Amtsgericht Peine
Urt. v. 25.02.2004, Az.: 18 C 78/03

Ansprüche auf Zahlungen aus einem Mietverhältnis; Anspruch auf Zahlung von Umsatzsteuer für durch einen Sachverständigen festgestellte fiktive Wiederherstellungskosten einer beschädigten Treppenstufe; Die Überschreitung des vertragsgemäßen Gebrauchs im Rahmen eines Mietverhältnisses als Verletzung einer Obhutspflicht i. S. e. nicht-leistungsbezogenen Nebenpflicht; Wirksamkeit einer Formularmietvertragsklausel mit Inhalt der Verpflichtung zur Durchführung einer jährlichen Heizungswartung durch eine Fachfirma

Bibliographie

Gericht
AG Peine
Datum
25.02.2004
Aktenzeichen
18 C 78/03
Entscheidungsform
Schlussurteil
Referenz
WKRS 2004, 36086
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:AGPEINE:2004:0225.18C78.03.0A

Fundstelle

  • NZM 2005, 799-800 (Volltext mit red. LS)

Verfahrensgegenstand

Forderung aus Mietvertrag

In dem Rechtsstreit
hat das Amtsgericht Peine
auf die mündliche Verhandlung vom 18.02.2004
durch
den Richter am Amtsgericht ...
für Recht erkannt:

Tenor:

  1. 1.

    Die Beklagten werden unter Abweisung der weiter gehenden Klage als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 787,23 EUR nebst Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.08.2003 zu zahlen.

  2. 2.

    Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger bis zur Höhe von 327,29 EUR die Umsatzsteuer zu ersetzen, die für die Reparatur der beschädigten Treppenstufen in dem vormals vermieteten Einfamilienhaus unter der Anschrift ... tatsächlich anfällt.

  3. 3.

    Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 9/20 und die Beklagten als Gesamtschuldner zu 11/20.

  4. 4.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 105% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

  5. 5.

    Der Streitwert übersteigt nicht 2.000,00 EUR.

Tatbestand

1

(abgekürzt gemäß § 313b ZPO, soweit durch Teilanerkenntnisurteil entschieden wurde)

2

Die Beklagten mieteten von dem Kläger durch Formularmietvertrag vom 22.03.2000 ein Einfamilienhaus in der ... .Es waren eine monatliche Kaltmiete in Höhe von 1.100,00 DM und monatliche Nebenkostenvorauszahlungen in Höhe von 100,00 DM vereinbart. Unter § 8 (Heizung) enthielt der Mietvertrag folgende Klausel (Blatt 9 GA):

"Die Heizungsanlage wird, vorbehaltlich anderer Vereinbarungen, vom Mieter eigenverantwortlich und auf eigene Kosten betrieben (...) Die Beschaffung der Brennstoffe obliegt dem Mieter. Er ist verpflichtet, die Heizungsanlage einmal jährlich in regelmäßigen Abständen durch einen Fachmann, bei Gasanlagen jedoch durch eine Heizungsfirma warten zu lassen."

3

Das Mietverhältnis wurde durch Kündigung der Beklagten zum 28.02.2003 beendet. Während der Mietzeit der Beklagten wurden die aus Buchenholz gefertigten Stufen einer Wendeltreppe in dem Mietobjekt mit blauer Lackfarbe verschmiert und beschädigt. Der Wiederherstellungsaufwand, der im Laufe des Rechtsstreits mit einem von dem Parteien nicht angegriffenen Gutachten des Sachverständigen Tischlermeister ... ermittelt wurde, beträgt netto 2.045,60 EUR zuzüglich Mehrwertsteuer in Höhe von 327,29 EUR. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt des schriftlichen Gutachtens Bezug genommen (Blatt 39-44 GA). Den Beklagten steht demgegenüber unstreitig ein Kautionsguthaben in Höhe von 785,87 EUR zu; weiterhin zahlte die Privathaftpflichtversicherung der Beklagten im Kulanzwege einen Betrag in Höhe von 500,00 EUR auf den Schadenersatzanspruch wegen der beschädigten Treppenstufen.

4

Unter dem 24.06.2003 erstellte der Kläger eine Abrechnung über die "mietrechtlichen Nebenabgaben" (Blatt 49-50 GA) für den Zeitraum 01.01.2002 bis zum 28.02.2003, die mit einem Abrechnungssaldo zu Gunsten des Klägers in Höhe von 102,90 EUR schließt. Diese Abrechnung enthielt eine Position "Reinigung des Gasheizkessels und des Warmwasserspeichers" in Höhe von 75,40 EUR. Zu diesem Betriebskostenansatz sah sich der Kläger dadurch veranlasst, dass es nach dem Auszug der Beklagten durch die ... im März 2003 Wartungsarbeiten an diesen Geräten ausführen ließ, die von den Beklagten während der dreijährigen Mietzeit nicht durchgeführt worden sind.

5

Der Kläger macht weiterhin geltend, dass die Beklagten jedenfalls seit Anfang 2001 durchgehend ihre Mietzahlungen nicht pünktlich zum dritten Werktag eines jeden Monats gezahlt hätten und errechnet sich im einzelnen näher dargestellte Verzugszinsansprüche in einer Gesamthöhe von 58,18 EUR (Blatt 51 GA).

6

Der Kläger meint, dass die Wartungsklausel in dem Formularmietvertrag wirksam sei. Insbesondere hält er das Fehlen einer Kostenobergrenze für die vom Mieter zu tragenden Wartungskosten für unschädlich, weil die Kosten der Wartung einer mitvermieteten Heizungsanlage zu den Betriebskosten gehören, die der Vermieter nach Anlage 3 zu § 27 der II. BV ohnehin ohne jede Beschränkung an den Mieter weitergeben dürfe. Weiterhin ist er der Auffassung, dass der Kläger auch bei fiktiver Abrechnung auf Gutachtenbasis den vollen Bruttobetrag verlangen könne, weil die Beschädigung der Treppenstufen vor dem 01.08.2002 erfolgt sei.

7

Der Kläger beantragt,

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger 1.683,73 EUR nebst Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.08.2003 zu zahlen.

8

hilfsweise:

festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger bis zur Höhe von 327,29 EUR die Umsatzsteuer zu ersetzen, die bei der Reparatur der beschädigten Treppenstufen in dem vormals vermieteten Einfamilienhaus unter der Anschrift ... tatsächlich anfällt.

9

Die Beklagten haben in der mündlichen Verhandlung vom 18.02.2004 den Zahlungsanspruch in Höhe von 759,73 EUR nebst Verzugszinsen sowie den Hilfsantrag anerkannt und beantragen im Übrigen,

die Klage abzuweisen.

10

Hinsichtlich der weiter gehenden Einzelheiten des beiderseitigen Parteivortrages wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten und bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung zu den Akten gelangten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen, § 313 Abs. 2 ZPO.

Entscheidungsgründe

11

Die zulässige Klage hat mit dem noch im Streit befindlichen Teil des ursprünglichen Zahlungsantrages nur noch geringen Erfolg.

12

I.

Der Kläger kann gemäß § 535 Abs. 2 BGB von den Beklagten weitere 27,50 EUR aus der unstreitig gebliebenen Betriebskostenabrechnung vom 24.06.2003 verlangen. Darüber hinaus gehende Zahlungsansprüche stehen dem Kläger nicht zu.

13

1.

Die Beklagten schulden dem Kläger derzeit noch keine Umsatzsteuer auf den Betrag, den der Schadenverständige Klages in seinem nicht angegriffenen Gutachten als fiktive Kosten für die Wiederherstellung der durch Lackfarbe beschädigten Treppenstufen ermittelt hat. Gemäß § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB hat der Geschädigte nur dann und nur insoweit Anspruch auf Ersatz von Umsatzsteuer, soweit diese tatsächlich angefallen ist. Diese Vorschrift ist zwar nicht auf solche Sachverhalte anzuwenden, in denen das "schädigende Ereignis" vor dem 31.07.2002 eingetreten ist, Art. 229 § 8 Abs. 1 EGBGB. Es ist in diesem Zusammenhang jedoch nicht darauf abzustellen, ob die Treppenstufen vor oder nach dem 31.07.2002 beschädigt worden sind. Dies ergibt sich aus dem Folgenden:

14

Auf das Mietverhältnis der Parteien waren seit dem 01.01.2003 gemäß Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches in der Fassung des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes anzuwenden. Voraussetzung für einen direkt auf Geldzahlung gerichteten Schadensersatzanspruch wegen Beschädigung der Mietsache ist nach den §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB die vom Mieter zu vertretende Verletzung einer nicht-leistungsbezogenen Nebenpflicht, die zu einer Schadensverursachung führt. Hierzu zählt insbesondere der Verstoß gegen die Obhutspflicht, die zu einer Überschreitung des vertragsgemäßen Gebrauchs führt. Hat sich allerdings - wim ordnungsgemäßen Zustand verpflichtet, handelt es sich bei insoweit übernommenen Verpflichtung zur Beseitigung etwaiger Schäden um eine echte Leistungspflicht. In diesem Falle ergibt sich für den Vermieter ein Schadenersatzanspruch statt der Leistung nach §§ 280 Abs. 3, 281 BGB erst dann, wenn der auf ordnungsgemäße Rückgabe der Mietsache gerichtete primäre Wiederherstellungsanspruch entweder wegen Ablaufes einer nach § 281 Abs. 1 BGB bestimmten Frist oder unter den Voraussetzungen des § 281 Abs. 2 BGB in einen auf Geldzahlung gerichteten Schadenersatzanspruch umgewandelt wurde (vgl. hierzu Schmidt/ Futterer-Gather, Mietrecht, 8. Aufl., Rn. 89 ff. zu § 546). Erst zu diesem Zeitpunkt steht die vertragliche Pflichtverletzung des Mieters fest, die dann gleichzeitig das "schädigende Ereignis" im Sinne von Art. 229 § 8 Abs. 1 EGBGB darstellt (vgl. hierzu Langenberg NZM 2002, 472, 476; Horst NZM 2003, 537, 541).

15

2.

Ebenfalls steht dem Kläger kein Anspruch auf die in der Betriebskostenabrechnung vom 24.06.2003 enthaltenen Kosten für die im März 2003 veranlasste Wartung der Gasheizung und des Warmwasserspeichers zu. Die in § 8 des Formularmietvertrages enthaltene Klausel, wonach der Mieter verpflichtet ist, die Heizungsanlage einmal jährlich durch einen Fachmann - bei Gasanlagen durch eine Heizungsfirma - warten zu lassen, verstößt gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB und ist daher unwirksam.

16

Der BGH hat in seiner Entscheidung vom 15.05.1991 (in NJW 1991, 1750, 1752) [BGH 15.05.1991 - VIII ZR 38/90] ausgesprochen, dass eine Klausel, die den Mieter ohne eine betragsmäßige Obergrenze zur Tragung der Wartungskosten für eine Therme verpflichtet, unwirksam ist. Für den Mieter, dem der Wartungsvertrag nicht vorzulegen ist, seien die für die mitvermieteten Thermen zusätzlich zu zahlenden Wartungskosten nicht überschaubar. Die Belastung mit einem nicht voraussehbaren und auch der Höhe nach nicht begrenzten Kostenaufwand, der neben der Miete und u.U. einem für Kleinreparaturen zulässigerweise angesetzten Höchstbetrag aufzubringen ist, benachteilige aber den Mieter unangemessen im Sinne des § 307 BGB (BGH a.a.O.). Dieser Rechtsprechung haben sich die Instanzgerichte in der Folgezeit überwiegend angeschlossen (vgl. AG Charlottenburg v. 06.01.1999, GE 1999, 577; AG Schöneberg v. 14.03.1996, GE 1996, 681; AG Osnabrück v. 17.08.1992, WuM 1992, 602), wobei der tragende Gedanke dieser Entscheidung, der sich eigentlich nur mit der Frage unangemessenen Benachteiligung des Mieters durch die Verpflichtung zur Kostenübernahme befasst, grundsätzlich auf jede dezentrale Heizungs- oder Warmwasserbereitungsanlage anwendbar ist. Ob die dargestellte Auffassung des BGH zur Frage der Kostenübernahme durch den Mieter vor dem Hintergrund zu überzeugen vermag, dass es sich bei den Wartungskosten für dezentrale Heizungs- und Warmwasserbereitungsanlage um solche Betriebskosten handelt, die nach Anlage 3 zu § 27 der II. BV auf den Mieter umgelegt werden können, braucht im vorliegenden Fall nicht entschieden zu werden. Unabhängig von der Frage der Angemessenheit einer unbegrenzten Kostenübernahme ist eine Wartungsklausel jedenfalls dann unwirksam, wenn sie den Mieter dazu verpflichtet, Wartungsaufträge an Drittunternehmen selbst zu vergeben.

17

Die Überbürdung der Wartungsverpflichtung weicht vom wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung des § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB ab, nach der die Instandhaltung der Mietsache zum Zwecke der Erhaltung des vertragsgemäßen Gebrauchs, zu der auch Wartungen der mitvermieteten technischen Einrichtungen gehören, dem Vermieter als Hauptpflicht aus dem Mietverhältnis obliegt. Insoweit können der Wirksamkeit einer Wartungsklausel im Hinblick auf § 536 Abs. 4 BGB grundsätzlich die gleichen Bedenken entgegengehalten werden, die einer Vornahmeklausel bezüglich durchzuführender Instandsetzungsreparaturen begegnen muss (vgl. hierzu BGH v. 06.05.1992, NJW 1992, 1759, 1760). Die Abwälzung der Wartung führt im Ergebnis dazu, dass der Mieter selbst die eigentlich dem Vermieter obliegenden Maßnahmen ergreifen muss, welche den Eintritt eines minderungsrelevanten Ausfalls der Einrichtungen verhindern sollen (vgl. Schmidt/Futterer-Langenberg, a.a.O, Rn. 54 zu § 538 BGB). Der Mieter wird annehmen müssen, dass ihm wegen des Ausfalls der Heizungs- oder Warmwasseranlage keine Gewährleistungsansprüche gegen den Vermieter zustehen, wenn dieser Schaden bei ordnungsgemäßer Wartung des Gerätes hätte vermieden werden können. Zutreffend ist zwar die Überlegung, dass es der Mieter in diesem Falle selbst in der Hand hätte, Preisvergleiche zwischen den verschiedenen Heizungsunternehmen anzustellen und sich für ein günstiges Angebot zu entscheiden. Andererseits wären mit einer Verpflichtung, Wartungsleistungen selbst in Auftrag zu geben, für den Mieter weiter gehende Nachteile verbunden. Der Mieter wäre verpflichtet, die gesamten rechtlichen Risiken aus dem Vertragsverhältnis, insbesondere im Falle der Schlechterfüllung zu tragen. Der Mieter müsste bei der. Vergabe des Wartungsauftrages besonders sorgfältig beobachten, den Umfang der von dem Fremdunternehmen zu erbringenden Tätigkeiten gegen Instandsetzungsmaßnahmen an der Heizungsanlage (z.B. die Erneuerung von Verschleißteilen) genau abzugrenzen, weil der Mieter zur Vornahme der Instandsetzung der Mietsache auf keinen Fall verpflichtet werden kann. Dieser Zusammenhang wird den meisten Mietern kaum bewusst sein. Würden solche Instandsetzungsarbeiten im Rahmen des Wartungsauftrages miterledigt, müsste der Mieter gegenüber dem Drittunternehmen insoweit in Vorlage treten und seine diesbezüglichen Ersatzansprüche gegenüber dem Vermieter verfolgen. Die Überbürdung der Wartungsverpflichtung auf den Mieter als Vornahmepflicht ist deshalb stets als eine unangemessene Benachteiligung des Mieters im Sinne von § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB anzusehen (vgl. im Ergebnis ebenso AG Langenfeld v. 08.06.1994, WuM 1995, 37; Schmidt/Futterer-Langenberg, a.a.O.).

18

3.

Der Kläger hat ebenfalls keinen Anspruch auf Zahlung von 58,18 EUR für Verzugszinsen wegen der seit Januar 2001 bis zum Ende des Mietverhältnisses im Februar 2003 unpünktlich gezahlten Miete. Diese Ansprüche sind verwirkt (§ 242 BGB), nachdem sie erstmals zehn Monate nach Beendigung des Mietverhältnisses geltend gemacht wurden und der Kläger durch Schreiben vom 24.06.2003 über die Mietkaution abgerechnet hat. Danach konnten die Beklagten davon ausgehen, dass der Kläger seine restlichen Ansprüche aus dem Mietverhältnis abschließend dargestellt hat und mit weiteren Nachforderungen nicht mehr zu rechnen ist.

19

II.

Der Zinsanspruch beruht auf §§ 280 Abs. 2, 286, 288 BGB

20

III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.

Streitwertbeschluss:

Der Streitwert übersteigt nicht 2.000,00 EUR.