Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 20.07.2000, Az.: 13 U 271/99
Wirksamkeit einer Klausel in einem Generalübernehmervertrag, nach der die vereinbarte Verjährungsfrist erst beginnen soll, wenn alle Mängel ordnungsgemäß beseitigt worden sind; Verpflichtung des Bestellers zur Abnahme; Unterbrechung der Verjährungsfrist wegen der Durchführung eines Konkursverfahrens über das Vermögen der Hauptschuldnerin; Vorliegen eines Anerkenntnisses; Anspruch auf Zahlung aus einer Gewährleistungsbürgschaft nach Ablauf der Verjährungsfrist der Hauptschuld
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 20.07.2000
- Aktenzeichen
- 13 U 271/99
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2000, 23384
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2000:0720.13U271.99.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Hannover - 08.11.1999 - AZ: 20 O 1062/99
Rechtsgrundlagen
- § 17 Nr. 8 S. 2 VOB/B
- § 9 Abs. 1 AGBG
- § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG
- § 638 Abs. 2 BGB
- § 209 Abs. 1 Nr. 2, Nr. 1 BGB
- § 209 Abs. 2 Nr. 2 BGB
- § 13 Nr. 5 Abs. 1 S. 2 VOB/B
Fundstellen
- BauR 2001, 259-261 (Volltext mit amtl. LS)
- IBR 2001, 169
- IBR 2000, 600
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Aus einer Gewährleistungsbürgschaft kann wegen des Zurückbehaltungsrechts gemäß § 17 Nr. 8 S. 2 VOB/B nur dann nach Ablauf der Verjährungsfrist der Hauptschuld noch Zahlung verlangt werden, wenn zu dieser Zeit verbürgte Ansprüche noch nicht erfüllt sind.
- 2.
Das setzt voraus, dass vor Ablauf der Verjährungsfrist solche Ansprüche bereits angemeldet, die entsprechenden Mängel in unverjährter Zeit gegenüber dem Unternehmer gerügt waren.
- 3.
Zur Abnahme ist der Besteller aber bereits dann verpflichtet, wenn das bestellte Werk im Wesentlichen mangelfrei ist, nicht erst dann, wenn keinerlei Mängel mehr festgestellt werden können. Weicht eine AGBKlausel von dieser Regelung ab, kann dies zur Unwirksamkeit der Klausel nach § 9 AGBG führen.
In dem Rechtsstreit
hat der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts in Celle
auf die mündliche Verhandlung vom 4. Juli 2000
unter Mitwirkung der Richter #######, ####### und #######
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Hannover vom 8. November 1999 - 20 O 1062/99 - geändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Die übrigen Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Streitwert und Beschwer: 10.001,00 DM.
Entscheidungsgründe
A.
Die zulässige Berufung hat Erfolg.
Zwar hat die Klägerin einen Anspruch aus abgetretenem Recht der ####### GmbH aus der Bürgschaft Nr. B 88120158/593 (Anlage K 2) in Höhe von 10.001 DM gegen die Beklagte, jedoch steht diesem Anspruch die gemäß § 768 BGB auch der Bürgin zustehende Einrede der Verjährung des verbürgten Gewährleistungsanspruchs entgegen, sodass der Anspruch aus der Bürgschaft, nachdem die Beklagte im Berufungsverfahren die Einrede der Verjährung erhoben hat, nicht durchsetzbar ist.
I.
Der Anspruch der Klägerin rechtfertigt sich aus der Bürgschaft der Beklagten, die nach ihrem Wortlaut dazu dient "die vertragsgemäße Gewährleistung für fertig gestellte abgenommene Arbeiten sicherzustellen", der ihr von der Gläubigerin, der ####### GmbH abgetreten worden ist.
Aus der Bürgschaft ist gemäß §§ 765 Abs. 1, 767 Abs. 1 BGB die Beklagte verpflichtet, der Klägerin 10.001 DM zu zahlen, die diese als Vorschuss benötigt, um zu erreichen, dass die vertragsgemäße Gewährleistung für fertig gestellte abgenommene Arbeiten der ####### , der Schuldnerin, sichergestellt wird. Die ####### ist in Konkurs gefallen, weshalb eine Vorgehensweise nach § 13 Nr. 5 Abs. 1 und 2 VOB/B faktisch nicht mehr dazu führen konnte, dass die vertragsgemäße Gewährleistung erbracht wird. Deshalb ist die Zahlung des hier begehrten Vorschusses ungeachtet der Voraussetzungen der VOB/B schon aus dem Bürgschaftsvertrag geschuldet.
1.
Das Gewerk der Schuldnerin weist die zu Ziffer 3.42 des Gutachtens des Sachverständigen ####### vom 18. Oktober 1996 (Anlage K 9, S. 47 f.) festgestellten Mängel auf, deren Beseitigung allein in der Reihe 2 des Bauvorhabens 61.000 DM kosten würde.
2.
Für den Mangel der Bauausführung in der Reihe 2 ist die Schuldnerin verantwortlich. Die Wasserabführung der Fassade ist durch Ausführungs- und Planungsfehler mangelhaft, sodass sich Wasserablaufspuren am Außenputz im Bereich der Regenrinnen zeigen. Zwar hat der Sachverständige ####### (a. a. O.) festgestellt, dass dafür auch die von der Zedentin vorgegebene Planung mitursächlich war. Dies ist beachtlich, obwohl gemäß § 11 Ziff. 1 des Vertrages zwischen der Zedentin und der Schuldnerin (Generalübernehmervertrag vom 20. Juni 1990, Bl. 43 f. d. A.) über die Werkleistung der Schuldnerin diese sich zur Prüfung der Pläne verpflichtete. Durch diese Vereinbarung wurde die Schuldnerin nicht unangemessen im Sinne des § 9 AGBG benachteiligt, weil ihr insoweit nicht das Haftungsrisiko ohne Einschränkung auferlegt wurde (Wolf/Horn/Lindacher, AGBG, 4. Aufl., München 1999, § 9 Rdnr. 80), denn die Schuldnerin hätte sich durch schriftliche und unverzügliche Anmeldung von Bedenken von der Haftung für Planungsfehler befreien können. Dessen ungeachtet ergibt aber die Abwägung der Verursachungsanteile in jedem Falle eine Mithaftung der Schuldnerin von mindestens 20 %. Dies macht bereits mehr als den geltend gemachten Betrag von 10.001 DM aus.
3.
Darauf hat die Beklagte, auch mit ihrer Zahlung vom 12. Dezember 1996, nichts gezahlt. Zwar hat sie 2.350 DM auf die hier in Rede stehende Bürgschaft gezahlt, jedoch ist kein Zahlungszweck angegeben, sodass nicht zu erkennen ist, auf welche der durch die in Rede stehende Bürgschaft gesicherten Ansprüche diese Zahlung erfolgt ist. Auch der Betrag von 2.350 DM lässt keinen Rückschluss auf einen bestimmten Zahlungszweck zu.
II.
Der dargestellte Anspruch ist jedoch nicht durchsetzbar, weil die Beklagte - was ihr gemäß § 768 Abs. 1 BGB zusteht - die Einrede geltend gemacht hat, dass Gewährleistungsansprüche gegen die Hauptschuldnerin, die in Konkurs gefallene ####### , verjährt sind.
1.
Die Beklagte hat in der Berufungsinstanz am 7. Februar 2000 die Einrede der Verjährung erhoben. Diese hat Erfolg.
Die gemäß § 9 Ziff. 2 des Generalübernehmervertrages (a. a. O.) mit 5 Jahren vereinbarte Gewährleistungsfrist war am 14. Oktober 1997 abgelaufen. Sie begann mit der Abnahme.
a)
Zwar soll gemäß § 9 Ziff. 3 des Generalübernehmervertrages (a. a. O.) die vereinbarte Verjährungsfrist erst beginnen, wenn alle Mängel ordnungsgemäß beseitigt sind. § 9 Ziff. 3 des Generalübernehmervertrages ist aber unwirksam, weil diese Klausel gegen § 9 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 AGBG verstößt. Die Klausel benachteiligt den Vertragspartner des Verwenders, ersichtlich die Hauptschuldnerin, unangemessen. Diese Bestimmung weicht von einem wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung ab und ist mit dieser nicht zu vereinbaren.
Die gesetzliche Regelung des § 638 Abs. 2 BGB - an dieser und nicht an der VOB/B, die selbst nur Vertragsqualität hat, ist zu messen - bestimmt für den Beginn des Laufes der Verjährung den Zeitpunkt der Abnahme des Werkes. Zur Abnahme ist der Besteller aber bereits dann verpflichtet, wenn das bestellte Werk im Wesentlichen mangelfrei ist, nicht erst dann, wenn keinerlei Mängel mehr festgestellt werden können. Gemäß § 640 Abs. 2 BGB muss sich der Besteller wegen seiner Gewährleistungsansprüche für bei der Abnahme festgestellte Mängel seine Rechte vorbehalten und kann wegen dieser Mängel Gewährleistungsansprüche gemäß den §§ 633, 634 BGB geltend machen. Der Zeitpunkt der Abnahme wird dadurch nicht berührt, der Zeitpunkt des Beginns des Laufes der Verjährungsfrist auch nicht.
Die gesetzliche Regelung schafft im Interesse des Werkunternehmers Rechtssicherheit über den Lauf der Verjährungsfrist. Davon weicht die Klausel in § 9 Ziff. 3 des Generalübernehmervertrages vom 20. Juni 1990 unangemessen ab. Sie führt zu einer unbilligen Belastung des Werkunternehmers und zu Rechtsunsicherheit. Diese Klausel ist deshalb unwirksam.
b)
Der Lauf der Gewährleistungsfrist begann somit mit der Abnahme der Häuserreihe 2. Diese Häuserreihe 2 ist ein in sich abgeschlossener Teil der Leistung der Hauptschuldnerin und von den übrigen Teilleistungen aus demselben Bauvertrag unabhängig anzusehen. Denn ihre Gebrauchsfähigkeit kann abschließend für sich beurteilt werden, und zwar in technischer Hinsicht als auch im Hinblick auf die vorgesehene Nutzung. Daran ändert auch nichts, dass sie die Fertigstellung nur eines Hauses war, obwohl mehrere solcher Objekte nach demselben Vertrag zu errichten waren (Ingenstau/Korbion, VOB, 13. Aufl., B, § 12 Nr. 2 Rdnr. 72). Die Abnahme der Häuserreihe 2 erfolgte am 14. Oktober 1992 (Protokoll vom selben Tage des Dipl.Ing. #######).
c)
Der Lauf der Verjährungsfrist wurde nicht unterbrochen.
ca)
Die Hauptschuldnerin wurde nicht verklagt, ihr wurde kein Mahnbescheid zustellt, die Ansprüche gegen die Hauptschuldnerin wurden auch nicht zur Konkurstabelle angemeldet. Daran scheitern Unterbrechungen des Laufes der Verjährungsfrist gemäß §§ 209 Abs. 1 Nr. 2, Nr. 1 und Abs. 2 Nr. 2 BGB. Allein die Durchführung des Konkursverfahrens über das Vermögen der Hauptschuldnerin kann den Lauf der Verjährungsfrist nicht unterbrechen (BGH NJW 1986, 310 - 312).
cb)
Der Lauf der Verjährungsfrist ist auch nicht durch ein Anerkenntnis unterbrochen worden. Die Hauptschuldnerin hat keine Erklärungen zu den streitbefangenen Ansprüchen abgegeben. Das Schreiben der Beklagten vom 12. Dezember 1996 stellt kein Anerkenntnis des streitbefangenen Anspruchs gemäß § 208 BGB dar, zumal - wie ausgeführt - nicht zu erkennen ist, auf welche Ansprüche sich dieses Schreiben und die Zahlung von 2.350 DM entsprechend diesen Schreiben bezieht. Hinzu kommt, dass die Zahlung nur "ohne Anerkennung einer Rechtspflicht und Präjudiz für die Zukunft" erfolgt ist, sodass sich schon aus den Erklärungen der Beklagten nicht klar und unzweideutig ergibt, dass ihr das Bestehen der Schuld bewusst ist.
cc)
Der Lauf der Gewährleistungsfrist ist auch nicht gemäß § 13 Nr. 5 Abs. 1 Satz 2 VOB/B durch das Schreiben der Zedentin an die Hauptschuldnerin vom 27. Oktober 1992 (Anlage zur Berufungserwiderung vom 9. Mai 2000, Bl. 155 d. A.) unterbrochen worden. Denn dieses Schreiben bezieht sich auf einen "Mängelbericht des Sachverständigen bezüglich der Abnahme des Gemeinschaftseigentums der Reihen 1 und 2". Dies ist das Abnahmeprotokoll des Sachverständigen ####### vom 14. Oktober 1992. Andere Abnahmeprotokolle und Gutachten existierten in diesem Zeitpunkt noch nicht. Erst das Abnahmeprotokoll des Dipl.Ing. ####### vom 22. Juli 1993 (Ziff. 7 und 15 dort) und vom 31. Mai 1995 (Ziff. 7 und "zu 1" dort) betreffen Wasserablaufspuren am Außenputz, die, dann im Gutachten des Sachverständigen ####### vom 18. Oktober 1996 (a. a. O.) näher beschrieben, Gegenstand des hier geltend gemachten Anspruches sind. Deshalb konnte - die hier in Rede stehenden Mängel waren noch nicht einmal sichtbar geworden - die Mängelrüge vom 27. Oktober 1992 keine Auswirkung auf die Mängel haben, die Gegenstand vorliegenden Verfahrens sind.
dd)
Spätere Mängelrügen und Anspruchsschreiben der Klägerin und der Zedentin gegenüber der Beklagten haben keinen Einfluss auf den Lauf der Verjährung der Ansprüche zwischen der Zedentin und der Hauptschuldnerin. Das Schicksal der Bürgschaftsschuld und der gesicherten Hauptschuld sind unabhängig voneinander (vgl. Ingenstau/Korbion, a. a. O., § 17 Nr. 4 Rdnr. 60 m. w. N.).
2.
Wegen des Eintrittes der Verjährung ist der Anspruch aus dem Bürgschaftsvertrag nicht mehr durchsetzbar, auch wenn dieser Anspruch eine Sicherheitsleistung im Sinne des § 17 Nr. 8 VOB/B darstellt. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Vereinbarung in § 9 des Generalübernehmervertrages (a. a. O.) eine gehörige Einbeziehung auch des § 17 VOB/B in den Bauvertrag zwischen Zedentin und Hauptschuldnerin darstellt. Denn aus einer Gewährleistungsbürgschaft kann wegen des Zurückbehaltungsrechts gemäß § 17 Nr. 8 Satz 2 VOB/B nur dann nach Ablauf der Verjährungsfrist der Hauptschuld noch Zahlung verlangt werden, wenn zu dieser Zeit verbürgte Ansprüche noch nicht erfüllt sind. Das setzt aber voraus, dass vor Ablauf der Verjährungsfrist solche Ansprüche bereits angemeldet, die entsprechenden Mängel in unverjährter Zeit gegenüber dem Unternehmer gerügt waren (BGHZ 121, 168 f., Kaiser, Das Mängelhaftungsrecht in Baupraxis und Bauprozess, 7. Aufl., Rdnr. 228, Ingenstau/Korbion a. a. O., § 17 Rdnr. 105). Daran fehlt es jedoch, insbesondere stellt das Schreiben der Zedentin an die Hauptschuldnerin vom 27. Oktober 1992 keine solche gehörige Mängelrüge dar.
B.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 2 ZPO hinsichtlich der Kosten des Rechtsmittelverfahrens, auf § 91 ZPO hinsichtlich der übrigen Kosten des Rechtsstreits.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens waren der obsiegenden Beklagten insgesamt aufzuerlegen, weil sie nur aufgrund eines neuen Vorbringens obsiegt hat, dass sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen im Stande gewesen wäre. Die Beklagte hat erst im Berufungsverfahren die erfolgreiche Einrede der Verjährung erhoben. Die Klage wurde nur deshalb abgewiesen, weil die Ansprüche wegen der Erhebung der Einrede der Verjährung nicht mehr durchsetzbar sind.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10 und 713 ZPO.
Streitwertbeschluss:
Streitwert und Beschwer: 10.001,00 DM.