Landgericht Osnabrück
Beschl. v. 28.06.2018, Az.: 15 KLs/920 Js 62401/16 - 35/16

Entstehung der Terminsgebühr für die Teilnahme an Terminen außerhalb der Hauptverhandlung

Bibliographie

Gericht
LG Osnabrück
Datum
28.06.2018
Aktenzeichen
15 KLs/920 Js 62401/16 - 35/16
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2018, 42072
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG Osnabrück - 23.06.2017 - AZ: 15 KLs/920 Js 62401/16 - 35/16

In der Kostensache betreffend das Strafverfahren
gegen
- Vertreter -
Pflichtverteidiger:
Rechtsanwalt B.
wegen Diebstahls u.a.
hat das Landgericht Osnabrück - 15. Große Strafkammer - am 28. Juni 2018 durch die Richterin am Landgericht ... als Einzelrichterin beschlossen:

Tenor:

Die Erinnerung des Pflichtverteidigers Rechtsanwalt B. vom 3. Juli 2017 gegen den Beschluss der Kostenbeamtin des Landgerichts Osnabrücks vom 23. Juni 2017 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

I.

Rechtsanwalt B. ist am 8. Dezember 2016 zum Pflichtverteidiger des Angeklagten ... bestellt worden. Mit Schriftsatz vom 27. März 2017 beantragte der Pflichtverteidiger einen mündlichen Haftprüfungstermin. Dieser fand am 5. April 2017 statt.

Ausweislich des Protokolls lief der Haftprüfungstermin wie folgt ab:

"(...) erscheint vorgeführt der Angeklagte zur mündlichen Haftprüfung.

Es wurde festgestellt, dass sich der Angeklagte in dieser Sache seit dem 08.12.2016 aufgrund des Haftbefehls vom 08.12.2016 in Untersuchungshaft befindet. Der Haftprüfungsantrag vom 27.03.2017 ist bei Gericht eingegangen am 28.03.2017.

Es wurde der von der Kammer unter dem heutigen Datum neu gefasste Haftbefehl verkündet und jeweils eine Ausfertigung an den Angeklagten und seinen Verteidiger ausgehändigt.

Der Angeklagte wurde darauf hingewiesen, dass es ihm freistehe, sich zu der Beschuldigung zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen.

Der Verteidiger bat um eine Unterbrechung.

Der Vorsitzende unterbrach den Termin.

Der Termin wurde um 11:18 Uhr unterbrochen und um 11:31 Uhr fortgesetzt.

Der Angeklagte und sein Verteidiger erklärten:

Wir nehmen den Antrag auf mündliche Haftprüfung zurück.

Laut diktiert und genehmigt"

Am 7. Juni 2016 begann die Hauptverhandlung ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls um 09:42 Uhr und endete um 14:18 Uhr. Die Hauptverhandlung war im Zeitraum von 12:10 Uhr bis 13:30 Uhr unterbrochen.

Am 16. Juni 2017 beantragte der Pflichtverteidiger nach Abschluss des Verfahrens die Festsetzung seiner Kosten in Höhe von insgesamt 4.049,37 Euro, darunter insbesondere die Zahlung der Terminsgebühr gemäß Nr. 4102 Nr. 3 VV RVG in Höhe von 166,- Euro für die Teilnahme am mündlichen Haftprüfungstermin am 5. April 2017 sowie eine Zusatzgebühr gemäß Nr. 4116 VV RVG für die Dauer des Hauptverhandlungstermins am 7. Juni 2017 von mehr als fünf bis acht Stunden in Höhe von 128,- Euro.

Die Kostenbeamtin des Landgerichts Osnabrück setzte die Kosten am 23. Juni 2017 insgesamt auf 3.471,03 Euro fest und strich unter anderem diese beiden Gebühren mit der Begründung, dass in dem mündlichen Haftprüfungstermin keine Verhandlung stattgefunden habe und die Dauer der Hauptverhandlung nicht ausreichend gewesen sei.

Gegen diesen Kostenfestsetzungsbeschluss und insbesondere gegen die Streichung dieser beiden Gebühren legte der Pflichtverteidiger mit Schriftsatz vom 3. Juli 2017 sofortige Beschwerde, hilfsweise Erinnerung ein. Die Dauer der Hauptverhandlung am 7. Juni 2017 könne er mangels Protokoll, das ihm daraufhin übersandt wurde, nicht nachvollziehen. Die Terminsgebühr für den Haftprüfungstermin sei anzusetzen. Er sei zu einem Haftprüfungstermin geladen worden, in dem völlig überraschend ein neuer Haftbefehl verkündet worden sei. Unter Verweis auf die Kommentierung von Burhoff in "Die (Vernehmungs-)Terminsgebühr nach Nr. 4102, 4103 VV RVG" im RVGreport 2010, Seite 282, ist er der Ansicht, dass diese Gebühr auch dann entsteht, wenn der Antrag auf Haftprüfung im Termin zurückgenommen wird. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf den Schriftsatz selbst Bezug genommen.

Der Bezirksrevisor hat mit Schreiben vom 18. Juli 2017 Stellung genommen und hält die Streichung der beiden Gebühren für sachlich richtig. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf das Schreiben des Bezirksrevisors selbst Bezug genommen. Soweit dieser ausgeführt hat, dass dem Pflichtverteidiger über die bereits festgesetzten Kosten weitere - auch nachträglich beantragte - Kosten in Höhe von 383,18 Euro zustehen, hat die Kostenbeamtin des Landgerichts Osnabrück diese bereits entsprechend am 30. August 2017 festgesetzt und der Erinnerung im Übrigen nicht abgeholfen.

II.

Für die Entscheidung ist der Einzelrichter gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit § 33 Abs. 8 Satz 1 RVG zuständig.

Die Erinnerung ist zulässig, jedoch unbegründet.

1. Die Streichung der Gebühr Nr. 4102 Nr. 3 VV RVG ist nicht zu beanstanden. Sie entspricht der Sach- und Rechtslage.

Die Terminsgebühr Nr. 4102 Nr. 3 VV RVG entsteht für die Teilnahme an Terminen außerhalb der Hauptverhandlung, in denen über die Anordnung oder Fortdauer der Untersuchungshaft oder der einstweiligen Unterbringung verhandelt wird. Verhandeln im Sinne dieser Vorschrift bedeutet, dass der Verteidiger mehr tun muss, als lediglich den Beschluss über die Anordnung oder Fortdauer der Untersuchungshaft über sich ergehen zu lassen (vgl. OLG Hamm AGS 2006, 122 [OLG Hamm 18.12.2005 - 2 (s) Sbd/ VIII 224/05]; LG Berlin StraFo 2006, 472; LG Traunstein 20.9.2012 - 1 Ks 201 Js 3874/11). Der Verteidiger muss für seinen Mandanten in diesem Termin in einer Weise tätig geworden sein, dass er Erklärungen oder Stellungnahmen abgegeben bzw. Anträge gestellt hat, die dazu bestimmt waren, Anordnung oder Fortdauer der Untersuchungshaft abzuwenden (KG AGS 2007, 241; OLG Saarbrücken StraFo 2014, 350 [OLG Saarbrücken 25.06.2014 - 1 Ws 85/14]). Davon kann ausgegangen werden, wenn vor oder nach Verkündung des Haftbefehls verfahrensbezogene Erörterungen stattfinden (LG Düsseldorf 25.3.2005 - I Qs 9/05; Kotz in BeckOK RVG, 4102 Rn. 13).

Nach diesen Maßstäben hat ein Verhandeln im Sinne der Nr. 4102 Nr. 3 VV RVG ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls nicht stattgefunden. Die bloße Gelegenheit zur Äußerung ist kein Verhandeln (LG Berlin, StraFo 2006, 472; LG Bielefeld, StV 2008, 198; a.A. OLG Hamm, AGS 2007, 240; KG RVGReport 2009, 227). Der Pflichtverteidiger hat darüber hinaus lediglich den Antrag auf Haftprüfung nach Verkündung des neuen Haftbefehls zurückgenommen. Damit hat er keine Stellungnahme abgegeben, die dazu bestimmt war, die Fortdauer der Untersuchungshaft abzuwenden. Vielmehr hat er dadurch bewirkt, dass eine anschließende Verhandlung über die Fortdauer der Untersuchungshaft nicht mehr stattgefunden hat.

Das vom Pflichtverteidiger zu seiner Rechtsansicht angeführte Zitat aus Burhoff, ist hier nicht einschlägig. Konkret lautet es wie folgt: "Es kommt auch nicht darauf an, ob am Ende der Haftprüfung eine gerichtliche Entscheidung verkündet wird. Die Gebühr entsteht somit auch dann, wenn der Verteidiger während der Verhandlung seinen schriftlichen Haftprüfungsantrag zurücknimmt" (Burhoff, Die (Vernehmungs)Terminsgebühr nach Nr. 4102, 4103 VV RVG, RVGreport 2010, Seite 282ff.).

Kernaussage dieses Zitates ist lediglich, dass das Ergebnis des Termins, also Entscheidung des Gerichts oder Rücknahme des Haftprüfungstermins, unerheblich ist für die Frage, ob eine Verhandlung im Sinne der Nr. 4102 Nr. 3 VV RVG stattgefunden hat. Zu beachten ist, dass laut Burhoff eine Rücknahme "während der Verhandlung" unschädlich ist.

Soweit Burhoff (a.a.O.) im Übrigen der Rechtsansicht ist, ein Verhandeln liege immer dann vor, wenn mehr geschehe als die reine Haftbefehlsverkündung, kann dem nicht gefolgt werden. Diese Meinung findet im Gesetzestext keine Stütze, in dem nicht irgendein Verhandeln, sondern ausdrücklich ein Verhandeln "über die Anordnung oder Fortdauer der Untersuchungshaft" gefordert wird (so Kremer in Riedel/Sußbauer, RVG, 10. Aufl., VV 4102 Rn. 10). Daher ist es beispielsweise auch nicht ausreichend, wenn im Haftprüfungstermin lediglich Akteneinsicht beantragt wird oder dem Rechtsanwalt Akten überlassen werden (OLG Hamm BeckRS 2006, 10625; (Knaudt in Kotz in BeckOK RVG, 4102 Rn. 12 m.w.N.).

Auch setzt der Begriff Verhandeln rein begrifflich einen Austausch unterschiedlicher Interessen oder Standpunkte mit dem Ziel der Festlegung des weiteren Vorgehens voraus. Die einseitige Rücknahme eines Antrages auf Haftprüfung, in dem die verschiedenen Standpunkte zur Frage der Haftfortdauer gerade erörtert werden sollen, kann folglich nicht als Verhandeln in diesem Sinne bezeichnet werden.

Auch Sinn und Zweck der Regelung sprechen dagegen, die reine Rücknahme eines Antrages auf Haftprüfung als Verhandeln im Sinne der Nr. 4102 Nr. 3 VV RVG auszulegen. Ausweislich des Gesetzentwurfs (BT-Drs. 15/1971, Seite 223) soll durch das Tatbestandsmerkmal "Verhandeln" die häufig nur sehr kurzen reinen Haftbefehlsverkündungstermine nicht erfasst werden. Schließt sich allerdings an die Verkündung des Haftbefehls eine Verhandlung über die Fortdauer der Untersuchungshaft an, würde die Terminsgebühr entstehen. Sinn der Vorschrift ist es insbesondere, den Zeitaufwand des Anwalts zu vergüten, der anlässlich eines Haftprüfungstermins über diesen hinausgehende sachbezogene Stellungnahmen abgibt und hiermit zur Verfahrensförderung und -beschleunigung beiträgt (vgl. LG Düsseldorf, Beschluss vom 23.08.2013 - 004 KLs -90 Js 6363/12-24/12B). Dies ist hier nicht geschehen.

Letztlich ist auch unerheblich, dass der Termin ursprünglich als Haftprüfungsermin anberaumt und in diesem - für den Pflichtverteidiger seinen Ausführungen nach überraschend - ein neuer Haftbefehl verkündet wurde. Zu beurteilen ist, ob der Inhalt des tatsächlich stattgefundenen Termins die Gebühr nach Nr. 4102 Nr. 3 VV RVG auslöst, was hier nicht der Fall ist. 90

2. Auch die Streichung der für den Hauptverhandlungstermin am 7. Juni 2017 beantragten Terminsgebühr Nr. 4116 VV RVG für die Teilnahme an einer Hauptverhandlung für mehr als fünf bis acht Stunden ist nicht zu beanstanden. Ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls hat die Hauptverhandlung von 09:42 Uhr bis 14:18 Uhr gedauert. Die Hauptverhandlungsdauer betrug daher insgesamt 4 Stunden und 36 Minuten und liegt damit unter der für die Entstehung der Gebühr erforderlichen Mindestdauer von 5 Stunden. Zieht man davon nach der hier vertretenen Rechtsansicht (vgl. zum Streitstand den Überblick bei Kotz in Beck-OK, RVG, 35. Edition, 4116 Rn. 27-36) zudem die Dauer der Mittagspause von 12:10 Uhr bis 13:30 Uhr ab, berechnet sich lediglich eine reine Verhandlungsdauer von 3 Stunden und 16 Minuten.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 56 Abs. 2 Satz 2 und 3 RVG.