Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 23.11.1966, Az.: V OVG A 98/63
Schadensersatzpflicht eines Soldaten; Anforderungen für die vorsätzliche Verletzung der Dienstpflicht; Umfang der Pflicht zur Dienstaufsicht für den allgemeinen Vorgesetzten; Trunkenheitsfahrt eines Soldaten während seiner Dienstzeit; Voraussetzungen für eine Haftungsminderung aus Soldatengesetz
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 23.11.1966
- Aktenzeichen
- V OVG A 98/63
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1966, 11301
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:1966:1123.V.OVG.A98.63.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Schleswig- 16.07.1963 - AZ: 5 A 195/62
Rechtsgrundlagen
- § 24 Abs. 1 SoldG
- § 10 Abs. 2 SoldG
- § 24 Abs. 1 S. 2 SoldG
Verfahrensgegenstand
Aufhebung eines Leistungsbescheides
Redaktioneller Leitsatz
Ein Soldat hat, wenn er schuldhaft seine Dienstpflichten verletzt, dem Bund den daraus entstandenen Schaden zu ersetzen. Hat er die Dienstpflicht in Ausübung von Hoheitsbefugnissen, im Ausbildungsdienst oder im Einsatz verletzt, so haftet er nur insoweit, als ihm Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit zu Last fällt. Haben mehrere Soldaten gemeinsam den Schaden verursacht, so haften sie als Gesamtschuldner.
Der V. Senat des Oberverwaltungsgerichts für die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein in Lüneburg
hat auf die mündliche Verhandlung vom 23. November 1966
durch
den Senatspräsidenten Lindner,
den Oberverwaltungsgerichtsrat Dörffler und
den Verwaltungsgerichtsrat Dr. Osterloh sowie
die ehrenamtliche Verwaltungsrichterin Frenzel und
den ehrenamtlichen Verwaltungsrichter Dr. Bötcher
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - V. Kammer - vom 16. Juli 1963 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten der Berufung. Ihm werden auch die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen auferlegt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
I.
Der Kläger gehörte bis zum 15. Januar 1961 als Maat einer in ... stationierten Marinefernmeldeeinheit an.
Am 17. Dezember 1960 erhielt er von dem Hauptbootsmann ... den Befehl, als Transportführer zusammen mit dem Matrosen ... als Fahrer mit einem 0,25 t LKW eine Dienstfahrt von ... nach ... und zurück durchzuführen. Es sollten aus dem Marinearsenal einige Ersatzteile abgeholt werden, die für ein ausgefallenes Radargerät der Marinefernmeldeeinheit benötigt wurden. Ein schriftlicher Fahrbefehl wurde für die Fahrt nicht ausgestellt. Auf der Hinfahrt fuhren ... und ein weiterer Soldat mit.
Auf der Rückfahrt besuchten der Kläger und ... auf Veranlassung des Klägers im Dorf ... eine Gastwirtschaft.
Während ihres auf zwei Stunden ausgedehnten Aufenthalts in dieser Gaststätte tranken sie Bier. Kurz vor ... besuchten sie noch eine andere Gaststätte, das Lokal "...", in dem sie wiederum Bier tranken. Bei der Weiterfahrt geriet das Fahrzeug gegen 18.00 Uhr von der Fahrbahn ab und fuhr eine Böschung hinunter. Es wurde schwer beschädigt. Der Kläger trug eine Gehirnerschütterung davon. ... erlitt u.a. Nieren- und Rippenquetschungen. Die bei ... um 20.15 Uhr entnommene Blutprobe hatte eine Blutalkoholkonzentration von 1,9 %o, die bei ... um 20.45 Uhr entnommene Blutprobe eine solche von 1,6 %o.
Die III. Grosse Strafkammer des Landgerichts in Kiel (II 113/61 = 6 Ms 10/61 der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Kiel) hat durch Ansucht vom 16. Februar 1962 wegen Ungehorsams in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung und wegen Verleitung zum Ungehorsam zu je zwei Monaten Gefängnis verurteilt.
Die dagegen eingelegte Revision hat das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht durch Urteil vom 28. Juni 1962 als unbegründet verworfen (Aktenzeichen 2 Ss 235/62).
Das Urteil der III. Großen Strafkammer des Landgerichts Kiel enthält folgende tatsächliche Feststellungen:
"II.
Während ihrer Stationierung auf dem Nato-Schiessplatz in ... war der Angeklagte ... als Kraftfahrer und der Angeklagte ... als Elektroniker eingesetzt. Beide kannten sich flüchtig.Am Sonnabend, dem 17. Dezember 1960 kurz nach 11 Uhr meldete der Angeklagte ... dem Zeugen ..., daß er für ein ausgefallenes Radargerät Ersatzteile aus dem Arsenal in ... beschaffen müsse. Das Arsenal sei bis 13 Uhr geöffnet. ... veranlasste daraufhin, dass ein Kraftfahrzeug bereitgestellt wurde. Fahrer dieses Kraftfahrzeugs war der Angeklagte .... Transportführer war der Angeklagte .... Da Eile geboten war, konnten beide Angeklagte, deren Dienst an diesem Tage um 12.00 Uhr geendet hätte, ihr Mittagessen nicht mehr in ... einnehmen. Sie hatten auch keine Gelegenheit mehr, Ausgehanzüge anzuziehen, sondern zogen über ihre Arbeitsanzüge Schutzbekleidung. Der Zeuge ... erteilte ihnen daher etwa folgenden Befehl:" Da Sie keine Ausgehuniform anhaben, steigen Sie unterwegs nicht aus, um Einkäufe oder ähnliches zu machen".
Gegen 11.45 Uhr fuhren ... und ... mit einem LKW 0,25 to (einem Jeep) von ... ab. An der Fahrt nach ... nahmen noch der Zeuge ... und ein Gefreiter teil, die zum Wochenendurlaubn nach, ... fahren wollten. Beide stiegen am Bahnhof oder am Wall in ... aus, während ... und ... zum Arsenal weiterfuhren. Hier erhielt ... nur einen Teil der fehlenden Ersatzteile. Er beauftragte daher ... zur ... straße in ... zu fahren, um weitere Teile abzuholen. Zuvor hiess er ihn noch an einer Imbisstube in der ... halten, in der beide einen Teller Erbsensuppe zu sich nahmen. Nachdem ... unterwegs noch seinen Jeep getankt hatte und die fehlenden Ersatzstücke von der ... straße beschafft worden waren, fuhren ... und ... gegen 15 Uhr von ... nach ... zurück, ... fuhr mit einer Stundengeschwindigkeit von 50 bis 60 km/h. Als sie in der Nähe von ... bei ... waren, erinnerte sich ..., daß er am Abend zuvor in der dortigen Gastwirtschaft eine Zigarre vergessen hatte. Er gab daher ... die Anweisung, vor dem Lokal zu halten und hiess ihn mit sich gehen. In dem Lokal setzten sich beide an einen Tisch und ... bestellte zwei Flaschen Dortmunder-Union-Bier, die sie austranken. Anschliessend bestellten sie noch wechselseitig 5 bis 6 Flaschen Dortmunder-Union-Bier und tranken sie aus. ... wusste, daß ... als Kraftfahrer den Befehl hatte, auf Dienstfahrten keinen Alkohol zu trinken und daß er sich nach Alkoholgenuss nicht an das Steuer eines Wagens setzen durfte. Er sagte sich aber, dass Nichtbefolgen dieses Befehls könne keine schwerwiegenden Folgen haben, da der grösste Teil der Fahrt bereits zurückgelegt sei. ... sei ausserdem ein sicherer Fahrer und es herrschte wenig Verkehr auf der Strasse. ... war sich gleichfalls bewusst, daß er als Kraftfahrer den Befehl hatte, während des Dienstes keinen Alkohol zu trinken. Er entschloss sich aber, es dennoch zu tun, weil er von ... aufgefordert worden und der Ansicht war, solange der Maat trinkt, müsse er mitmachen.
Nachdem ... und ... etwa zwei Stunden in der Gastwirtschaft geblieben waren, setzten sie ihre Fahrt fort. ... fuhr mit einer Stundengeschwindigkeit von 50 bis 60 km. Er fühlte sich sicher. Kurz vor ... wollte ... austreten. Er hiess daher ... vor der Gastwirtschaft "..." zu halten, und begab sich mit ... in dieses Lokal. Hier kaufte sich jeder eine Flasche Holsten-Export-Bier und trank sie aus. Ausserdem spendierte der Gastwirt noch für jeden eine Flasche Bier.
Kurz nach 18.00 Uhr brauchen sie auf. Es war dunkel. ... fuhr auf der rechten Fahrbahnseite mit einer Geschwindigkeit vom 40 bis 50 km/h. Er fuhr mit Abblendlicht und hatte schlechte Sicht und richtete sich nach den Leuchtsteinen der Straße. Nachdem etwa 300 m zurückgelegt waren, wurde ... möglicherweise durch ein entgegenkommendes Fahrzeug kurz geblendet. Er übersah, daß die Straße einen Bogen nach rechts machte, und fuhr geradeaus weiter. Auf der linken Seite der Straße fehlte ein Leuchtstein, da dieser am Tage zuvor von einem amerikanischen Wagen umgefahren worden war. ... fuhr durch die offene Stelle hindurch, streifte einen Kilometerstein und fuhr über den Grünstreifen die Böschung hinunter. Der Jeep blieb schwerbeschädigt auf einer Koppel liegen. ... erlitt Nieren- und Rippenquetschungen sowie Schnittwunden am Hals. Er musste sich in stationäre Krankenhausbehandlung begeben. ... trug eine leichte Gehirnerschütterung und Hautabschürfungen davon. Er konnte jedoch seinen Dienst weiter versehen.
Eine um 20.15 Uhr bei dem Angeklagten ... durchgeführte Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von 1,9 %o, die um 20.45 Uhr bei dem Angeklagten ... entnommene Blutprobe eine solche von 1,6 %o.
Nach den Darlegungen des Sachverständigen, denen die Kammer sich anschliesst, hat die Fahrt in der Resorptionszeit stattgefunden und die Alkoholkonzentration betrug, auch wenn man von dem von den Angeklagten angegebenen Trinkmengen ausgeht, bei jedem Angeklagten mindestens 1,5 %o zur Zeit des Unfalls. Diese verhältnismäßig hohe Konzentration bei der geringen Trinkmenge ist nach den Ausführungen des Sachverständigen darauf zurückzufühfen, daß beide Angeklagte an diesem Tage nur wenig gegessen haben."
In strafrechtlicher Hinsicht ist zu der Straftat des Klägers festgestellt:
"Da, wie oben ausgeführt worden ist, beide Angeklagte weder vorsätzlich noch leichtfertig einen Befehl des Oberbootsmanns ... nicht befolgt haben und ein konkreter Befehl auf Dienstfahrten keinen Alkohol zu sich zu nehmen, für Angehörige der Bundeswehr, die nicht als Kraftfahrer eingesetzt sind, nicht bestand, lässt sich nicht feststellen, daß der Angeklagte ... sich des Ungehorsams nach § 19 WStG schuldig gemacht hat.
... war aber aufgrund seines Dienstgrades als Maat und aufgrund seiner Dienststellung als Transportführer Vorgesetzter des Angeklagten ... Indem er ... die Anweisung gab, mit in die Gastwirtschaft zu kommen, und für ihn Bier bestellte, bestimmte er ... einen Befehl nicht zu befolgen, den er als Kraftfahrer zu beachten hatte. ... hat auf Befragen ausdrücklich erklärt, er habe sich zum Trinken entschlossen, weil er dachte, wenn der Maat mithält, kann ich es nicht anders machen. ... hat sich also unter dem Eindruck der Stellung des Angeklagten ... zur Nichtbefolgung des Befehles entschlossen. Damit hat ... unter Mißbrauch seiner Dienststellung zum Ungehorsam verleitet. Auch für den Angeklagten ... war bei Anwendung der erforderlichen und ihm zumutbaren Sorgfalt erkennbar, dass durch das Nichtbefolgen des Befehls eine schwerwiegende Folge herbeigeführt werden könne. Jeder Erwachsene weiss, welche Gefahren es für einen Kraftfahrer bedeutet, nach Alkoholgenuss ein Kraftfahrzeug zu führen. ... steht zudem jahrelang im Berufsleben; er ist als Elektroniker und als Maat durchaus in der Lage, diese Erkenntnis aufzubringen. Ihm fällt also bezüglich der eingetretenen schweren Folgen Fahrlässigkeit zur Last.
... war daher nach § 33 WStG zur Verantwortung zu ziehen, weil er unter Missbrauch seiner Dienststellung einen Untergebenen zu einem Vergehen, nämlich zum Ungehorsam nach § 19 Abs. 4 WStG, verleitet hat."
Die Beklagte nahm daraufhin durch Leistungsbescheid vom 10. August 1961 den Kläger mit dem Fahrer Bahr als Gesamtschuldner in Anspruch, und zwar jeden von ihnen in Höhe eines Teilbetrages von 1.120,08 DM zuzüglich Kosten und Zinsen. ... hat den gegen ihn ergangene. Leistungsbescheid nicht angefochten und unterdessen 1.120,08 DM an die Beklagte gezahlt.
Der Kläger hat nach erfolglosem Vorverfahren den Verwaltungsrechtsweg beschritten und vorgetragen: Das Ermittlungsergebnis des Strafverfahrens dürfe im vorliegenden Verfahren nicht verwertet werden, weil seine Verteidigung in jenem Verfahren eingeschränkt gewesen sei. Die Fahrt sei nicht aus dienstlichen, sondern aus privatem Anlass erfolgt, um den Hauptbootsmann ... zum Antritt seines Wochenendurlaubs rechtzeitig zum Hauptbahnhof nach ... zu bringen. Dienstliche Befehle seien ihm weder bei Antritt noch während der Fahrt gegeben worden. Die Aussage ... im Strafverfahren, er habe ausdrücklich angeordnet, "nicht anderweitig noch auszusteigen", sei schon deshalb unglaubhaft, weil sie noch zu Mittagessen hätten aussteigen müssen. Bisher sei auch die Unfallursache noch nicht einwandfrei geklärt worden. Auf den Alkoholeinfluss allein könne der Unfall nicht zurückgeführt werden. Da er an der Tat nicht "teilgenommen" habe, stehe der Schaden nicht einem adäquaten Kausalzusammenhang mit seinem Verhalten. Vorsorglich bestreite er auch die Schadenshöhe.
Der Kläger hat beantragt (sinngemäß),
die Bescheide vom 10. August 1961 und vom 16.10.1962 (Widerspruchsbescheid) aufzuheben.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat geltend gemacht: Der Schaden sei auf die alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit des Fahrers ... zurückzuführen. Der Kläger habe seine Dienstpflicht verletzt, weil er als Vorgesetzter den Fahrer zum Alkoholgenuss veranlasst habe. Diese Dienstpflichtverletzung sei für den Unfall adäquat kausal. Eine Inanspruchnahme des Klägers sei daher gerechtfertigt.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage im Verfahren ohne mündliche Verhandlung durch Urteil vom 16. Juli 1963 abgewiesen, im wesentlichen aus folgenden Gründen: Der Kläger sei gemäß § 24 Soldatengesetz als Gesamtschuldner mit dem Matrosen ... der Beklagten zum Ersatz, des durch den Unfall am 17. Dezember 1960 entstandenen Schadens verpflichtet. Der Kläger habe eine ihm obliegende Dienstpflicht verletzt. Das Gericht sei aufgrund der sogenannten Tatbestandswirkung an die tatsächlichen Feststellungen im Urteil der Großen Strafkammer des Landgerichts Kiel gebunden. Zudem seien auch die Einwendungen des Klägers gegen diese Feststellungen nicht begründet. Mit dem Befehl, die Fahrt nach Kiel durchzuführen, sei der Kläger als der Ranghöhere Vorgesetzter des Fahrers ... geworden. Als Vorgesetztem habe er die Dienstaufsichtspflicht gehabt, Pflichtverletzungen des Untergebenen zu verhindern. Es bedürfe keiner weiteren Ausführung dazu, daß der Genuss von Alkohol durch den Fahrer bei der Rückkehr nach ... eine Pflichtverletzung darstelle, die der Kläger kraft des Vorgesetztenverhältnisses hätte verhindern können. Diese Pflichtverletzung sei adäquat kausal für den Schadenseintritt; denn sie sei nach allgemeiner Lebenserfahrung für einen objektiven Betrachter geeignet, einen solchen Schaden herbeizuführen, Gegen die Höhe der von der Beklagten geltend gemachten Forderung bestünden keine Bedenken, zumal da am Fahrzeug Totalschaden entstanden sei und die Forderung weit unter dem Neupreis eines gleichen Fahrzeuges liege,
Gegen dieses ihm am 9. August 1963 zugestellte Urteil hat der Kläger am 5. September 1963 Berufung eingelegt. Zur Begründung hält er sein bisheriges Vorbringen aufrecht und macht insbesondere geltend: Die Fahrt nach ... sei ihm unter dem Vorwand eines dienstlichen Anlasses befohlen worden. In Wahrheit habe die Fahrt dazu gedient, den Hauptbootsmann ... für einen Wochenendurlaub rechtzeitig zum Bahnhof nach ... zu befördern. Einen Befehl, unverzüglich nach ... zurückzukehren, habe er nicht erhalten, Er habe den Unfallschaden nicht verursacht und könne ihn deshalb auch nicht verschuldet haben. Auch sei er nicht dafür verantwortlich, daß der Fahrer des verunglückten Kraftwagens Alkohol genossen habe. Gegen die Schadenshöhe erhöhe er keine Einverschädigungen mehr.
Der Kläger beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und nach seinem Klageantrag erster Instanz zu erkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie beruft sich auf die Gründe des angefochtenen Urteils und erwidert auf das Vorbringen des Klägers: Der Kläger habe entgegen einem ausdrücklichen Befehl des Hauptbootsmanns ... den Matrosen ... veranlasst, die Gaststätte in ... am ... See aufzusuchen und alkoholische Getränke zu sich zu nehmen. Der Alkoholgenuss sei für den Unfall, der auf alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit zurückgehe, ursächlich. Daß der Kläger das Fahrzeug nicht gefahren habe, sei unwesentlich. Entscheidend sei, daß er als Vorgesetzter ... diesen zum Trinken veranlasst habe. Damit habe er gegen zwingende Dienstvorschriften verstossen.
Der während des Berufungsverfahrens beigeladene ... hat einen Antrag nicht gestellt, er hat sich den Ausführungen der Bemessungen angeschlossen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Schriftsätze der Beteiligten aus beiden Rechtszügen, das angefochtene Urteil, die Strafakten der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Kiel betreffend die Strafsache gegen ... und ... 6 Ms 10/61 - und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen; sie sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
II.
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist sachlich nicht gerechtfertigt,
Durch den angefochtenen Bescheid hat die Beklagte den Kläger gemäß § 24 des Gesetzes über die Rechtsstellung der Soldaten vom 19. März 1956 (BGBl I, 14) in der Fassung vom 28. März 1960 (BGBl I, 206) - SoldG - als Gesamtschuldner, gemeinsam mit dem Beigeladenen ... in Höhe eines Teilbetrages von 1.120,08 DM zuzüglich Kosten und Zinsen herangezogen.
Die Heranziehung des Klägers zur Leistung des Schadensersatzes mittels Verwaltungsaktes begegnet nach Rechtsansicht des Senats keinen durchgreifenden Bedenken; die Beklagte war nicht darauf angewiesen, gegen den Kläger Leistungsklage vor den Verwaltungsgerichten zu erheben (vgl. BVerwGE 18, 283; 19, 243 [BVerwG 17.09.1964 - I C 26/63]; 21, 270 [BVerwG 28.06.1965 - VIII C 80/64]und die ständige Rechtsprechung des Senats, u.a. Urteil vom 22. September 1965 - V OVG - A 87/62 - mit weit. Nachweisen).
Der angefochtene Leistungsbescheid hält auch sonst der rechtlichen Nachprüfung stand. Nach § 24 Abs. 1 SoldG hat ein Soldat, wenn er schuldhaft seine Dienstpflichten verletzt, dem Bund den daraus entstandenen Schaden zu ersetzen (Satz 1). Hat er die Dienstpflicht in Ausübung von Hoheitsbefugnissen, im Ausbildungsdienst oder im Einsatz verletzt, so haftet er nur insoweit, als ihm Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt (Satz 2). Haben mehrere Soldaten gemeinsam den Schaden verursacht, so haften sie als Gesamtschuldner (Satz 3).
Die für eine Schadensersatzpflicht des Klägers hiernach geforderten Voraussetzungen sind gegeben. Der Kläger hat vorsätzlich seine Dienstpflichten verletzt und dadurch den an dem bundeswehreigenen Lkw entstandenen Unfallschaden mitverursacht.
1)
Ob in dem Verhalten des Klägers vor Antritt der Weiterfahrt auf der letzten Teilstrecke vom Lokal ... nach ... auf der sich der Unfall ereignet hat, eine Zuwiderhandlung gegen seine Dienstpflichten zu erblicken ist, kann für die Entscheidung der vorliegenden Verwaltungsrechtssache unerörtert bleiben. Insbesondere bedarf es keiner Erörterung, ob der Kläger, was er bestreitet, die Rückfahrt entgegen einem ihm ausdrücklich erteilten Befehl unterbrochen hat, ob er, was er ebenfalls in Abrede stellt, den beigeladenen Fahrer zum Alkoholgenuß verleitet hat und ferner, ob der Kläger dadurch gegen bestehende Dienstvorschriften verstoßen hat, daß er auf der Heimfahrt Alkohol zu sich genommen hat. Alle diese im Laufe des Verwaltungsstreitverfahrens von den Beteiligten erörterten Fragen können dahinstehen; denn die hier wesentliche, die Schadensersatzpflicht des Klägers begründende Dienstpflichtverletzung ist darin zu sehen, daß der Kläger dem Fahrer ... in Kenntnis dessen, daß dieser im erheblichem Umfang dem Alkohol zugesprochen hatte, die Weiterfahrt mit dem Dienstkraftwagen nicht untersagt, sondern erlaubt oder jedenfalls geduldet hat.
Als der allgemeine Vorgesetzte Bahrs hatte der Kläger nach § 10 Abs. 2 SoldG die Pflicht zur Dienstaufsicht. Die Dienstaufsichtspflicht schließt die Verpflichtung ein, das Begehen von Pflichtverletzungen durch den Untergebenen zu verhindern (vgl. Rittau, Anm. 2 zu § 10 SoldG; Scherer, Anm. II 1 zu § 10 SoldG). Unabhängig von der Eigenverantwortlichkeit, die den Fahrer ... für seine Fahrtüchtigkeit traf, hatte daher der Kläger als Vorgesetzter die Dienstpflicht, zu verhindern, daß Bahr Alkohol zu sich nahm und sich in angetrunkenem Zustand an das Steuer des Kraftwagens setzte. Bahr hieran zu hindern war der Kläger auch als Transportführer verpflichtet. In dieser Eigenschaft oblag ihm die Verantwortung für die Sicherheit des Transports. Angesichts der von jedem angetrunkenen Kraftfahrer ausgehenden schweren Gefahren hätte es der Kläger als Transportführer nicht zulassen dürfen, daß Bahr Alkohol zu sich nahm und anschließend trotz starken Alkoholgenusses die Heimfahrt mit dem Dienstkraftwagen antrat.
Der Kläger hat die eben aufgezeigten Dienstpflichten vorsätzlich verletzt. Denn er wußte, daß ... in der Gastwirtschaft in ... und im Lokal ... nicht unerhebliche Mengen Alkohol getrunken hatte. Wie jedermann wußte der Kläger auch, welche Gefahren das Führen eines Kraftfahrzeuges nach Alkoholgenuß mit sich bringt. Ihm war ferner bekannt, daß ein dienstlicher Befehl bestand, der es Kraftfahrern untersagt, während einer Dienstfahrt Alkohol zu sich zu nehmen oder sich nach Alkoholgenuß an das Steuer eines Kraftwagens zu setzen. Wenn er es dennoch unterließ, Bahr an der Weiterfahrt zu hindern, so trifft ihn der Vorwurf einer vorsätzlichen Verletzung seiner Dienstpflichten. Das Verhalten des Klägers ist darüber hinaus als eine gröbliche Vernachlässigung seiner Dienstpflichten zu werten. Denn er hat es nicht nur unterlassen, den ihm Untergebenen ... zur Erfüllung seiner eigenen Fahrerpflichten anzuhalten, sondern Bahr obendrein als Vorgesetzter in seiner Haltung ein schlechtes Beispiel gegeben, weil er selbst dem Alkohol in erheblichem Maße zugesprochen hat.
Hat der Kläger somit nach den Feststellungen des Senats seinen Dienstpflichten vorsätzlich zuwidergehandelt, so erübrigt sich ein Eingehen auf die von den Beteiligten noch erörterte Frage, ob die Fahrt nach ... aus dienstlichem Anlaß befohlen und geboten oder ob ein solcher Anlaß nur vorgeschoben war. Die Haftungsminderung des § 24 Abs. 1 Satz 2 SoldG könnte sich infolge seines vorsätzlichen Handelns in keinem Falle zu Gunsten des Klägers auswirken. Aus demselben Grunde erweist sich auch der Hinweis des Klägers auf die im bürgerlichen Recht entwickelten Grundsätze über die Haftungsminderung bei "schadengeneigter Arbeit" von vornherein als unbeachtlich, ohne daß die Frage einer entsprechenden Anwendung dieser Grundsätze auf das dienstrechtliche Haftungsrecht im vorliegenden Falle eine Stellungnahme erforderte (vgl. hierzu BVerwGE 19, 243). Bei Vorsatz - und in der Regel auch bei grober Fahrlässigkeit - haftet der Arbeitnehmer (Beamte) auch nach diesen Grundsätzen im vollen Umfange (vgl. u.a. BAG, Urteil vom 29. Juni 1964 in Betr. 1964, 1741).
2)
Die vorsätzliche Dienstpflichtverletzung des Klägers war für den am bundeswehreigenen Lkw entstandenen Sachschaden mit ursächlich. Hätte der Kläger dem angetrunkenen Beigeladenen die Weiterfahrt untersagt, so wäre der Unfall und damit der Schaden vermieden worden. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ist der Unfall allein auf die alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit ... zurückzuführen. Daß der Alkoholeinfluß, unter dem ... stand, erheblich war, beweist die bei ihm festgestellte Blutalkoholkonzentration, die zur Zeit des Unfalls - wie der Senat in Übereinstimmung mit der III. Großen Strafkammer des Landgerichts Kiel annimmt - mindestens 1,5 o/oo betrug. Diese hohe Blutalkoholkonzentration hat eine unbedingte Fahruntüchtigkeit ... herbeigeführt (vgl. die Rechtsprechungsnachweise bei Floegel-Hartung, Straßenverkehrsrecht, 16. Aufl., 1966, zu § 316 StGB RdN 10 ff). ... war im Zeitpunkt des Unfalls infolge des genossenen Alkohols nicht mehr in der Lage, ein Kraftfahrzeug sicher zu führen (§ 2 StVZO). Das ergibt sich überdies auch aus dem Unfallgeschehen: ... hat übersehen, daß die Straße einen Bogen nach rechts macht und ist geradeaus über den Grünstreifen die Böschung hinuntergefahren. Eine solche falsche Einschätzung der Verkehrslage ist kennzeichnend für Fahrer, die unter der enthemmenden Wirkung von Alkohol stehen. Anhaltspunkte dafür, daß der Unfall auf andere Ursachen als die alkoholbedingte Verkehrsuntauglichkeit Bahrs zurückzuführen sei, sind nicht gegeben. Wenn auch auf der linken Seite der Straße ein Leuchtstein fehlte, der am Tage zuvor umgefahren worden war, so hätte ein nüchterner Kraftfahrer gleichwohl die Verkehrslage am Unfallort und zur Unfallzeit ohne Schwierigkeiten meistern können.
Nach der im Schadensersatzrecht zu Grunde zu legenden Theorie des adäquaten Kausalzusammenhanges setzt ein im Sinne des § 24 Abs. 1 SoldG rechtserheblicher Ursachenzusammenhang voraus, daß die Ursache (Dienstpflichtverletzung) - für einen rückblickenden Betrachter - nach dem natürlichen Verlauf der Dinge konkret geeignet war, diesen Erfolg (Schaden) herbeizuführen. Es hat also nicht jede mögliche Ursache, sondern nur die bei näherer Betrachtung wahrscheinliche zu dem Erfolg geführt, diejenige aber nicht, bei der die Eintrittsmöglichkeit des Erfolges außerhalb aller Wahrscheinlichkeit liegt (RGZ 152, 401; 168, 88; 169, 91; BGHZ 3, 261; 20, 137) [BGH 29.02.1956 - VI ZR 352/54]. Eine solche Kausalbeziehung zwischen dem dienstpflichtwidrigen Verhalten des Klägers und dem Schaden ist hier gegeben. Nach der Erfahrung des täglichen Lebens führt, das Führen eines Kraftfahrzeuges durch einen Fahrer, der Alkohol in 13 solch erheblichen Mengen genossen hat, wie der Beigeladene ..., und der infolge einer Alkoholkonzentration im Blut von mindestens 1,5 o/oo fahruntüchtig ist, mit großer Wahrscheinlichkeit zu einem Unfall.
Nach alledem ist der Kläger verpflichtet, dem Bund den aus der schuldhaften Verletzung seiner Dienstpflichten entstandenen Schaden zu ersetzen. Gegen die Höhe des an dem Lkw entstandenen Gesamtschadens von 2.240,16 DM sind Einwendungen nicht begründet und von dem Kläger in der Berufungsinstanz auch nicht mehr geltend gemacht worden. Der angefochtene Leistungsbescheid, durch den der Kläger als Gesamtschuldner zur Schadensersatzleistung in Höhe eines Teilbetrages von 1.120,08 DM zuzüglich Kosten und Zinsen herangezogen worden ist, ist deshalb zu Recht ergangen.
Die Berufung des Klägers gegen das klagabweisende Urteil des Verwaltungsgerichts war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2 und 162 Abs. 3 VwGO. Es entsprach der Billigkeit, dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen aufzuerlegen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten folgt aus § 167 VwGO.