Landgericht Hannover
Urt. v. 27.09.1979, Az.: 5 O 158/78

Entschädigung eines Anliegers für Anhebung des Straßenniveaus; Kein Bestandsschutz für baurechtswidrige Garagenauffahrt; Nicht ausreichende Darlegung weitere Entschädigungsansprüche

Bibliographie

Gericht
LG Hannover
Datum
27.09.1979
Aktenzeichen
5 O 158/78
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1979, 11525
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGHANNO:1979:0927.5O158.78.0A

Verfahrensgegenstand

Enteignender Eingriff

In dem Rechtsstreit
hat die 5. Zivilkammer des Landgerichts Hannover
auf die mündliche Verhandlung vom ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung von 1.950,00 DM vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

1

Im Jahre 1976 wurde die Straße ... in ... aus Gründen des Gemeinwohls höhergelegt. Der Kläger ist als Eigentümer des Grundstücks ... Anlieger. Durch die Anhebung der Straße sind Hauseingang und Zufahrt zur Kellergarage beeinträchtigt worden.

2

Der Bauschein für das Haus des Klägers vom 21.10.1959 enthält folgende Bedingung:

"Der Baukörper ist so weit nach Süden zu verschieben, daß für die Auffahrt der Garage eine Neigung von 1: 5 erreicht wird."

3

Der Kläger macht Ansprüche aus enteignungsgleichem Eingriff geltend. Er behauptet, die Straße sei um 75 cm erhöht worden. Dadurch sei die Kellergarage als Garage unbrauchbar geworden.

4

Das Tor am Haupteingang sei verkürzt worden und nunmehr instabil. Ferner müsse der Zugang angehoben werden.

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An der Straßengrenze sei auf einer Länge von ca. 24 m Sand und Bauschutt eingebracht und dabei das Maschendrahtgewebe stark eingebeult worden. Außerdem müsse ein Hohlraum zwischen Gehwegbelag und Maschendrahtzaun auf einer Länge von ca. 43 m mit Mutterboden aufgefüllt werden.

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Seinen Schaden beziffert der Kläger im einzelnen wie folgt:

1)Erstellung einer Ersatzgarage8.000,00 DM
2)Reparatur am Haupteingang des Grundstücks300,00 DM
3)Reparatur der Einfriedung nebst Bodenauffüllung1.059,00 DM
4)Rechtsanwaltsgebühr nach § 118 Abs. 2 BRAGO352,50 DM
5)Kosten für private Sachverständigengutachten801,80 DM
7

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 10.513,30 DM nebst 4 % Zinsen auf 9.711,50 DM seit dem 04.11.1977 sowie auf 801,80 DM seit dem 05.10.1978 zu zahlen.

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Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

9

Sie behauptet, daß die Straße nur um 41 cm angehoben worden sei.

10

Im übrigen sei die Garagenzufahrt wegen der Nichtbeachtung der Bedingung im Bauschein vom 21.10.1959 baurechtswidrig gewesen, denn die Neigung habe vor dem Straßenausbau 1: 3,54 betragen. Die Garage sei nur benutzbar gewesen, weil im Fußweg vor der Garagenauffahrt eine Ausmuldung von mehr als 30 cm gewesen sei und der Kläger die Zufahrt durch Bohlen überbrückt habe.

11

Die Beklagte habe angeboten, das Tor höher zu legen und den Zugang anzuheben. Der Kläger habe aber die Torverkürzung trotz des Hinweises der Beklagten auf die Gefahr der Instabilität ausdrücklich so gewünscht und die Anhebung des Zugangs abgelehnt.

12

Im Zuge der Straßenbauarbeiten seien keine Beschädigungen des Zaunes vorgekommen. Dieser sei bereits vor Beginn der Bauarbeiten alt, verwahrlost und deshalb ohnehin erneuerungsbedürftig gewesen. Eine Auffüllung mit Mutterboden könne der Kläger nicht verlangen, da insofern kein rechtlich geschütztes Interesse des Klägers verletzt sei.

13

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im einzelnen wird auf den vorgetragenen Inhalt ihrer gegenseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

14

Das Gericht hat gemäß den Beschlüssen vom 15.03.1979 (Bl. 63 ff d.A.) und 04.04.1979 (Bl. 69 a d.A.), auf die Bezug genommen wird, Beweis erhoben. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Vernehmungsniederschrift vom 28.05.1979 (Bl. 76 ff d.A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe:

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Die Klage ist unbegründet.

16

Der Kläger kann als Straßenanlieger wegen der Anhebung des Niveaus der Straße ... von der Beklagten für keine seiner im einzelnen geltend gemachten Positionen eine Entschädigung oder Ersatz verlangen.

17

1.)

Hinsichtlich der Garagenauffahrt und des Haupteingangs folgt diese Entscheidung aus der spezialgesetzlichen Regelung des § 16 Abs. 2 NdsStrG.

18

Für die Garagenzufahrt kann der Kläger keine Entschädigung verlangen, da ihm durch die Änderung der Straße "Uferzeile" nicht eine rechtmäßige Zufahrt entzogen oder wesentlich beschränkt wurde. Die Zufahrt zu Kellergarage hatte entgegen der Bedingung im Bauschein vom 21.10.1959 nicht die vorgeschriebene Neigung von 1: 5, sondern von 1: 3,54 und war damit baurechtswidrig. Dieses Steigungsverhältnis basiert darauf, daß das Straßenniveau vor dem Ausbau 58,91 m, die Oberkante der Garagensohle 57,10 m - jeweils über N.N. - und die mittlere Länge der kürzeren Fahrspur 6,40 m betrugen.

19

Die Kammer hat keinen Anlaß, das Ergebnis der Vermessungen mit den von der Beklagten angegebenen Werten zu bezweifeln. Die Durchführung der Vermessung gerade für die hier im Streit befangene Garagenauffahrt hat die Beklagte durch Fotos (in Hülle d.A.) nachgewiesen. Für die Straßenverhältnisse vor dein Grundstück des Klägers hat die Beklagte ein Profilblatt (Bl. 38 d.A.) mit genauen Zahlenangaben der ausführenden Baufirma vorgelegt. Der Kläger hat die detaillierten Zahlenangaben der Beklagten nicht substantiiert bestritten. Darüber hinaus werden die Maßangaben der Beklagten durch das von dem Kläger eingereichte private Sachverständigengutachten bestätigt. Die Feststellung, daß die Höhe des fertigen Bordsteines vor der Garagenzufahrt 2,22 m beträgt (Bl. 6 d.A.), macht exakt den Höhenunterschied zwischen Garagensohle - 57,10 m (Bl. 23 d.A.) - und Straßenniveau - 59,32 m (Bl. 25 + 38 d.A.) - aus.

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Nachdem ferner die Beweisaufnahme ergeben hat, daß vor der Garagenauffahrt eine Ausmuldung von mindestens 30 cm vorhanden war, differieren auch die Angaben der Beklagten und die des Klägers hinsichtlich der Anhebung des Straßenniveaus nicht mehr. Nach den Messungen des privaten Gutachters, ... betrug die Aufschüttung vor der Einfahrt 72 cm. Bringt man davon die Aufschüttung in der Ausmuldung von ca. 30 cm in Abzug, bestätigt sich, daß die Straße in Bezug auf das durchschnittliche Straßenniveau entsprechend dem Beklagtenvortrag um 41 cm höhergelegt wurde.

21

Betrug die Straßenhöhe im Verhältnis zur Garagensohle vor dem Ausbau mithin 1,81 m, so entsprach das Neigungsverhältnis bei einer Fahrspurlänge von 6,40 m nicht der Bedingung im Bauschein. Im privaten Sachverständigengutachten wird gesagt, daß die Fahrspur sich am oberen Ende in einer Bodenaufschüttung verliert, die Höhe der Fahrspur deshalb nicht "mit Sicherheit" auszumachen sei. Da der Kläger auch diese Maßangabe der Beklagten nicht substantiiert bestreitet, hat die Kammer angesichts der im privaten Gutachten zum Ausdruck gekommenen besonderen Umstände keine Bedenken, für die Fahrspur die Länge von 6,40 m - wie von der Beklagten vermessen - anzusetzen.

22

Das bedeutet, daß das Neigungsverhältnis vor dem Straßenausbau 1: 3,54 betrug. Die Garagenauffahrt war baurechtswidrig angelegt. Denn die Bedingung im Bauschein vom 21.10.1959 ist so zu verstehen, daß die Garagenzufahrt von dem Schnittpunkt Außenkante des Gebäudes/Oberkante der Garagensohle zum ursprünglichen allgemeinen Straßenniveau eine Neigung im Verhältnis von 1: 5 aufweisen sollte. Diese Bedingung erfüllte die Zufahrt des Klägers - wie die Skizze auf Blatt 32 d.A. verdeutlicht - nicht.

23

An dem baurechtswidrigen Zustand der Zufahrt hat weder die irrtümliche Bauabnahme etwas geändert, noch kann sich der Kläger insofern auf einen etwaigen Bestandsschutz nach Art. 14 GG berufen. Denn ein Bestandsschutz nach Art, 14 GG erstreckt sich allein auf den Fortbestand eines einmal rechtmäßig gewesenen Zustandes und dessen Nutzung (vgl. BVerwG DVBl 76, 214; BRS 28 Nr. 34). Nicht schutzwürdig unter dem Gesichtspunkt des Bestands Schutzes ist wie hier die Aufrechterhaltung eines von Beginn an baurechtswidrigen Zustandes oder dessen Nutzung. Denn es wäre unbillig, den Kläger zu entschädigen, der vorsätzlich und ohne Not entgegen der Bedingung im Bauschein die Garagenauffahrt angelegt hat.

24

Für die Beeinträchtigung des Haupteingangs entfällt ein Anspruch aus § 16 Abs. 2 NdsStrG, da der Kläger keine Tatsachen vorgetragen hat, die auf eine wesentliche Beschränkung oder Erschwerung des Zugangs schließen lassen. Darüber hinaus hat der Zeuge ... glaubhaft bekundet, daß der Kläger eine von der Beklagten angebotene Pflasterung der Zufahrt zum Wohnhaus nicht haben wollte.

25

2.)

Hinsichtlich der Beanstandungen am Haupteingangstor und an der Einfriedung kann der Kläger aus dem Gesichtspunkt des enteignenden Eingriffs - für einen rechtswidrigen und damit enteignungsgleichen Eingriff ergeben sich aus dem Klägervortrag keine Anhaltspunkte - keine Entschädigung verlangen.

26

Die Zeugen ... haben übereinstimmend bekundet, daß der Vorschlag bezüglich der Verkürzung des Tores vom Kläger selbst kam. Selbst wenn die Mutter des Klägers das Gegenteil ausgesagt hat, spricht für die Aussage der beiden Zeugen ..., daß der Kläger bei der Zeugenvernehmung (Bl. 79 d.A.) persönlich zum Ausdruck gebracht hat, daß er eine Anhebung des Tores nicht wollte, weil dies nicht zu der Ligusterhecke gepaßt hätte. Da der Haupteingang aber höhergelegt werden mußte, ist die Kammer davon überzeugt, daß die Verkürzung des Tores entsprechend der Aussagen ... auf Wunsch des Klägers geschah. Denn für die Beklagte, die unstreitig neue Torpfosten eingebaut hat, wäre es in der Tat einfacher gewesen - so der Zeuge ... das Tor, so wie es war, wieder einzuhängen.

27

Was die von dem Kläger verlangte Reparatur an der Einfriedung anbelangt, hat der Kläger eine erhebliche und den Wert mindernde Beeinträchtigung des Zaunes nicht ausreichend dargelegt. Nach der Aussage des Zeugen ... geht die Kammer davon aus, daß die Straßenbaufirma den Zaun nicht direkt beschädigt hat. Selbst dem sachverständigen Zeugen Mues ist die Beschädigung des Zaunes bei seiner ersten Besichtigung gar nicht aufgefallen. Auch die anläßlich einer zweiten Besichtigung angefertigten Fotos erschienen ihm noch immer "nicht aussagekräftig genug". Das von ihm sodann in Vergrößerung vorgelegte Foto (in Hülle d.A.) läßt nach der Überzeugung der Kammer auch noch keine Beschädigung von der gewissen für einen Entschädigungsanspruch erforderlichen Intensität erkennen. Vor allem aber hat der Kläger nicht dargetan und unter Beweis gestellt, daß der Zaun vor Beginn der Straßenbaumaßnahmen entgegen dem Vortrag der Beklagten nicht ausgesprochen alt und verwahrlost war. Zwar hat der sachverständige Zeuge ... den Zustand des Maschendrahtzaunes als mittelmäßig und noch nicht erneuerungsbedürftig bezeichnet. Über den Zustand vorher, speziell zur Spannkraft, läßt sich daraus aber nichts entnehmen. Der Zeuge ... konnte dazu auch gar nichts aussagen, da er den Zustand vorher nicht begutachtet hat. Für die Beurteilung des Ausmaßes und der Erheblichkeit der Beeinträchtigungen des Zaunes wäre aber eine substantiierte Darlegung unter Beweisantritt seitens des Klägers erforderlich gewesen. Ein Anspruch auf Entschädigung scheidet somit aus.

28

Auch die Anschüttung von Bauschutt hat sich nicht in der Weise bestätigt, daß dadurch ein Entschädigungsanspruch ausgelöst würde. Die Kammer ist mit dem Zeugen ... der Überzeugung, daß es sich bei der auf dem vergrößerten Foto ersichtlichen Anschüttung nicht um Bauschutt, sondern um Mutterboden handelt, der erkennbar abgetragen und nicht verteilt worden ist. Wenn aber der Kläger als Anlieger nach der glaubhaften Aussage des Zeugen ... die Anschüttung von Mutterboden damals nicht wollte, kann er später eine solche Anschüttung nicht mehr verlangen.

29

Da dem Kläger danach keine Entschädigung für die Positionen 1) bis 3) zusteht, entfällt auch eine Ersatzmöglichkeit hinsichtlich der weiteren Positionen 4) und 5). Die Klage war insgesamt als unbegründet abzuweisen.

30

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 709 Satz 1 ZPO.