Landgericht Osnabrück
Beschl. v. 21.11.2018, Az.: 1 Qs 60/18

Beschwerde; Androhung Ordnungsgeld; Zuständigkeit; Ordnungshaft; Adhäsionsverfahren; Vergleich; Zwangsvollstreckung

Bibliographie

Gericht
LG Osnabrück
Datum
21.11.2018
Aktenzeichen
1 Qs 60/18
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2018, 74087
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
AG - 25.09.2018 - AZ: 6 Ds 213/17

Zur Zuständigkeit des Zivilgerichts für die Zwangsvollstreckung im Adhäsionsverfahren

Tenor:

1. Auf die Beschwerde des Angeklagten wird der Beschluss des Amtsgerichts Nordhorn – Strafrichterin - vom 25.09.2018 (Geschäftsnummer: 6 Ds 213/17),

mit dem dem Angeklagten die Verhängung eines Ordnungsgeldes, ersatzweise Ordnungshaft angedroht worden ist,

aufgehoben und zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht Nordhorn zurückverwiesen

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die zugehörigen notwendigen Auslagen des Verurteilten trägt die Staatskasse.

Gründe

I.

Der Beschwerdeführer ist bei dem Amtsgericht Nordhorn u. a. wegen des Verdachts einer am 21.05.2017 begangenen gefährlichen Körperverletzung zum Nachteil seiner ehemaligen Lebensgefährtin angeklagt. Die Zeugin hatte in dem Verfahren am 16.03.2018 einen Adhäsionsantrag gestellt, mit dem sie u. a. Schmerzensgeld vom Angeklagten begehrte. In der Hauptverhandlung am 30.04.2018 schlossen die Zeugin und der Beschwerdeführer diesbezüglich einen Vergleich. In Ziffer 2 des Vergleichs verpflichteten sich die Adhäsionsklägerin und der Beschwerdeführer gegenüber dem jeweils anderen, es zukünftig zu unterlassen, jeden Kontakt zueinander aufzunehmen, auch nicht über Dritte oder Kommunikationsmedien. Für den Fall der Zuwiderhandlung gegen diese Vereinbarung verpflichteten sie sich jeweils zur Zahlung eines Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 5.000,00 €.

Das Strafverfahren wurde in der Hauptverhandlung am 30.04.2018 gem. § 153a Abs. 2 StPO mit der Auflage vorläufig eingestellt, die Verpflichtungen aus dem Vergleich zu erfüllen.

Weil der Beschwerdeführer die Zeugin am 05.08.2018 über das soziale Netzwerk Instagram kontaktiert haben soll, hat ihr Prozessbevollmächtigter am 06.08.2018 bei dem Amtsgericht Nordhorn u. a. beantragt, gegen den Beschwerdeführer ein der Höhe nach in das Ermessen des Gerichts gestelltes Ordnungsgeld in Höhe von bis zu 5.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft von einem Tag je 100,00 € festzusetzen. Nach Gewährung rechtlichen Gehörs hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 21.08.2018 das Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer wieder aufgenommen und für den 28.01.2019 Termin zur Hauptverhandlung anberaumt.

Mit Beschluss vom 25.09.2018 hat die Strafrichterin dem Beschwerdeführer für den Fall der Zuwiderhandlung gegen die in Ziffer 2 des Vergleichs enthaltene Unterlassungsverpflichtung die Festsetzung eines Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft von bis zu 6 Monaten angedroht. Darüber hinaus hat sie der Adhäsionsklägerin auf deren Antrag mit Beschluss vom gleichen Tage Prozesskostenhilfe für das Zwangsvollstreckungsverfahren bewilligt.

Gegen den die Ordnungsmittel androhenden Beschluss wendet sich der Angeklagte mit seiner Beschwerde vom 22.10.2018, mit der er insbesondere geltend macht, dass keine gerichtliche Androhung hätte erfolgen dürfen, weil dies nicht beantragt worden sei.

Das Amtsgericht hat die Sache der Kammer zur Entscheidung zugeleitet. Die Staatsanwaltschaft ist angehört worden.

II.

Das zulässige Rechtsmittel hat in der Sache Erfolg.

Auch wenn die Beschwerde „den Beschluss des Gerichtes vom 25.09.2018“ angreift, ergibt sich aus deren Begründung eindeutig, dass nicht der Prozesskostenhilfe bewilligende Beschluss vom gleichen Tage gemeint ist, sondern der das Ordnungsmittel androhende Beschluss.

Dieser Beschluss war schon deshalb aufzuheben, weil das Amtsgericht mit der Entscheidung einen wesentlichen Verfahrensfehler begangen hat. Das Strafgericht ist für die Androhung des Ordnungsmittels gem. § 890 ZPO nicht zuständig, vielmehr ist dies gem. § 406b Satz 2 StPO das Gericht der bürgerlichen Rechtspflege, an welchem das Strafgericht des ersten Rechtszugs seinen Sitz hat.

Zwar ist in § 890 Abs. 2 ZPO geregelt, dass die Androhung von Ordnungsgeld und Ordnungshaft durch das Prozessgericht des ersten Rechtszuges ausgesprochen wird, welches hier die Strafrichterin ist. Dem steht jedoch auch bei einem gem. § 405 StPO im Adhäsionsverfahren geschlossenen Vergleich die ausdrückliche Regelung des § 406b Satz 2 StPO entgegen (vgl. nur BeckOK StPO/Ferber, 30. Ed. 1.6.2018, StPO § 406b Rn. 1). Der Vorschrift liegt zugrunde, dass den Strafgerichten die Befassung mit der vollstreckungsrechtlichen Materie erspart werden soll (vgl. Effer-Uhe, StV 2015, 510, 512; ferner – allerdings bzgl. eines im Rahmen der Privatklage geschlossenen Vergleichs – OLG Hamburg, Beschl. v. 11.03.1958, MDR 1958, 434; unklar demgegenüber: Weiner in Dölling/Duttge/König/Rössner, Gesamtes Strafrecht, 4. Aufl. 2017, Rn. 2 zu § 406b StPO).

Die Androhung gehört auch zu dem in § 406b StPO genannten Verfahren nach § 890 ZPO. Androhung und Festsetzung dienen der Durchsetzung des vergleichsweise titulieren Anspruchs des Antragsstellers, also dessen Vollstreckung. Dabei stellen Androhung und Festsetzung objektiv betrachtet ein einheitliches Verfahren dar, wobei sich die Androhung als Vorbereitung der Festsetzung darstellt. Diese Maßnahmen wiederum sind Teilakte der Vollstreckung des Titels, welche bereits mit Ausfertigung des Titels beginnt und nicht etwa der dem Strafgericht obliegenden Erteilung der Vollstreckungsklausel (vgl. OLG Hamburg, aaO). Somit liegt in der Androhung kein selbständiges, der Vollstreckung vorgelagertes Verfahren.

Der aufgezeigte Zuständigkeitsmangel zwingt vorliegend dazu, die Sache zur Entscheidung an das Amtsgericht zurückzuverweisen. Denn die Kammer ist nicht das dem dortigen Gericht der bürgerlichen Rechtspflege übergeordnete Beschwerdegericht und kann daher nicht gemäß § 309 Abs. 2 StPO in der Sache selbst entscheiden. Der Beschluss war aufzuheben und an das Amtsgericht Nordhorn zurückzuverweisen, von wo aus die Sache dem zuständigen Zivilgericht zur Entscheidung vorzulegen sein wird.

III.

Die Kosten- und Auslagenentscheidung ergeht in entsprechender Anwendung des § 467 Abs. 1 StPO. Denn der weitere Fortgang des dann zivilrechtlichen Verfahrens ist hier nicht vorherzusehen. Was die strafprozessuale Beschwerde nach § 309 StPO angeht, ist kosten- und auslagenrechtlich bereits ein Verfahrensabschluss im Sinne des § 464 StPO gegeben.