Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 04.08.1992, Az.: Ws 58/92
Zur Verletzteneigenschaft eines Antragsstellers im Klagerzwingungsverfahren wegen uneidlicher Falschaussage, der im maßgeblichen Rechtsstreit nicht Beteiligter war; Erforderlichkeit der Angabe des Zeitpunkts des Erwerb des vermeintlich verletzten Schutzrechts (Patente und Gebrauchsmuster) für einen Klageerzwingungsantrag
Bibliographie
- Gericht
- OLG Braunschweig
- Datum
- 04.08.1992
- Aktenzeichen
- Ws 58/92
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1992, 12231
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGBS:1992:0804.WS58.92.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- GenStA Braunschweig - 23.03.1992 - AZ: Zs 84/92
- StA Braunschweig - AZ: 305 Js 54931/90
Rechtsgrundlagen
- § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO
- § 172 Abs. 1 Satz 1 StPO
Verfahrensgegenstand
des Vorwurfs der uneidlichen Falschaussage
Prozessgegner
den ...
Sonstige Beteiligte
...
In dem Klageerzwingungsverfahren
hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Braunschweig
am 04. August 1992
beschlossen:
Tenor:
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen den Bescheid der Generalstaatsanwaltschaft vom 23. März 1992 - Zs 84/92 - wird als unzulässig verworfen.
Gründe
I.
Der Antragsteller wirft dem Beschuldigten uneidliche Falschaussage in einem Zivilprozeß vor, den sein Mitgesellschafter Dieckhöner aus vermeintlicher Patent- und Gebrauchsmusterverletzung geführt hat. Dieckhöner war der Auffassung, die Patente und Gebrauchsmuster von dem Beschuldigten als Konkursverwalter der Firma ... GmbH erworben zu haben. Seine Klage war mit der Begründung abgewiesen worden, der Beschuldigte habe die Schutzrechte zuvor der damaligen Beklagten zu 1. übertragen. Der Antragsteller bringt vor, Dieckhöner habe die Schutzrechte der Firma ... GmbH, deren Gesellschafter er und Dieckhöner seien, zur Verwertung übertragen.
II.
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist fristgemäß gestellt. Er entspricht jedoch nicht den Erfordernissen des § 172 Abs. 3 S. 1 StPO, weil aus dem Antrag nicht zu erkennen ist, ob der Antragsteller Verletzter im Sinne des § 172 Abs. 1 S. 1 StPO ist, und ist deshalb als unzulässig zu verwerfen.
Zweifelhaft ist, ob der Antragsteller überhaupt Verletzter sein kann angesichts des Umstandes, daß er persönlich niemals Rechte an den Patenten bzw. Gebrauchsmustern erworben hat, um die der frühere Rechtsstreit ging, sondern allenfalls die GmbH, an der der Antragsteller beteiligt ist. Dies könnte dafür sprechen, daß der Antragsteller durch eine etwaige Falschaussage des Beschuldigten nur mittelbar geschädigt wäre und daher nicht als Verletzter im Sinne des § 172 StPO angesehen werden kann (so KG JW 1937, 767; Müller in Karlsruher Kommentar zur StPO, 2. Aufl. 1987, § 172 Rdnr. 19, 27; KMR-Müller, § 172 Rdnr. 28; vgl. auch Rieß in Löwe/Rosenberg. StPO, 24. Aufl, 1989, § 172 Rdnr. 88). Jedenfalls dann, wenn die GmbH durch außenstehende Dritte geschädigt wird, liegt es nahe, nicht deren Gesellschafter, sondern nur die mit eigener Rechtspersönlichkeit versehene Gesellschaft als Verletzte anzusehen, die in einem solchen Fall, vertreten durch ihre Organe, das Klageerzwingungsverfahren selbst betreiben konnte.
Diese im Schrifttum umstrittene Frage (zur Gegenansicht vgl. Roxin, Strafverfahrensrecht, 20. Aufl. 1987, S. 244 oben; Henkel, Strafverfahrensrecht, 2. Aufl. 1968, S. 185 mit Fn. 3; Rüping, Das Strafverfahren, 2. Aufl. 1983, S. 99) kann offen bleiben. Dahingestellt bleiben kann auch, ob der Antragsteller als Verletzter schon deswegen ausscheidet, weil er bzw. die Dieckhöner + Stiller Feintechnik Präzisionsgeräte GmbH nicht an dem Rechtsstreit, in dem der Beschuldigte die fragliche Zeugenaussage gemacht hat, beteiligt waren (vgl. Roxin a.a.O.). Denn jedenfalls könnte der Antragsteller nur dann als Verletzter anzusehen sein, wenn die Dieckhöner + Stiller Feintechnik Präzisionsgeräte GmbH, auf deren Rechte sich der Antragsteller im vorliegenden Verfahren stützt, schon zum Zeitpunkt der Zeugenaussage Inhaberin der Verwertungsrechte an den Patenten bzw. Gebrauchsmustern gewesen ist. Nur in diesem Falle käme es in Betracht, die GmbH wegen der nach § 325 Abs. 1 ZPO auch gegen sie wirkenden Rechtskraft des in dem Prozeß ergangenen Urteils -bei Erwerb der Schutzrechte nach Eintritt der Rechtshängigkeit- als unmittelbar durch die vermeintliche Falschaussage betroffen anzusehen. Hingegen kann der Antragsteller nicht Verletzter im Sinne des § 172 StPO sein, wenn der GmbH die Schutzrechte erst nach Abschluß der Zeugenaussage des Beschuldigten von dem damaligen Kläger Deickhöner zur Verwertung überlassen worden sein sollten. Der nachträgliche Erwerb eines Vermögensgegenstandes vermag nicht rückwirkend die Verletzteneigenschaft zu begründen (vgl. OLG Stuttgart NJW 1986, 3153 [OLG Stuttgart 17.01.1986 - 1 Ws 371/85]; OLG Karlsruhe Justiz 1985, 361).
Zur Begründung der Verletzteneigenschaft des Antragstellers wäre es mithin unerläßlich gewesen, den Zeitpunkt des Erwerbs der Schutzrechte durch die ... GmbH anzugeben und nach Möglichkeit durch schriftliche Unterlagen zu belegen. Das Fehlen entsprechender Angaben hindert den Senat daran, die Verletzteneigenschaft des Antragstellers abschließend zu prüfen. Es ist jedoch der Zweck des § 172 Abs. 3 S. 1 StPO, dem Gericht die Überprüfung des Antrages auf Zulässigkeit und Schlüssigkeit ohne Studium der Akten allein aufgrund der innerhalb der Antragsfrist eingereichten Unterlagen zu ermöglichen (Rieß a.a.O., § 172 Rdnr. 143). Auch nach der vom Senat vertretenen Auffassung, nach der an die Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 172 Abs. 3 S. 1 StPO weniger strenge Anforderungen zu stellen sind als von einem Teil der Rechtsprechung vertreten (vgl. hierzu Rieß a.a.O., Rdnr. 144), ist es unerläßlich, daß sich aus dem Antrag in tatsächlicher Hinsicht ergeben muß, daß der Antragsteller Verletzter ist (OLG Düsseldorf AnwBl 1986, 156 [OLG Düsseldorf 06.09.1985 - 1 Ws 572/85]; Rieß a.a.O., Rdnr. 143, 145). Ergeben sich die notwendigen tatsächlichen Angaben nicht aus dem Antragsvorbringen, so ist der Antrag nicht in der gesetzlich vorgeschriebenen Form angebracht worden und als unzulässig zu verwerfen (OLG Düsseldorf, a.a.O.).
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlaßt, da § 177 StPO keine Anwendung findet, wenn der Klageerzwingungsantrag als unzulässig verworfen wird (Kleinknecht/Meyer, StPO, 40. Aufl. 1991, § 177 Rdnr. 1).