Landgericht Hildesheim
Beschl. v. 03.05.2005, Az.: 15 Qs 7/05

Anthropologe; anthropologisches Identitätsgutachten; anthropologisches Sachverständigengutachten; billiges Ermessen; Entschädigungsanspruch; Ermessensentscheidung; Honorargruppe; Honorarsatz; Sachverständigenentschädigung; Stundensatz; Verfahrensschwierigkeit; Vergütungsanspruch; Vergütungsfestsetzung

Bibliographie

Gericht
LG Hildesheim
Datum
03.05.2005
Aktenzeichen
15 Qs 7/05
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2005, 50939
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Die Beschwerde der Landeskasse gegen den Beschluss des Amtsgerichtes Hildesheim vom 18. Februar 2005 wird verworfen.

Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

Beschwerdewert: 360 €

Gründe

1

I. In dem o. g. Bußverfahren wurde der Betroffene nach Einholung eines Identitätsgutachten freigesprochen. Durch Beschluss des Amtsgerichtes Holzminden vom 07. Dezember 2004 wurde der Sachverständige ... mit der Erstattung dieses Gutachtens beauftragt. Der Sachverständige hat im Rahmen der Abrechnung seiner Aufwendungen seinen Stundensatz aus der Honorargruppe M 3 des § 9 Abs. 1 JVEG ( 85 Euro ) entnommen.

2

Gegen die Geltendmachung einer Vergütung aus der Honorargruppe M3 hat der Kostenbeamte bei dem Amtsgericht Holzminden nach Rücksprache mit dem Bezirksrevisor bei dem Landgericht Hildesheim Bedenken erhoben und den Stundensatz um 10 Euro gekürzt.

3

Der Sachverständige hat daraufhin die richterliche Festsetzung seiner Vergütung nach § 4 JVEG beantragt.

4

Der Sachverständige hat der Rechnungskürzung u. a. entgegengehalten, er habe die Honorargruppe M 3 in Ansatz gebracht, da es sich bei seiner Sachverständigenleistung um eine Spitzenleistung von höchstqualifizierter Tätigkeit handele, die mit einem außergewöhnlichen ( höchsten ) Schwierigkeitsgrad einzustufen sei und unter extrem schwierigen Umständen hinsichtlich der Merkmalerfassung und den vergleichenden Untersuchungen stattgefunden hat. Dieser Schwierigkeitsgrad entspreche der Honorargruppe M 3 ( 85 Euro ). Es würden ferner spezielle Kausalzusammenhänge begutachtet und es finde eine biostatische Auswertung statt, was ebenfalls die Honorargruppe M 3 rechtfertige.

5

Das Amtsgericht Holzminden hat mit Beschluss vom 14. Februar 2005 den Stundensatz auf 85 Euro - wie beantragt - festgesetzt. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung hat das Amtsgericht gegen diese Festsetzung gemäß § 4 Abs. 3 JVEG die Beschwerde zugelassen. Die Bezirksrevisorin bei dem Landgericht Hildesheim hat Beschwerde eingelegt und zur Begründung auf die Ausführungen der Bezirksrevisorin vom 28. Januar 2005 ( Bl. 66 d. A. ) verwiesen, auf die Bezug genommen wird. Sie hat die Auffassung vertreten, dass es sich bei den von dem Sachverständigen ... erstellten Gutachten lediglich um solche mit durchschnittlichem Schwierigkeitsgrad handelt.

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Das Amtsgericht Holzminden hat der Beschwerde aus den Gründen des angefochtenen Beschlusses ( Bl. 86 d. A. ), auf den verwiesen wird, nicht abgeholfen.

7

II. Die Beschwerde ist zulässig, jedoch unbegründet.

8

1. Funktionell zuständig für die Entscheidung über die Beschwerde ist die Kammer und nicht ein bei dem Landgericht insoweit institutionell nicht vorgesehener Einzelrichter. Zwar sieht § 4 Abs. 7 JVEG vor, dass über die Beschwerde das Gericht durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter entscheidet.

9

Daraus, dass auch § 4 Abs. 7 JVEG - wie die Vorschrift des § 66 Abs. 6 Satz 1 GKG - dem § 568 ZPO nachgebildet ist ( vgl. zu § 66 Abs. 6 Satz 1 GKG: BT-Drucksache 15/1971 S. 157 ), ergibt sich, dass die mit einer Entscheidung durch den Einzelrichter möglichen Beschleunigungseffekte nur bei Gerichten genutzt werden sollen, bei denen eine Entscheidung durch Einzelrichter institutionell auch vorgesehen ist ( vgl. insoweit Beschluss des BGH vom 13. Januar 2005 - Az.: V ZR 218/04 - zu § 66 Abs. 6 Satz 1 GKG ).

10

Die Kammer hält diese zu § 66 Abs. 6 Satz 1 GKG gewonnene Rechtsauffassung auf den hier vorliegenden Fall des § 4 Abs. JVEG entsprechend anwendbar. Bei den Landgerichten ist der Einzelrichter nur in § 75 GVG ( Zivilkammern ) und § 76 Abs. 1 GVG ( Vorsitzender einer kleinen Strafkammer - Berufungskammer - ) sowie § 78 b Abs. 1 Nr. 2 GVG ( Strafvollstreckungskammern ) vorgesehen. Im Hinblick auf eine große Strafkammer bei einem Landgericht ist die Entscheidung durch Einzelrichter gerichtsverfassungs- und prozessrechtlich jedoch weder vorgesehen noch vorbehalten und damit nicht zulässig.

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2. Die Beschwerde ist aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Beschlusses zu verwerfen.

12

Im vorliegenden Fall ist der Stundensatz des Sachverständigen nach § 9 Abs. 1 Satz 3 JVEG zu bestimmen, da die Erstellung von anthropologischen Gutachten nicht ausdrücklich in der Anlage 1 zu § 9 JVEG genannt werden. Das von dem Sachverständigen ... erstellte Vergleichsgutachten weist nicht - wie die Bezirksrevisorin meint - einen lediglich durchschnittlichen Schwierigkeitsgrad auf. Vielmehr ist der Schwierigkeitsgrad für die Erstellung von anthropologischen Vergleichsgutachten als hoch einzustufen. Dies gilt insbesondere im vorliegenden Fall, in dem nur schlechtes Bildmaterial ( vgl. Bl. 14 und 52 d. A. ) vorhanden war und zwei fast gleichaltrige ( Jahrgänge 1980 und 1982 ) Brüder zu begutachten waren.

13

Die Zuordnung zu einer Honorargruppe erfolgt somit unter Berücksichtigung der allgemein für Leistungen dieser Art außergerichtlich und außerbehördlich vereinbarten Stundensätze nach billigem Ermessen. Im Zweifel kann und muss das Gericht die Gutachtertätigkeit einer höheren Gruppe zuordnen.

14

Die Sachnähe zur Medizin und der hohe Schwierigkeitsgrad rechtfertigen es im vorliegenden Fall, die Leistung des Sachverständigen der Honorargruppe 8 ( 85 Euro ) zuzuordnen.

15

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 4 Abs. 8 JVEG.