Verwaltungsgericht Oldenburg
v. 14.04.2020, Az.: 15 A 4353/18
Bibliographie
- Gericht
- VG Oldenburg
- Datum
- 14.04.2020
- Aktenzeichen
- 15 A 4353/18
- Entscheidungsform
- Gerichtsbescheid
- Referenz
- WKRS 2020, 71931
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 3 Abs 2 Nr 7 RdFunkBeitrStVtr ND
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Von einem Wegfall der Zweckbestimmung der "vorübergehenden Unterbringung" i.S.d. § 3 Abs. 2 Nr. 7 RBStV ist auszugehen, wenn der Eigentümer einer ursprünglich zur Vermietung als Ferienwohnung genutzten Raumeinheit eine Immobilienfirma mit deren Verkauf beauftragt und mit einer Mitarbeiterin dieser Firma, die seit mehreren Jahren über keine eigene Wohnung verfügt, ohne Angabe einer konkreten Mietdauer vereinbart, dass sie die Wohnung bis zu deren erfolgreichem Verkauf gegen Mietzahlung nutzen darf.
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens; insoweit ist der Gerichtsbescheid vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen die Heranziehung zu Rundfunkbeiträgen.
Die Klägerin wird bei dem Beklagten unter der Beitragsnummer als Rundfunkteilnehmerin geführt. Zwischen 2012 und 2014 war sie durch Postsendungen des Beklagten nicht erreichbar. Nach im März 2014 erfolgter Ermittlung der aktuellen Anschrift wurde die Klägerin rückwirkend ab 04/2012 angemeldet, aufgrund eines technischen Versehens aber für die Zeit von 01/2013 bis 04/2016 wieder abgemeldet. Seit 05/2016 wird sie von dem Beklagten als beitragspflichtige Wohnungsinhaberin geführt.
Nachdem sie weder eine Befreiung beantragt noch Rundfunkbeiträge entrichtet hatte, zog der Beklagte die Klägerin durch Festsetzungsbescheid vom 2. Oktober 2018 zur Zahlung der rückständigen Rundfunkbeiträge für den Zeitraum 05/2016 bis 06/2018 in Höhe von 455,00 EUR zuzüglich eines Säumniszuschlags in Höhe von 8,00 EUR heran (Bl. 92 Beiakte).
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 24 Oktober 2018 Widerspruch ein (Bl. 104 Beiakte). Zur Begründung machte sie im Wesentlichen geltend, sie habe in den vergangenen Jahren wegen fehlendem Dauerwohnraum auf A-Stadt in Ferienwohnungen gewohnt und mit den jeweiligen Vermietern vertraglich geregelt, dass in der Miete auch alle Neben- und Verbrauchskosten und damit auch die Rundfunkbeiträge enthalten sind. Es sei unzulässig, sowohl von den Vermietern als auch von ihr als Mieterin Rundfunkbeiträge zu verlangen. Zur weiteren Begründung verweist sie auf ihre bisherigen Schriftsätze, in denen sie mitgeteilt hat, dass sie seit 2010 nur noch in verschiedenen Ferienwohnungen auf A-Stadt gewohnt habe (2015: A-Str.; B-Str.; 2015:B-Str., 2016: C-Str.; 2017: D-Str.; 2017: E-Str.; 2017: F-Str,: 2017 - 2018: G-Str.) und die Wintermonate größtenteils bei ihrer Tochter in Salzburg verbringe, was für sie Urlaub sei und keine offizielle Ummeldung erfordere, außerdem auf ein Schreiben der Vermieterin der C-Str., A-Stadt, und eine mit dieser Vermieterin geschlossene Vereinbarung über die Verlängerung der Mietdauer.
Mit Widerspruchsbescheid vom 13. November 2018 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte er aus: Laut Rundfunkbeitragsstaatsvertrag - RBStV - sei im privaten Bereich grundsätzlich für jede Erstwohnung von deren Inhaber ein Rundfunkbeitrag zu entrichten. Als beitragspflichtiger Inhaber einer Wohnung werde jede Person vermutet, die dort nach dem Melderecht gemeldet sei. Laut Bestätigung des Einwohnermeldeamtes sei die Klägerin seit März 2015 in der A-Str. auf A-Stadt gemeldet. Es handelte sich dabei um eine beitragspflichtige Wohnung. Zwar fielen Raumeinheiten, die der vorübergehenden Unterbringung in Beherbergungsstätten dienen, insbesondere Hotel- und Gästezimmer sowie Ferienwohnungen nicht unter den Wohnungsbegriff. Das gelte jedoch nicht, wenn das Hotel-/ Gästezimmer oder die Ferienwohnung zusammenhängend sechs Monate oder länger von einer Person bewohnt werde. Zeitgleich könne der Vermieter der Ferienwohnung die fest bewohnte Wohnung abmelden.
Die Klägerin hat am 10. Dezember 2018 Klage erhoben. Zur Begründung verweist sie im Wesentlichen auf ihre bisherigen Ausführungen und ergänzt: Postalisch sei sie immer erreichbar gewesen. Es sei unzutreffend, dass sie in der Vergangenheit ihre Umzüge bzw. Aufenthaltsorte oder den entsprechenden Sachverhalt nicht mitgeteilt habe. Sie habe mehrfach schriftlich alle von ihr kurzfristig bewohnten Wohnungen samt Adressen und Vermietern mitgeteilt, ebenso Erklärungen einer Vermieterin, einen Mietvertrag und Kontoauszüge beigefügt, aus denen sich entnehmen lasse, dass gemäß Mietvertrag alle Kosten einschließlich Rundfunk und Fernsehen im Mietzins enthalten seien. Bei den von ihr kurzfristig genutzten Wohnungen habe es sich um Objekte gehandelt, die sie als Mitarbeiterin der Immobilienfirma für die jeweiligen Eigentümer verkaufen sollte und die sie bis zum Abschluss des Verkaufs jeweils nutzen konnte. Die genauen Zeiträume, in denen sie die Wohnungen bewohnt habe, könne sie nicht mehr benennen. Bis auf die Nutzung der Wohnungen bei Frau E. (C-Str., A-Stadt) und bei Herrn H. (G-Str., A-Stadt) lägen keine schriftlichen Mietverträge vor, die Vereinbarungen seien jeweils per Handschlag erfolgt. Laut Auskunft der jeweiligen Eigentümer hätten diese für die Wohnungen die Rundfunkbeiträge abgeführt. Die entsprechenden Kundendaten dürfe sie aus Datenschutzgründen nicht herausgeben. Die entsprechenden Daten müssten jedoch dem Beklagten vorliegen, sodass dieser feststellen könnte, dass die Eigentümer ihre Rundfunkbeiträge abgeführt hätten. In Ergänzung zu ihren bisherigen Unterlagen legte sie einen Wohnungsmietvertrag für die Wohnung G-Str., A-Stadt, ein Kündigungsschreiben des Vermieters sowie ein anwaltliches Schreiben betreffend die Beendigung des Mietverhältnisses vor.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Bescheid des Beklagten vom 2. Oktober 2018 sowie den Widerspruchsbescheid vom 13. November 2018 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Klage sei bereits unzulässig, weil der Klageantrag allein auf Aufhebung des Bescheides vom 13. November 2018 statt auch auf Aufhebung des Ursprungsbescheides gerichtet sei. Die Klage habe aber auch in der Sache keinen Erfolg. Die Klägerin sei als Wohnungsinhaberin gemeldet und damit Beitragsschuldnerin. Soweit sie vorgetragen habe, sie habe in der Vergangenheit in Ferienwohnungen gelebt, für die die Vermieter bereits Rundfunkbeiträge entrichtet hätten, ändere dies nichts. Die Klägerin habe in der Vergangenheit weder ihre Umzüge noch die nunmehr vorgetragenen Sachverhalte mitgeteilt, obwohl sie hierzu gemäß § 7 RBStV verpflichtet gewesen wäre. Eine rückwirkende Abmeldung sei nicht möglich.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der vom Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Über die Klage konnte nach Anhörung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entschieden werden, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der entscheidungserhebliche Sachverhalt geklärt ist (§ 84 Abs. 1 Sätze 1 und 2 VwGO).
Das Gericht legt den Klageantrag der anwaltlich nicht vertretenen Klägerin dahingehend aus, dass sie sich nicht isoliert gegen den Widerspruchsbescheid vom 13. November 2018, sondern zusätzlich auch gegen den Festsetzungsbescheid vom 2. Oktober 2018 wendet, sodass die Ausführungen des Beklagten zur Unzulässigkeit der Klage ins Leere gehen. Die danach zulässige Klage hat aber in der Sache keinen Erfolg.
Der Bescheid des Beklagten vom 2. Oktober 2018 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 13. November 2018 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Ausgangspunkt der rechtlichen Betrachtung ist § 2 Abs. 1 RBStV. Danach ist im privaten Bereich für jede Wohnung von deren Inhaber (Beitragsschuldner) ein Rundfunkbeitrag zu entrichten. Inhaber einer Wohnung ist jede volljährige Person, die die Wohnung selbst bewohnt. Unter den Begriff der Wohnung fällt gem. § 3 Abs. 1 RBStV jede ortsfeste, baulich abgeschlossene Raumeinheit, die zum Wohnen oder Schlafen geeignet ist oder genutzt wird. Nicht als Wohnung gelten gem. § 3 Abs. 2 Nr. 7 RBStV Raumeinheiten, die der vorübergehenden Unterbringung in Beherbergungsstätten dienen, insbesondere Hotel- und Gästezimmer sowie Ferienwohnungen. Die von § 3 Abs. 2 RBStV abschließend genannten Raumeinheiten gelten auch dann nicht als Wohnung, wenn sie im Einzelfall die Tatbestandsmerkmale des Absatzes 1 erfüllen. Die Ausnahmevorschrift dient der Vermeidung von tatbestandlichen Überschneidungen mit dem nicht privaten Bereich nach den §§ 5 und 6 RBStV. Aus diesem Grund sind in § 3 Abs. 2 RBStV lediglich Raumeinheiten ausgenommen, die entsprechenden Betriebsstätten zuzuordnen, insbesondere in diesen Betriebsstätten gelegen oder selbst als Betriebsstätte zu qualifizieren sind. In diesen Fällen ist nicht der Bewohner der betreffenden Raumeinheit aufgrund der §§ 2 und 3 RBStV, sondern gegebenenfalls der Inhaber der jeweiligen Betriebsstätte oder Raumeinheit nach Maßgabe der §§ 5 und 6 RBStV beitragspflichtig (vgl. Nds. LT-Drs. 16/3437 S. 28).
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Urteil vom 23. Mai 2019 (- 7 BV 18.1992 -, juris Rn. 19) zu der Frage, in welchen Fällen Raumeinheiten in Beherbergungsstätten zur „Wohnung“ im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 RBStV werden, ausgeführt:
„aa) Dem Wortlaut des § 3 Abs. 2 Nr. 7 RBStV zufolge gelten Raumeinheiten in Beherbergungsstätten selbst dann, wenn sie die Voraussetzungen des Absatzes 1 erfüllen, solange nicht als Wohnung, wie sie der vorübergehenden Unterbringung dienen. Durch die Verwendung der Formulierung „dienen“ wird deutlich, dass es dem Normgeber vornehmlich auf die Zweckbestimmung der in Beherbergungstätten befindlichen Raumeinheiten ankommt. Solange derartige Raumeinheiten der vorübergehenden Unterbringung dienen, unterfallen sie nicht dem Wohnungsbegriff, mag die konkrete Nutzung durch einen Gast im Einzelfall auch längerfristig sein. Bei den in § 3 Abs. 2 Nr. 7 RBStV genannten Regelbeispielen – Hotel- und Gästezimmer, Ferienwohnungen, Unterkünfte in Seminar- und Schulungszentren – unterstellt der Normgeber, dass sie in der Regel lediglich der vorübergehenden Unterbringung dienen und eine Nutzung dieser Raumeinheiten grundsätzlich keine Rundfunkbeitragspflicht im privaten Bereich zur Folge hat. Durch die Formulierung „der vorübergehenden Unterbringung … dienen“ macht der Normgeber jedoch auch deutlich, dass eine Änderung der Zweckbestimmung dazu führen kann, dass auch Raumeinheiten in Beherbergungsstätten – sofern sie zugleich die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 Satz 1 RBStV erfüllen – zur rundfunkbeitragsbegründenden „Wohnung“ werden können.
Die gefundene Auslegung wird durch § 3 Abs. 2 Nr. 2 RBStV gestützt. Nach dieser Vorschrift gelten solche Raumeinheiten nicht als Wohnung, die der nicht dauerhaften heim- oder anstaltsmäßigen Unterbringung dienen. Ist dagegen ein grundsätzlich unbefristetes Bewohnen der Raumeinheiten vorgesehen, begründen die Menschen dort also – wie in Altenwohnheimen – regelmäßig ihren Wohnsitz, werden sie beitragspflichtig. Im Rahmen der Nummer 2 ist für die Abgrenzung maßgeblich, dass die jeweilige Raumeinheit ihrem Hauptzweck nach der nicht dauerhaften Unterbringung der betreffenden Personen dient (vgl. LT-Drs. 16/7001 S. 16). Auch ein Vergleich mit den in § 3 Abs. 2 Nr. 1, 3, 4, 5 und 6 RBStV genannten Ausnahmen zeigt, dass allein die Kategorisierung der Raumeinheit beispielsweise als Hotel-, Gästezimmer oder Ferienwohnung für sich genommen noch keine abschließende Aussage darüber zulässt, ob die Nutzung einer solchen Raumeinheit die Rundfunkgebührenpflicht im privaten Bereich zur Folge hat. Die dort genannten Raumeinheiten wie Gemeinschaftsunterkünfte und Kasernen (Nr. 1) oder Hafträume in Justizvollzugsanstalten (Nr. 6) gelten unabhängig von der Dauer der konkreten Nutzung nicht als Wohnung im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 RBStV. Auch dies zeigt, dass es im Hinblick auf die in § 3 Abs. 2 Nr. 7 RBStV genannten Ausnahmen auf die jeweilige Zweckbestimmung der Raumeinheiten ankommt.
Ob sich die Zweckbestimmung einer Raumeinheit zur „vorübergehenden Unterbringung“ geändert hat, ist anhand der objektiven Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Dabei ist zunächst auf die Zweckbestimmung abzustellen, die der Betreiber der Beherbergungsstätte der jeweiligen Raumeinheit gibt. Dies ist deshalb sachgerecht, weil dieser die konkrete Vertragsgestaltung maßgeblich „in der Hand“ hat. Er bestimmt, ob er hinsichtlich der jeweiligen Raumeinheit einen Beherbergungsvertrag (mit einem Gast) oder einen Mietvertrag (mit einem Mieter) abschließen möchte. In erster Linie auf den Zweck abzustellen, den der Betreiber der Beherbergungsstätte der jeweiligen Raumeinheit gibt, berücksichtigt auch, dass es dem Willen des Normgebers entspricht, dass die Ausnahmeregelung des § 3 Abs. 2 RBStV der Abgrenzung von der Rundfunkbeitragspflicht im nicht privaten Bereich dient (vgl. LT-Drs. 16/7001 S. 15). Solange der Betreiber einer Beherbergungsstätte die Zweckbestimmung der Raumeinheit nicht aufgibt, ist demnach grundsätzlich davon auszugehen, dass der Ausnahmetatbestand des § 3 Abs. 2 Nr. 7 RBStV vorliegt.
Gibt es im Einzelfall konkrete Anhaltspunkte dafür, dass sich die Zweckbestimmung der Raumeinheit durch schlüssiges Handeln geändert hat, kommt es auf eine anderslautende Bekundung des Betreibers der Beherbergungsstätte nicht an. Indizien dafür, dass keine nur vorübergehende, sondern eine längerfristige Nutzung der Raumeinheit vorliegt, können dabei die jeweilige Vertragsgestaltung, die konkreten Nutzungsmodalitäten der Raumeinheit, die Modalitäten der Vertragsbeendigung sowie die Dauer der Nutzung sein, wobei insoweit durchaus die im Steuerrecht zur Abgrenzung genutzte 185-Tage-Regelung als Abgrenzungskriterium herangezogen werden kann. Da es sich bei der Erhebung von Rundfunkbeiträgen jedoch um ein Massenverfahren handelt, kann auch die Art der jeweiligen Raumeinheit für die Abgrenzung entscheidend sein. So spricht die längerfristige, über einen Zeitraum von 6 Monaten hinausgehende Nutzung einer Ferienwohnung eher für eine Änderung der Zweckbestimmung als der gleich lange Aufenthalt in einem Hotel (vgl. zur längerfristigen Nutzung einer Ferienwohnung HessVGH, B.v. 21.10.2015 – 10 D 754/15 – juris). Nutzungsunterbrechungen, die es dem Betreiber der Beherbergungsstätte ermöglichen, die jeweilige Raumeinheit in diesen Zeiträumen an Dritte weiterzugeben, sind hingegen ein Beleg dafür, dass sich die Zweckbestimmung einer Raumeinheit trotz einer längerfristigen Nutzung nicht geändert hat. Daher kann es allenfalls ein Indiz für das Vorliegen einer nicht nur vorübergehenden Nutzung sein, wenn eine Person über einen langen Zeitraum unter der Adresse der Beherbergungsstätte nach Melderecht gemeldet ist. Jedenfalls in Bezug auf eine Beherbergungsstätte mit mehreren Raumeinheiten entscheidend auf die Meldung nach Melderecht abzustellen, lässt außer Acht, dass die Rundfunkbeitragspflicht gesetzlich typisierend an die Inhaberschaft einer Wohnung anknüpft. Die gesetzliche Vermutung des § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 RBStV setzt gerade das Vorliegen einer Wohnung im Sinne des § 3 Abs. 1 RBStV voraus. Zudem stellt § 3 Abs. 2 Nr. 7 RBStV auf die vorübergehende Nutzung einer Raumeinheit und nicht auf die vorübergehende Nutzung der Beherbergungsstätte ab. Darüber hinaus lässt sich anhand der Meldung erst im Nachhinein die Dauer der Nutzung feststellen.“
Hiervon ausgehend ist unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls davon auszugehen, dass die Zweckbestimmung der der Klägerin zur Verfügung gestellten Unterkünfte als der vorübergehenden Unterbringung dienenden Raumeinheiten von den jeweiligen Eigentümern vorliegend zwischenzeitlich aufgegeben und stattdessen eine längerfristige Vermietung vereinbart worden ist.
Die Klägerin bewohnt nach eigenen Angaben seit rund zehn Jahren ständig wechselnde Wohnungen, die von den jeweiligen Eigentümern ursprünglich zur Vermietung als Ferienwohnungen genutzt und dann von der Immobilienfirma zum Verkauf angeboten worden sind. Die genauen Zeiträume der Anmietungen lassen sich mangels genauer Angaben der Klägerin nicht vollständig nachvollziehen, liegen aber wohl zwischen wenigen Wochen (16.07.2015 - 20.08.2015: B-Str.) und über 15 Monaten (10.07.2017 - 15.01.2019: G-Str.).
Soweit anhand der Angaben der Klägerin bzw. den von ihr vorgelegten Unterlagen nachvollziehbar, hat die Klägerin ab 2010 folgende Unterkünfte angemietet:
Zeitraum | Unterkunft | Eigentümer/ | Beiakte/ Gerichtsakte |
---|---|---|---|
2010 - 2015 | unbekannt | ||
??? - 15.07.2015 | A-Str. | H. | 30, 61 |
16.07.2015 - 20.08.2015; | B-Str. | H. | 61, 74 |
21.08.2015 - 01.11.2015 | C-Str. | Frau E. | 61 |
02.11.2015 - 31.03.2016 | Österreich | 61 | |
01.04.2016 - ??? | C-Str. | Frau E. | 61, 100 |
2017 | D-Str. | M. | |
2017 | E-Str. | J. | |
2017 | F-Str. | M. | |
10.07.2017 - 15.01.2019 | G-Str. | H. | 53 ff. GA |
Nach Angaben der Klägerin handelte es sich bei den von ihr angemieteten Wohnungen um solche, die von den jeweiligen Eigentümern ursprünglich zur Vermietung als Ferienwohnungen genutzt. Diese Nutzung wurde seitens der Eigentümer geändert, als sie die Immobilienfirma für die die Klägerin tätig war und ist, beauftragt haben, die Wohnungen zum Verkauf anzubieten. Die Klägerin hat mit den jeweiligen Vermietern - anders als bei der Vermietung von Ferienwohnungen üblich - jeweils Mietverträge ohne Angabe einer konkreten Mietdauer abgeschlossen. Laut eigenem Vortrag der Klägerin war jeweils vereinbart, dass die Klägerin die Wohnungen grundsätzlich solange nutzen kann, bis sie verkauft werden können. Die Dauer der mietweisen Nutzung der Unterkünfte hing damit von dem Eintritt eines ungewissen Ereignisses ab, so dass zum Zeitpunkt des jeweiligen Vertragsschlusses eine Absprache über das Ende der jeweiligen Nutzungszeiträume auch nicht möglich war. Eine solche Vereinbarung entspricht nicht den üblichen Gepflogenheiten bei der gewöhnlichen Überlassung von Hotel- oder Gästezimmern oder Ferienwohnungen und steht daher dem Zweck des § 3 Abs. 2 Nr. 7 RBStV entgegen.
Da die Klägerin die Absprachen nach eigenen Angaben teilweise auch nur mündlich getroffen hat und zudem mangels entsprechender Unterlagen und Erinnerungslücken keine vollständigen und genauen Angaben zu den Zeiträumen der jeweiligen Unterbringungen in den verschiedenen Unterkünften machen kann, kann sich das Gericht hinsichtlich der jeweils getroffenen Vereinbarungen nur an den vorgelegten Unterlagen für die Unterkünfte in der C-Str. und der G-Str. orientieren. Diese bestätigen die Annahme, dass die jeweiligen Eigentümer vorliegend die Zweckbestimmung der von ihnen angebotenen Räumlichkeiten als nur der vorübergehenden Unterbringung dienenden Raumeinheiten aufgegeben haben. Laut Schreiben der Vermieterin E. vom 10. August 2016 (Bl. 25 Gerichtsakte), das von der Klägerin offensichtlich im zweiten Absatz durch Auslassung manipuliert worden ist („Da die Wohnung von Ihnen bewohnt wird, rechne ich mit einer sehr hohen Nebenkostennachzahlung“) - das Original des Schreibens wurde trotz gerichtlicher Aufforderung vom 23. Oktober 2019 nicht vorgelegt - hat diese eine Kündigung des Mietverhältnisses für die Wohnung C-Str. zum 30. September 2016 ausgesprochen. Diese Kündigungserklärung und der sich daraus ergebende Nutzungszeitraum der Unterkunft (01.04.2016 - 30.09.2016) lässt sich indes nicht in Einklang bringen mit einer offenbar nachträglich getroffenen Vereinbarung mit Frau E., (Bl. 26 Gerichtsakte), nach der für die Wohnung C-Str. als spätester Auszugstermin der 15. Januar 2017 und für den Fall, dass eine Ersatzwohnung früher verfügbar ist, ein Auszug innerhalb von 30 Tagen zum Monatsende festgelegt worden ist. Diese Vereinbarung ist mit dem 27. Oktober 2017 datiert, also einem Zeitpunkt, der neun Monate nach dem dort genannten spätesten Auszugstermin liegt. Es spricht danach einiges für die Annahme, dass die Klägerin die ihr überlassene Unterkunft in der C-Str. entweder tatsächlich länger als sechs Monate genutzt oder die Vermieterin und sie die Möglichkeit einer über sechs Monate hinausgehenden Nutzung zumindest im Vorfeld vereinbart haben.
Auch aus den für die Unterkunft im Dachgeschoss des Hauses G-Str. übersandten Unterlagen (Bl. 50 ff. Gerichtsakte) ergibt sich unzweifelhaft, dass es dabei nicht um die bloß vorübergehende Nutzung einer Beherbergungsstätte ging, sondern um einen ganz gewöhnlichen und unbefristet abgeschlossenen Mietvertrag, der gemäß den für Mietverhältnisse geltenden Vorschriften vom Vermieter wegen Eigenbedarfs gekündigt worden ist. Insgesamt betrug die Mietdauer über 15 Monate (10.07.2017 - 15.01.2019). Insbesondere aus dem letzten Absatz der Eigenbedarfskündigung des Vermieters vom 31. Juli 2018 und dem anwaltlichen Schreiben vom 6. September 2018 geht hervor, dass „eine Vermietung der anderen Ferienwohnungen als Dauerwohnraum (…) aus rechtlichen und wirtschaftlichen Gründen leider nicht möglich“ ist. Daraus folgt im Umkehrschluss, dass die Wohnung im Dachgeschoss des Hauses G-Str. der Klägerin gerade nicht als Ferienwohnung, sondern als Dauerwohnraum vermietet worden ist.
Dass die Klägerin während der vergangenen zehn Jahre ihre Unterkunft in teilweise nicht näher spezifizierbaren Zeiträumen, die teilweise auch einen Zeitraum von sechs Monaten unterschritten haben, immer wieder gewechselt hat, ändert nichts an der Annahme einer nicht nur vorübergehenden Unterbringung. Denn aus dem Gesamtzusammenhang der verschiedenen Unterbringungen ist ersichtlich, dass es regelmäßig das Ziel der Klägerin war, eine möglichst langfristige Unterbringung in den ihr zur Verfügung gestellten Wohnungen zu erreichen. Die Wohnungseigenschaft besteht in diesem Fall von Beginn der Mietdauer an (VG München, Beschluss vom 14. Juni 2016 - M 6 E 16.1276). § 3 Abs. 2 Nr. 7 RBStV dient u.a. auch dazu, doppelte Zahlungsverpflichtungen zu vermeiden. Der Inhaber einer Wohnung, der Rundfunkbeiträge zahlt, soll für die Dauer eines nur vorübergehenden Aufenthaltes in einem Hotel oder in einer Ferienwohnung nicht zusätzlich, d.h. doppelt Rundfunkbeiträge entrichten. Eine solche Sachlage liegt im Fall der Klägerin jedoch nicht vor, da für sie eine doppelte Verpflichtung nicht bestand. Eine andere Sichtweise würde dazu führen, dass Wohnungsinhaber der Rundfunkbeitragspflicht entgehen könnten, indem sie ausschließlich kurzzeitige Mietverhältnisse in ständig wechselnden Unterkünften vereinbaren.
Liegen die Voraussetzungen von § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 RBStV danach nicht vor, bestand damit möglicherweise auch keine Zahlungsverpflichtung der jeweiligen Eigentümer der Ferienwohnungen, sofern diese den Wechsel der Nutzung, d.h. die Beendigung der Vermietung als Ferienwohnung bei dem Beklagten rechtzeitig angezeigt haben.
Ob die jeweiligen Eigentümer der der Klägerin überlassenen Wohnungen ihr gegenüber erklärt haben, sie würden den Rundfunkbeitrag zahlen, mag im Innenverhältnis zwischen den Eigentümern und der Klägerin von Bedeutung sein, stellt jedoch nicht die Beitragspflicht der Klägerin gegenüber dem Beklagten infrage. Die Verpflichtung zu Zahlung der Rundfunkbeiträge kann nicht mit befreiender Wirkung im Verhältnis zur Rundfunkanstalt im Wege privatrechtlicher Vereinbarung auf einen Dritten übertragen werden. Vertragliche Regelungen, z.B. in einem Mietvertrag, die dies vorsehen, sind nichtig (Göhmann/ Schneider/ Siekmann, § 2 RBStV Rn. 32). Abgesehen davon entspricht die Höhe des von dem Betreiber einer Ferienwohnung gem. § 5 Abs. 1, 2 RBStV zu entrichtenden Rundfunkbeitrags nicht dem Betrag, den ein Rundfunkteilnehmer nach § 2 Abs. 1 RBStV zu zahlen hat. Das bedeutet, dass selbst wenn die Eigentümer der Wohnungen Rundfunkbeiträge entrichtet haben - wozu sie nach der gewählten Vertragsgestaltung nicht verpflichtet gewesen sein dürften, so dass ihnen ggf. ein Erstattungsanspruch zusteht, sofern sie der Beklagten die Stilllegung der Ferienwohnungen rechtzeitig angezeigt haben - die geleisteten Rundfunkbeiträge nicht ausreichend waren, um die Zahlungsverpflichtung der Klägerin zu erfüllen. Ob und in welcher Höhe die früheren Vermieter Rundfunkbeiträge tatsächlich gezahlt haben, dürfte der Beklage aus Gründen des Datenschutzes in diesem Verfahren nicht offenzulegen berechtigt sein.
Der Beklagte hat den von dem Kläger zu zahlenden Rundfunkbeitrag hinsichtlich der Höhe für den Zeitraum 05/2016 bis 06/2018 rechtsfehlerfrei festgesetzt. Der monatliche Rundfunkbeitrag beläuft sich gem. § 8 Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag auf 17,50 EUR. Damit belief sich der Rundfunkbeitrag auf insgesamt 455,00 EUR (26 x 17,50 EUR). Der Bescheid des Beklagten begegnet auch insoweit keinen rechtlichen Bedenken, als der Beklagte darin einen Säumniszuschlag i.H.v. 8,00 EUR festsetzte. Nach § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 RBStV ist die zuständige Landesrundfunkanstalt ermächtigt, die Erhebung von Zinsen, Kosten und Säumniszuschlägen durch Satzung zu regeln. Nach § 11 Abs. 1 der Satzung des Norddeutschen Rundfunks über das Verfahren zur Leistung von Rundfunkbeiträgen wird ein Säumniszuschlag in Höhe von einem Prozent der rückständigen Beitragsschuld, mindestens aber ein Betrag von 8,00 EUR fällig und zusammen mit dem Beitragsbescheid festgesetzt, wenn geschuldete Rundfunkbeiträge nicht innerhalb einer Frist von vier Wochen nach Fälligkeit in voller Höhe entrichtet werden. Die Klägerin hat vorliegend die nach § 7 Abs. 3 RBStV fälligen Rundfunkbeiträge innerhalb der Frist von vier Wochen nicht entrichtet.