Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 12.11.2000, Az.: 3 A 3387/00
Anordnung zur Einleitung von auf einem Grundstück anfallenden Schmutzwasser in die zentrale öffentliche Schmutzwasserkanalisation; Kommunalrechtliche Ausübung eines abwasserrechtlichen Benutzungszwangs und Anschlusszwangs an eine öffentliche zentrale Schmutzwasserkanalisation; Abwasserrechtliche Bewertung einer privaten Abwasserbehandlungsanlage im Keller eines Hauses ; Ableitung häuslichen Abwassers
Bibliographie
- Gericht
- VG Göttingen
- Datum
- 12.11.2000
- Aktenzeichen
- 3 A 3387/00
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2000, 34068
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGGOETT:2000:1112.3A3387.00.0A
Rechtsgrundlagen
- § 4 Abs. 1 ABS
- § 117 Abs. 5 VwGO
- Art. 2 Abs. 1 GG
- Art. 14 GG
- § 148 NWG
Verfahrensgegenstand
Benutzungszwang für zentrale Abwasserbeseitigungsanlage
In der Verwaltungsstreitsache
...
hat das Verwalungsgericht Göttingen - 3. Kammer -
auf die mündliche Verhandlung vom 12. November 2000
durch
den Richter ... am Verwaltungsgericht als Einzelrichter
für Recht erkannt:
Tenor:
Von Ziffer I des Bescheides der Beklagten vom 18.11.1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29.08.2000 wird der Nebensatz "wobei das...einzuleiten ist." aufgehoben.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin zu zwei Dritteln und die Beklagte zu einem Drittel; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.
Jede Kostenschuldnerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des gegen sie festzusetzenden Kostenerstattungsbetrages abwenden, wenn nicht die jeweilige Kostengläubigerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Berufung wird für die Beklagte zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen ihre Verpflichtung zur Benutzung der zentralen öffentlichen Abwasserbeseitigungsanlage der Beklagten. Die Klägerin ist in ungeteilter Erbengemeinschaft zusammen mit ihrer Schwester Eigentümerin des Grundstücks H, bestehend aus dem Flurstück 1, auf dem sich ein Wohnhaus mit Nebengebäuden befindet, und der mit Büschen und Gras bestandenen nord- und südwestlich angrenzenden Flurstücke 2 und 3. Zur Beseitigung des Schmutzwassers war die Erbengemeinschaft bis Ende 1989 im Besitz einer befristeten, widerruflichen Erlaubnis, das in einer Hauskläranlage gereinigte Abwasser in einen auf dem Grundstück verlaufenden Vorfluter einzuleiten. Der Erlaubnis war die Bestimmung beigefügt, dass das Abwasser nach der Inbetriebnahme der zentralen Schmutzwasserkanalisation dieser zuzuführen und durch die Kläranlage zu beseitigen sei.
Mit Bescheid vom 28.07.1995 gab die Beklagte der Klägerin auf, das Grundstück H an die öffentliche zentrale Abwasseranlage anzuschließen und einen entsprechenden Entwässerungsantrag bei der Beklagten einzureichen. Weiterhin drohte sie die kostenpflichtige Ersatzvornahme der Erstellung eines Schmutzwasserhausanschlusses an; Widerspruch und Klage (VG Göttingen, Urteil vom 09.06.1999 - 3 A 3308/97 -) hatten keinen Erfolg. Einen gleichlautenden Bescheid erhielt die Schwester der Klägerin; er wurde ebenfalls bestandskräftig. Im Herbst 1999 wurde der Hausanschluss in Wege der Ersatzvornahme ausgeführt (vgl. VG Göttingen, Urteil vom heutigen Tage - 3 A 3011/01 -). In diesem Zeitraum wurde außerdem im Keller des klägerischen Hauses eine private Abwasserreinigungsanlage vom Typ "Biomir" eingebaut und in Betrieb genommen; das hierin behandelte Abwasser wurde hauptsächlich über eigene Leitungen zur Toilettenspülung, für die Waschmaschine sowie zur Füllung eines Gartenteichs verwendet.
Nach der Fertigstellung der Anschlussarbeiten forderte die Beklagte die Klägerin mit Bescheid vom 18.11.1999 auf,
- I.
alles auf dem Grundstück H anfallende Abwasser (Schmutzwasser) in die öffentliche zentrale Schmutzwasserkanalisation einzuleiten, wobei das aus der errichteten dezentralen Abwasserbehandlungsanlage verbleibende Abwasser ohne Rückführung in den Abwasserkreislauf direkt ebenfalls in die öffentliche zentrale Schmutzwasserkanalisation einzuleiten ist.
- II.
Die sofortige Vollziehung der Anordnung zu I. wird hiermit angeordnet.
- III.
Für den Fall, dass Sie der Anordnung zu I. nicht innerhalb einer Woche nach Zustellung dieser Verfügung nachkommen, drohe ich hiermit gleichzeitig ein Zwangsgeld in Höhe von 1.000,00 DM an.
- IV.
Die Kosten des Verfahrens haben Sie zu tragen. Über die Höhe ergeht ein gesonderter Kostenfestsetzungsbescheid.
Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, nach der betriebsbereiten Herstellung des Schmutzwasseranschlusses lägen auch die tatsächlichen Voraussetzungen für das Einleiten des auf dem Grundstück änfallenden Schmutzwassers in die Kanalisation vor. Zweifellos falle auch nach dem Einbau der dezentralen .Abwasserbehandlungsanlage Abwasser an; nach § 4 Abs. 1 ABS müsse dieses der zentralen öffentlichen Anlage zugeführt werden. Der sofortige Vollzug sei erforderlich, weil das Abwasser des Grundstücks direkt einem öffentlichen Gewässer zugeführt werde; diese illegale Abwasserbeseitigung könne nicht bis zum Abschluss des Verfahrens hingenommen werden. Die Berechtigung zur Androhung des Zwangsgeldes folge aus § 70 Abs. 1 NVwVG; das Zwangsgeld sei das geeignetste Mittel und auch der Höhe nach angemessen. Weil die Klägerin Anlass zum Verfahren gegeben habe, müsse sie dessen Kosten tragen. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 29.08.2000, zugestellt am 05.09.2000,mit der Begründung zurück, die errichtete dezentrale Abwasserbehandlungsanlage sei mangels einer Genehmigung eine illegale Einrichtung, die nicht genutzt werden dürfe, weshalb das anfallende Abwasser dem öffentlichen Kanalnetz zu überlassen sei.
Am 05.10.2000 hat die Klägerin Klage erhoben, zu deren Begründung sie ausführt:
Die Verweigerung einer Genehmigung der dezentralen Abwasserbehandlungsanlage und der Wiederverwendung des gereinigten Abwassers auf dem Grundstück sei vom Satzungsrecht der Beklagten nicht gedeckt; insofern bestehe eine Regelungslücke. Bei der Wiederverwendung des qualitativ hochwertig gereinigten Abwassers träten keine Belastungen für die Umwelt auf. Der Überschuss des aufbereiteten Wassers werde inzwischen vollständig in die Schmutzwasserkanalisation der Beklagten eingeleitet. Im selben Ortsteil habe die Beklagte eine dezentrale Abwasserentsorgung zugelassen, weshalb auch die Kläerin einen Anspruch auf Befreiung vom Genehmigungserfordernis habe.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 18.11.1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29.08.2000 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verteidigt die angefochtenen Bescheide und verweist auf die Illegalität des Betriebes der Abwasserbehandlungsanlage infolge der fehlenden Genehmigung.
Nach Anhörung der Beteiligten hat die Kammer den Rechtsstreit dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachund Streitstandes wird auf die Gerichtsakte dieses Verfahrens, der Verfahren 3 A 3308/97, 3 A 3011/01, 3 83291/99, 3 83124/00 und 3 B 3113/01 sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist lediglich in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Im Übrigen sind die angefochtenen Bescheide rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Rechtsgrundlage der Anordnung, alles auf dem Grundstück anfallende Schmutzwasser in die zentrale öffentliche Schmutzwasserkanalisation einzuleiten, ist der in § 4 Abs. 1 der Abwasserbeseitigungssatzung - ABS - der Beklagten vom 07.02.2002 verankerte Benutzungszwang; dies wird von der Klägerin inzwischen auch nicht mehr ernstlich in Zweifel gezogen. Maßgeblich für die Ausübung des Benutzungszwangs ist wiederum - wie schon hinsichtlich des Anschlusszwangs (vgl. VG Göttingen, Urteil vom 09.06.1999, aaO., S. 8) - das zur Zeit der gerichtlichen Entscheidung geltende Recht, weil diese Maßnahme ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung ist (vgl. Nds.OVG, Urteile vom 11.08.1992, - 9 L 4536/91 -, dng 1993, 129, und vom 19.01.1993- 9 L 297/89-, NVwZ 1993, 1017). Die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 ABS. nach denen der Grundstückseigentümer verpflichtet ist, alles anfallende Schmutzwasser der öffentlichen Abwasseranlage zuzuführen, wenn ein Grundstück an sie angeschlossen ist, liegen vor. Für den vorliegenden Fall im Ergebnis unproblematisch ist auch das Merkmal "Schmutzwasser". § 2 Abs. 2 ABS definiert es in Form eines von zwei Unterbegriffen des "Abwassers", wobei zwischen häuslichem und nichthäuslichem Abwasser unterschieden wird. Ersteres ist "das durch häuslichen Gebrauch verunreinigte Wasser", letzteres "das durch gewerblichen, industriellen, landwirtschaftlichen oder sonstigen Gebrauch verunreinigte oder sonst in seinen Eigenschaften veränderte Wasser". Zwar ist bei dieser von der Beklagten gewählten Begrifflichkeit nicht nur bedenklich, dass sie für das häusliche Abwasser von der in Rechtsprechung und Literatur (Nds.OVG, Beschluss vom 17.09.2001 - 9 L 829/00 -, mit weiteren Nachweisen; VG Göttingen, Beschluss vom 15.11.1999 - 3 B 3291/99 -; Haupt/Reffken/Rhode, NWG, Stand: 07/02, § 148 Rn 2) allgemein anerkannten Definition abweicht, indem auf die - weder qualitativ noch quantitativ greifbare - Verunreinigung anstelle der Eigenschaftsveränderung abgestellt wird; sie dürfte auch gegen die Aufgabenzuweisung der Abwasserbeseitigung gemäß § 149 Abs. 1 NWG verstoßen, indem häusliches Abwasser, welches in den Eigenschaften verändert ist, ohne "verunreinigt" zu sein, von der Abwasserbeseitigung durch die Beklagte ausgenommen wird, solange es nicht in die Kanalisation eingeleitet wird (vgl. § 2 Abs. 2 Satz 4 ABS. wobei wiederum zweifelhaft ist, ob "Kanalisation" die Grundstücksentwässerungsanlage umfasst). Vorliegend ist diese begriffliche Problematik jedoch nicht von Belang, da Streitgegenstand dieses Verfahrens die Regelung ist, dass alles auf dem klägerischen Grundstück anfallende Schmutzwasser in die zentrale öffentliche Schmutzwasserkanalisation eingeleitet werden muss und gerichtsbekannt ist (vgl. Protokoll des Erörterungstermins im Verfahren 3B 3113/01 vom 13.09.2001, Seite 2), dass sich das in der Abwasseraufbereitungsanlage der Klägerin vorgereinigte häusliche Schmutzwasser schon durch Farbe und Geruch von dem Trinkwasser aus der öffentlichen Wasserversorgungseinrichtung der Beklagten eindeutig unterscheidet. Damit bleibt das Abwasser des klägerischen Haushalts auch nach der Vorreinigung "verunreinigt" und mithin Schmutzwasser i.S.d. § 2 Abs. 2 ABS.
Nicht zu beanstanden sind auch die Ziffern III. und IV. des Bescheides vom 18.11.1999; zur Vermeidung von Wiederholungen wird gemäß § 117 Abs. 5 VwGO auf die zutreffenden Begründungen in den angefochtenen Bescheiden Bezug genommen. Insbesondere aus dem zum Verfahren 3 B 3265/02 eingereichten Verwaltungsvorgang der Beklagten ergibt sich in aller Deutlichkeit, dass die Klägerin bis vor rund einem halben Jahr nicht bereit War, alle erforderlichen Vorkehrungen zu treffen, die zur Überprüfung notwendig waren, ob entgegen dem ausgeübten Anschluss- und Benutzungszwang hinsichtlich der zentralen Abwasserbeseitigungsanlage weiterhin dezentral vorgereinigtes Abwasser direkt in den Naturkreislauf entsorgt wurde.
Rechtswidrig und die Rechte der Klägerin verletzend ist hingegen die Anordnung in Ziffer I. des Bescheides vom 18.11.1999, wonach "das aus der errichteten dezentralen Abwasserbehandlungsanlage verbleibende Abwasser ohne Rückführung in den Abwasserkreislauf direkt ebenfalls in die öffentliche zentrale Schmutzwasserkanalisation einzuleiten ist. Soweit sich die Beklagte insofern auf die fehlende Änderungsgenehmigung für die aufgestellte Biomir-Anlage gemäß § 6 Abs. 1 ABS. und mithin auf die formelle Illegalität der Grundstücksentwässerungsanlage des klägerischen Grundstücks beruft, ist in hohem Maße zweifelhaft, ob dieses Argument nicht ausgeschlossen ist. Wenn aus der Biomir-Anlage Abwasser verbleibt, welches in den öffentlichen Schmutzwasserkanal einzuleiten ist, setzt dies denknotwendig den Betrieb dieser Einrichtung voraus, den die Beklagte jedenfalls im Bescheid vom 18.11.1999 nicht zu beenden trachtete; sie wollte lediglich eine ganz bestimmte Verwendung des Produktes dieser Anlage verfügen. Diese Formulierung spricht also für die Annahme, dass die Beklagte im November 1999 den Betrieb der Biomir-Anlage im Keller des klägerischen Hauses kannte und konkludent duldete. Ob hieraus abgeleitet werden kann, dass Ziffer I. des Bescheides vom 18.11.1999, die weder durch den Tenor noch durch die Begründung des Widerspruchsbescheides vom 29.08.2000 erkennbar verändert wurde, gleichzeitig eine konkludente Änderungsgenehmigung der Grundstücksentwässerungsanlage in Hinblick auf den Betrieb der Biomir-Anlage enthielt, braucht nicht abschließend entschieden zu werden, weil es hierauf im Ergebnis nicht ankommt.
Aus dem NWG oder aus den Regelungen der ABS ist keine Ermächtigungsgrundlage zu entnehmen, aufgrund deren Tatbestandsmerkmalen und Rechtsfolgen die Beklagte die streitbefangene Regelung treffen dürfte, wonach die Klägerin alles nach dem Durchlauf der Abwasserbehandlungsanlage im Keller ihres Hauses verbleibende Abwasser direkt in die öffentliche zentrale Schmutzwasserkanalisation einzuleiten habe, ohne es erneut über eine eigenständige Rohrleitung zur Toilettenspülung - dieser Vorgang ist offenbar mit der Formulierung "ohne Rückführung in den Abwasserkreislauf" gemeint - nutzen zu dürfen. Nach dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung ist jegliches Handeln der Verwaltungsbehörden an Recht und Gesetz gebunden (Art. 20 Abs. 3 GG); zumindest alle belastenden Maßnahmen bedürfen einer gesetzlichen Grundlage. Das ausgesprochene Wiederverwendungsverbot ist für die Klägerin eine belastende Maßnahme, denn es greift in den Schutzbereich der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) und der Eigentumsgarantie (Art. 14 GG) ein. Weder aus dem WHG noch aus dem NWG (hier insbesondere §§ 148 f NWG) kann ein Recht der abwasserbeseitigungspflichtigen Kommune entnommen werden, dass und unter welchen Voraussetzungen sie den Abwasserproduzenten jegliche weitere Verwendung einmal entstandenen Abwassers untersagen darf; demzufolge enthält auch die ABS der Beklagten keine konkrete Ausformung einer derartigen gesetzlichen Ermächtigung.
Die Beklagte wäre auch nicht befugt, beispielsweise § 4 Abs. 1 ABS so zu ändern, dass alles auf den an die zentrale Abwasserbeseitigungsanlage angeschlossen Grundstücken entstehende Abwasser unmittelbar ohne jegliche weitere Nutzung durch den Grundstückseigentümer oder gleichgestellte Personen der Öffentlichen Abwasseranlage zuzuführen wäre. Eine solche Satzungsänderung würde die Grenzen der gesetzlichen Ermächtigung überschreiten. § 149 NWG erlegt den Gemeinden in Absatz 1 die Pflicht zur Abwasserbeseitigung auf, verpflichtet in Absatz 10 die Verfügungsberechtigten über die Grundstücke zur Überlassung des anfallenden Abwassers und ermächtigt in Absatz 2 die Gemeinden zu satzungsrechtlichen Regelungen, "soweit es im Interesse einer ordnungsgemäßen Abwasserbeseitigung erforderlich ist" Der Zweck und der Umfang der gesetzlichen Ermächtigung beschränken also die Satzungsbefugnis der beseitigungspflichtigen Gemeinde auf zwei Bereiche: Zum einen ist sicherzustellen, dass jegliches anfallende Abwasser nicht anders als über die öffentlichen Abwasserbeseitigungsanlagen in den Naturkreislauf zurückgeführt wird, und zum anderen hat die Gemeinde alles zu unterbinden, was die Funktionsfähigkeit der öffentlichen Anlagen zur ordnungsgemäßen Abwasserbeseitigung einschließlich der dem Stand der Technik entsprechenden Abwasserreinigung beeinträchtigen könnte. Zu dem erstgenannten Bereich der befugten Eingriffe zählen damit insbesondere die Anordnung und Ausübung des Anschluss- und Benutzungszwangs der öffentlichen Abwasserbeseitigungseinrichtungen, deren Errichtung sowie die Überwachung der Grundstücksentwässerungsanlagen im Hinblick auf Leckagen, Verstopfungen, Rückstau- und Überlaufgefahr. Die Beseitigung von Fehleinleitungen von Oberflächen- oder Grundwasser, der Einbau von Abwasservorbehandlungsanlagen (Abscheider, Schlammfänge) sowie die Unterhaltung der öffentlichen Einrichtungen zur Abwasserbeseitigung werden dagegen vom zweiten Bereich erfasst.
Die Verpflichtung, jegliches angefallene häusliche Abwasser direkt und ohne weitere Verwendung der öffentlichen Abwasserbeseitigungsanlage zuzuführen, ist von diesen beiden Ermächtigungszwecken nicht mehr gedeckt. In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Nds.OVG (Beschluss vom 17.09.2001 - 9 L 829/00 -, NVwZ-RR 2002, 347 [OVG Niedersachsen 20.09.2001 - 8 MA 2900/01], Leitsatz 1) ist Abwasser in Form von häuslichem Schmutzwasser das durch häuslichen Gebrauch auf irgendeine Weise in seinen Eigenschaften veränderte Wasser; auf subjektive Merkmale wie einen Entledigungswillen kommt es nicht an. Deshalb kann dem Nds.OVG nicht gefolgt werden, soweit in der soeben zitierten Entscheidung zwischen dem Entstehen und dem Anfallen von Abwasser als häuslichem Schmutzwasser unterschieden und dazu auf den Augenblick des Einleitens in das Rohrsystem der Grundstücksentwässerungsanlage (Leitsatz 2) abgestellt wird; Entstehen und Anfallen sind vielmehr identische Beschreibungen desselben Vorgangs. Wird beispielsweise eine Badewanne mit 100 Litern warmen Wassers gefüllt, so führt bereits die Temperaturerhöhung des ursprünglich kalten Leitungswassers dazu, dass in dem Augenblick, in dem das Warmwasser aus dem Wasserhahn in die Badewanne fließt, die Merkmale des Abwasserbegriffs erfüllt sind und eine Flüssigkeit entsteht (oder anfällt), die unter dem Aspekt der Notwendigkeit ihrer späteren Beseitigung schon jetzt rechtlich als Abwasser zu qualifizieren ist. Um in diesen Beispiel auch dem zu Unrecht einschränkenden Abwasserbegriff des § 2 Abs. 2 lit. a) ABS der Beklagten zu genügen, soll ferner angenommen werden, dass dem eingelassenen Badewasser ein Schaumbad zugefügt wird. Würde nunmehr das - benutzte oder unbenutzte - Badewasser mit Eimern abgeschöpft und im Garten ausgeschüttet, so wäre dieser Vorgang nach der zitierten Rechtsprechung des Nds.OVG keine unerlaubte Abwasserbeseitigung. Denn die Abgabepflicht an die öffentliche Abwasseranlage entstände nicht mit dem Entstehen, sondern erst mit dem Anfall von Abwasser, also mit der Einleitung in das Rohrsystem der Grundstücksentwässerungsanlage. Dieser Vorgang wiederum setzt eine Willensentscheidung und -betätigung für die Öffnung des Bodenablaufs der Badewanne und gegen das Entleeren der Wanne mit Eimern voraus; letztlich ist diese Entscheidung des Abwasserbesitzers nichts anderes als der äußere Ausdruck des Entledigungswillens, auf den es doch gerade nicht ankommt.
Wenn das thermisch oder in sonstigen Eigenschaften veränderte Badewasser ab dem Moment des Einlassens in die Wanne im Hinblick auf die spätere Beseitigung als Abwasser zu qualifizieren ist, dann fällt es auch in demselben Augenblick an. Dies bedeutet jedoch nicht, dass es sofort und ohne jegliche weitere Benutzung - diese, nicht aber die Abwasserbeseitigung ist schließlich der Zweck des eingelassenen Badewassers - in die öffentliche Schmutzwasserkanalisation eingeleitet werden muss. Denn entgegen der Auffassung des Nds.OVG (Beschluss Vom 17.09.2001, aaO.) und der Beklagten handelt es sich dabei ebenso wenig wie bei jedem anderen Abfüllen von Trinkwasser in ein Gefäß zur einer weiteren Verwendung oder wie beim bloßen Einleiten in das Rohrsystem der Grundstücksentwässerungsanlage um "Sammeln von Abwasser" i.S.d. § 148 Abs. 2 NWG (und des § 2 Abs. 1 ABS), das als Element der Abwasserbeseitigung allein den beseitigungspflichtigen Gemeinden vorbehalten ist. Nach der Legaldefinition des § 148 Abs. 2 NWG ist nicht jedes Sammeln bereits Abwasserbeseitigung, vielmehr muss es auch mit dieser gemeindlichen Aufgabe im Zusammenhang stehen, also Auswirkungen auf die Aufgabenerfüllung haben (vgl. Gebot der Erforderlichkeit in § 149 Abs. 2, 1. HS NWG). Die Aufgabe wiederum ergibt sich aus § 148 Abs. 1 Satz 1 NWG, wonach Abwasser so zu beseitigen ist, dass das Wohl der Allgemeinheit nicht beeinträchtigt wird. "Sammeln" i.S.d. § 148 Abs. 2 NWG ist deshalb nur das "Sammeln zum Zwecke der Beseitigung", also jeder Vorgang, durch den Abwasser in Vorbereitung der anschließenden endgültigen Beseitigung (vgl. Czychowski, WHG, 7. Aufl. 1998, § 18a Rn. 4. a. E.) an einem Ort zusammen geführt und bereit gehalten wird. Erst an diesem Punkt setzt überhaupt die Aufgabe der Abwasserbeseitigung ein, so dass auch die Eingriffsbefugnis für Einzelfallregelungen erst an dieser Stelle einsetzen kann. Beim "Sammeln von Abwasser zur Beseitigung" sind die Befugnisse der beseitigungspflichtigen Gemeinde darauf gerichtet und beschränkt, dass ihnen alles entstandene/angefallene häusliche Abwasser auch tatsächlich überlassen wird und nicht etwa zum Teil durch Undichtigkeiten von Rohren und Behältern oder auf sonstige Weise in den natürlichen Wasserkreislauf gelangt. Die Bekämpfung anderer Gefahren des Sammelns, die dem Wohl der Allgemeinheit oder sonstigen Rechtsgütern nicht durch die Art und Weise der Beseitigung des Abwassers, sondern beispielsweise dadurch drohen, dass Personen oder Tiere wegen baulicher Unzulänglichkeiten in einen Sammelbehälter stürzen könnten oder dass von diesem Behälter eine Infektionsgefahr ausgehen könnte, fällt nicht in die Zuständigkeit der Abwasserbeseitigungs-"behörde". Dasselbe gilt für die Begriffsmerkmale "Fortleiten, Behandeln, Einleiten" des § 148 Abs. 2 NWG (bzw. § 2 Abs. 1 ABS). Auch ein systematischer Vergleich der vorstehend ausgelegten, Vorschriften mit §§ 153 f NWG und §§ 1, 7 der VO über die Behandlung von kommunalem Abwasser (vom 26.09.2000, GVBl. S. 248) ergibt keine andere Sichtweise. Die darin enthaltenen Bau-, Betriebs- und Genehmigungspflichten sind darauf gerichtet, dass Abwasser möglichst umweltschonend beseitigt wird; sie beabsichtigen keineswegs, jeglichen Umgang mit Abwasser ausschließlich dem kommunalen Regime zu unterstellen, da die Genehmigungserfordernisse ansonsten alle Grundstücksentwässerungsanlagen mit umfassen und sie letztlich sogar zur öffentlichen Einrichtung ziehen müsste.
Besonders deutlich wird dies in § 7 der VO über die Behandlung von kommunalem Abwasser, wonach für die Genehmigung der Einleitung industrieller Abwässer in die Kanalisation (vgl. § 1 Nr. 4 i.V.m. Nr. 1, § 3 der VO) Mindeststandards gesetzt werden, deren Einhaltung nur möglich ist, wenn der Abwasserproduzent vor der Abgabe an die beseitigungspflichtige Gemeinde sein Abwasser zwischen Entstehungsort und Übergabepunkt fortleitet, sammelt und behandelt. Der Gesetzgeber unterscheidet in § 148 Abs. 2 NWG nicht zwischen der Abwasserbeseitigung von häuslichem und industriellem Abwasser. Wäre die vorgeschriebene Vorbehandlung industrieller Abwässer durch den Abwasserproduzenten bereits ein "Sammeln, Behandeln, Fortleiten" i.S.d. § 148 Abs. 2 NWG - angefallen und in die Grundstücksentwässerungsanlage eingeleitet ist das Abwasser ja bereits -, dann müsste es allein von der beseitigungspflichtigen Gemeinde durchgeführt werden. Auch die Behandlung häuslichen Abwassers in Fettabscheidern und anderen Vorreinigungsanlagen ist eine Vorbehandlung, nicht aber die endgültige Beseitigung. Wenn der Gesetz- und Verordnungsgeber die Vorbehandlung industriellen Abwassers nicht dem kommunalen Regime unterwerfen wollte, gibt es keinen Grund anzunehmen, dass er dies bei häuslichem Abwasser tun wollte. Zu bedenken ist schließlich, dass Abwasser vor seiner Beseitigung in unterschiedlicher Weise - z.B. durch Entzug von nutzbarer Wärme, Nutzung als Kühlflüssigkeit, Entzug wertvoller und wiederverwendbarer Inhaltsstoffe - wirtschaftlich sinnvoll verwertet werden kann, ohne dass die Beseitigung und Umweltgüter dadurch beeinträchtigt würden; nicht ersichtlich ist, dass der Gesetzgeber diese Nutzungen unterbinden wollte. Im Gegenteil kann aus dem Sparsamkeitsgebot des § 2 Abs. 3 NWG (vgl. Haupt/Reffken/Rhode, aaO., § 2 Rn 8) entnommen werden, dass die abwasserbeseitigungspflichtige Gemeinde bei der Genehmigung einer privaten Abwasservorbehandlungsanlage den Einspareffekt von Trinkwasser maßgeblich zu berücksichtigen hat, sofern eine Beeinträchtigung ihrer Aufgabe der Abwasserbeseitigung nicht zu erwarten ist.
Der vorstehend umrissene Handlungsrahmen gibt der abwasserbeseitigungspflichtigen Gemeinde alle Eingriffsmöglichkeiten, die erforderlich sind, damit sie ihre Aufgabe der Abwasserbeseitigung ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit in vollem Umfang erfüllen kann. Für Eingriffe in Freiheit und Eigentum des Bürgers, die darüber hinaus gehen, besteht keine Notwendigkeit. Die vorliegend umstrittene Anordnung, nach welcher die Klägerin das in der Biomir-Anlage aufbereitete Abwasser ohne erneute Nutzung unmittelbar der zentralen öffentlichen Abwasserbeseitigungsanlage der Beklagten zuleiten muss, ist mit den Zwecken der Abwasserbeseitigungsaufgabe nicht zu begründen. Sie ist weder erforderlich, um die Entsorgung aller häuslichen Abwässer des klägerischen Grundstücks durch die zentrale öffentliche Abwasserbeseitigungsanlage zu gewährleisten und die illegale Beseitigung von Abwasser zu verhindern; dies bewirkt bereits der 1. Halbsatz der Ziffer I im Bescheid vom 18.11.1999. Sie dient auch nicht dem Zweck, Beeinträchtigungen der Funktionsfähigkeit der öffentlichen Anlagen zur ordnungsgemäßen Abwasserbeseitigung einschließlich der dem Stand der Technik entsprechenden Abwasserreinigung zu verhindern, denn weder eine Vorreinigung häuslichen Abwassers noch dessen wiederholte Benutzung haben hierauf irgendeinen Einfluss. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass der nachträgliche Einbau einer Abwasservorbehandlungsanlage i.S.d. § 13 ABS und die Nutzung aufbereiteten Abwassers zwar einer Änderungsgenehmigung nach § 6 Abs. 1 Satz 2 ABS bedarf. Sie kann aber nur aus Gründen verweigert werden, die den Zwecken der Übertragung der Abwasserbeseitigungspflicht auf die Gemeinden zuwider laufen; derartige Gründe sind vorliegend weder vorgetragen noch sonst zu erkennen, nachdem die Klägerin inzwischen alle von der Beklagten für erforderlich erachteten Unterlagen vorgelegt hat. Sollten dennoch Unterlagen i.S.d. § 7 Abs. 2 lit. c) ABS noch fehlen, bleibt der Beklagten unbenommen, diese unter Setzung einer angemessenen Frist nachzufordern.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. Da das Urteil, soweit der Klage stattgegeben wird, teilweise von dem Beschluss des Nds.OVG vom 17.09.2001 - 9 L 829/00 - abweicht und hinsichtlich dieses Teils auf der Abweichung beruht, war für die Beklagte die Berufung gemäß §§ 124 a Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO zuzulassen; hinsichtlich des klagebweisenden Teils liegt hingegen keine Abweichung oder ein anderer Zulassungsgrund vor.