Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 22.11.1991, Az.: Ws 13/91
Antrag auf gerichtliche Entscheidung; Einstellung des Ermittlungsverfahrens durch die Staatsanwaltschaft wegen Eintritts der Verfolgungsverjährung für Straftaten von früheren DDR-Richtern und DDR-Staatsanwälten; Tatbestände der Verschleppung, Freiheitsberaubung und Rechtsbeugung; Verjährungsunterbrechende Gerichtsstandsbestimmung durch den Beschluss des BGH gemäß § 13a StPO (Strafprozessordnung); Ruhen der Verjährung; Entsprechende Heranziehung der Rechtsprechung zum Ruhen wegen eines gesetzesgleichen Verfolgungshindernisses in einem totalitären Staat
Bibliographie
- Gericht
- OLG Braunschweig
- Datum
- 22.11.1991
- Aktenzeichen
- Ws 13/91
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1991, 16085
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGBS:1991:1122.WS13.91.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- GenStA Braunschweig - 15.01.1991 - AZ: Zs 443/90
- StA Braunschweig - AZ: 1 Js 1275/66
Rechtsgrundlagen
- § 78b Abs. 1 StGB
- Art. 315a EGStGB
- § 83 Abs. 1 Nr. 2 StGB-DDR
Fundstellen
- NJ 1992, 267-269 (Volltext mit red. LS)
- NStZ 1992, 183-185 (Volltext mit amtl. LS u. Anm.)
Verfahrensgegenstand
Vorwurf der Verschleppung
Redaktioneller Leitsatz
Haben Richter oder Staatsanwälte aus der ehemaligen DDR in Ausübung ihres Amtes Straftaten gegen einen Bürger der Bundesrepublik Deutschland begangen, so hat die Verjährung während der SED-Herrschaft nicht geruht, wenn die Taten von der BRD aus verfolgbar waren.
In dem Klageerwingungsverfahren
hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Braunschweig
am 22. November 1991 beschlossen:
Tenor:
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen den Bescheid der Generalstaatsanwaltschaft in Braunschweig vom 15. Januar 1991 - Zs 443/90 - wird auf Kosten des Antragstellers als unbegründet verworfen.
Gründe:
I.
Der Antragsteller flüchtete im Juli 1957 aus Plauen/Vogtland über Berlin (West) in die Bundesrepublik Deutschland. Seine Ehefrau folgte ihm etwa 8 Wochen später. Die 9jährige Tochter der Eheleute blieb bei einer Großmutter in der DDR zurück. Bemühungen des Antragstellers, durch Korrespondenz mit verschiedenen Behörden in der DDR eine Ausreisegenehmigung für seine Tochter zu erreichen, blieben in den folgenden Jahren ohne Erfolg. Er faßte deshalb Ende 1960 den Plan, in die DDR zu reisen, um bei den für eine solche Genehmigung zuständigen Behörden persönlich vorstellig zu werden, und fragte zunächst bei der Bezirksstaatsanwaltschaft Chemnitz (damals Karl-Marx-Stadt) schriftlich an, ob er bei einer Einreise mit seiner Verhaftung zu rechnen habe.
Der Antragsteller wirft dem Beschuldigten ... vor, dieser habe ihn mit List aus der Bundesrepublik in die DDR gelockt und dadurch wissentlich Willkürmaßnahmen der ostdeutschen Behörden und Gerichte gegen ihn Vorschub geleistet. Der Beschuldigte habe nämlich als Staatsanwalt in Chemnitz auf die oben genannte Antrage sinngemäß geantwortet, gegen ihn - den Antragsteller - liege kein Verdacht einer strafbaren Handlung vor, so daß seiner Einreise nichts im Wege stehe. Tatsächlich sei er aber am 29.4.1961 nach Betreten den Bodens der DDR sofort von Angehörigen des Ministeriums für Staatssicherheit unter dem Vorwurf früherer Spionagetätigkeit gegen die DDR festgenommen worden.
Den anderen Beschuldigten wirft der Antragsteller vor, sie hätten ihn wegen des unzutreffenden Vorwurfs der Spionage gemäß § 14 des Gesetzes vom 11.12.1957 zur Ergänzung des Strafgesetzbuchs - StEG - (GBl. der DDR Teil I S. 643 ff) strafrechtlich verfolgt, obgleich sowohl im Ermittlungsverfahren als auch in der Hauptverhandlung offensichtlich gewesen sei, daß die herbeigesuchten Beweismittel den Vorwurf nicht tragen konnten. Am Ermittlungsverfahren seien der Staatsanwalt ... und der Untersuchungsrichter ... an der Hauptverhandlung sei der Bezirksstaatsanwalt ... beteiligt gewesen. Das Bezirksgericht Chemnitz habe ihn durch Urteil vom 18.9.1961 zu 5 Jahren Zuchthaus verurteilt, das Oberste Gericht der DDR habe seine offensichtlich begründete Berufung durch Beschluß vom 12.11.1961 als "offensichtlich unbegründet" verworfen. Der Beschuldigte ... habe ihm mit Schreiben vom 4.7.1962 mitgeteilt, daß eine Kassation des oben genannten Verwerfungsbeschlusses nicht in Betracht komme.
Am 22.8.1964 wurde der Antragsteller im Zuge einer sog. Freikaufaktion der Bundesregierung vorzeitig entlassen und konnte in das Bundesgebiet zurückkehren.
II.
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist unbegründet. Die Staatsanwaltschaft Braunschweig hat wegen der hier in Betracht kommenden Tatbestände der Verschleppung (§ 234 a StGB), der Freiheitsberaubung (§ 239 StGB/§ 131 StGB-DDR) und der Rechtsbeugung (§ 336 StGB/§ 244 StGB-DDR) das Ermittlungsverfahren zu Recht wegen Eintritts der Verfolgungsverjährung eingestellt.
Außer der nach § 68 Abs. 1 a. F. StGB seinerzeit verjährungsunterbrechenden Gerichtsstandsbestimmung durch den Beschluß des Bundesgerichtshofs vom 21.7.1966 - 2 ARs 324/66 - gemäß § 13 a StPO sind keine Unterbrechungshandlungen vorgenommen worden. Die Verjährung hat auch nicht geruht, denn die Rechtsprechung zum Ruhen wegen eines gesetzesgleichen Verfolgungshindernisses in einem totalitären Staat kann nicht entsprechend herangezogen werden, weil die den Beschuldigten vorgeworfenen Handlungen von ihrer Beendigung an nach dem Gesetz jedenfalls von der Bundesrepublik aus verfolgbar waren.
1)
Nach § 69 Abs. 1 Satz 1 a. F. StGB und § 78 b Abs. 1 Satz 1 n. F. StGB (in Kraft seit dem 1.1.1975) ruht die Verjährung während der Zeit, in welcher "aufgrund gesetzlicher Vorschrift" bzw. "nach dem Gesetz" die Strafverfolgung nicht begonnen oder nicht fortgesetzt werden kann. Die Rechtsprechung hat die Voraussetzungen des § 69 Abs. 1 Satz 1 a. F. StGB als erfüllt angesehen, wenn im Einzelfalle feststand, daß während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft aus politischen, rassischen oder religionsfeindlichen Gründen begangene Verbrechen und Vergehen nicht bestraft wurden, weil der "als Gesetz eingeschätzte Führerwille" der Strafverfolgung objektiv entgegenstand (vgl. BGH NJW 1962, 2308, 2309; BGHSt 23, 137, 139) [BGH 29.10.1969 - 2 StR 57/69], wenn also die Straftaten "unter völliger Mißachtung rechtsstaatlicher Grundsätze nicht verfolgt wurden, weil sie von den damaligen Machthabern teils veranlaßt oder gefördert, teils gern geduldet wurden" (BVerfGE 1, 418, 426 [BVerfG 18.09.1952 - 1 BvR 612/52]) [BVerfG 18.09.1952 - 1 BvR 612/52].
Die Übertragung dieser Grundsätze auf Fälle, in denen es dem Willen der SED-Führung entsprach, politische Gegner willkürlich zu verfolgen und die Verfolger ihrerseits straffrei zu stellen, ist dann nicht möglich, wenn die Taten vom westlichen Teil Deutschlands aus verfolgbar waren. Die weite Auslegung des Tatbestandsmerkmals des gesetzlichen Hinderungsgrundes durch die Rechtsprechung rechtfertigte sich nämlich entscheidend daraus, daß es während der nationalsozialistischen Herrschaft an jeglichem staatlichen Willen zur Verfolgung solchen Unrechts fehlte (BVerfG a.a.O.). Unterfielen aber "DDR-Taten" dem westdeutschen interlokalen und dem später analog angewandten internationalen Strafrecht, so war ein staatlicher Verfolgungswille vorhanden. Dieser konnte sich zwar nur auf dem Gebiet der Bundesrepublik manifestieren, aber er war real und hatte nicht nur den Charakter eines politischen Bekenntnisses, wie sich u.a. in der Einrichtung der Zentralen Erfassungsstelle der Landesjustizverwaltungen in Salzgitter gezeigt hat und wie sich auch daraus ergibt, daß verschiedene höchstrichterliche Urteile in bezug auf in der DDR begangenes Unrecht (hauptsächlich gemäß § 241 a StGB) ergangen sind (s. BGHSt 20, 5 ff; 30, 1 ff[BGH 26.11.1980 - 3 StR 393/80 S]; 32, 293 ff [BGH 07.03.1984 - 3 StR 550/83 S]).
Daß die Täter in der weit überwiegenden Zahl der Fälle vor der Wiedervereinigung nicht zur Verantwortung gezogen werden konnten, weil sie ihren Wohnsitz in der DDR hatten und die Justiz der Bundesrepublik ihrer nicht habhaft wurde, stellte ein nur tatsächliches, aber kein gesetzliches Verfolgungshindernis dar. Die Lage war derjenigen vergleichbar, in der ein westdeutscher Straftäter sich der Verfolgung durch Flucht ins Ausland entzogen hatte.
Soweit die hier angezeigten Taten auch nach dem Strafrecht der DDR mit Strafe bedroht waren (Freiheitsberaubung und Rechtsbeugung), war nach dem dortigen Recht schon vor dem 3.10.1990 Verjährung eingetreten, so daß die Regelung des Art. 315 a EGStGB nicht zum Tragen kommt. Zwar bestimmte § 83 Abs. 1 Nr. 2 StGB-DDR, daß die Verjährung "ruht, solange ein Strafverfahren wegen schwerer Erkrankung des Täters oder aus einem anderen gesetzlichen Grunde nicht eingeleitet oder fortgesetzt werden kann". Auch hier kann aber ein gesetzlicher Hinderungsgrund, der sich evtl. aus einem der Strafverfolgung entgegenstehenden Willen der DDR-Staats- und Parteiführung ergeben könnte, schon dann nicht angenommen werden, wenn die Taten von der Bundesrepublik aus verfolgbar waren. Dann nämlich reichte der innerhalb der DDR möglicherweise "als Gesetz eingeschätzte Wille" der Staats- und Parteiführung nicht aus, um jegliche staatliche Verfolgungsmaßnahme deutscher Justizbehörden zu verhindern. Es war gerade nicht "sicher", daß die Verfolgung der Tat an einem Eingreifen von hoher Hand gescheitert wäre, wie es nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen Voraussetzung für das Ruhen der Verjährung bei nationalsozialistischen Unrechtstaten war (vgl. BGHSt 23, 137).
Ein Ruhen der Verjährung nach § 84 StGB-DDR kommt ebenfalls nicht in Betracht, weil diese Vorschrift sich schon ihrem Wortlaut nach nur auf die hier nicht einschlägigen Delikte des 1. Kapitels des Besonderen Teils des StGB der DDR bezieht.
2)
Daß die angezeigten Taten von vornherein von der Bundesrepublik aus verfolgbar waren und daß die jeweilige Verjährungsfrist abgelaufen ist, ergibt sich aus folgendem:
a)
Die dem ehemaligen Staatsanwalt ... vorgeworfene Verschleppung war zur Tatzeit aufgrund des durch Gesetz vom 15.7.1951 (BGBl. Teil I S. 448) eingefügten § 234 a StGB als "Inlandstat" i.S.d. §§ 3, 4 a. F. StGB/§ 3 n. F. StGB verfolgbar. Nach dem in der Anzeige mitgeteilten Sachverhalt ist die Tat u.a. am Wohnsitz des Antragstellers in Westdeutschland begangen worden. Als Begehungsort i.S.d. §§ 3 Abs. 3 a. F. und 9 Abs. 1 n. F. StGB kommt jeder Ort in Betracht, an dem irgendein Teil des strafbaren Tatbestandes verwirklicht worden ist, mag es sich um Ausführungshandlungen oder um tatbestandsmäßige Wirkungen handeln (RGSt 74, 55, 59; OLG Köln NJW 1968, 954 [OLG Köln 10.10.1967 - Ss 284/67]; SK-Horn, StGB, § 9 Rdnr. 6). Im vorliegenden Falle ist die dem Beschuldigten ... vorgeworfene List am Wohnsitz des Antragstellers wirksam geworden und vollendet worden, weil der Antragsteller dort durch den vom Staatsanwalt abgesandten Brief psychisch beeinflußt und zur vermeintlich gefahrlosen Einreise in die DDR veranlaßt worden ist.
Die 20jährige Verjährungsfrist (§ 67 Abs. 1 Nr. 2 a. F./§ 78 Abs. 3 Nr. 2 n. F. StGB) begann mit Beendigung (§ 67 Abs. 4 a. F./§ 78 a n. F. StGB) der Verschleppung, d.h. mit Eintritt der tatbestandsmäßigen Gefährdung des Antragstellers im Jahre 1961, und ist - nach der o.g. Unterbrechung - 1986 abgelaufen.
Auch soweit eine Verschleppung darin gesehen werden kann, daß der Antragsteller durch Inhaftierung "davon abgehalten" worden ist (§ 234 a Abs. 1, 3. Alt. StGB), in die Bundesrepublik zurückzukehren, war die Tat verfolgbar und ist Verjährung im Jahr 1986 eingetreten. Unabhängig vom Recht des Tatorts und ohne Rückgriff auf die Vorschriften über den Geltungsbereich des Strafrechts (§§ 3 ff StGB) war § 234 a StGB von Anfang an auch auf in der DDR begangene Taten anwendbar. Die Rechtsprechung hat dies unmittelbar aus dem Wesen und der Natur der Norm abgeleitet, die insbesondere in der Alternative des "Abhaltens von der Rückkehr" praktisch nur außerhalb des Gebiets der Bundesrepublik erfüllt werden konnte (vgl. BGHSt 30, 1, 2[BGH 26.11.1980 - 3 StR 393/80 S]; KG NJW 1956, 1570). Diese Rechtslage ist später durch § 5 Nr. 6 StGB (in Kraft seit dem 1.1.1975) ausdrücklich klargestellt worden.
b)
Die Verfolgung der angezeigten Freiheitsberaubung, die zur Verschleppung in Tateinheit gestanden hätte, oblag der bundesdeutschen Strafrechtspflege zur Tatzeit nach den ungeschriebenen Regeln des innerdeutschen (interlokalen) Strafrechts. Die "gesamtdeutsche" Zuständigkeit basierte darauf, daß die Bundesrepublik und die DDR damals nicht als zwei selbständige Staaten, sondern nur als zwei unterschiedliche deutsche Rechtsgebiete in dem als Ganzes fortbestehenden Deutschland angesehen wurden (vgl. BGHSt 7, 53, 55[BGH 28.10.1954 - 1 StR 379/54]; Dreher/Tröndle, StGB, 45. Aufl., § 3 Rdnr. 11 f). Anzuwenden war grundsätzlich das Strafrecht des Tatortes (BGH a.a.O.), hier also dasjenige der DDR. Freiheitsberaubung war in der DDR nach § 239 des nach dem Kriege zunächst fortgeltenden StGB von 1871 und später nach § 131 des StGB der DDR vom 12.1.1968 (GBl. Teil I S. 1) strafbar.
Nach Abschluß des Grundlagenvertrages vom 21.12.1972 zwischen der Bundesrepublik und der DDR wurde die Anwendung des interlokalen Strafrechts im Verhältnis zur DDR durch die analoge Anwendung des internationalen Strafrechts ersetzt (vgl. BGHSt 30, 1, 5) [BGH 26.11.1980 - 3 StR 393/80 S]. Hiernach blieb die Freiheitsberaubung aber von der Bundesrepublik aus verfolgbar, und zwar zunächst nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 a. F. StGB und vom 1.1.1975 an nach § 7 Abs. 1 n. F. StGB, weil die Taten gegen einen Bundesbürger gerichtet und am Tatort "mit Strafe bedroht" waren, nämlich nach § 131 StGB-DDR. Auch wenn am Tatort faktisch auf Strafverfolgung verzichtet worden wäre, ließe das die Strafbarkeit nach hiesigem Recht nicht entfallen (Schönke/Schröder/Eser, StGB, 23. Aufl., § 7 Rdnr. 11).
Hiernach ist die Freiheitsberaubung auch dann verjährt, wenn man die zur Tatzeit geltende 10jährige Verjährungsfrist nach § 67 Abs. 1 Nr. 3 a. F. StGB zugrunde legt.
c)
Die angezeigte Rechtsbeugung unterfiel ebenfalls zur Tatzeit der westdeutschen Verfolgungskompetenz nach den Regeln des interlokalen Strafrechts. Als Tatortrecht galt zunächst § 336 StGB und nach 1968 der tatbestandlich enger gefaßte und deshalb nach § 81 Abs. 3 StGB-DDR als milderes Gesetz anzuwendende § 244 StGB-DDR.
Die Anwendung des Strafrechts der DDR hätte hier nicht dem ordre public der Bundesrepublik widersprochen (vgl. zu dieser Einschränkung BGHSt 7, 53, 55) [BGH 28.10.1954 - 1 StR 379/54]. Durch Heranziehung der genannten Vorschriften hätte es zwar ein Gericht der Bundesrepublik der äußeren Form nach übernommen, die sozialistische Rechtspflege der DDR zu schützen, denn Schutzgut des Rechtsbeugungstatbestandes ist (auch bei zeitweise identischem Wortlaut in den beiden deutschen Staaten) immer nur die eigene Rechtspflege des jeweiligen rechtsetzenden Staates (vgl. SK-Rudolphi, StGB, § 336 Rdnr. 2; Vormbaum, Strafverteidiger 1991, 176, 179; Samson NJW 1991, 335, 339). Im konkreten Falle hätte aber die Anwendung der genannten DDR-Vorschriften ohne weiteres im Interesse der Bundesrepublik gelegen, da es dem Inhalt der Strafanzeige zufolge darum gegangen wäre, die Verletzung allgemein anerkannter Beweisgrundsätze und eine willkürliche Verbiegung des Sachverhalts durch die DDR-Gerichte zu sühnen. Bei dieser Konstellation hätte sich auch nicht die Frage gestellt, ob eine Rechtfertigung oder Entschuldigung der am Verfahren in der DDR beteiligten Juristen in Betracht kam, weil sie nur geltendes Recht, nämlich den § 14 StEG angewendet hätten.
Verjährung ist nach dem StGB der DDR vom 12.1.1968 (§§ 81 Abs. 3, 82 Abs. 1 Nr. 3 a.a.O.) acht Jahre nach der unter der Geltung des alten StGB (§ 68 Abs. 1 a. F.) vorgenommenen Unterbrechung, d.h. im Jahre 1974 eingetreten. Die Verjährung hat nicht etwa deshalb von 1973 an geruht, weil durch das Inkrafttreten des Grundlagenvertrages die Taten von der Bundesrepublik aus nicht mehr verfolgbar waren. Zwar konnten die Verfolgungsbehörden der Bundesrepublik mit der Ablösung des interlokalen Strafrechts nicht mehr das Strafrecht der DDR als Tatortrecht anwenden und wurde eine in der DDR begangene Rechtsbeugung durch das westdeutsche internationale Strafrecht (§§ 4 Abs. 2 Nr. 2 a. F., 7 Abs. 1 n. F. StGB) nicht erfaßt, weil sich die Tat nicht gegen das Individualrecht eines Deutschen, sondern gegen das Gemeinschaftsgut eines anderen States richtete (vgl. Rudolphi, Vormbaum, Samson a.a.O. Da aber der Wegfall der Verfolgbarkeit auf einem von der Bundesrepublik vorgenommenen Vertragsschluß beruht, liegt nicht der oben II 1) erörterte Fall des gesetzlichen Hinderungsgrundes vor, der dadurch gekennzeichnet ist, daß die Strafverfolgung allein an einem entgegenstehenden rechtsstaatswidrigen Willen der Staats- und Parteiführung der DDR scheiterte.
d)
Auch eine von den Beschuldigten etwa durch Mitwirkung an einem fehlerhaften Urteil begangene Freiheitsberaubung kann nicht mehr verfolgt werden. Ob die Sperrwirkung des sog. Richterprivilegs, wonach bei fehlerhafter richterlicher oder staatsanwaltlicher Tätigkeit eine Verurteilung nach § 239 StGB grundsätzlich nur in Betracht kommt, wenn der Richter oder Staatsanwalt eine Rechtsbeugung begangen hat (vgl. BGHSt 10, 294, 298[BGH 07.12.1956 - 1 StR 56/56]; 32, 357, 364), [BGH 23.05.1984 - 3 StR 102/84]schon dann eingreift, wenn die Verfolgung der Rechtsbeugung nur wegen Verjährung eingestellt worden ist, kann dahingestellt bleiben. Denn eine Wiederaufnahme der Ermittlungen zur Feststellung der materiellen Schuld der Beschuldigten scheidet schon deshalb aus, weil die Freiheitsberaubung jedenfalls aus den oben b) genannten Gründen ebenfalls verjährt wäre.
e)
Soweit in der Festnahme und der Verurteilung des Antragstellers eine Verfolgung Unschuldiger im Sinne des § 344 StGB zu erblicken sein könnte, waren die Taten von der Bundesrepublik aus nach den Regeln des interlokalen Strafrechts unter Anwendung des Rechts des Tatorts verfolgbar. § 344 StGB galt in der DDR bis zum Inkrafttreten des dortigen StGB vom 12.1.1968; danach waren die konkreten Taten nach Tatortrecht nur noch unter die Vorschriften der §§ 244, 131 StGB-DDR zu subsumieren (§ 81 Abs. 3 StGB-DDR). Daß die Verfolgung dieser Delikte der Rechtsbeugung und der Freiheitsberaubung verjährt ist, ergibt sich aus dem oben 2 b-d) Gesagten.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 174, 177 StPO.