Amtsgericht Lüneburg
Beschl. v. 19.11.2004, Az.: 46 IK 63/03
Festsetzung der Vergütung eines Treuhänders
Bibliographie
- Gericht
- AG Lüneburg
- Datum
- 19.11.2004
- Aktenzeichen
- 46 IK 63/03
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2004, 34074
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:AGLUENE:2004:1119.46IK63.03.0A
Rechtsgrundlagen
- § 1 InsVV
- § 4 InsVV
- § 8 Abs. 3 InsVV
- § 13 Abs. 1 InsVV
- § 63 InsO
- § 65 InsO
- § 26 ZwVerwVO
Fundstellen
- ZInsO 2004, 1352-1353
- ZVI 2006, 15
- ZVI (Beilage) 2006, 15 (red. Leitsatz)
Tenor:
Es wird die Vergütung des Treuhänders festgesetzt auf:
- 1.
600,00 EUR Nettovergütung nach Insolvenzrechtliche Vergütungsverordnung (InsVV)
- 2.
96,00 EUR Umsatzsteuer darauf in Höhe von 16 %
- 3.
150,00 EUR Auslagen zuzüglich
- 4.
24,00 EUR Umsatzsteuer darauf in Höhe von 16%
- 5.
870,00 EUR Gesamtbetrag Dem Treuhänder Rechtsanwalt Henning Sämisch, Mühlenkamp 59 D 22303 Hamburg wird gestattet, den festgesetzten Betrag nach Rechtskraft des Beschlusses einer etwaigen Insolvenzmasse zu entnehmen, sofern keine Erstattung aus der Landeskasse zu erfolgen hat.
Gründe
Ein gerichtlich bestellter Treuhänder wird als ein im Allgemeininteresse beauftragter Wahrer fremder Interessen tätig, dessen Geschäftsführung nach § 63 InsO zu vergüten ist; daneben sind ihm angemessene Auslagen zu erstatten. Das Insolvenzgericht setzt unter Beachtung der Bestimmungen der InsVV und Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles die Höhe der Vergütung und Auslagen fest (§§ 64, 65 InsO).
Mit seiner Bestellung erlangt der Treuhänder einen Anspruch auf Gewährung der Vergütung.
Diese wird jedoch erst mit Abschluss des Verfahrens fällig, da nur in diesem Verfahrensabschnitt die nach § 1 InsVV vorgesehene Berechnungsgrundlage ermittelt werden kann. Die Vergütung ist sodann unter Anwendung des § 13 Abs. 1 InsVV der Höhe nach zu berechnen.
Allgemein anerkannt ist, dass der Vergütungsanspruch eines Verwalter bzw. Treuhänders nicht nur verfassungsrechtlichen Schutz genießt (vgl. dazu BVerfG, ZIP 1989, 382), sondern dass ihm für seine Tätigkeit eine auskömmliche Vergütung zu gewähren ist, da ihm keine unzumutbaren Opfer ohne finanziellen Ausgleich auferlegt werden dürfen, weil nur so seine Existenzbedürfnisse gedeckt werden können. Diesem Anspruch kommt auch § 4 InsVV nach, da mit der Vergütung auch die allgemeinen Geschäftsunkosten des Verwalters bzw. Treuhänders abgegolten werden.
Der Treuhänder hat in seinem Antrag vom 08.10.2004 auf Festsetzung der Vergütung und Auslagen unter Hinweis auf Literatur und Rechtsprechung nachvollziehbar vorgetragen, dass im vorliegenden Fall die Mindestvergütung des noch anzuwendenden § 13 Abs. 1 InsVV a.F. nicht diesen Erfordernissen entspricht. Er beantragt daher eine von der Mindestvergütung abweichende Festsetzung der ihm zu gewährenden Vergütung, und zwar nach den Sätzen des §13 Abs. 1 InsVV n.F.
Dem Schuldner wurde Gelegenheit zur Stellungnahme geboten. Erklärungen gingen dem Gericht nicht zu.
Dem Antrag des Treuhänders war zu folgen.
Nach der sich verfestigenden Rechtsprechung des BGH in Zwangsverwaltungsverfahren -ein Sachgebiet, in dem der bestellte Zwangsverwalter durchaus vergleichbare Tätigkeiten eines Insolvenzverwalters entfaltet - sind die seit dem 01.01.2004 geltenden Vergütungsgrundsätze in Einzelfällen auch auf Abrechnungszeiträume anzuwenden, die zeitlich davor liegen (vgl. Beschluss vom 27.02.2004 - IX a ZB 37/03 - Rpfleger 2004, 367; Beschluss vom 25.06.2004 - IX a ZB 44/03 - ZlnsO 2004, 911). Diese Rechtsauffassung ist auch auf Insolvenzverfahren übertragbar. Es ist kaum nachvollziehbar, dass in Fällen einer gleichzeitigen Antragstellung dann in einem Verfahren, das - evtl. aus gerichtsinternen Gründen - noch vor dem 31.12.2003 eröffnet wurde, und in dem Tätigkeiten gleichen Schwierigkeitsgrades und Umfangs für einen Insolvenzverwalter bzw. Treuhänder wie in einem, nach dem 01.01.2004 eröffneten Verfahren anfallen, eine erheblich niedrigere Mindestvergütung zu gewähren ist, obwohl beide Verfahren zeitlich gemeinsam beendet werden.
Die vom BGH in den Beschlüssen vom 15.01.2004 - IX ZB 96/03 und IX ZB 46/03 -getroffene Feststellung, dass die Mindestvergütung des § 2 Abs. 2-13 Abs. 1 InsVV a.F. erst ab 01.01.2004 verfassungswidrig sein soll, kann regelmäßig nur für wenige Ausnahmefälle in Insolvenzverfahren angenommen werden (so auch LG Lübeck, Beschluss vom 11.08.2004 - ZlnsO 2004, 1140; AG Göttingen, Beschluss vom 31.08.2004 - ZlnsO 2004, 1025). Mit Einsetzen der abweichenden Festsetzung der Mindestvergütung durch verschiedene Insolvenzgerichte im Jahr 2003 war allgemein ersichtlich, dass die in § 13 Abs. 1 InsVV a.F. bestimmte Mindestvergütung für einen Treuhänder keine angemessene Vergütung darstellte. Die mit der Neufassung der InsVV getroffene "Stichtag"- Regelung lässt den Schluss zu, dass sie aus fiskalischen Erwägungen, nicht aber im Hinblick auf die o.g. Grundsätze des verfassungsrechtlichen Schutzes einer angemessenen Vergütung getroffen wurde.
Auch wenn das Gericht grundsätzlich an Rechtsverordnungen wie hier die InsVV gebunden ist, wird es im vorliegenden Fall dennoch gehalten sein, durch eine entsprechende Auslegung der Vergütungsvorschriften eine angemessene Vergütung des Treuhänders zu ermitteln.
Der Treuhänder zeigt im Einzelnen auf, dass die nach § 13 Abs. 1 InsVV a.F. vorgesehene Mindestvergütung von EUR 250,-- seine entfaltete Tätigkeit in keiner Weise angemessen entschädigt. Auch dem Akteninhalt ist zu entnehmen, dass der Treuhänder besonders im Hinblick mit steuerrechtlichen Angelegenheiten sowie der Prüfung und Einziehung pfändbarer Ansprüche über das übliche Maß hinaus befasst war. Nach seinem Vortrag sind bereits in den ersten vier Monaten des Verfahrens für die Bearbeitung dieses Falles ca. 21 Stunden bei ihm angefallen.
Im Falle eines Zwangsverwaltungsverfahrens würde für einen solchen zeitlichen Tätigkeitsaufwand eine Vergütung nach § 26 ZwVerwVO von rd. 1.600,- Euro entstehen. Daher kann die nach § 13 Abs. 1 InsVV a.F. vorgesehene Mindestvergütung nicht als angemessen angesehen werden. Im Hinblick auf die Grundsätze der o.g. angeführten BGH-Rechtssprechung für Zwangsverwaltungssachen ist daher im vorliegenden Fall die in der Neufassung der InsVV bestimmte Mindestvergütung zuzubilligen.
Nicht gewährt werden konnte die vom Treuhänder geltend gemachte Auslagenpauschale gem. § 8 Abs. 3 InsVV mit EUR 180,--, da auch in Anwendung der InsVV-Neufassung Im ersten Jahr 15 %, im zweiten 10 % als Pauschale anfallen. Auf der Grundlage der Mindestvergütung von EUR 600,- ergibt sich somit als Auslagenpauschale ein Betrag von EUR 150,--. Der vom Treuhänder in seinem Antrag angegebene Pauschsatz von 30 % dient der "Deckelung" der Auslagenpauschale und bedeutet nicht, dass dieser Prozentsatz in jedem Fall anfällt.
Gegen diesen Beschluss ist für Beteiligte i.S. des § 64 Abs. 3 InsO die sofortige Beschwerde zulässig, die binnen zwei Wochen nach Zustellung schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle des Insolvenzgerichts oder bei dem Landgericht Lüneburg einzulegen ist.