Staatsgerichtshof Niedersachsen
Urt. v. 29.01.2016, Az.: StGH 1/15
Bibliographie
- Gericht
- StGH Niedersachsen
- Datum
- 29.01.2016
- Aktenzeichen
- StGH 1/15
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2016, 43576
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Unverzüglich im Sinne des Art. 24 Abs. 1 NV ist ein Antwortverhalten der Landesregierung, das dem Zweck des parlamentarischen Fragerechts unter Berücksichtigung konkurrierender Aufgaben der Landesregierung und ihrer personell-organisatorischen Möglichkeiten gerecht wird.
2. Dem parlamentarischen Fragerecht kommt ein hoher Stellenwert zu. Es soll dem Abgeordneten die notwendigen Informationen zur Wahrnehmung seiner Aufgaben verschaffen und dadurch die Entwicklung von Initiativen einerseits und eine wirksame Kontrolle der Regierungstätigkeit durch das Parlament andererseits ermöglichen.
3. Die Landesregierung hat im Spannungsverhältnis zwischen Vollständigkeit und Unverzüglichkeit einer Antwort auf Kleine Anfragen die Recherchetiefe unter Berücksichtigung der mutmaßlichen Interessen des Fragestellers sachgerecht zu bestimmen, den Beantwortungsvorgang zweckmäßig zu organisieren und im Konfliktfall zwischen der Pflicht zur unverzüglichen Antwort und konkurrierenden Aufgaben der Landesregierung verfassungskonform zu priorisieren. Bei der Erfüllung und Abwägung dieser Pflichten kommen der Landesregierung Einschätzungsspielräume zu.
4. Beantwortet die Landesregierung Kleine Anfragen innerhalb eines Monats, besteht eine Vermutung für die Unverzüglichkeit der Antwort. Im Übrigen unterliegt ihr Antwortverhalten unter Berücksichtigung der ihr eingeräumten Einschätzungsspielräume im Hinblick auf den Zeitbedarf einer Plausibilitätskontrolle. Die Landesregierung hat nachvollziehbar darzulegen, aufgrund welcher Umstände sie an einer früheren Antwort gehindert war. Die Anforderungen an die Plausibilität der darzulegenden Hinderungsgründe steigen dabei mit zunehmender Entfernung von der Monatsfrist kontinuierlich an.
Tenor:
Die Antragsgegnerin hat die Antragsteller der Verfahren StGH 1, 2 und 3/15 in deren Recht aus Art. 24 Abs. 1 der Niedersächsischen Verfassung dadurch verletzt, dass sie die Kleinen Anfragen vom 19. August 2014 (Az.: II/725-923) und vom 6. Oktober 2014 (LT-Drs. 17/2141 sowie LT-Drs. 17/2140) nicht unverzüglich beantwortet hat.
Gründe
A.
Gegenstand aller drei Organstreitverfahren ist die Frage, ob die Landesregierung ihrer verfassungsrechtlichen Pflicht zur unverzüglichen Beantwortung der Anfragen von Mitgliedern des Landtages aus Art. 24 Abs. 1 der Niedersächsischen Verfassung – NV – nachgekommen ist.
Im Verfahren StGH 1/15 beantwortete die Antragsgegnerin eine das Aktenvorlageverhalten in drei Legislaturperioden betreffende Kleine Anfrage der Abgeordneten Ross-Luttmann nach knapp sechs Monaten und in den Verfahren StGH 2/15 und 3/15 Kleine Anfragen der Abgeordneten F. und J. (StGH 2/15) bzw. F., J. und H. (StGH 3/15) zu Problemen der Flüchtlingsunterbringung jeweils nach gut viereinhalb Monaten.
Im Einzelnen liegen den zur gemeinsamen Verhandlung verbundenen Verfahren StGH 1/15 (I.), StGH 2/15 (II.) und StGH 3/15 (III.) folgende Sachverhalte zugrunde:
I.
Am 19. August 2014 richtete die der CDU-Fraktion angehörende Abgeordnete R.-L. an die Antragsgegnerin eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit dem Titel "Ist der Kernbereich der exekutiven Willensbildung der rot-grünen Landesregierung größer als der ihrer Vorgänger?" (Az. II/725-923). Diese Anfrage umfasste acht Einzelfragen, mit denen im Wesentlichen die Anzahl der in den letzten drei Legislaturperioden nach Art. 24 Abs. 2 und 3 NV vorgelegten und zurückgehaltenen Aktenseiten sowie die Begründungen für die Verweigerung von Aktenvorlagen erforscht werden sollten. Auslöser der Anfrage war das sogenannte Paschedag-Verfahren vor dem Staatsgerichtshof (StGH 7/13). In diesem hatten Mitglieder der CDU-Landtagsfraktion der Antragsgegnerin vorgeworfen, sie habe sich bei der Behandlung von Aktenvorlagebegehren nach Art. 24 Abs. 2 NV zu weitgehend auf das Vorlageverweigerungsrecht nach Art. 24 Abs. 3 NV berufen. Die Antragsgegnerin hatte dem unter anderem entgegen gehalten, ihr Vorlageverhalten unterscheide sich nicht von dem der CDU-geführten Vorgängerregierung. Anhand der erwarteten Antworten wollte die Antragstellerin diese Aussage überprüfen.
Die genannte Kleine Anfrage ging bei der Niedersächsischen Staatskanzlei am 28. August 2014 ein. Bis zum 9. September 2014 sichtete das dort zuständige Referat 201 die einschlägigen Vorgänge und ordnete sie einzelnen Referaten der Staatskanzlei oder den mit den jeweiligen Aktenvorlagebegehren vorbefassten Ministerien zu. Mit Schreiben vom 10. September 2014 teilte die Staatskanzlei dem Präsidenten des Landtages mit, dass eine Beantwortung der Anfrage binnen Monatsfrist unmöglich sei, und bat um Fristverlängerung bis Ende November 2014. Gleichzeitig leitete das Referat 201 mit Fristsetzung zum 10. Oktober 2014 eine Ressortabfrage ein. Fehlende Aktenübersendungsschreiben an den Landtag sollten dem Referat 201 übermittelt und die Anzahl der jeweils vorgelegten, der zurückgehaltenen und der vorgelegten, aber als vertraulich gekennzeichneten Seiten anhand der Originalvorgänge ausgezählt werden. Vier Vorgänge, für die das Referat 201 der Staatskanzlei federführend gewesen war, prüfte es bis zum 26. September 2014 selbst; alsdann leitete es auch hier eine Ressortabfrage mit Fristsetzung zum 15. Oktober 2014 ein.
Tatsächlich trafen die Zulieferungen der beteiligten Ressorts nur teilweise fristgemäß ein. Einige kamen wenige Tage verspätet, andere, wie diejenigen des Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung und des Ministeriums für Wissenschaft und Kultur erst nach Mahnung. Die Beiträge des Ministeriums für Inneres und Sport lagen vollständig erst am 30. Oktober 2014 und diejenigen des Ministeriums für Wissenschaft und Kultur am 7. November 2014 vor. Hinsichtlich einzelner beteiligter Ministerien ergaben sich Nachforderungen oder Rückfragen, deren Bearbeitung sich teils bis in den November hinein, im Fall des Ministeriums für Inneres und Sport bis zum 24. November 2014 hinzog. Mit Schreiben vom 27. November 2014 teilte die Staatskanzlei dem Präsidenten des Landtages mit, die Bearbeitung verzögere sich bis Ende Januar 2015, also um zwei weitere Monate. Zu diesem Zeitpunkt lagen der Staatskanzlei alle erbetenen Zuarbeiten vor. Der zuständige Sachbearbeiter hatte diese in einer übersichtlichen Tabelle zusammengefasst.
Am 26. Januar 2015 stellte das Referat 201 einen ersten Antwortentwurf fertig. Mit Schreiben vom 3. Februar 2015 kündigte die Staatskanzlei dem Präsidenten des Landtages eine weitere Verzögerung der Antwort bis voraussichtlich Ende Februar 2015 an. Bis zum 16. Februar 2015 stimmte sie den Antwortentwurf intern und mit den Ministerien ab und leitete ihn am 23. Februar 2015 an den Landtag weiter.
Die Antwort selbst umfasst gut zwei Druckseiten und die zentrale neunseitige Tabelle, in der die betroffenen 76 Vorlagebegehren mit den Angaben zu den Fragen 1 bis 5 der Kleinen Anfrage vom 19. August 2014 aufgeführt sind. Im Vorspann ihrer Antwort erläutert die Antragsgegnerin, dass und warum die Zahl der übersandten und zurückgehaltenen Seiten teils nicht vollständig rekonstruierbar gewesen sei. Die Fragen 6 bis 8 beantwortet sie jeweils in zwei bis vier Absätzen. Zu Frage 6 weist die Antragsgegnerin darauf hin, dass die Begründungen für die Auskunftsverweigerung dem Landtag selbst vorlägen, gibt hierfür Daten an und resümiert, die Gründe der Vorlageverweigerungen seien von Fall zu Fall unterschiedlich und daher keiner Generalisierung zugänglich. Tendenziell seien die Begründungen in der aktuellen Legislaturperiode ausführlicher geworden.
Bereits am 20. Februar 2015, also drei Tage vor Eingang der Antwort beim Landtag, hat die Antragstellerin das Organstreitverfahren eingeleitet. Zur Begründung trägt sie vor, die Antragsgegnerin verletze ihr Recht aus Art. 24 Abs. 1 NV auf unverzügliche Beantwortung ihrer Anfrage. "Unverzüglich" bedeute "ohne schuldhaftes Zögern" und erfordere eine Abwägung zwischen den Arbeitskapazitäten der Regierung und dem Informationsrecht der Abgeordneten. Letzteres habe einen hohen Stellenwert. Selbst verfassungsrechtliche Verpflichtungen der Regierung seien dem Informationsrecht der Abgeordneten nicht stets gleichrangig. Vielmehr bedürfe es in jedem Einzelfall einer Bewertung und Abwägung der konkurrierenden Pflichten mit dem Informationsinteresse. Die Antragsgegnerin habe das Unverzüglichkeitsgebot für sich selbst in § 33 Abs. 2 ihrer Geschäftsordnung dahingehend konkretisiert, dass Kleine Anfragen zur schriftlichen Beantwortung regelmäßig binnen Monatsfrist zu bearbeiten seien. Hierfür müssten ggf. Mitarbeiter verschiedener Stellen zusammengezogen werden. Unbeachtlich sei die Überlastung einzelner Referate oder Mitarbeiter; maßgeblich sei die Organisationsverpflichtung der Regierung insgesamt. Sei eine Verzögerung absehbar, müsse die Antragsgegnerin stets auch die Möglichkeit einer Vorbehaltsantwort oder einer vorgezogenen Teilantwort prüfen. Eine Bearbeitungszeit von mehr als einem Monat bedürfe sowohl einer besonderen Rechtfertigung als auch der ausführlichen Begründung.
Hier liege ein Organisationsverschulden schon darin, dass nur einer von zwölf Mitarbeitern des Referats 201 der Staatskanzlei mit der Bearbeitung der Kleinen Anfrage betraut worden sei. Es fehle eine konkrete Darstellung der jeweils konkurrierenden Aufgaben der zuständigen Mitarbeiter und deren ordnungsgemäßer Abwägung mit der Antwortpflicht; auch fehle eine Aussage zu angeordneten bzw. eventuell anzuordnenden Überstunden. Vieles spreche dafür, dass die Antragsgegnerin die Antwort hinausgezögert habe, weil ihr deren Ergebnis unangenehm gewesen sei. Die von der Antragsgegnerin erstellte Bearbeitungsübersicht belege auch im Detail unnötige Verzögerungen. Die teilweise mehrfachen Mahnungen der Ministerien und der nachgeordneten Behörden begründeten schon für sich genommen die Vermutung eines der Antragsgegnerin zurechenbaren Organisationsverschuldens. Für mehrere Zeiträume ohne irgendeine Bearbeitungsaktivität fehle es gänzlich an Begründungen. Der lange Bearbeitungsstillstand zwischen dem 27. November 2014 und dem 26. Januar 2015 sei auch durch die Ergänzung von Aktenvorlagen nach Maßgabe des Urteils im Verfahren StGH 7/13 nicht gerechtfertigt.
Die Antragstellerin beantragt,
festzustellen, dass die Antragsgegnerin sie in ihrem Recht aus Art. 24 Abs. 1 der Niedersächsischen Verfassung dadurch verletzt hat, dass sie ihre Kleine Anfrage vom 19. August 2014 (Az.: II/725-923) nicht unverzüglich beantwortet hat.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Sie macht geltend, die Pflicht der Regierung zur unverzüglichen Beantwortung parlamentarischer Anfragen genieße keinen Vorrang, sondern sei anderen Regierungspflichten gleichgeordnet. Daher seien schon bei der der Verschuldensfrage vorgelagerten Prüfung, ob die Regierung objektiv eine Anfrage schneller habe beantworten können, auch konkurrierende Aufgaben in den Blick zu nehmen.
Schon auf der ersten Ebene der Prüfung zeige sich dabei, dass die Antwort bedingt durch die Bemühung um gleichzeitige Erfüllung konkurrierender, aber grundsätzlich gleichwertiger Regierungsaufgaben nicht zögerlich erfolgt sei. Parlamentarische Anfragen würden von derjenigen Stelle bearbeitet, die für ihren Gegenstand nach dem Geschäftsverteilungsplan sachlich zuständig sei. Diese Organisation sei zweckmäßig, um eine fachlich fundierte Antwort zu gewährleisten. Die Prüftätigkeit sei teilweise sehr aufwendig gewesen, da die damit befassten Bearbeiter alle betroffenen Akten erneut unter teils widrigen Bedingungen hätten heraussuchen und die Blätter bzw. Seiten manuell durchzählen müssen. Im Zeitraum vom 27. November 2014 bis zum 26. Januar 2015 sei die Bearbeitung der Anfrage deshalb nicht vorangetrieben worden, weil die damit befassten Bearbeiter im Interesse der parlamentarischen Information vorrangig sämtliche aktuellen Aktenvorlagen, insbesondere in Sachen P. und E., anhand der Vorgaben des Staatsgerichtshofs im Verfahren StGH 7/13 überprüft hätten. Teilweise sei es dabei um Zehntausende von Seiten gegangen. Anderweitige, ebenfalls wichtige Tätigkeiten seien hinzugekommen, Urlaubsabwesenheiten einzelner Mitarbeiter hätten überbrückt werden müssen. Zur Verstärkung des Referats 201 geeignete, brachliegende Arbeitskapazitäten in anderen Bereichen habe es nicht gegeben. Das Referat 201 sei gleichwohl am 27. Oktober 2014 mit einem zusätzlichen Juristen aus dem Referat 206 der Staatskanzlei verstärkt worden; der Abzug weiteren Personals aus anderen Bereichen sei nicht vertretbar gewesen.
Selbst wenn man die Antwort für verzögert und damit einen objektiven Pflichtenverstoß für gegeben halte, fehle es jedenfalls an der subjektiven Vorwerfbarkeit im Sinne einer Fahrlässigkeit eines bestimmten Regierungsmitglieds. Eine Zurechnung des Verschuldens einzelner Ministerialmitarbeiter sehe Art. 24 Abs. 1 NV nicht vor. Die von der Antragstellerin angedachte Vorbehalts- oder Teilantwort zerreiße den vom Anfragenden bestimmten inneren Zusammenhang seiner Fragen und widerspreche der Pflicht zur vollständigen Antwort. Die Monatsfrist des § 33 Abs. 2 GGO habe keinen Verfassungsrang und scheide damit als Maßstab einer Kontrolle durch den Staatsgerichtshof aus. Auch sei sie nicht einmal ein rechtstatsächliches Indiz, weil Anfragen binnen eines Monats regelmäßig nicht beantwortet werden könnten. Eine verfassungsrechtliche Pflicht zur Begründung von Verzögerungen gebe es nach dem Wortlaut des Art. 24 Abs. 1 NV nicht; sie sei auch nicht sinnvoll.
II.
Nach Übergriffen von Mitarbeitern privater Wachdienste auf Bewohner von Flüchtlingsunterkünften in Nordrhein-Westfalen stellten die der CDU-Fraktion angehörenden Abgeordneten F. und J. am 6. Oktober 2014 eine Kleine Anfrage zum Thema "Was tut die Landesregierung, um Flüchtlinge in Niedersächsischen Sammelunterkünften zu schützen?" (LT-Drs. 17/2141). Die Anfrage umfasste 25 Einzelfragen, darunter die Fragen 15 bis 17, in denen es um die Namen der Wachdienstfirmen in privat betriebenen niedersächsischen Sammelunterkünften ging, und die Fragen 20 und 21, die einen konkreten Vorfall in einer Sammelunterkunft in Wolfsburg betrafen.
Die Anfrage ging am 16. Oktober 2014 per E-Mail beim zuständigen Ministerium für Inneres und Sport ein. Vom 17. bis zum 24. Oktober 2014 klärte dieses die interne Zuständigkeitsverteilung und betraute dann die Sachbearbeiterin 62.11 mit der Federführung. Diese hatte im Rahmen der ihr ebenfalls obliegenden Sachbearbeitung der Kleinen Anfrage der LT-Drs. 17/2140, die Gegenstand des Verfahrens StGH 3/15 ist, am 23. Oktober 2014 mit Fristsetzung zum 24. November 2014 die Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände um Auskünfte zu den dortigen Fragen gebeten.
Mit Schreiben vom 27. Oktober 2014 teilte das Ministerium für Inneres und Sport dem Präsidenten des Landtages mit, eine Beantwortung der Anfrage binnen Monatsfrist sei unmöglich, und bat um Fristverlängerung bis zum 15. Januar 2015. Am 28. Oktober 2014 forderte die Sachbearbeiterin 62.11 Antwortbeiträge vom Referatsteil 62.2 sowie zu den Fragen 20 und 21 von der Abteilung 2 (Polizei) an. Die Stellungnahme der Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände zur Kleinen Anfrage LT-Drs. 17/2140 ging am 2. Dezember 2014, die der Abteilung 2 am 4. Dezember 2014 und die des Referatsteils 62.2 am 17. Dezember 2014 bei der Sachbearbeiterin ein. Da dieser die Antwort der Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände für den Gegenstand der Anfrage LT-Drs. 17/2141 nicht ausreichte, bat sie am 19. Dezember 2014 die Kommunen zu den Fragen 15 bis 17 der Anfrage LT-Drs. 17/2141 und zu anderen Anfragen direkt um Stellungnahmen. Hierfür setzte sie eine Frist bis zum 12. Januar 2015. 39 der 51 angeschriebenen Kommunen antworteten. Die letzte angekündigte Rückmeldung traf am 15. Januar 2015 ein. Am Folgetag bat das Ministerium für Inneres und Sport den Präsidenten des Landtages um eine weitere Fristverlängerung bis zum 27. Februar 2015. Am 23. Februar 2015 legte die Sachbearbeiterin einen ersten vollständigen Antwortentwurf vor.
Am 27. Februar 2015 beantwortete das Ministerium für Inneres und Sport nach interner Abstimmung die Anfrage. Das Antwortschreiben (LT-Drs. 17/3068) umfasst insgesamt fünfeinhalb Seiten; die Fragen werden darin jeweils in ein bis vier Absätzen beantwortet.
Bereits am 20. Februar 2015 haben die Antragsteller das vorliegende Organstreitverfahren eingeleitet. In rechtlicher Hinsicht entspricht ihre Begründung den Ausführungen der Antragstellerin im Verfahren StGH 1/15. In tatsächlicher Hinsicht rügen die Antragsteller auch hier ein Organisationsverschulden der Regierung. Es sei schon nicht zulässig gewesen, die Beantwortung der aktuellen Anfrage allein der Sachbearbeiterin 62.11 und damit einer einzigen Mitarbeiterin in einem 14 Bedienstete umfassenden Referat aufzuerlegen, zumal diese nach Bekunden der Antragsgegnerin chronisch überlastet gewesen sei. Die Zuweisung weiterer Aufgaben im Verlaufe der folgenden Wochen habe die Situation "sehenden Auges" verschärft; entlastende Maßnahmen seien ausgeblieben. Das Ministerium für Inneres und Sport habe sein Personal zwar seit März 2013 massiv verstärkt, dieses jedoch im Rahmen von Prestigeprojekten und nicht zur Erfüllung der primären verfassungsrechtlichen Pflichten eingesetzt. Anzulasten seien der Antragsgegnerin zudem Priorisierungs- und Abwägungsfehler. Während das Referat 62 auch bei weniger bedeutsamen Aufträgen offenbar alle ihm gesetzten, knappen Fristen habe einhalten können, habe es die Anfrage der Antragsteller immer wieder hintangestellt. Schuldhaft zögerlich sei auch die Bearbeitung der Anfrage selbst gewesen, vornehmlich die zeitintensive, aber nicht zielführende Beteiligung der Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände, der Abstand von 17 Tagen zwischen dem Eingang der Stellungnahme der Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände und der Nachfrage bei den Kommunen selbst, die Notwendigkeit wiederholter Erinnerungen anderer Referate des Ministeriums für Inneres und Sport und zuletzt die auch durch Krankheit einer Sachbearbeiterin nicht erklärte Dauer der Auswertung der Rückmeldungen aus den Kommunen.
Die Antragsteller beantragen,
festzustellen, dass die Antragsgegnerin sie in ihrem Recht aus Art. 24 Abs. 1 der Niedersächsischen Verfassung dadurch verletzt hat, dass sie ihre Kleine Anfrage vom 6. Oktober 2014 (LT-Drs. 17/2141) nicht unverzüglich beantwortet hat.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Sie beruft sich im Wesentlichen auf ihre Ausführungen im Verfahren StGH 1/15. Darüber hinaus macht sie geltend, das für die Flüchtlingsaufnahme und Flüchtlingsversorgung verantwortliche Referat 62 des Ministeriums für Inneres und Sport sei durch den bereits im Jahr 2014 drastischen, Anfang 2015 nochmals massiv beschleunigten Anstieg der Asylbewerberzahlen und die damit verbundenen Zusatzaufgaben extrem belastet gewesen. In diesem Zusammenhang habe das Referat dringende Gesetzgebungsvorhaben begleiten müssen. Die qualitativen Anforderungen an die Arbeit des Referats seien deutlich gestiegen. Ferner habe das öffentliche und politische Interesse an der Arbeit des Referats zu Mehrarbeit und zu einer Erhöhung des Koordinierungsaufwands geführt. Selbst umfangreiche Personalverstärkungen durch das Ministerium für Inneres und Sport hätten dies nicht auffangen können. Konkret habe die zuständige Sachbearbeiterin 62.11 parallel zur Bearbeitung der verfahrensgegenständlichen Anfrage eine Vielzahl – im Einzelnen aufgezählter – konkurrierender Aufgaben bewältigen müssen. Brachliegende Arbeitskapazität zur weiteren Verstärkung des Referats habe es nach vorangegangenen Personalabbaumaßnahmen nicht gegeben. Nur die zuständige Sachbearbeiterin habe die verfahrensgegenständliche Anfrage kompetent beantworten können. Zunächst habe diese die Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände beteiligt, da von letzterer aufgrund der von Kommune zu Kommune unterschiedlichen Zuständigkeit für Fragen der Flüchtlingsunterbringung schneller zuverlässige Antworten zu erwarten gewesen seien als von den Kommunen selbst. Das Ministerium für Inneres und Sport habe die Anfrage der LT-Drs. 17/2141 mündlich anlässlich einer Konferenz am 21. Oktober 2014 in das Auskunftsersuchen zur Anfrage der LT-Drs. 17/2140 einbezogen und den Spitzenverbänden übergeben. Erst nachdem diese überraschend am 2. Dezember 2014 erklärt hätten, keine Auskunft geben zu können, sei eine Beteiligung der Kommunen erforderlich geworden. Diese habe die Sachbearbeiterin 62.11 wegen anderweitiger Aufgaben bis zum 19. Dezember 2014 zurückgestellt.
III.
Ebenfalls am 6. Oktober 2014 und damit zeitgleich mit der Fragestellung, die dem Verfahren StGH 2/15 zugrunde liegt, richteten die der CDU-Fraktion angehörenden Abgeordneten F., J. und H. an die Antragsgegnerin eine weitere das Asylrecht betreffende Kleine Anfrage mit der Überschrift "Krisen in der Welt – Die Flüchtlingszahlen steigen – Wie ist die Lage in Niedersachsen?" (LT-Drs. 17/2140). Die Anfrage umfasste insgesamt 35 Einzelfragen, darunter die Fragen 6 bis 10 zur Zahl der Unterbringungsplätze der Kommunen, die Fragen 17 bis 21, 28 und 29 zur Abschiebepraxis und die Fragen 32 und 33 zu syrischen Flüchtlingen.
Auch diese Anfrage ging am 16. Oktober 2014 per E-Mail beim Ministerium für Inneres und Sport ein. Am 17. Oktober 2014 forderte die auch hier mit der Bearbeitung betraute Sachbearbeiterin 62.11 Antwortbeiträge zu diversen Fragen beim Referat 61, beim Referatsteil 62.2 und bei der Geschäftsstelle der Härtefallkommission an. Mit Schreiben vom 23. Oktober 2014 ersuchte die Sachbearbeiterin 62.11 die Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände um Auskünfte zu den Fragen 6 bis 10 und setzte hierfür eine Frist zum 24. November 2014. Am 24. Oktober 2014 beteiligte der um Beiträge zu den Fragen 30 und 31 gebetene Sachbearbeiter 62.22 seinerseits die Landesaufnahmebehörde Niedersachsen. Anfang November gingen erste Beiträge des Referats 61, der Härtefallkommission und der Landesaufnahmebehörde ein. Am 2. Dezember 2014 folgte die Stellungnahme der kommunalen Spitzenverbände. Am 15. Dezember 2014 lieferte das Referat 61 teilweise Antworten, teilte jedoch mit, dass zu den Fragen 17 bis 21 noch umfangreiche Zusammenführungen der Antwortbeiträge der kommunalen Ausländerbehörden erforderlich seien. Diese reichte das Referat 61 unter Vorbehalt am 12. Januar 2015 nach. Antwortbeiträge zu den Fragen 32 und 33 brachte es auch zu diesem Zeitpunkt nicht bei. Am 23. Oktober 2014 und 16. Dezember 2014 sowie schließlich am 23. Januar 2015 bat das Ministerium für Inneres und Sport den Präsidenten des Landtages um Verlängerung der Antwortfrist. Am 23. Februar 2015 legte die Sachbearbeiterin 62.11 dem Ministerbüro einen Antwortentwurf vor. Am 27. Februar 2015 beantwortete das Ministerium für Inneres und Sport die Anfrage. Das Antwortschreiben umfasst insgesamt siebeneinhalb Seiten sowie eine Tabelle zur Verteilung der Flüchtlinge auf die Kommunen.
Bereits am 20. Februar 2015 haben die Antragsteller das Organstreitverfahren eingeleitet. Der Vortrag der Beteiligten entspricht im Wesentlichen demjenigen im Verfahren StGH 2/15.
Die Antragsteller beantragen,
festzustellen, dass die Antragsgegnerin sie in ihrem Recht aus Art. 24 Abs. 1 der Niedersächsischen Verfassung dadurch verletzt hat, dass sie ihre Kleine Anfrage vom 6. Oktober 2014 (LT-Drs. 17/2140) nicht unverzüglich beantwortet hat.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Der Niedersächsische Landtag hat davon abgesehen, eine Stellungnahme gegenüber dem Staatsgerichtshof abzugeben.
Der Staatsgerichtshof hat die Bearbeitungsvorgänge der Staatskanzlei und des Ministeriums für Inneres und Sport eingesehen.
B.
Die Anträge sind zulässig. Antragsberechtigung und Antragsbefugnis der Antragsteller ergeben sich aus Art. 24 Abs. 1, 54 Nr. 1 NV in Verbindung mit §§ 8 Nr. 6, 30 StGHG, § 64 Abs. 1 BVerfGG.
Das Rechtsschutzbedürfnis der Antragsteller entfällt nicht deshalb, weil diese vor Einleitung des Organstreitverfahrens die Beantwortung ihrer Anfrage nicht (noch einmal) im parlamentarischen Raum angemahnt haben. Eine dahingehende allgemeine verfassungsrechtliche Obliegenheit besteht nicht (BVerfG, Urt. v. 12.7.1994 - 2 BvE 3/92 u.a. -, BVerfGE 90, 286 [339 f.]; Urt. v. 22.11.2001 - 2 BvE 6/99 -, BVerfGE 104, 151 [198]). Besonderheiten, die ausnahmsweise eine andere Betrachtung erfordern könnten, liegen nicht vor.
Das Rechtsschutzbedürfnis ist auch nicht durch die zwischenzeitliche Beantwortung der Anfragen entfallen. Das Organstreitverfahren ist nicht allein auf die Durchsetzung bestimmter Auskunftsrechte der Antragsteller, sondern im Interesse künftigen Rechtsfriedens auch auf die objektive Klärung der Frage gerichtet, ob die Dauer bis zur Antworterteilung dem Anspruch der Antragsteller auf die unverzügliche Beantwortung ihrer Anfragen gerecht geworden ist (vgl. Nds. StGH, Urt. v. 22.10.2012 - StGH1/12 -, juris Rn. 50 m.w.N.). Diese Frage ist zwischen den Beteiligten nach wie vor streitig und daher klärungsbedürftig.
C.
Die Anträge sind begründet.
I.
Nach Art. 24 Abs. 1 NV hat die Landesregierung Anfragen von Mitgliedern des Landtages im Landtag und in seinen Ausschüssen "nach bestem Wissen unverzüglich und vollständig" zu beantworten.
Obwohl eine unverzügliche Antwort auf parlamentarische Anfragen durchgängig geschuldet ist, haben sich Rechtsprechung und Literatur im verfassungsrechtlichen Zusammenhang bislang nur am Rande oder ausnahmsweise (BbgVerfG, Urt. v. 20.11.1997 - 16/97 -, juris Rn. 15) mit der Definition und Auslegung des Begriffs unverzüglich auseinandergesetzt.
Die dabei in Bezug genommene Legaldefinition in § 121 BGB als eines Handelns "ohne schuldhaftes Zögern" kann im verfassungsrechtlichen Zusammenhang nur bedingt nutzbar gemacht werden. "Schuldhaftes Zögern" ist namentlich nicht erst dann gegeben, wenn einzelne Minister oder Mitarbeiter der Ministerialverwaltung subjektiv vorwerfbar handeln oder unterlassen. Art. 24 Abs. 1 NV nimmt anders als das Zivilrecht keine Zurechnung von Handlungsfolgen zu bestimmten Personen vor, sondern definiert objektiv die Rechte und Pflichten von Staatsorganen im Verhältnis zueinander im Interesse einer ausgewogenen Gewaltenteilung. Unverzüglich ist vor diesem Hintergrund ein Antwortverhalten der als Einheit zu sehenden Regierung, das dem Zweck des parlamentarischen Fragerechts (1.) unter Berücksichtigung konkurrierender Aufgaben der Regierung (2.) und ihrer personell-organisatorischen Möglichkeiten (3.) gerecht wird. Der Regierung kommen dabei – ausgehend von einer Monatsfrist als "Regelbeantwortungsfrist" – Einschätzungsspielräume zu, deren Nutzung zulasten einer umgehenden Beantwortung mit zunehmendem Zeitablauf erhöhten Plausibilitätsanforderungen und damit im Verfahren vor dem Staatsgerichtshof auch gesteigerten Darlegungspflichten genügen muss (4.).
1. Nach Art. 7 NV ist Aufgabe des Landtages neben der Gesetzgebung, der Beschlussfassung über den Landeshaushalt, der Wahl des Ministerpräsidenten und der Mitwirkung bei der Regierungsbildung vor allem die Überwachung der vollziehenden Gewalt nach Maßgabe der Verfassung. Angesichts des strukturellen Informationsvorsprungs der Regierung ist es der Sinn des Art. 24 Abs. 1 NV, dem Abgeordneten die notwendigen Informationen zur Wahrnehmung seiner Aufgaben zu verschaffen und dadurch die Entwicklung von Initiativen einerseits und eine wirksame Kontrolle der Regierungstätigkeit durch das Parlament andererseits zu ermöglichen (vgl. BVerfG, Urt. v. 21.10.2014 - 2 BvE 5/11 -, juris Rn. 38 ff.; Beschl. v. 25.3.1981 - 2 BvE 1/79 -, BVerfGE 57, 1 [5]; Beschl. v. 18.7.1961 - 2 BvE 1/61 -, BVerfGE 13, 123 [125]; Nds. StGH, Beschl. v. 25.1.1997 - StGH 1/97 -, juris Rn. 32). Dem parlamentarischen Fragerecht kommt daher nach der Rechtsprechung des Staatsgerichtshofs ein hoher Stellenwert zu (Beschl. v. 17.1.2008 - StGH 1/07 -, StGHE 4, 194 [199]). Weil politische Themen oftmals im Zeitfenster großen öffentlichen Interesses entwickelt werden, gehört der Wettbewerb um die Initiative zur Verfassungswirklichkeit. Bloßer Zeitablauf kann die politische Initiative entwerten oder zu ihrer, die politische Mitgestaltung der Opposition unterminierenden, Überholung durch eine Regierungsinitiative führen. Zudem kann das Parlament seine Kontrollfunktion nur sinnvoll ausüben, wenn die Regierung parlamentarische Anfragen zeitnah beantwortet. Da die Initiativbildung aus dem parlamentarischen Raum, die Funktion einer lebendigen Opposition und die Kontrolle der vollziehenden Gewalt durch das demokratisch legitimierte Parlament zentrale Institute der Demokratie bilden, sind die Anforderungen, denen die Regierung zur Gewährleistung einer unverzüglichen Antwort gerecht werden muss, hoch anzusetzen.
Zugleich sind die Abgeordneten und ihre Fraktionen gehalten, die Effektivität des wichtigen Instruments der Kleinen Anfrage durch einen nach Anlass, Anzahl und Umfang verantwortungsbewussten Umgang dauerhaft zu sichern.
Die Pflicht der Regierung zu einer unverzüglichen Antwort steht in einem natürlichen Spannungsverhältnis zur gleichermaßen von Art. 24 Abs. 1 NV begründeten Pflicht zur vollständigen Antwort nach bestem Wissen. Bei gegebenem Anlass ist nach diesen Tatbestandsmerkmalen die Regierung verpflichtet, über den Gegenstand der Frage Nachforschungen anzustellen und den Sachverhalt in zumutbarer Weise aufzuklären. Sie muss sich das Wissen und den Kenntnisstand jedenfalls der Ministerien und der diesen nachgeordneten Behörden und, sofern die Frage hierzu Anlass bietet, auch der Behörden der mittelbaren Staatsverwaltung verschaffen. Bei unzureichender Aktenlage muss sich die Regierung zusätzlich um die Beschaffung von Informationen aus nichtaktenförmigen Quellen bemühen (Nds. StGH, Urt. v. 22.10.2012 - StGH 1/12 -, juris Rn. 54 f.). Da Recherchetiefe und Antwortgeschwindigkeit einander beeinflussen und es damit die eine, allein Art. 24 NV gerecht werdende Antwort nicht gibt, hat die Regierung beide Pflichten unter Berücksichtigung der mutmaßlichen Interessen des Fragestellers gegeneinander abzuwägen. Ziel der Pflichtenabwägung ist die sachgerechte Bestimmung des Ermittlungsaufwands. Hierbei kommt der Regierung eine gerichtlich nur beschränkt überprüfbare Einschätzungsprärogative zu (BayVerfGH, Urt. v. 17.7.2001 - Vf. 56-Iva-00 -, NVwZ 2002, 715 [716 f.] [VerfGH Bayern 17.07.2001 - Vf. 56 IVa/ 00]; NWVerfGH, Urt. v. 04.10.1993 - VerfGH 15/92 -, NVwZ 1994, 678 [680]; Bogan, in: Epping u.a., Hannoverscher Kommentar zur Niedersächsischen Verfassung, 2012, Art. 24 Rn. 12; Hederich, NdsVBl. 2013, 271 [276]). Naheliegende und schnell verfügbare Erkenntnismittel muss sich die Regierung sofort erschließen, umständliche und extrem zeitaufwendige Recherchen muss sie mit Blick auf die Erkenntnischancen und den Zeitbedarf hinterfragen.
Im Rahmen der Abwägung zwischen vollständiger und zügiger Bearbeitung kann es in besonderen Ausnahmefällen geboten sein, eine aus verschiedenen Unterfragen bestehende Anfrage zunächst nur teilweise oder unter dem Vorbehalt weiterer Nachforschungen zu beantworten (vgl. zu letzterem: Nds. StGH, Urt. v. 22.10.2012 - StGH 1/12 -, juris Rn. 64). Dies gilt etwa dann, wenn offensichtlich ist, dass der Fragesteller sich über den mit seiner Anfrage verbundenen Beantwortungsaufwand im Unklaren war und eine Teil- oder Vorbehaltsantwort seinen Interessen besser gerecht wird. Bestehen insoweit Zweifel, kann eine Rückfrage bei dem Fragesteller angezeigt sein (vgl. LVerfG M-V, Urt. v. 23.1.2014 - VerfG 8/13 -, juris Rn. 34). Im Regelfall darf die Regierung sich aber darauf verlassen, dass der Fragesteller seine Anfrage sorgfältig formuliert und bewusst einheitlich unter Inkaufnahme des damit verbundenen Rechercheaufwands gestellt hat, und deshalb mit einer Teil- oder Vorbehaltsantwort nicht einverstanden ist.
2. Die Aufgabe, parlamentarische Fragen zu beantworten, konkurriert mit anderen Regierungsaufgaben, sodass die Regierung Priorisierungen vorzunehmen hat, sofern sie nicht alle Angelegenheiten gleichermaßen fördern kann. Neben den in der Verfassung ausdrücklich genannten Aufgaben gehört zu den konkurrierenden Regierungsaufgaben ganz allgemein die Ausübung der vollziehenden Gewalt (Art. 28 Abs. 1 NV). Hinzu kommen Aufgabenzuweisungen aus dem gegenüber der Niedersächsischen Verfassung höherrangigen Bundes- und Unionsrecht. Diese Aufgaben sind nicht durchgängig ausdrücklich in den einschlägigen Rechtsnormen benannt; der Regierung obliegen so auch ungeschriebene, von der Rechtsprechung anerkannte Aufgaben wie die Aufgabe der Öffentlichkeitsarbeit als Teil der Staatsleitung (vgl. BVerfG, Beschl. v. 26.6.2002 - 1 BvR 670/91 -, BVerfGE 105, 279 [301 f.] m.w.N.).
Da das Setzen und Abwägen politischer Prioritäten ein Kernelement regierenden Gestaltens ist, kommt der Regierung auch bei der Bestimmung der Erledigungsreihenfolge eine Einschätzungsprärogative zu. Bei deren Ausübung hat die Regierung allerdings zu berücksichtigen, dass die ihr obliegenden Pflichten nicht gleichrangig sind. Kriterien bei der verfassungskonformen Prioritätensetzung sind die Stellung der pflichtbegründenden Norm in der Normenhierarchie und das Gewicht, das der Normgeber einer beschleunigten Erledigung beigemessen hat. Besonders hoch ist das Gewicht etwa bei staatskonstituierenden Aufgaben wie der Regierungsbildung, Art. 29 Abs. 2 NV, und bei fristgebundenen oder gleichfalls mit dem Zusatz "unverzüglich" versehenen Aufgaben. Weitere Kriterien sind die Bedeutung und Dringlichkeit der Aufgabe im Einzelfall, nicht zuletzt aber auch der Zeitraum, während dessen die anstehende Aufgabe unerledigt geblieben ist.
3. Um die Pflicht zur Antwort in einer der Bedeutung des Fragerechts angemessenen und unter Berücksichtigung konkurrierender Anforderungen vertretbaren Zeit zu erfüllen, trifft die Regierung neben der Pflicht zum sachgerechten Ausgleich der genannten Belange die Pflicht zur zweckmäßigen Organisation des Beantwortungsvorgangs.
Auf einer dem konkreten Antwortvorgang vorgelagerten Ebene erfordert die Organisationspflicht bereits bei der allgemeinen Personalbedarfsbemessung, Kapazitäten für die Beantwortung parlamentarischer Anfragen in dem erfahrungsgemäß zu erwartenden Umfang einzuplanen. Nicht erforderlich ist es, mit Blick auf die bloße Möglichkeit kurzfristiger Belastungsspitzen permanent personelle Überkapazitäten vorzuhalten (a. A. offenbar Lennartz/Kiefer, DÖV 2006, 185 [192]); vielmehr ist in solchen Fällen zu prüfen, ob der mit der Beantwortung betraute Bearbeiter von anderen Aufgaben zu entlasten ist.
Die Organisationspflicht determiniert alsdann den eigentlichen Beantwortungsvorgang. Die Bearbeitung muss Sachbearbeitern zugewiesen werden, die aufgrund ihrer Vorkenntnisse in der Lage sind, die ihnen übertragene Aufgabe ohne lange Einarbeitungszeit zu erledigen. Sofern die Antwort Informationen Dritter erfordert, gehört es zu der der Regierung zuzurechnenden Organisationspflicht des federführenden Ressorts, diese Informationen zügig bei derjenigen Stelle abzufragen, bei der sie voraussichtlich vorhanden sind, die Fragen so zu formulieren, dass die Antwort ohne weitere Rückfragen verwertbar ist und – notfalls eindringlich – auf eine Antwort in angemessener Zeit hinzuwirken. Bei der Organisation des Beantwortungsvorgangs einschließlich der Personalbedarfsplanung hat die Regierung wiederum eine Einschätzungsprärogative.
4. Ein fester Zeitrahmen, in dem parlamentarische Anfragen zu beantworten sind, lässt sich angesichts dieser vielfältigen, die Antwortgeschwindigkeit bedingenden Faktoren aus der Verfassung nicht ableiten. Allerdings ergeben sich zeitlich gestaffelte Anforderungen an die Beschleunigungspflicht der Regierung bei der Antworterteilung und an die Darlegungslast der Beteiligten im gerichtlichen Verfahren.
a) Ein fester Zeitrahmen ergibt sich nicht aus § 33 Abs. 2 Satz 1 der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Landesregierung und der Ministerien (GGO), wonach das fachlich zuständige Ministerium Kleine Anfragen innerhalb eines Monats beantwortet. Als interner Organisationsakt vermag die GGO Verfassungsrecht nicht verbindlich zu konkretisieren. Allerdings ist diese Regelung Ausdruck einer Selbsteinschätzung der Regierung, "Standardanfragen" – d.h. Anfragen mit einer mäßigen Anzahl von Unterfragen, die keine aufwendigen Recherchen zumal bei nachgeordneten Behörden erfordern – bei normaler Belastungssituation des zuständigen Ministeriums innerhalb der genannten Zeit beantworten zu können. Vor dem Hintergrund, dass in den meisten Bundesländern Regelantwortfristen zwischen drei und fünf Wochen etabliert sind (Bayern: § 72 Abs. 1 Satz 2 GO LT; Brandenburg: § 58 Abs. 3 Satz 2 GO LT; Nordrhein-Westfalen: § 92 Abs. 3 GO LT; Sachsen: § 56 Abs. 6 Satz 1 GO LT; Sachsen-Anhalt: § 44 Abs. 2 Satz 1 GO LT; Baden-Württemberg: § 61 Abs. 5 GO LT; Berlin: Art. 45 Abs. 1 Satz 4 VvB; Rheinland-Pfalz: § 97 Abs. 4 Satz 1 GO LT; Bremen: § 29 Abs. 2 Satz 1 GO der Bürgerschaft) und dass die Regierung die selbst gesetzte Antwortfrist nach eigenen Angaben in der Mehrzahl der Fälle einhält (LT-Drs. 17/3047), ist diese Selbsteinschätzung auch realistisch. Dementsprechend darf ein Fragesteller bei einer "Standardanfrage" auf die Einhaltung der Monatsfrist vertrauen. Angesichts dessen muss die Regierung ihre Personalplanung und die internen Abläufe bei der Beantwortung einer Kleinen Anfrage so einrichten, dass die Frist des § 33 Abs. 2 Satz 1 GGO in der beschriebenen Standardsituation eingehalten werden kann.
Wird eine Anfrage innerhalb der bislang nicht beanstandeten Monatsfrist beantwortet, so besteht eine Vermutung für die Unverzüglichkeit der Antwort. Nur dann, wenn ein Abgeordneter mit der Fragestellung eine deutliche Erwartung hinsichtlich einer kürzeren Antwortfrist äußert, diese Erwartung berechtigt und der Regierung die Beantwortung innerhalb der erwarteten kürzeren Frist möglich und zumutbar ist, kann ausnahmsweise auch die Beantwortung innerhalb der Monatsfrist nicht unverzüglich sein. Der fragestellende Abgeordnete trägt in diesem Fall die Darlegungslast; der Staatsgerichtshof beschränkt sich auf eine Missbrauchskontrolle.
b) Der Umfang und auch die fehlende Klarheit einer Anfrage, der mit ihr verbundene Beantwortungsaufwand sowie ggf. besondere Belastungssituationen des mit der Beantwortung betrauten Ministeriums können einer Beantwortung innerhalb der Monatsfrist entgegenstehen. In diesen Fällen unterliegt das Handeln der Regierung unter Berücksichtigung der ihr eingeräumten Einschätzungsspielräume einer Plausibilitätskontrolle durch den Staatsgerichtshof. Die Regierung hat im Organstreitverfahren nachvollziehbar darzulegen, aufgrund welcher Umstände sie auch bei Erfüllung der bestehenden Abwägungs- und Organisationspflichten an einer früheren Antwort gehindert wurde. Dies erfordert für den Fall einer Berufung auf vorrangig zu erledigende Aufgaben indes keinen "stundenzettelartigen" Nachweis der Beschäftigung jedes einzelnen für den Beantwortungsvorgang einsetzbaren Mitarbeiters. Hinreichend, aber auch erforderlich ist vielmehr, dass Aufgaben benannt werden, für deren vorrangige Behandlung gute Gründe sprechen, und bei denen einleuchtet, dass sie die Kapazität der für die Antworterteilung realistischer Weise in Betracht kommenden Mitarbeiter in einem die schnellere Beantwortung ausschließenden Umfang gebunden haben. Die Anforderungen an die Plausibilität der darzulegenden Hinderungsgründe steigen dabei mit zunehmender Entfernung von der Monatsfrist kontinuierlich an.
Beruft sich die Regierung auf den Zeitbedarf erforderlicher Zuarbeiten der einbezogenen Referate anderer als des federführenden Ministeriums, so unterliegt deren Verhalten denselben Plausibilisierungserfordernissen. Die Pflicht zur unverzüglichen Antwort trifft nicht bestimmte Minister oder Ministerialbeamte, sondern die Regierung insgesamt. In deren Verantwortungssphäre fällt das Verhalten der gesamten Ministerialverwaltung.
Bei Einbeziehung von Behörden, über die die Ministerialverwaltung lediglich Aufsichtsbefugnisse ausübt, genügt die Regierung ihrer Plausibilisierungspflicht bereits dann, wenn sie eine hinreichende Wahrnehmung dieser Aufsichtsbefugnisse darlegt.
II.
Diesen Anforderungen wird das Antwortverhalten der Antragsgegnerin in keinem der drei Verfahren gerecht.
1. StGH 1/15
Bei der Beantwortung der Kleinen Anfrage zum Thema "Ist der Kernbereich der exekutiven Willensbildung der rot-grünen Landesregierung größer als der ihrer Vorgänger?" (Az. II/725-923) hat die Antragsgegnerin ihre Pflichten zur zweckmäßigen Organisation des Beantwortungsvorgangs und zur verfassungskonformen Prioritätensetzung verletzt.
Die Auswertung der betroffenen 76 Aktenvorgänge aus drei Legislaturperioden verursachte aus den von der Antragsgegnerin vorgetragenen Gründen zwar einen ganz erheblichen Aufwand, weshalb nicht von einer "Standardanfrage" auszugehen ist. Dieser Aufwand rechtfertigte aber nicht die Gesamtdauer der Beantwortung von sechs Monaten.
Offen bleiben kann, ob plausible Gründe für die Dauer der Zuarbeit aus den von der Staatskanzlei beteiligten Ministerien bis zum 24. November 2014 dargelegt sind. Dagegen spricht die Vielzahl teils unbeantworteter Mahnungen des zuständigen Sachbearbeiters, ferner der Umstand, dass die Bitte um Zuarbeit im Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr aufgrund eines Büroversehens zunächst unbearbeitet blieb.
Selbst wenn man davon ausginge, dass die Antwortbeiträge erst am 24. November 2014 vollständig vorliegen konnten, wäre die nachfolgende Verzögerung der Beantwortung in mehrfacher Hinsicht nicht plausibel als verfassungsrechtlich legitimiert erklärt.
Dies gilt zunächst für die Entscheidung, die ausstehende Formulierung der Antwort in dem Zeitraum vom 24. November 2014 bis zum 26. Januar 2015 gänzlich hinter die Bearbeitung aktueller Aktenvorlagebegehren nach Maßgabe des Urteils des Staatsgerichtshofs vom 24.Oktober 2014 - StGH 7/13 - zurückzustellen.
Es ist schon nicht nachvollziehbar, dass ein Abschluss der Bearbeitung der streitgegenständlichen Kleinen Anfrage nicht parallel zu diesen Aufgaben möglich gewesen wäre. Die zeitaufwendige Routinearbeit der Aktensichtung und Vorlageergänzung oblag, vom P.-Verfahren einmal abgesehen, dem jeweiligen Fachreferat der beteiligten Ministerien. Die Arbeit, die das Referat 201 der Staatskanzlei, und dort keineswegs allein oder auch nur vorrangig der Sachbearbeiter der Kleinen Anfrage, zu erledigen hatte, war im Wesentlichen koordinierender Natur. Die Koordinierungstätigkeit kennt "Stoßzeiten", aber auch Phasen, in denen die überwiegend redaktionelle Bearbeitung der streitgegenständlichen Antwort hätte erfolgen können, zumal der noch zu leistende Arbeitsaufwand für den Abschluss der Antwort der Regierung gering war. Die für die Antwort zentrale Tabelle der 76 Aktenvorlagebegehren mit Blattangaben war am 24. November 2014 fertiggestellt, weshalb der eigentliche Antwortentwurf, wie der spätere Verfahrensablauf zeigt, allenfalls wenige Tage in Anspruch genommen hätte. Auch die im Anschluss noch durchzuführenden internen Abstimmungen hätten Arbeitskraft nicht durchgehend, sondern nur punktuell gebunden.
Zudem hätte die Erstellung des Entwurfs nicht zwingend auf Sachbearbeiterebene erfolgen müssen. Für das einschlägige Aufgabengebiet "Staats- und verfassungsrechtliche Angelegenheiten des Landes … sowie ihrer Verfassungsorgane" waren drei Referenten zuständig und fachlich kompetent. Dass keiner der Sachbearbeiter oder der Referenten in zwei Monaten die Zeit gehabt hätte, angesichts der vollständig vorliegenden Ausgangsdaten und ihrer übersichtlichen Zusammenfassung in der zentralen Tabelle einen zweiseitigen Antwortentwurf zu fertigen, ist nicht plausibel erklärbar.
Auch für die weitere Verzögerung der Antworterteilung bis zum 23. Februar 2015 sind einleuchtende Gründe nicht ersichtlich. Am Ende der Bearbeitungspause, dem 26. Januar 2015, war die Anfrage bereits seit rund fünf Monaten unbeantwortet geblieben, so dass eine beschleunigte Beantwortung höchste Priorität hätte genießen müssen. Stattdessen verstrich bis zu ihrer Beantwortung fast ein weiterer Monat – der Zeitraum also, in dem bei pflichtgemäßer Behördenorganisation eine Standardanfrage vom Eingang bis zur Schlusszeichnung hätte bearbeitet werden müssen. Weder der aus den Akten erkennbare Umfang der noch ausstehenden Arbeiten an dem Entwurf, noch die vorgetragene Belastung des zuständigen Sachbearbeiters und der zur Antwort befähigten Referenten lassen Hinderungsgründe erkennen, die einer Abstimmung und Ausfertigung binnen weniger Tage entgegengestanden hätten. Nicht plausibel erklärt ist namentlich, dass der Leiter der Staatskanzlei den Entwurf bereits am 17. Februar 2015 abgezeichnet hat, die elektronische Weiterleitung an den Landtag jedoch erst am 23. Februar 2015 erfolgte.
2. StGH 2/15
Auch bei der Beantwortung der Kleinen Anfrage zum Thema "Was tut die Landesregierung, um Flüchtlinge in Niedersächsischen Sammelunterkünften zu schützen?" (LT-Drs. 17/2141) hat die Antragsgegnerin ihre Pflicht zur zweckmäßigen Organisation des Beantwortungsvorgangs und zur verfassungskonformen Prioritätensetzung verletzt.
Der Staatsgerichtshof lässt offen, ob ein (erster) Verstoß schon darin liegt, dass das Ministerium für Inneres und Sport der nach eigener Darstellung der Antragsgegnerin erheblich überlasteten Sachbearbeiterin 62.11 nicht nur die Beantwortung der in ihre fachliche Zuständigkeit fallenden Einzelfragen, sondern auch die Federführung bei der Beantwortung der gesamten Anfrage übertragen hat.
Jedenfalls entsprachen weder der Zeitpunkt noch die Art und Weise der Beteiligung des kommunalen Bereichs den Anforderungen an eine zweckmäßige Organisation des Beantwortungsvorgangs.
Nach dem schriftsätzlichen Vortrag der Antragsgegnerin beteiligte das Ministerium für Inneres und Sport die Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände zunächst – am 23. Oktober 2014 – nur zur Kleinen Anfrage der LT-Drs. 17/2140, und zwar mit der Erwägung, dass "diese bereits eingeleitete Unterstützungsanfrage zur Beantwortung der Kleinen Anfrage 2141 ebenfalls herangezogen werden könnte". Für diese Erwartung bestand indes kein Anlass. Die Unterfragen 6 bis 10 der Anfrage der LT-Drs. 17/2140 betrafen, ohne Differenzierung nach dem Betreiber, allein die Anzahl der bestehenden und geplanten Unterbringungsplätze für Flüchtlinge. Allein diese Information hatte die Antragsgegnerin schriftlich von der Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände abgefragt. Die Unterfragen 15 und 17 der Anfrage der LT-Drs. 17/2141 hatten hingegen den Wachdienst in den privaten Unterkünften, die Unterfrage 16 die Anzahl der privat betriebenen Sammelunterkünfte (nicht: Unterbringungsplätze) zum Gegenstand. Die Antragsgegnerin hat in der mündlichen Verhandlung zwar erklärt, es habe entgegen dem schriftlichen Vortrag am 21. Oktober 2014 ein in den Akten nicht dokumentiertes Gespräch mit der Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände gegeben, anlässlich dessen die Bitte um Zuarbeit von der Anfrage der LT-Drs. 17/2140 auf die Anfrage der LT-Drs. 17/2141 erweitert und diese in Kopie übergeben worden sei. Das offizielle Anfrageschreiben des Ministeriums für Inneres und Sport vom 23. Oktober 2014 erwähnt die Anfrage der LT-Drs. 17/2141 jedoch mit keinem Wort. Angesichts dessen konnte die Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände davon ausgehen, dass das Ministerium nun doch nur um Beantwortung der Anfrage der LT-Drs. 17/2140 gebeten hatte. Ein solches Verständnis kommt auch im Antwortschreiben der Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände vom 1. Dezember 2014 zum Ausdruck, das die Anfrage der LT-Drs. 17/2141 nicht einmal erwähnt.
Im Übrigen vergingen selbst nach Eingang der Antwort der Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände am 2. Dezember 2014 nochmals zwei Wochen, bis am 19. Dezember 2014 die Kommunen selbst zur Anfrage der LT-Drs. 17/2141 beteiligt wurden. Der Inhalt des Beteiligungsschreibens an die Kommunen ist, auch wenn es Fragen zu den Anfragen der LT-Drs. 17/2258, 17/2237 und 17/2233 einbezieht, so übersichtlich, dass seine Erarbeitung aufgrund der Erfahrung der Ministerialverwaltung nur wenige Stunden gedauert haben kann. Insgesamt erfolgte die Beteiligung der Kommunen damit sieben Wochen später, als dies objektiv möglich und damit unter dem Gesichtspunkt der Unverzüglichkeit auch geschuldet war.
Schließlich hat die Antragsgegnerin bei der Abfassung und Abstimmung des Antwortschreibens in der Zeit vom 15. Januar bis zum 23. Februar 2015 gegen ihre Pflicht zur verfassungskonformen Prioritätensetzung verstoßen. Angesichts der Mitte Januar bereits drei Monate währenden Bearbeitung hätte eine zügige Erstellung der Antwort, für die alle Zuarbeiten vorlagen, hohe Priorität genießen müssen.
Die Priorisierung zumindest eines Teils der in diesem Zeitraum der zuständigen Sachbearbeiterin mit kurzen Fristen zugewiesenen anderweitigen Aufgaben ist nicht plausibel gerechtfertigt. Auffällig ist, dass die Antragsgegnerin schon am 16. Januar 2015 und damit zu einem Zeitpunkt, in dem noch gar nicht alle als konkurrierend genannten Arbeitsaufträge bei der Sachbearbeiterin eingegangen waren, der Landtagsverwaltung eine Verzögerung der Antwort bis zum 27. Februar 2015, und damit um weitere eineinhalb Monate, angekündigt hat. Ferner fällt auf, dass die Antragsgegnerin unmittelbar nach Kenntnis von dem vorliegenden Organstreitverfahren binnen eines einzigen Tages in der Lage war, unter Hintanstellung konkurrierender Aufgaben einen Antwortentwurf zu fertigen und diesen binnen vier Tagen intern abzustimmen.
Im Einzelnen mag für die von der Antragsgegnerin genannten Aufgaben zwar abstrakt ein landesverfassungs- oder sogar bundesrechtlicher Vorrang begründbar sein. Konkret ist aber nicht ersichtlich, dass nicht beispielsweise die Abgabe eines Votums für die erst am 25./26. März 2015 stattfindende Integrationsministerkonferenz um einen Tag hätte verschoben werden können.
Hätten andererseits tatsächlich über viereinhalb Monate hinweg alle genannten Aufgaben eine der Beantwortung einer Kleinen Anfrage vorgehende Priorität genossen, so hätte es der Antragsgegnerin oblegen, das Referat 62 personell weiter zu verstärken.
3. StGH 3/15
Auch bei der Beantwortung der Kleinen Anfrage zum Thema "Krisen in der Welt – Die Flüchtlingszahlen steigen – Wie ist die Lage in Niedersachsen?" (LT-Drs. 17/2140) hat die Antragsgegnerin ihre Pflicht zur zweckmäßigen Organisation des Beantwortungsvorgangs und zur verfassungskonformen Prioritätensetzung verletzt.
Der Staatsgerichtshof verweist insoweit zunächst auf die Ausführungen im Verfahren StGH 2/15 zur Prioritätensetzung und zum Personaleinsatz. Hinzu kommt hier eine erhebliche Verzögerung der Zuarbeit des Referats 61 des Ministeriums für Inneres und Sport zu den Fragen 17 bis 21 sowie 32 und 33. Antwortbeiträge zu diesen Fragen hatte das Referat 62 bereits am 17. Oktober 2014 erbeten; der Antwortbeitrag zu den Fragen 17 bis 21 ging jedoch erst am 12. Januar 2015, der zu den Fragen 32 und 33 noch später ein. Plausible Gründe hierfür hat die Antragsgegnerin nicht dargelegt. Die von ihr geltend gemachte langwierige Beteiligung der Ausländerbehörden und der Landesaufnahmebehörde bei der Beantwortung der Fragen 17 bis 21 macht zwar eine gewisse Verzögerung durch die Zuarbeit plausibel, nicht aber eine Antwortdauer von drei Monaten. Immerhin war es möglich, im Verfahren StGH 2/15 von den Kommunen binnen knapp vier Wochen Auskünfte einzuholen, obwohl diese nach dem Vortrag der Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung wegen der unterschiedlichen internen Zuständigkeitsregelungen und der Überlastung der Kommunen bei der Flüchtlingsunterbringung schwer zu erlangen waren. Einen Sachgrund für die verspätete Beantwortung der Fragen 32 und 33 hat die Antragsgegnerin nicht vorgetragen.
Nach alldem ist festzustellen, dass die Beantwortung der hier streitgegenständlichen Kleinen Anfragen bei einer Bearbeitungsdauer von sechs und viereinhalb Monaten nicht "unverzüglich" und damit unter Verstoß gegen Art. 24 Abs. 1 NV erfolgte.
D.
Die Verfahren sind nach § 21 Abs. 1 NStGHG kostenfrei; Auslagen der Beteiligten werden gemäß § 21 Abs. 2 Satz 2 NStGHG nicht erstattet.