Landgericht Bückeburg
Beschl. v. 05.01.2005, Az.: Qs 77/04
Verantwortlichkeit der Polizeibeamten für die Verursachung eines Unfalls durch den Verfolgten wegen der Provokation eines künstlichen Staus; Ablehnung der Eröffnung des Verfahrens wegen Nichterweislichkeit der Tat; Gefährdung des Straßenverkehrs durch das absichtliche Verursachen eines Staus; Rechtfertigung der Bildung eines künstlichen verkehrsgefährdenden Staus durch eine Tatverdächtigenverfolgung; Berücksichtigung der starken Alkoholisierung und der damit einhergehenden Rücksichtslosigkeit des Tatverdächtigen bei der Planung eines künstlichen Staus zwecks dessen Ergreifung
Bibliographie
- Gericht
- LG Bückeburg
- Datum
- 05.01.2005
- Aktenzeichen
- Qs 77/04
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2005, 34380
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGBUECK:2005:0105.QS77.04.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Stadthagen - 25.08.2004 - AZ: 11 Ds 124/04
Rechtsgrundlagen
- § 8 NGefAG
- § 203 StPO
- § 210 Abs.2 StPO
- § 311 StPO
Fundstellen
- DAR 2006, 103-106 (Volltext mit amtl. LS)
- DVP 2006, 173
- Kriminalistik 2005, 627 (Volltext mit red. LS)
- Life&Law 2006, 48-53
- NJW 2005, XIV Heft 36 (Kurzinformation)
- NJW 2005, 3014-3017 (Volltext mit red. LS)
- NJW-Spezial 2005, 476 (Kurzinformation)
- NPA 2006
- NStZ 2005, 695-697 (Volltext mit amtl. LS)
- NZV 2005, VI Heft 10 (amtl. Leitsatz)
- RÜ 2005, 664-667
- VRS 2005, 174-182 (Volltext mit amtl. LS)
- VRS 109, 174 - 182
Verfahrensgegenstand
Fahrlässige Körperverletzung
Redaktioneller Leitsatz
Ein von der Polizei auf der Autobahn zur Verfolgung von Straftätern herbeigeführter künstlicher Stau ist objektiv pflichtwidrig und unrechtmäßig, wenn eine Gefährdung von Gesundheit oder Leben Dritter nicht ausgeschlossen werden kann.
Werden Dritte bei einem rechtswidrig herbeigeführten künstlichen Stau verletzt, so kann eine Verurteilung der verantwortlichen Polizeibeamten daran scheitern, dass bei ihnen im Tatzeitpunkt ein unvermeidbarer Verbotsirrtum im Sinne des § 17 StGB vorlag.
In der Strafsache
hat die Strafkammer I des Landgerichts Bückeburg
auf die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft vom 06.09.2004
gegen den Beschluss des Amtsgerichts Stadthagen vom 25.08.2004
durch
den Vorsitzenden Richter am Landgericht Frhr. v. Hammerstein,
die Richterin am Landgericht Dr. Brüninghaus sowie
den Richter Wrase
am 05.01.2005
beschlossen:
Tenor:
Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten der Landeskasse, die auch die den Angeschuldigten im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten hat, als unbegründet verworfen.
Gründe
I.
Die Staatsanwaltschaft Bückeburg wirft den Angeschuldigten mit der Anklageschrift vom 28.04.2004 vor,
"in der Gemarkung Lauenau am 23.05.2003 gegen 00.04 Uhr durch dieselbe Handlung gemeinschaftlich handelnd die Sicherheit des Straßenverkehrs dadurch beeinträchtigt zu haben, dass sie Hindernisse bereiteten und dadurch fahrlässig Leib und Leben anderer Menschen und fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdeten, als Amtsträger während der Ausübung ihres Dienstes eine fahrlässige Körperverletzung begangen zu haben.
Den Angeschuldigten wird zur Last gelegt:
Nachdem am 23.05.2003 gegen 23.30 zwei offensichtlich angetrunkene litauische Staatsangehörige auf der Autobahnraststätte Herford einen Diebstahl von u.a. Alkoholika im Wert von ca. 25 Euro begangen und sich daraufhin mit einem PKW Audi A 8 über die BAB 2 in Fahrtrichtung Hannover entfernt hatten, wurden diese zunächst durch ein Einsatzfahrzeug der Autobahnpolizei Detmold verfolgt, ohne dass dies jedoch in der Lage war, die Litauer zum Anhalten zu bringen, u.a. weil jene die von ihnen gefahrene Geschwindigkeit erheblich erhöhten, zum Schluss auf über 200 km/h. Deshalb begaben sich die angeschuldigten Polizeibeamten ... und ... mit einem Streifenwagen des PK Bad Nenndorf über die Anschlussstelle Lauenau auf die BAB 2, bevor die Litauer diesen Ort erreicht hatten. Durch den geführten Funkverkehr, der in der mit dem angeschuldigten Polizeibeamten ... besetzten Lage - und Einsatzzentrale "Deister" zusammenlief, war den Angeschuldigten bekannt, dass bei dem litauischen Fahrzeugführer der Verdacht der Trunkenheit bestand und jener äußerst rücksichtslos mit sich erhöhender Geschwindigkeit fuhr. Demgegenüber war zu den von den Litauern vermutlich begangenen Straftaten neben einer Trunkenheitsfahrt lediglich bekannt, dass "auf der Raststätte Herford Theater gemacht" worden sei und die an dem PKW befestigten Kennzeichen nicht für diesen ausgegeben waren. Trotzdem fragten die Angeschuldigten ... und ... in dieser Situation den Angeschuldigten ... "sollen wir hier mal versuchen so'n bisschen künstlichen Stau zu provozieren?", woraufhin der Angeschuldigte ... antwortete "ja, wenn es klappt". In der Folge setzten die Angeschuldigten ... und ... sodann ihre Geschwindigkeit auf ca. 30 km/h herunter und befuhren unter Einsatz von Sonderzeichen und Heraushalten der Polizeikelle durch den Angeschuldigten ... die BAB in Schlangenlinien, so dass sich hinter ihnen der Fahrzeugverkehr bei der bezeichneten geringen Geschwindigkeit verdichtete. Als sich dann der mit den Litauern besetzte Audi der Stockung mit hoher Geschwindigkeit näherte, war diese für jenen zwar so rechtzeitig erkennbar, dass er hinter dieser hätte anhalten können. Jener versuchte jedoch, mit nahezu unvermittelter Geschwindigkeit durch die Stockung hindurch zu fahren, wobei er mit mehreren sich in der Stockung befindlichen Fahrzeugen kollidierte, die erheblich beschädigt wurden. Unter diesen Fahrzeugen befand sich auch der PKW Opel Omega, ... ..., der mit den Eheleuten ... und ... ... nebst deren Sohn ... besetzt war. Durch den Aufprall auf ihr Fahrzeug wurden ... und ... schwer und ... leicht verletzt, an dem Fahrzeug entstand ein Sachschaden von ca. 15.000, - Euro. In Anbetracht der bekannten Alkoholisierung und der gezeigten Rücksichtslosigkeit des litauischen Fahrzeugführers musste den Angeschuldigten die erheblich erhöhte Unfallträchtigkeit ihres Verhaltens bekannt sein, die jedenfalls im Hinblick auf die zu vermutenden Straftaten deutlich unverhältnismäßig war.
Vergehen des gemeinschaftlichen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr und der fahrlässigen Körperverletzung im Amt, strafbar gemäß §§ 229, 315b Abs.1 Nr.2, Abs.4, 340 Abs.1 u. 3, 25 Abs.2, 52 Strafgesetzbuch."
Mit Beschluss vom 25.08.2004 hat das Amtsgericht Stadthagen die Eröffnung des Hauptverfahrens aus tatsächlichen Gründen abgelehnt.
Zur Begründung hat es ausgeführt, es könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Angeschuldigten vorsätzlich ein Hindernis im Sinne des § 315b StGB bereitet hätten. Sie hätten gerade nicht gehandelt, um die Sicherheit des Straßenverkehrs zu beeinträchtigen. Die vorgenommene Herabsetzung der auf der Autobahn gefahrenen Geschwindigkeit sei im Gegenteil geeignet gewesen, die Sicherheit des Verkehrs zu erhöhen. Es sei nicht festzustellen, dass die Angeschuldigten eine Beeinträchtigung der Sicherheit des Straßenverkehrs gewollt oder auch nur in Kauf genommen hätten.
Es bestehe auch kein hinreichender Tatverdacht für eine von den Angeschuldigten begangene fahrlässige Körperverletzung. Das Verhalten der Angeschuldigten sei schon nicht objektiv pflichtwidrig gewesen. Die eingeleitete Maßnahme, nämlich das langsame Ausbremsen des nachfolgenden Verkehrs durch den mit den Angeschuldigten ... und ... besetzten Streifenwagen, sei eine verhältnismäßige Maßnahme gewesen. Mildere Mittel seien nicht erreichbar gewesen, insbesondere wären weder der Einsatz von sog. Nagelgurten, noch die Bildung einer künstlichen Barriere mittels nebeneinander fahrender LKW in der Kürze der Zeit bei der extrem hohen vom Flüchtenden gefahrenen Geschwindigkeit möglich gewesen. Dementsprechend habe für die Angeschuldigten die einzige Alternative zum Versuch, den Fahrzeugführer durch die Herabsetzung der auf der Autobahn gefahrenen Geschwindigkeit zu einer anderen Fahrweise zu veranlassen, in völliger Untätigkeit bestanden. Diese hätte jedoch dem Auftrag der Angeschuldigten, nämlich Gefahren abzuwehren, widersprochen.
Konkret hätten die Angeschuldigten auch gerade keinen Stau im Sinne einer Blockade gebildet, sondern lediglich die Geschwindigkeit herabgesetzt. Hierbei wäre es durchaus zu erwarten gewesen, dass der Flüchtende weiterhin versucht, zu flüchten, allerdings nicht in der Form, dass er versucht, mit nahezu unverminderter Geschwindigkeit durch die Stauung regelrecht hindurchzustossen. Diese Reaktion sei nicht vorhersehbar gewesen. Auch daraus, dass es sich beim Flüchtenden offenbar um einen alkoholisierten Osteuropäer gehandelt habe, ergebe sich nicht, dass mit einem derart irrationalen wie dem gezeigten Verhalten hätte gerechnet werden müssen. Nicht zu beanstanden sei es auch, dass die Angeschuldigten die anderen Verkehrsteilnehmer als sog. Nichtstörer bei der Bildung der künstlichen Stockung in Anspruch genommen haben. Es gebe keine Anhaltspunkte, dass es ohne die Verdichtung des Verkehrs nicht auch zu einem Unfall gekommen wäre. Es habe für alle Verkehrsteilnehmer aufgrund der Fahrweise des Flüchtenden die Gefahr bestanden, in einen Verkehrsunfall verwickelt zu werden. Für die konkret Geschädigten habe sich diese Gefahr im Sinne eines allgemeinen Lebensrisikos verwirklicht. Ein anderer, vom Flüchtenden ohne Herabsetzung der Geschwindigkeit verursachter Unfall hätte nach aller Lebenserfahrung jedoch noch weitaus schwer wiegendere Folgen gehabt.
Der Beschluss des Amtsgerichts Stadthagen ist der Staatsanwaltschaft Bückeburg am 06.09.2004 zugestellt worden. Am 13.09.2004 hat die Staatsanwaltschaft gegen den Beschluss sofortige Beschwerde beim Amtsgericht Stadthagen eingelegt. Mit der sofortigen Beschwerde greift die Staatsanwaltschaft die Ablehnung der Eröffnung des Hauptverfahrens nur insoweit an, als durch das Amtsgericht Stadthagen auch das Vorliegen eines hinreichenden Tatverdachts für eine fahrlässige Körperverletzung verneint worden ist.
Die Staatsanwaltschaft beantragt,
den Beschluss des Amtsgerichts vom 25.08.2004 aufzuheben und das Hauptverfahren zumindest wegen des Vorwurfs der fahrlässigen Körperverletzung im Amt zu eröffnen.
Zur Begründung wird seitens der Staatsanwaltschaft ausgeführt, die Angeschuldigten hätten durch das Bilden des "künstlichen" Staus objektiv pflichtwidrig gehandelt. Polizeirechtliche "Nichtstörer" wie die unbeteiligten Verkehrsteilnehmer auf der Autobahn dürften nur dann in Anspruch genommen werden, wenn eine erhebliche eigene Gefährdung ausgeschlossen sei. Insbesondere bei einer Gefahr für Leib oder Leben sei eine Inanspruchnahme in aller Regel nicht zulässig. Bei der Prüfung der Möglichkeit der Bildung eines "künstlichen" Staus sei wegen dem dieser Maßnahme stets innewohnenden erheblichen Gefährdungspotenzials eine intensive Abwägung von Risiko und Nutzen vorzunehmen, die bei begründeten Anhaltspunkten für eine Gefährdung unbeteiligter Personen dazu führen müsse, dass die Maßnahme nicht durchgeführt wird. Derartige Anhaltspunkte habe es vorliegend gegeben, diese seien auch den Angeschuldigten bekannt gewesen. Beim Flüchtenden habe es sich um einen osteuropäischen alkoholisierten Beschuldigten gehandelt, gegen den der Verdacht von Eigentumsdelikten bestand, der zudem bereits zuvor durch sein rücksichtsloses Verhalten im Verkehr aufgefallen sei.
Die Verteidiger der Angeschuldigten ... und ... haben beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
II.
Die sofortige Beschwerde ist gemäß §§ 210 Abs.2, 311 StPO zulässig, jedoch unbegründet.
Das Amtsgericht Stadthagen hat die Eröffnung des Hauptverfahrens im Ergebnis zu Recht abgelehnt. Die Voraussetzungen des § 203 StPO sind nicht erfüllt.
Für die Angeschuldigten kann aus tatsächlichen Gründen nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass sie im Falle der Zulassung der Anklage wegen fahrlässiger Körperverletzung verurteilt werden.
Zwar haben die Angeschuldigten objektiv pflichtwidrig und rechtswidrig gehandelt, es kann jedoch nicht mit der erforderlichen überwiegenden Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass für die Angeschuldigten die Rechtswidrigkeit ihres Verhaltens erkennbar war.
Der von den Angeschuldigten ... und ... in Abstimmung mit dem Angeschuldigten ... getroffene und in die Tat umgesetzte Entschluss, unter Zuhilfenahme ihres Streifenwagens auf der Bundesautobahn 2 vor dem sich ihnen mit dem Audi A 8 nähernden Flüchtenden einen so genannten künstlichen Stau zu erzeugen, war objektiv pflichtwidrig und rechtswidrig. Auf der Grundlage der den Angeschuldigten im Tatzeitpunkt zur Verfügung stehenden Informationen wären sie gehalten gewesen, von der Maßnahme abzusehen.
Zwar war die von den Angeschuldigten bei ihrem Eingreifen vorgefundene Sachlage durchaus eine solche, die vom Grundsatz her die Inanspruchnahme Unbeteiligter als nichtverantwortliche Personen i.S.d. § 8 NGefAG zuließ. Nach dieser Vorschrift kann die Polizei Maßnahmen gegen andere Personen als die unmittelbar Verantwortlichen richten, wenn
eine gegenwärtige erhebliche Gefahr abzuwehren ist,
Maßnahmen gegen die unmittelbar Verantwortlichen nicht oder nicht rechtzeitig möglich sind oder keinen Erfolg versprechen,
die Polizei die Gefahr nicht oder nicht rechtzeitig selbst oder durch Beauftragte abwehren kann und
die dritten Personen ohne erhebliche eigene Gefährdung und ohne Verletzung höherwertiger Pflichten in Anspruch genommen werden können.
Diese Voraussetzungen liegen jedoch nicht in allen Punkten vor:
Zwar haben die Angeschuldigten beachtet, dass eine Inanspruchnahme nichtverantwortlicher Personen gemäß § 8 Abs.1 Ziff.1. NGefAG nur zur Abwehr einer gegenwärtigen erheblichen Gefahr für die öffentliche Sicherheit in Betracht kommt. Mit dem offenbar in alkoholisiertem Zustand mit hoher Geschwindigkeit die Bundesautobahn 2 befahrenden Flüchtenden, der bereits erhebliche Probleme mit dem Führen des mit sehr hoher Geschwindigkeit bewegten Audis gezeigt hatte, lag eine gegenwärtige erhebliche Gefahr für die Verkehrssicherheit auf der Bundesautobahn vor, da er Schlangenlinien fahrend mehrfach die linke und rechte Leitlinie der Mittelspur überfuhr, so dass es durch einen Seitenabstand von nur wenigen cm zu den überholten Fahrzeugen bereits zweimal zu einem Beinahunfall gekommen war.
Ebenso konnte gemäß § 8 Abs.1 Nr.2, Nr.3 NGefAG davon ausgegangen werden, dass unmittelbar gegen den Verantwortlichen, also den Flüchtenden, gerichtete Maßnahmen nicht rechtzeitig möglich sein bzw. keinen Erfolg versprechen würden und auch die Polizei selbst oder von ihr Beauftragte die Gefahr nicht würden abwenden können. Es war bereits, bevor überhaupt die Bildung des "künstlichen" Staus angedacht wurde, versucht worden, das Fluchtfahrzeug "konventionell" zu stoppen, indem von einem anderen Polizeifahrzeug aus der Flüchtende durch Anhaltezeichen mit einer Polizeikelle aufgefordert worden war, anzuhalten. Hiervon hatte sich der Flüchtende jedoch nicht beeindrucken lassen, stattdessen seinerseits die Geschwindigkeit auf über 200 km/h erhöht, so dass die Polizei ihm nicht mehr gefahrlos folgen konnte.
Es ist für die Kammer auch nicht ersichtlich, dass andere Maßnahmen den Flüchtigen hätten stoppen können. Insbesondere konnte weder ein so genannter Nagelgurt oder eine durch mehrere nebeneinander fahrende LKW gebildete Barriere als allein und direkt gegen das Fluchtfahrzeug gerichtetes Mittel Verwendung finden, denn solche Mittel standen wegen der Kürze der Zeit der Polizei überhaupt nicht zur Verfügung.
Gleichwohl hätten die Angeschuldigten davon absehen müssen, den "künstlichen" Stau zu bilden.
Maßgeblich ist insofern, dass nach § 8 Abs.1 Nr.4 NGefAG eine Inanspruchnahme nichtverantwortlicher Personen nur dann erfolgen darf, wenn eine erhebliche eigene Gefährdung der nichtverantwortlichen Personen gerade ausgeschlossen ist. Eine solche erhebliche Gefährdung liegt entsprechend Nr.8.1 der Ausführungsbestimmungen zu § 8 des Niedersächsischen Gefahrenabwehrgesetzes (AB NGefAG) insbesondere dann vor, wenn durch die polizeiliche Maßnahme Leben oder Gesundheit einer nichtverantwortlichen Person gefährdet wird. Eben eine solche konkrete Gefahr für Leib und Leben, die sich im Falle der Geschädigten ..., ... und ... realisiert hat, brachte jedoch die von den Angeschuldigten gewählte Maßnahme mit sich, nämlich die Gefahr, dass der Flüchtende nicht am Ende des zu bildenden Staus - ebenso wie die anderen Verkehrsteilnehmer - seine Geschwindigkeit herabsetzen und sich der abfallenden Geschwindigkeit anpassen würde, sondern er statt dessen in ein das Stauende bildendes Fahrzeug hinein rasen würde.
Hierbei ist zu beachten, dass ein sich auf einer Autobahn bildender Stau gegenüber dem regulär fließenden Verkehr bereits per se ein erhöhtes Gefahrenpotenzial aufweist. Dieses besteht darin, dass von hinten an den Stau heranfahrende Verkehrsteilnehmer infolge mangelnder Aufmerksamkeit zu spät auf die am Stauende stehenden bzw. abbremsenden Fahrzeuge reagieren, auf diese auffahren und mit diesen kollidieren können. Sofern ein "künstlicher" Stau dazu dient, flüchtige Personen nach einer Verfolgungsfahrt zu stoppen, dürfte zudem regelmäßig hinzukommen, dass sich der Führer des Fluchtfahrzeugs in einer psychischen Ausnahmesituation befindet. Im Einzelfall kann er weiterhin, wenn mehrere Personen sich im Fluchtfahrzeug befinden, auch gruppendynamischen Prozessen ausgesetzt sein.
Gleichwohl kann das Bilden eines "künstlichen" Staus als polizeirechtliche Maßnahme nicht stets als von vornherein unzulässig und damit als stets rechtswidrig angesehen werden. Die aufgezeigte Situation am Ende sich bildender Staus stellt sich zwar regelmäßig als gefährlich dar, sie führt jedoch nicht stets und zwangsläufig zu einer erheblichen Gefährdung unbeteiligter Personen im Sinne des § 8 Abs.1 Nr.4 NgefAG, die dann zur Unzulässigkeit einer polizeilichen Maßnahme führt. Denn nach § 2 Nr.1. a) NGefAG ist der polizeirechtliche Gefahrenbegriff dahingehend zu verstehen, dass eine erhebliche Gefahr immer erst dann vorliegt, wenn sie sich bereits so weit konkretisiert hat, dass die hinreichende Wahrscheinlichkeit für einen Schadenseintritt in absehbarer Zeit besteht. Im Falle eines sich bildenden Staus auf einer Autobahn besteht jedoch die in absehbarer Zeit zu erwartende und von den allermeisten Verkehrsteilnehmern auch gezeigte Reaktion darin, sich der Situation angepasst zu verhalten, nämlich abzubremsen, ggf. anzuhalten und zwar, ohne die Vorausfahrenden zu gefährden. Bei einem "künstlichen" Stau besteht zudem die Möglichkeit, die Verlangsamung und Verdichtung des Verkehrs kontrolliert und schrittweise unter Beachtung der gegebenen Verkehrsverhältnisse, Witterungsverhältnisse und ähnlicher Umstände herbeizuführen, wohingegen bei einem "natürlichen" Stau das ihm innewohnende aufgezeigte Gefährdungspotenzial sich oftmals gerade daraus ergibt, dass die Stockung sich plötzlich und teilweise sehr schnell, ggf. zudem bei sehr ungünstigen Sicht - oder Verkehrsverhältnissen, bildet. Ein künstlicher Stau kann also - bei strikter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im Einzelfall - durchaus in bestimmten Konstellationen ein legitimes und erforderliches Mittel polizeilicher Tätigkeit darstellen.
Im Fall der Angeschuldigten kamen jedoch besondere Umstände hinzu, die dazu führten, dass die Inanspruchnahme der unbeteiligten Fahrzeugführer als nichtverantwortliche Personen nicht erfolgen durfte.
Den Angeschuldigten war bekannt, dass die Insassen des Fluchtfahrzeugs zuvor an einer Raststätte durch ein Vermögensdelikt, allerdings mit einem geringwertigen Schaden, aufgefallen waren. Zudem war bekannt, dass am Fluchtfahrzeug falsche Kennzeichen montiert waren, wobei es sich beim Fluchtfahrzeug um eine sehr hochwertige Limousine handelte. Bekannt war auch, dass die Flüchtenden eine osteuropäisch erscheinende Sprache sprachen und außerdem vom Raststättenpersonal als angetrunken beschrieben worden waren. Vor diesem Hintergrund hat die Kammer - entgegen den Ausführungen des Amtsgerichts Stadthagen im angefochtenen Beschluss - keine Bedenken, für die Flüchtenden bzw. den flüchtenden Fahrer des Audi A8 von einer erhöhten Bereitschaft auszugehen, sich selbst und andere und damit eben ggf. auch unbeteiligte Dritte einer Gefährdung von Leib und Leben auszusetzen.
Diese genannten Umstände rechtfertigen durchaus einen leichten Verdacht, dass es sich beim Fahrzeugführer um einen zumindest im weiteren Sinne der organisierten osteuropäischen Kriminalität zuzuordnenden alkoholisierten Täter handeln könne, für den bei lebensnaher Betrachtung - auch insofern hat die Kammer keine Bedenken - von einer gegenüber anderen mit der Situation eines "künstlichen" Staus konfrontierten Tätern herabgesetzten Hemmschwelle ausgegangen werden kann. Die vom Amtsgericht aufgezeigten Bedenken gegen derartige Schlussfolgerungen mögen sich bei einer Betrachtung aus Sicht des Betroffenen als gerechtfertigt darstellen, nicht jedoch im Rahmen der Prüfung, ob eine Gefährdung nichtverantwortlicher Personen ausgeschlossen ist.
Hinzu kommt, dass der Flüchtende bereits konkret seine herabgesetzte Hemmschwelle gezeigt hatte, indem er nämlich auf ein Anhaltezeichen der Polizei nicht reagiert hatte, stattdessen seine Geschwindigkeit derart erhöht hatte, dass die ihn bis dahin verfolgenden Polizeibeamten ihrerseits sich wegen der hohen Geschwindigkeit von über 200 km/h gefährdet sahen, dementsprechend die Verfolgung aus Gründen des Eigenschutzes abbrachen und sich zurückfallen ließen, während der Flüchtende weiter beschleunigte. Weiter kommt hinzu, dass der Flüchtende bereits zuvor anderen - unbeteiligten - Fahrzeugen sehr nahe gekommen war, auch sonst teilweise in Schlangenlinien gefahren war.
Danach lag es bei lebensnaher Betrachtung durchaus im Bereich des Möglichen, dass dieser Flüchtende sich auch beim Heranfahren an den durch die Angeschuldigten ... und ... herbeigeführten "künstlichen" Stau nicht der Situation angemessen, sondern irrational verhalten würde. Entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft in der Abschlussverfügung geht die Kammer zwar nicht davon aus, dass sich die Möglichkeit irrationalen Verhaltens an der Grenze zur Offensichtlichkeit gerade aufdrängen musste. Immerhin hat der Flüchtende durch seine Reaktion gezeigt, dass ihm trotz des genossenen Alkohols und seiner riskanten Fahrweise gerade nicht alles - insbesondere auch sein Leben - egal war, sondern er ja gerade vor der Polizei zu flüchten versuchte, um weiter in Freiheit leben zu können. Andererseits aber - dies ist entscheidend - lag der vom Flüchtenden unternommene Versuch, den Stau zu durchbrechen, wegen seines bereits zuvor gezeigten risikoreichen Verhaltens und der sonst bekannten Umstände auch nicht derart weit im Bereich des Unwahrscheinlichen, dass diese Möglichkeit bei der Prüfung einer möglichen konkreten Gefährdung der nichtverantwortlichen Personen überhaupt hätte unberücksichtigt bleiben können. Vielmehr hätte diese Möglichkeit durchaus von den Angeschuldigten berücksichtigt werden müssen.
Danach, weil nach § 8 Abs.1 Nr.4. NGefAG Gefährdungen Dritter gerade ausgeschlossen sein müssen, vorliegend aus den genannten Gründe aber gerade nicht als ausgeschlossen angesehen werden konnten, hätten die Angeschuldigten den künstlichen Stau nicht bilden dürfen.
Soweit das Amtsgericht Stadthagen im angefochtenen Beschluss davon ausgeht, der Maßnahme der Angeschuldigten sei eine risikosenkende, nicht risikoerhöhende Qualität beizumessen, weil die auf der Bundesautobahn gefahrene Geschwindigkeit insgesamt herabgesetzt worden sei, vermag die Kammer dem nicht zu folgen. Zwar stellte der offenbar betrunken sehr schnell die Bundesautobahn befahrende Flüchtende ein nicht unerhebliches Sicherheitsrisiko auf der Autobahn dar. Die daraus resultierende Gefahr bestand jedoch zunächst allein rein abstrakt und zwar für alle sonstigen die Autobahn zusammen mit dem Flüchtenden befahrenden Verkehrsteilnehmer. (Die konkrete Gefahr im Hinblick auf die beiden Fahrzeuge, mit denen es beinahe zu einem Unfall gekommen wäre, war bereits beendet). Anders als offenbar vom Amtsgericht Stadthagen angenommen, ging es den Angeschuldigten bei der Bildung des künstlichen Staus auch nicht darum, diese abstrakte Gefahr weiter zu reduzieren durch eine deutliche Herabsetzung der insgesamt, von allen Verkehrsteilnehmern, einschließlich dem Flüchtenden, auf der Bundesautobahn gefahrenen Geschwindigkeit. Ziel der polizeilichen Maßnahmen war vielmehr, das Fluchtfahrzeug im Ergebnis zu stoppen, also zum Stillstand zu bringen. Dies war auch dem Flüchtenden gegenüber bereits durch das Anhaltezeichen der ihn zunächst verfolgenden Polizeibeamten durchaus deutlich gemacht worden. Eben durch die Maßnahme "künstlicher" Stau als Versuch, den Flüchtenden zu stoppen, hat sich dann jedoch - hierauf weist die Staatsanwaltschaft in ihrer Abschlussverfügung vom 27.04.2004 (Bl.3 Bd.2 d.A.) zutreffend hin - die bei regulärem Verkehrsfluss auf der Autobahn vom Flüchtenden für die anderen Fahrzeugführer nur abstrakt ausgehende Gefahr in eine konkrete Gefahr für die am Stauende betroffenen Fahrzeuge und deren Insassen gewandelt.
Kausaler Faktor für die Entstehung dieser konkreten Gefahr, die sich im Falle der Geschädigten ... verwirklicht hat, wiederum war der Entschluss der Angeschuldigten, den künstlichen Stau herbeizuführen. Hätten die Angeschuldigten keine Maßnahmen eingeleitet, stattdessen den Flüchtenden entkommen lassen, hätte es zwar infolge seiner Alkoholisierung und dadurch bedingter Fahrunsicherheit durchaus ebenfalls zu einem Verkehrsunfall kommen können. Für die dann Betroffenen hätte sich dann allerdings - auch hierauf ist bereits hingewiesen worden - letztlich allein das allgemeine Lebensrisiko verwirklicht, dem Verkehrsteilnehmer stets abstrakt ausgesetzt sind, nämlich das Risiko, unverschuldet von einem Verkehrsunfall betroffen zu werden. Andererseits wäre es jedoch ebenso möglich gewesen, dass der Flüchtende sein Fahrtziel unfallfrei, ohne andere Verkehrsteilnehmer zu schädigen, erreicht hätte, zumal er die extreme Fahrweise erst gezeigt hatte, nachdem ihm klar geworden war, dass er von der Polizei verfolgt wurde. Statt dessen ist jedoch von den Angeschuldigten - objektiv - eine erhebliche und - dies ist entscheidend - gerade konkrete Gefährdung bestimmter Verkehrsteilnehmer, nämlich unter anderem der Geschädigten ..., verursacht worden.
Weil schließlich - insofern stimmt die Kammer den Ausführungen der Staatsanwaltschaft in der Verfügung vom 17.11.2003 (Bl.221 Bd.1 d.A.) zu - auch keine höherwertigen zu schützenden Rechtsgüter erkennbar sind, die die Durchführung der Maßnahme rechtfertigen könnten, ist eine fahrlässige Körperverletzung gegeben.
Allerdings wird sich für die Angeschuldigten im Ergebnis nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit ausschließen lassen, dass ihnen im Tatzeitpunkt im Sinne des § 17 StGB die Einsicht fehlte, Unrecht zu tun.
Die Kammer geht wie die Staatsanwaltschaft und entsprechend der herrschenden Auffassung in Rechtsprechung und Lehre davon aus, dass § 17 StGB, der schon von seinem Wortlaut her keinerlei Einschränkung enthält, uneingeschränkt nicht nur auf Vorsatzdelikte, sondern ebenso auf Fahrlässigkeitsdelikte anwendbar ist (OLG Karlsruhe NJW 1967, 2167 (2168); MüKo - Joecks, § 17 Rn.73; LK - Schroeder, 11. Auflage, § 17 Rn.2). Zu beachten ist hierbei allerdings in der Regel - hierauf weist auch die Staatsanwaltschaft in ihrer Abschlussverfügung vom 27.04.2004 (Bl.1f. Bd.2 d.A.) zutreffend hin - , dass der Täter eines Fahrlässigkeitsdelikts regelmäßig einer gerade durch Tatsachenunkenntnis bzw. Tatsachenfehlbewertung vermittelten Verbotskenntnis unterliegt, woraus jedoch keine Straffreiheit oder -milderung gemäß § 17 StGB folgen kann, weil dieser Umstand bereits maßgeblich dafür ist, dass die Tat eben lediglich als Fahrlässigkeits- und nicht als Vorsatzdelikt einzuordnen ist (vgl. MüKo - Joecks, § 17 Rn.73.).
Die Kammer vermag den Ausführungen der Staatsanwaltschaft in der Abschlussverfügung jedoch insofern nicht zuzustimmen, als dort bei der Prüfung des Verschuldens der Angeschuldigten allein darauf abgestellt wird, ob die Angeschuldigten in der Lage waren, die Frage zutreffend zu beantworten, ob die bislang unbeteiligten Kraftfahrzeugführer in concreto als Gefahrenabwehrmittel in Anspruch genommen werden durften, wobei hierbei von ihnen nichts anderes gefordert gewesen sein soll als eine für Polizeibeamte alltägliche Prüfung anhand des einschlägigen Gefahrenabwehrrechts. Es muss vielmehr darüber hinaus auch im Bereich der Fahrlässigkeitsdelikte Raum für einen auf Regelunkenntnis beruhenden Verbotsirrtum sein (vgl. MüKo - Joecks § 17 Rn.74).
Konkret bedeutet dies für die Angeschuldigten allerdings nicht, dass maßgeblich wäre, ob sie jeweils individuell Kenntnis von der Existenz der Vorschriften der §§ 229, 340 StGB hatten oder hätten haben können. Dies kann durchaus unterstellt werden. Maßgeblich ist vielmehr, ob die Angeschuldigten wussten bzw. hätten wissen können, dass die Herbeiführung eines "künstlichen" Staus in Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben - so seine Unzulässigkeit sich nicht geradezu aufdrängt, was die Kammer allerdings vorliegend wie ausgeführt gerade nicht festzustellen vermag - überhaupt geeignet ist, einen Strafbarkeitsvorwurf zu begründen. Hiervon indes kann für diese Angeschuldigten nicht ausgegangen werden.
Maßgeblich ist hierbei nach Auffassung der Kammer durchaus - wie auch zunächst noch in der Verfügung vom 17.11.2003 (Bl.223 Bd.1 d.A.) von der Staatsanwaltschaft Bückeburg angenommen - die Frage, wie die Strafbarkeit entsprechenden bzw. vergleichbaren Verhaltens bislang von der Rechtsprechung oder ggf. auch - so eine einschlägige Rechtsprechung nicht vorhanden ist - von den Staatsanwaltschaften (vgl. BayObLG NJW 1980, 1057 [BayObLG 20.12.1979 - RReg. 5 St 237/79] (1058)) beurteilt worden ist. Diese Frage wiederum ist dahingehend zu beantworten, dass bislang gegen Polizeibeamte nach vergleichbaren Ereignissen - mit teilweise noch weitaus dramatischeren Folgen - eingeleitete staatsanwaltschaftliche Ermittlungen bzw. Vorermittlungen allesamt zu dem Ergebnis gekommen sind, ein strafbares Verhaltens der verantwortlichen Polizeibeamten liege nicht vor. Zudem hat das Landgericht Frankfurt (Main) mit Urteil vom 02.02.1983 (Bl.171 Bd.1 d.A.) die Klage eines im Zuge eines "künstlichen" Staus verunfallten unbeteiligten Kraftfahrzeugführers gegen das Land Hessen als Dienstherr der Polizei auf Schadensersatz mit der Begründung abgewiesen, eine Amtspflichtverletzung sei nicht gegeben.
Nicht stichhaltig ist in diesem Zusammenhang der Hinweis in der Stellungnahme der Staatsanwaltschaft vom 12.10.2004 (Bl.84 Bd.2 d.A.), dass die Angeschuldigten im Tatzeitpunkt ohnehin keine konkreten Kenntnisse von den früheren Entscheidungen gehabt haben dürften. Eine einheitliche strafbarkeitsverneinende Praxis der Gerichte bzw. Staatsanwaltschaften muss einem Täter nämlich auch dann zugute kommen, wenn er sie nicht gekannt hat (LK - Schroeder, 11. Auflage, § 17 Rn.37).
Für die Kammer nicht überzeugend stellt sich auch der Hinweis der Staatsanwaltschaft in der Stellungnahme vom 12.10.2004 dar, den vorangegangenen Entscheidungen könne schon insofern keine entscheidende Bedeutung beigemessen werden, weil sich zwischenzeitlich die allgemeinen Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit polizeilichen Handelns spürbar verschärft hätten. Dieser Gesichtspunkt darf nicht zu Lasten der Angeschuldigten berücksichtigt werden. Im Übrigen hatte zuletzt Ende 2003 die Staatsanwaltschaft Würzburg nach Vorermittlungen in einem Fall, bei dem im Zuge eines "künstlichen Staus" der Flüchtende getötet und unbeteiligte Verkehrsteilnehmer verletzt worden waren, dahingehend Stellung genommen, dass den beteiligten Polizeibeamten kein Vorwurf gemacht werden könne (Bl.51 Bd.2 d.A.). Zudem war immerhin die Staatsanwaltschaft Bückeburg selbst zunächst bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit des Verhaltens der Angeschuldigten zu dem Ergebnis gekommen, dass für den Fall der Annahme der Vermeidbarkeit eines Verbotsirrtums eine Strafbarkeit zwar gegeben sei, allerdings eine solche mit einem nur leichten Verschulden im Sinne des § 153 StPO (Bl.224 Bd.1 d.A.), während das Amtsgericht Stadthagen im angefochtenen Beschluss sogar zu dem Ergebnis gekommen war, das Verhalten der Angeschuldigten erfülle bereits gar nicht den Tatbestand des § 229 StGB.
Danach kann dann allerdings den Angeschuldigten, die anders als der Dezernent bei der Staatsanwaltschaft und die Richterin des Amtsgerichts Stadthagen über keine vollständige juristische Ausbildung verfügen, nicht vorgehalten werden, sie hätten die Unrechtmäßigkeit ihres Tuns erkennen können.
Die Kammer unterstreicht ihrerseits die bereits mehrfach und von verschiedenen Beteiligten des Verfahrens angesprochene Notwendigkeit einer Normierung - zumindest auf der Ebene der polizeilichen Dienstanweisungen - der Voraussetzungen des Einsatzes "künstlicher" Staus als polizeiliche Maßnahme, um künftig insbesondere für die in derartigen Situationen eingesetzten Polizeibeamten Rechtssicherheit zu schaffen.
Für ihren Zuständigkeitsbereich geht die Kammer davon aus, dass in zukünftigen vergleichbaren Fällen die Unvermeidbarkeit eines Verbotsirrtums nur noch in Extremfällen wird anzunehmen sein, nachdem nunmehr diese Entscheidung vorliegt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 StPO.
Gegen diese Entscheidung ist ein weiteres Rechtsmittel nicht gegeben, § 310 Abs.2 StPO.
Dr. Brüninghaus
Wrase