Verwaltungsgericht Osnabrück
Urt. v. 27.01.2005, Az.: 6 A 73/03
Approbation; Arzt; Beitrag; Beitragsgruppe; Bemessung; Berufsausübung; Berücksichtigung; Doppelapprobation; Einkommen; Einstufung; Freiheit; Kammerbeitrag; Kammermitglied; Psychologe; Psychotherapeut; Psychotherapeutenkammer; Veranlagung; Ärztekammer; Ärztekammerbeitrag
Bibliographie
- Gericht
- VG Osnabrück
- Datum
- 27.01.2005
- Aktenzeichen
- 6 A 73/03
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2005, 51050
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- Art 12 Abs 1 GG
- § 1 Abs 1 ÄKammerG ND
- § 8 ÄKammerG ND
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Bei der Bemessung des Ärztekammerbeitrages hat das Einkommen eines Kammermitgliedes, das dieses als Psychologischer Psychotherapeut erzielt hat, unberücksichtigt zu bleiben.
Tatbestand:
Die Klägerin ist als approbierte Ärztin Mitglied der Beklagten und zugleich als approbierte Psychologische Psychotherapeutin und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin Mitglied der Psychotherapeutenkammer Niedersachsen. Neben ihrer Tätigkeit als angestellte Ärztin ist sie in eigener Praxis als niedergelassene Psychologische Psychotherapeutin mit Zulassung zur vertragsärztlichen psychotherapeutischen Versorgung tätig.
Durch Bescheid vom 08.05.2003 wurde die Klägerin von der Beklagten für das Jahr 2003 zu einem Kammerbeitrag in Höhe von 239,00 € herangezogen. Dabei wurden ihre Einkünfte im Jahre 2001 sowohl als angestellte Ärztin (in Höhe von 58.940,- DM) als auch aus selbständiger Tätigkeit (in Höhe von 48.446,- DM) als solche aus ärztlicher Tätigkeit, gemäß § 2 Abs. 4a der Beitragsordnung der Beklagten - BeitrO - vermindert um die Hälfte der Einkünfte aus psychotherapeutischer Tätigkeit, behandelt. Auf der Grundlage des sich danach ergebenden Einkommens in Höhe von 83.163,- DM wurde sie der dafür einschlägigen Beitragsgruppe 8 (Einkünfte in Höhe von 80.000,- bis unter 90.000,- DM) zugeordnet, für die der erhobene Jahresbeitrag gilt.
Die Klägerin legte dagegen mit folgender Begründung Widerspruch ein: Ihre Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit seien nicht als Einkünfte aus ärztlicher Tätigkeit zu behandeln, da sie diese ausschließlich als niedergelassene Psychologische Psychotherapeutin erzielt habe.
Durch Bescheid vom 19.06.2003 wies die Beklagte den Widerspruch mit folgender Begründung zurück: Die Einkünfte der Klägerin aus ihrer selbständigen Tätigkeit seien solche aus ärztlicher Tätigkeit. Der Begriff der ärztlichen Tätigkeit i. S. des § 2 der BeitrO werde in der Rechtsprechung in Abgrenzung zur berufsfremden Tätigkeit sehr weit ausgelegt. Letztere liege nur dann vor, wenn keinerlei Zusammenhang mit der ärztlichen Tätigkeit und medizinischem Fachwissen bestehe. Die Klägerin bringe jedoch bei der Behandlung ihrer Patienten medizinisches Fachwissen zur Anwendung. Dies folge allein daraus, dass sie im Rahmen der ärztlichen Weiterbildung die Zusatzbezeichnung Psychotherapie erworben habe.
Die Klägerin hat dagegen am 17.07.2003 Klage erhoben, zu deren Begründung sie ergänzend vorträgt: Die Beklagte verkenne, dass sie für ihre Tätigkeit als Psychotherapeutin lediglich ihre Approbation als Psychologin und nicht die als Ärztin benötige. Es handele sich insoweit um zwei unterschiedliche Berufe. Ferner werde in § 2 Abs. 4a BeitrO zwischen „Einkünften aus ärztlicher Tätigkeit“ und „Einkünften aus psychotherapeutischer Tätigkeit“ unterschieden. Danach hätten ihre Einkünfte als Psychotherapeutin unberücksichtigt bleiben müssen.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 08.05.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.06.2003 insoweit aufzuheben, als von ihr ein 149,- € übersteigender Beitrag verlangt wird.
Die Beklagte beantragt im wesentlichen aus den Gründen des Widerspruchsbescheides,
die Klage abzuweisen.
Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze, wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 HKG besteht in Niedersachsen als Berufsvertretung der Ärztinnen und Ärzte die Ärztekammer Niedersachsen. Gemäß § 2 Abs. 1 HKG sind Mitglieder dieser Kammer Personen, die diesen Beruf auf Grund einer entsprechenden Approbation ausüben. Danach ist die Klägerin als approbierte Ärztin Mitglied der Beklagten.
Gemäß § 8 HKG erheben die Kammern zur Durchführung ihrer Aufgaben auf Grund einer Beitragsordnung Beiträge von den Kammermitgliedern, soweit sonstige Einnahmen nicht zur Verfügung stehen. Deren Bemessung richtet sich im einzelnen nach der gemäß § 25 Nr. 1 lit. c) HKG von der Kammerversammlung als Satzung zu beschließenden Beitragsordnung. Zur Anwendung kommt danach die Beitragsordnung der Beklagten - BeitrO - in der für das in Rede stehende Beitragsjahr 2003 maßgeblichen Fassung gemäß Beschluss der Kammerversammlung vom 10.12.2002.
Gemäß § 1 Abs. 2 BeitrO erfolgt die Veranlagung zum Kammerbeitrag nach Beitragsgruppen, die im einzelnen in § 2 Abs. 5 BeitrO geregelt sind. Die Einstufung in eine Beitragsgruppe richtet sich gemäß § 2 Abs. 1 BeitrO nach den unter Zugrundelegung der Vorschriften des Einkommensteuergesetzes zu ermittelnden Einkünften aus ärztlicher Tätigkeit. Bei Kammermitgliedern, die - wie die Klägerin - auch Mitglied der Psychotherapeutenkammer sind, werden gemäß § 2 Abs. 4a BeitrO der Einstufung die Einkünfte aus ärztlicher Tätigkeit vermindert um die Hälfte der Einkünfte aus psychotherapeutischer Tätigkeit zugrunde gelegt. Dabei geht der Satzungsgeber ersichtlich davon aus, dass es sich bei der psychotherapeutischen Tätigkeit eines Kammermitgliedes, welches zugleich der Psychotherapeutenkammer angehört, beitragsrechtlich im Grundsatz gleichermaßen um ärztliche Tätigkeit handelt.
Soweit der Satzungsgeber für die Zuordnung der Kammermitglieder zu den einzelnen Beitragsgruppen auf die Höhe der Einkünfte abstellt, müssen diese jeweils aus einer Tätigkeit herrühren, auf der die Zwangsmitgliedschaft in der berufständischen Körperschaft beruht. Dies folgt aus der grundrechtlich geschützten Freiheit der Berufsausübung, welche gemäß Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden darf. Darin sind Regelungen in Gestalt von Satzungen eingeschlossen, welche von mit entsprechender Rechtsetzungsautonomie ausgestatteten Körperschaften erlassen werden, wie dies für die Beklagte zutrifft (vgl. Leibholz/Rinck/Hesselberger, GG, 7. Aufl., Stand: Aug. 2003, Art. 12 Rn. 206 ff.).
Maßgebend für die mitgliedschaftsrechtliche Stellung der Kammermitglieder im allgemeinen und deren beitragsrechtlichen Status im besonderen ist danach diejenige berufliche Tätigkeit, die dem ärztlichen Beruf entspricht, für die der Landesgesetzgeber die Zwangsmitgliedschaft in der Ärztekammer begründet hat. Soweit ein Kammermitglied eine nicht dem Berufsbild des Arztes entsprechende berufliche Tätigkeit ausübt, ist diese für die Beitragsbemessung aus den dargelegten verfassungsrechtlichen Gründen unberücksichtigt zu lassen. Insoweit ist auf die einschlägige berufsrechtliche Bestimmung des § 2 Abs. 1 BÄO abzustellen. Danach bedarf derjenige, der im Geltungsbereich des Gesetzes den ärztlichen Beruf ausüben will, der Approbation als Arzt. An diese berufsrechtliche Erlaubnis knüpft der Landesgesetzgeber - wie dargelegt - die Mitgliedschaft in der Ärztekammer. Daraus folgt für den beitragrechtlichen Status des Kammermitgliedes, dass nur solche Einkünfte für die Bemessung des Kammerbeitrages zu berücksichtigen sind, die durch eine auf der Approbation als Arzt beruhende Tätigkeit erzielt wurden.
Die hier in Rede stehende psychotherapeutische Tätigkeit der Klägerin ist danach keine ärztliche Tätigkeit, da sie von der Klägerin nicht auf der Grundlage ihrer Approbation als Ärztin ausgeübt wird. Vielmehr wird die Klägerin insoweit auf der berufsrechtlichen Grundlage ihrer Approbation als Psychologische Psychotherapeutin gemäß §§ 1 Abs. 1, 2 PsychThG tätig. Dabei handelt es sich um einen eigenständigen, auch kassenarztrechtlich gleichberechtigten Heilberuf mit eigenem Ausbildungs- und Prüfungsrecht und eigenem Berufsfeld. Dass die Klägerin auch als Ärztin mit der Zusatzbezeichnung Psychotherapie psychotherapeutische Behandlungen durchführen dürfte, hat beitragsrechtlich unberücksichtigt zu bleiben, da sie die entsprechenden Einkünfte tatsächlich nicht auf dieser berufsrechtlichen Grundlage, sondern als freiberuflich tätige, im übrigen gemäß § 28 Abs. 3 SGB V zur kassenärztlichen Versorgung zugelassene Psychologische Psychotherapeutin erzielt. Die Klägerin hat sich in eigener Praxis als Psychologische Psychotherapeutin und nicht (nach Maßgabe des § 17 der Berufsordnung der Beklagten) als Ärztin niedergelassen. Dieser Umstand hat berufs- und damit auch beitragsrechtlich zur Folge, dass es sich bei den psychotherapeutischen Behandlungen, welche die Klägerin in dem von ihr gewählten Rahmen durchführt, nicht um ärztliche Tätigkeit handelt, auch wenn Psychotherapie gleichermaßen zum Berufsbild des Arztes gehört. Dies ist eine Folge der vom Gesetzgeber durch das PsychThG neu geschaffenen, gegenüber dem Arztberuf eigenständigen akademischen Heilberufe des Psychologischen Psychotherapeuten und des Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten. Daher ist es für die beitragsrechtliche Beurteilung unbeachtlich, inwieweit die Klägerin bei ihrer psychotherapeutischen Tätigkeit (auch) medizinisches Fachwissen anwendet, welches sie im Rahmen ihrer ärztlichen Weiterbildung zum Führen der Zusatzbezeichnung Psychotherapie erworben hat.
Angesichts des vorstehend beschriebenen berufsrechtlichen Hintergrundes ist der angefochtene Beitragsbescheid nicht deswegen rechtlich unbedenklich, weil die Einkünfte aus psychotherapeutischer Tätigkeit bei der Einstufung des Kammermitgliedes nur zur Hälfte zugrunde gelegt werden. Damit will der Satzungsgeber zwar ersichtlich dem bei der Beitragsbemessung zu beachtenden Äquivalenzprinzip und dem Gesichtspunkt einer gegen das Gleichbehandlungsgebot verstoßenden Doppelbelastung von Kammermitgliedern, die zugleich der Psychotherapeutenkammer angehören, Rechnung tragen. Derartige beitragsrechtliche Fragestellungen ergeben sich jedoch nur bei beruflichen Tätigkeiten, die zu einer doppelten Kammerzugehörigkeit mit entsprechenden Beitragspflichten führen, weil sie berufsrechtlich verschiedenen Berufsfeldern zuzuordnen sind, wie dies etwa bei Rechtsanwälten zutrifft, welche zugleich als Steuerberater tätig sind (vgl. dazu BHG, B. v. 25. 01.1999 - AnwZ (B) 48/98 - BGHZ 140, 302 = NJW 1999, 1402). Bei der Klägerin liegt eine derartige Überschneidung aus den dargelegten Gründen jedoch nicht vor. - Im übrigen führt die Beitragsveranlagung von Doppelmitgliedern seitens der Beklagten ungeachtet der nur hälftigen Berücksichtigung der „kammerfremden“ Einkünfte in den Fällen zu einer doppelten Heranziehung, in denen das Kammermitglied nach der geltenden Beitragsordnung der Psychotherapeutenkammer an diese den vollen Beitrag zu entrichten hat, weil es zu mehr als 50 v. H. psychotherapeutisch tätig ist.
Nach alledem sind im vorliegenden Falle bei der Beitragsbemessung - entsprechend dem Rechtsschutzziel der Klägerin - ausschließlich deren Einkünfte aus ihrer ärztlichen Angestelltentätigkeit zugrunde zu legen. Mit deren Höhe von 58.940,- DM ist die Klägerin der Beitragsgruppe 5 zuzuordnen, für die sich der Jahresbeitrag auf 149,- € beläuft. In Höhe des übersteigenden Betrages ist der angefochtene Beitragsbescheid demzufolge aufzuheben.