Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 14.10.2015, Az.: 1 Ws 509/15 (StrVollz)

Mengenmäßige Beschränkung des Besitzes von Datenträgern in der Sicherungsverwahrung

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
14.10.2015
Aktenzeichen
1 Ws 509/15 (StrVollz)
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2015, 36271
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2015:1014.1WS509.15STRVOLLZ.0A

Amtlicher Leitsatz

Die mengenmäßige Beschränkung des Besitzes von Originaldatenträgern im Haftraum ist im Vollzug der Sicherungsverwahrung zulässig.

Tenor:

Der angefochtene Beschluss und die Entscheidung der Antragsgegnerin vom 13. Mai 2015 werden aufgehoben, soweit der Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen die Beschränkung des Besitzes auf maximal 100 CD's im Haftraum zurückgewiesen worden ist.

Die weitergehende Rechtsbeschwerde wird als unbegründet verworfen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller. Die Gebühr für die Rechtsbeschwerde wird jedoch um 2/3 ermäßigt. Im selben Umfang trägt die Landeskasse die dem Antragsteller entstandenen notwendigen Auslagen.

Der Streitwert wird auf bis zu 500 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller ist bei der Antragsgegnerin in der Sicherungsverwahrung untergebracht. In seinem Haftraum hatte er über 200 Datenträgern (CD's), die von der Antragsgegnerin zuvor kontrolliert und sodann dem Antragsteller ausgehändigt worden waren, in Besitz. Mit am 13. Mai 2015 dem Antragsteller eröffneter Anordnung hat die Antragsgegnerin die Maximalmenge von Datenträgern, die sich im Haftraum befinden dürfen, auf 100 beschränkt und den Antragsteller aufgefordert, die überzähligen Datenträger aus dem Haftraum zu entfernen. Ferner ist ihm die Aushändigung weiterer CD's, die mittels mehrerer Päckchen u. a. am 4. April 2015 übersandt worden sind, verweigert worden.

Gegen die mengenmäßige Beschränkung im Besitz von Datenträgern bzw. die verweigerte Aushändigung weiterer CD's erhob der Antragsteller Antrag auf gerichtliche Entscheidung. Alle CD's in seinem Haftraum seien zuvor kontrolliert und als unbedenklich angesehen worden. Eine mengenmäßige Begrenzung sei im Übrigen nicht zulässig und stehe im Widerspruch zum Abstandsgebot. Er dürfe in Freiheit auch eine unbegrenzte Anzahl an CD's besitzen.

Die Antragsgegnerin hat ausgeführt, dass grundsätzlich originale CD's zugelassen seien. Die Menge müsste allerdings auf 100 beschränkt werden, da sich ansonsten notwendige Kontrollen der Unterkunftsbereiche durch die erhebliche Anzahl von Datenträgern um ein Vielfaches verlängern würden. So müsse jede CD-Hülle bei der Unterkunftsdurchsuchung auf versteckte und verbotene Gegenstände kontrolliert werden. Auch unter Berücksichtigung eines hinzunehmenden Mehraufwandes im Vollzug der Sicherungsverwahrung sei dies nicht zu leisten und daher aus Gründen der Sicherheit der Anstalt nicht akzeptabel. Eine Mengenbegrenzung sehe zwar § 23 SVVollzG Nds. nicht vor, sei jedoch vom Gesetzgeber als möglich angesehen worden. Der Antragsteller habe zudem die Möglichkeit, alle 14 Tage bis zu 20 CD's auszutauschen. Letzteres hält der Antragsteller für nicht praktikabel, da die Tauschmöglichkeit auch jedem anderen Anstaltsinsassen gewährt werden müsse und einen so hohen Aufwand zur Folge habe, dass die Antragsgegnerin dem nicht nachkommen könne.

Die Kammer hat mit dem angefochtenen Beschluss den Antrag auf gerichtliche Entscheidung als unbegründet verworfen. Rechtsgrundlage für die Beschränkung sei dabei nicht § 104 SVVollzG Nds. Zwar sei die frühere Gestattung des Besitzes einzelner CD's verbindlich, in dieser sei jedoch keine verbindliche Entscheidung darüber zu sehen, dass sich die Genehmigung auch auf die Anzahl der CD's bezogen hat. Rechtsgrundlage für die Beschränkung sei demnach § 23 SVVollzG Nds. Durch den unzumutbar erhöhten Kontrollaufwand sei die Sicherheit des Haftraumes gefährdet. Dem Abstandsgebot werde genügend dadurch Rechnung getragen, dass Personen in der Sicherungsverwahrung ein Austausch von CD's ermöglicht werde, der Strafgefangenen nicht eingeräumt werde. Ob ein solcher Austausch praktisch durchführbar sei, läge allein in der Verantwortung der Antragsgegnerin, die sich an ihre Regelung halten müsse. Würde diese nicht umgesetzt, wäre es dem Antragsteller unbenommen, insoweit erneut rechtliche Schritte einzuleiten. Selbstgebrannte CD's seien von dieser Möglichkeit auszunehmen, da der Inhalt von Datenträgern nur durch Spezialisten überprüfbar sei und auch unter Berücksichtigung des Abstandsgebotes ein unzumutbarer Kontrollaufwand durchzuführen wäre.

Gegen den angefochtenen Beschluss richtet sich die Rechtsbeschwerde des Antragstellers. Er rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Bisherige Kontrollen seien problemlos erfolgt. Alle Datenträger seien durch die Antragsgegnerin geprüft und gebilligt worden. Insoweit handele es sich bei der nunmehr erfolgten Beschränkung um den Entzug einer begünstigenden Maßnahme. Zudem sei die Festlegung auf 100 Datenträger willkürlich. Dies gelte auch für die Austauschmöglichkeit. Um dem Abstandsgebot Rechnung zu tragen, müsse dem Antragsteller ein täglicher Austausch ermöglicht werden. Im Übrigen müssten auch selbstgebrannte CD's erlaubt sein.

Der Zentrale juristische Dienst für den niedersächsischen Justizvollzug hat zur Rechtsbeschwerde des Antragstellers Stellung genommen und beantragt, die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen, da es nicht geboten sei, die Nachprüfung des angefochtenen Beschlusses zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen. Eines Widerrufs oder einer Rücknahme nach § 104 SVVollzG Nds. bedurfte es für die Maßnahme nicht, weil bereits keine Erlaubnis zum Besitz von mehr als 100 Datenträgern vorlag. Die mengenmäßige Begrenzung sei entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde auch nicht willkürlich erfolgt sondern orientiere sich an den Kontrollmöglichkeiten der Antragsgegnerin.

II.

Die Rechtsbeschwerde hat in dem sich aus dem Tenor ergebenden Umfang Erfolg. Im Übrigen ist sie zwar zulässig, aber unbegründet.

1. Die Rechtsbeschwerde ist zunächst zulässig i. S. des § 116 StVollzG, weil es geboten ist, die Nachprüfung zur Fortbildung des Rechts zu ermöglichen. Zur mengenmäßigen Beschränkung von Datenträgern in einem Haftraum hat der Senat bislang keine Stellung genommen. Im Übrigen gilt es, dem im Folgenden dargestellten Rechtsfehler entgegenzutreten. Unzulässig ist indessen die vom Antragsteller erhobene Verfahrensrüge, weil sie den sich aus § 118 Abs. 2 Satz 2 StVollzG ergebenden erhöhten Darlegungsanforderungen nicht genügt.

2. Die Rechtsbeschwerde ist auch zumindest teilweise begründet.

a. Die infolge der angeordneten Beschränkung vorgenommene Entfernung der überzähligen CD's aus dem Haftraum des Antragstellers stellt entgegen der Ansicht im angefochtenen Beschluss den Widerruf eines begünstigenden Verwaltungsaktes dar. Denn mit der Aushändigung der zuvor von der Antragsgegnerin kontrollierten CD's ist gleichzeitig die Erlaubnis zum Besitz erteilt worden, da sich die Antragsgegnerin keinen entsprechenden Vorbehalt eingeräumt hat (vgl. zur ähnlichen Konstellation einer Erlaubnis zum Erwerb von Gegenständen OLG Celle, NStZ 2011, 704 [OLG Celle 09.02.2011 - 1 Ws 29/11 (StrVollz)]). Mithin hatte sich die Beschränkung an § 104 SVVollzG Nds. i. V. m. § 1 NdsVwVfG i. V. m. den §§ 48, 49 VwVfG zu messen. Da Anhaltspunkte für die Rechtswidrigkeit der zunächst erteilten Genehmigung nicht gegeben sind, konnte der Widerruf nur nach § 49 Abs. 2 VwVfG erfolgen. Eine solche, bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen im Ermessen der Antragsgegnerin liegende Entscheidung, bei der die Betroffenheit von Grundrechtspositionen des Antragstellers sowie das Abstandsgebot zu berücksichtigen gewesen wären, ist nicht erfolgt. Stattdessen ist die Antragsgegnerin von einem strikten Vorrang der Gefahrenabwehr auf der Grundlage von § 23 SVVollzG Nds. ausgegangen. Die von der Antragsgegnerin vorgenommene Argumentation, die sich auch die Kammer und der Zentrale juristische Dienst für den niedersächsischen Justizvollzug zu eigen machen, wonach die Gestattung des Besitzes einzelner CD's keine verbindliche Entscheidung hinsichtlich der Gesamtmenge beinhaltet, greift demgegenüber nicht durch. Denn die Bewilligung zum Besitz jeder einzelnen CD ist von der Antragsgegnerin nicht davon abhängig gemacht worden, dass eine gewisse Gesamtmenge nicht überschritten werden dürfe. Mithin ist die im Haftraum des Antragstellers vorhandene Anzahl von CD's zwingend Folge sämtlicher Bewilligungen und kann von diesen nicht abweichend isoliert betrachtet werden.

Ob die Antragsgegnerin sich bei einer neuerlichen Entscheidung auf § 49 Abs. 2 VwfG berufen kann, hatte der Senat vorliegend nicht zu entscheiden. Nur vorsorglich wird insoweit bemerkt, dass eine neuerliche Entscheidung nicht auf § 49 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG gestützt werden kann, weil dieser nur bei nachträglich eingetretenen Tatsachen Anwendung findet, ohne dass es auf den Zeitpunkt der Kenntnis dieser Tatsachen durch die Antragsgegnerin ankommt (vgl. OLG Celle, NStZ-RR 2011, 31).

b. Anders verhält es sich mit der Verweigerung, dem Antragsteller noch weitere CD's auszuhändigen. Insoweit ist der angefochtene Beschluss nicht zu beanstanden. Zutreffend hat die Kammer insoweit § 23 SVVollzG Nds. als Rechtsgrundlage herangezogen. Dieser sieht eine mengenmäßige Beschränkung zwar nicht vor, ist jedoch ausweislich des zugrunde liegenden Gesetzgebungsverfahrens (vgl. LT-Drs. 16/5519, S. 38) vom Gesetzgeber für zulässig gehalten worden. Sie dient aufgrund des ansonsten nicht mehr zu bewältigenden Kontrollaufwandes der Sicherheit der Anstalt und ist auch unter Beachtung des Abstandsgebotes von Personen in der Sicherungsverwahrung daher hinzunehmen. Mit der von der Antragsgegnerin eingeräumten Möglichkeit, 14-tägig 20 CD's auszutauschen, erscheinen die Interessen des Antragstellers auch genügend berücksichtigt. Ein Ermessensfehler der Antragsgegnerin ist darin nicht zu erkennen.

c. Nicht Gegenstand des Rechtsbeschwerdeverfahrens war die Frage, ob der Antragsteller auch einen Anspruch auf die Aushändigung selbstgebrannter CD's hat. Da sich hierzu aber sowohl der angefochtene Beschluss als auch die Rechtsbeschwerdebegründung verhalten, verweist der Senat auf seinen Beschluss vom 24. September 2015 (1 Ws 452/15 (MVollz)), wonach die Auffassung, dass selbstgebrannte CD's wegen der Möglichkeit verdeckter Datenübermittlung eine abstrakte Gefahr für die Sicherheit der Anstalt darstellen, der nur mit einem unverhältnismäßig hohen Kontrollaufwand begegnet werden kann, aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden sei und hierdurch insbesondere das Abstandsgebot nicht verletzt werde.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 4 StVollzG i. V. m. § 473 Abs. 4 StPO.

IV.

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 1 Nr. 8, 52 Abs. 1, 60, 65 GKG.