstrebe und ihn möglicherweise durch ein Urteil des Arbeitsgerichts erhalten könne, nämlich im Hinblick auf seine Gleichstellung als Minderbeschädigter und seine amtsärztlich nachweisbare schwere Erwerbsbeschränkung. Der Klage fehle das Rechtsschutzinteresse, weil der Kläger bereits gleichgestellt sei und eine Gleichstellung nur zwecks Erlangung des Zusatzurlaubes vom Gesetz nicht vorgesehen sei. Der Zusatzurlaub sei nur eine Nebenfolge der Gleichstellung. Die beantragte Gleichstellung könne auch deshalb nicht ausgesprochen werden, weil der Arbeitsplatz des Klägers überhaupt nicht gefährdet sei. Es sei auch nicht geprüft worden, ob durch die beantragte Gleichstellung die Unterbringung arbeitssuchender anerkannter Schwerbeschädigter beeinträchtigt werde. Das könne im jetzigen Zeitpunkt nicht ohne weiteres unterstellt werden. Die erneute Gleichstellung sei auch deswegen ausgeschlossen, weil der Kläger durch eine andere Behörde bereits gleichgestellt sei und die Hauptfürsorgestelle den Bescheid der Hauptstadt Hannover nicht aufheben könne. Jeder der beiden Bescheide habe unterschiedlichen Bestand für die Zukunft, könne beispielsweise zu verschiedenen Zeitpunkten widerrufen werden. Der erste Bescheid werde auch nicht etwa durch Verzicht des Klägers oder Rückgabe unwirksam. Da Bescheide verschiedener Rechtspersonen vorlägen, könne auch nicht angenommen werden, der erste Bescheid der Hauptstadt ... sei überholt oder wirkungslos geworden. Das Landessozialamt beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

9

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

10

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Es könne sich hier nicht um eine wiederholte Gleichstellung handeln, wenn lediglich eine Folgerung aus der Gleichstellung schlechthin gefordert werde. Eine doppelte Gleichstellung werde nicht verlangt.

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Der Senat hat das Volkswagenwerk als Arbeitgeber des Klägers beigeladen. Das Werk hat Anträge nicht gestellt.

12

In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger noch darauf hingewiesen, die erstrebte Gleichstellung als Schwererwerbsbeschränkter habe nicht nur Bedeutung für den Zusatzurlaub, sondern nach seiner Auffassung auch für eine mögliche Umsetzung auf einen anderen Arbeitsplatz im Betrieb oder für die Beurteilung der Zustimmung zu einer etwaigen Kündigung. Der Vertreter des Volkswagenwerks hat angegeben, eine Kündigung des Klägers oder sonstiger Schwerbeschädigter oder Gleichgestellter sei nach der derzeitigen Beschäftigungslage des Werks nicht beabsichtigt. Im Falle einer Umsetzung auf einen anderen Arbeitsplatz werde selbstverständlich dem jeweiligen Gesundheitszustand des Betroffenen Rechnung getragen ohne Rücksicht darauf, ob er als Minderbeschädigter oder Schwererwerbsbeschränkter gleichgestellt sei. Der Vertreter der Hauptfürsorgestelle hat vorgetragen, aus Mitteilungen des Arbeitsamts sei ihm bekannt, daß zur Zeit eine Reihe von Schwerbeschädigten im Sinne des § 1 SBG arbeitslos seien und auf ihre bevorzugte Unterbringung warteten. Die vom Kläger jetzt erstrebte neue Gleichstellung als Schwererwerbsbeschränkter könne schon deshalb nicht erfolgen weil bei der derzeitigen Beschäftigungslage nicht festgestellt werden könne, dass durch die Gleichstellung die Unterbringung von Schwerbeschädigten nicht beeinträchtigt werde.

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Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Parteien wird im übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakten, die Akten des Versorgungsamts Hannover betr. den Kläger und die Vorgänge der beklagten Hauptfürsorgestelle sowie des Sozialamts in ... Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Berufung ist zulässig und begründet.

15

Es kann im vorliegenden Fall unentschieden bleiben, ob angesichts der gesetzlichen Regelung, die zwischen einer Erwerbsminderung wegen Kriegsbeschädigung und einer Erwerbsminderung aus anderen Gründen unterscheidet, überhaupt eine Zusammenrechnung der Erwerbsminderung aus den beiden genannten Gründen erfolgen kann. Die Klage muß schon aus einem anderen Grunde ohne Erfolg bleiben.

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Es kann in Übereinstimmung mit der Auffassung des Klägers auch unterstellt werden, daß die Hauptfürsorgestelle bei Schwererwerbsbeschränkten, deren Erwerbsminderung zum Teil auf eine Kriegsbeschädigung und zum Teil auf Gründe anderer Art zurückzuführen ist, an sich gehalten ist, die Gleichstellung auf deren Antrag nach § 2 Abs. 1 b des Schwerbeschädigtengesetzes vorzunehmen, weil diese Gleichstellung den Zusatzurlaub verschafft. Daraus ergibt sich aber für den vorliegenden Fall nichts. Der Kläger hatte seine Gleichstellung als Minderbeschädigter beantragt und erhalten, er wird nunmehr als Gleichgestellter behandelt. Unerheblich ist, daß der Bescheid vom 5. August 1961 die Vorschrift des § 2 Abs. 1 des Schwerbeschädigtengesetzes in der alten Fassung erwähnt und nicht die inzwischen, am 8. Juli 1961 in Kraft getretene neue Fassung.

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Die hier entscheidende Frage ob eine Gleichstellung wegen Minderbeschädigung gegebenenfalls durch eine Gleichstellung wegen Schwererwerbsbeschränkung zu ersetzen ist, ist im Gesetz nicht geregelt. Das Schwerbeschädigtengesetz in der Fassung von 1953 hatte deshalb keinen Anlaß zu einer solchen Regelung, weil unterschiedliche Auswirkungen der Gleichstellung nicht bestanden; das Gesetz wollte sogar eine Besserstellung der Minderbeschädigten, weil bei ihnen nicht zu prüfen war, ob durch die Gleichstellung die Unterbringung der Schwerbeschädigten beeinträchtigt wird (vgl. dazu Sellmann, Gesetz über die Beschäftigung Schwerbeschädigter, 1953 Rn. 10 zu § 2 S. 59). Das Änderungsgesetz von 1961 führt zwar auf Grund einer Kompromißlösung (vgl. dazu Becker, Schwerbeschädigtengesetz, 2. Aufl. 1961 Nr. 11 zu § 34 S. 592) hinsichtlich des Zusatzurlaubs für Schwerbeschädigte einen Unterschied zwischen der Gleichstellung wegen Minderbeschädigung und wegen Schwererwerbsbeschränkung ein, enthält sich aber einer Regelung der hier in Rede stehenden Frage, auch in den Übergangsvorschriften.

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Der Senat ist zu der Auffassung gelangt, daß sich aus dem Zusammenhang und dem Sinn der gesetzlichen Bestimmungen und aus allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsrechts ein Anspruch des Gleichgestellten nicht herleiten läßt, die Gleichstellung wegen Minderbeschädigung durch eine Gleichstellung wegen Schwererwerbsbeschränkung zu ersetzen. Hätte der Gesetzgeber des Jahres 1961, der den Minderbeschädigten den Sonderurlaub versagte und ihn den bereits gleichgestellten Minderbeschädigten nur noch für eine Übergangszeit von zwei Jahren seit Inkrafttreten des Änderungsgesetzes zubilligte (Art. II des Gesetzes vom 3. Juli 1961), einen Anspruch auf Ersetzung der einen Gleichstellung durch eine andere gewähren wollen, so hätte es nahe gelegen, das aus Anlaß der Rechtsänderung zu erwähnen. Das Schweigen des Gesetzes spricht eher dafür, daß an der bisherigen Regelung festgehalten werden sollte und daß nicht in Abweichung vom früheren Recht zwei grundsätzlich verschiedene Arten der Gleichstellung geschaffen werden sollten.

19

Da die im Kompromißwege gefundene Lösung nur bis zum Erlaß eines allgemeinen Urlaubsgesetzes gelten sollte (vgl. Becker, a.a.O., S. 593), verbietet sich nach der Auffassung des Senats erst recht die Annahme, der Gesetzgeber habe für diese befristete Zeitspanne von dem bisherigen System abgehen wollen, zumal unter Berücksichtigung der sehr weittragenden wirtschaftlichen Folgen, die eine derartige Annahme nach sich ziehen müßte.

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Der Umstand, daß den gleichgestellten Minderbeschädigten mit der Neuregelung kein Zusatzurlaub mehr zugestanden wird, rechtfertigt aber auch sonst nicht den Schluß, es sollten zweierlei Arten von Gleichstellungen eingeführt werden. Das Rechtsinstitut der Gleichstellung nach § 2 SBG dient der Erlangung und Erhaltung von Arbeitsplätzen. Das ergibt sich zweifelsfrei aus der Fassung des Gesetzes: sowohl in der Fassung des Jahres 1953 wie der des Jahres 1961 ist eindeutig darauf abgestellt, daß die begünstigten Personen ohne die Gleichstellung einen Arbeitsplatz nicht zu erlangen öder zu behalten vermögen. Die Gleichstellung zu einem anderen Zweck ist nicht vorgesehen und nicht zulässig (vgl. dazu die in der Zeitschrift Kriegsopferfürsorge und Schwerbeschädigtenrecht 1965 S. 13 und 1966 S. 85 aufgeführten Fälle, ferner Becker, a.a.O., Anm. Nr. 5 zu § 2 S. 102). Daraus folgt nach der Auffassung des Senats, daß ein bereits Gleichgestellter, für den im Hinblick auf seinen langjährig innegehaltenen Arbeitsplatz die Erlangung eines neuen oder die Erhaltung eines gefährdeten Arbeitsplatzes nicht in Betracht kommt, nicht nochmals seine Gleichstellung beanspruchen kann, wenn neben die Minderbeschädigung auch eine Schwererwerbsbeschränkung tritt. Dadurch, daß ein wegen Schwererwerbsbeschränkung Gleichgestellter nach der derzeitigen Regelung Anspruch auf einen zusätzlichen Urlaub hat, verändert sich unter dem Gesichtspunkt von Zweck und Ziel der Gleichstellung noch nicht ihr Charakter. Die Gleichstellung wegen Schwererwerbsbeschränkung ist kein aliud gegenüber der Gleichstellung wegen Minderbeschädigung, weil der Zusatzurlaub nur eine Nebenerscheinung und von geringem Gewicht im Verhältnis zu dem durch die Gleichstellung als solche bewirkten Schutz ist.

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Für die Auffassung des Senats spricht auch, daß im umgekehrten Fall - wenn nämlich die Erwerbsbehinderung von über 50 v.H. entfällt und nur noch eine Minderbeschädigung zwischen 30 und 50 v.H. wegen Kriegsbeschädigung verbleibt - im Gesetz ein Widerruf oder eine Ersetzung der Gleichstellung wegen Schwererwerbsbeschränkung durch eine Gleichstellung wegen Minderbeschädigung nicht vorgesehen ist,

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Der Senat vermag auch nicht anzuerkennen, daß ein Bedürfnis zur Ersetzung der einen Gleichstellung durch die andere deshalb besteht, weil im Falle der Änderung des Arbeitsplatzes, oder im Verfahren wegen Erteilung der Kündigungszustimmung eine entscheidende Rolle spielen könnte, ob die Gleichstell wegen Minderbeschädigung oder wegen Schwererwerbsbeschränkung erfolgt ist. Denn zur Berücksichtigung der tatsächlich bestehenden Erwerbsminderung ist der Arbeitsgeber schon kraft arbeitsrechtlicher Fürsorgepflicht und nach § 12 des Schwerbeschädigtengesetzes verpflichtet; daß die Hauptfürsorgestelle bei Abwägung der Interessen im Kündigungschutzverfahren zur Prüfung der individuellen Verhältnisse verpflichtet ist, ergibt sich aus ihrer Aufklärungs- und Prüfungspflicht.

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Von besonderem Gewicht erscheint dem Senat auch der Umstand, daß die vom Kläger erstrebte Gleichstellung als Schwererwerbsbeschränkter nach der zwingenden Vorschrift des Gesetzes nur erfolgen kann, wenn zwei weitere Voraussetzungen vorliegen. Es muß nämlich im Zeitpunkt der Gleichstellung einmal die Unmöglichkeit der Erlangung oder Erhaltung des Arbeitsplatzes und weiterhin festgestellt werden, daß im Einzelfall die Unterbringung von Schwerbeschädigten nicht beeinträchtigt wird. Die Tatsache, daß im Jahre 1961 das Vorliegen dieser beiden Voraussetzungen bejaht worden ist, rechtfertigt es noch nicht, nunmehr bei der Entscheidung über den neuen Antrag von ihrer Prüfung abzusehen; denn anderenfalls wären die im Zeitpunkt der neuen Entscheidung etwa nicht untergebrachten Schwerbeschädigten, auf deren Schutz das Gesetz in erster Linie abzielt, beeinträchtigt. Dieser neuen umfassenden Prüfung kann der. Kläger auch nicht dadurch entgehen, daß er - wie es hier geschieht - ohne gänzlichen Verzicht auf die bisherige Gleichstellung zur Entscheidung der Hauptfürsorgestelle, unter Ausklammerung aller übrigen Voraussetzungen, nur eine Teilfrage, ein Element des gesamten einheitlichen Rechtsverhältnisses stellt, die Frage, ob die Gleichstellung nunmehr aus diesem oder jenem Grunde vorzunehmen ist.

24

Unter Berücksichtigung aller dieser Umstände ist der Senat außerstande festzustellen, daß nach der derzeitigen Rechtslage die angefochtenen Bescheide rechtswidrig sind und daß dem Kläger ein Anspruch zusteht, seine jetzige Gleichstellung wegen Minderbeschädigung durch eine Gleichstellung wegen Schwererwerbsbeschränkung zu ersetzen.

25

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten aus § 173 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 7 ZPO, Gemäß § 188 VwGO werden Gerichtskosten für dieses Verfahren nicht erhoben.

26

Der Senat hat die Revision zugelassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.

27

Die Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Urteils bei dem Oberverwaltungsgericht in Lüneburg, Uelzener Straße 40, durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule als Bevollmächtigten einzulegen und spätestens innerhalb eines weiteren Monats zu begründen.